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Unsere Filmkritiken im Feb. 2020, Teil 2

Diesmal nur zwei Filmkritiken kurz vor der Berlinale. Nächste Woche starten zwar wieder mehr Filme, deren Kritiken wir aber aus Zeitgründen vermutlich erst im März veröffentlichen können.



"BOMBSHELL - Das Ende des Schweigens" Biopic-Drama von Jay Roach (USA, Kanada). Mit Charlize Theron, Nicole Kidman, Margot Robbie u.a. seit 13. Februar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

„Bombshell - Das Ende des Schweigens“, der richtige Film zur richtigen Zeit. Während in New York der Prozess gegen Harvey Weinstein, der von einer ausgebufften Anwältin verteidigt wird, läuft und die Grand Jury in kürze das Urteil fällt, widmet sich Regisseur Jay Roach („Trumbo“) einem ähnlichen Fall von sexueller Belästigung in der Medienbranche, der im Juli 2016 für den Rücktritt des Chefs Roger Ailes, des erzkonservativen US- Nachrichtensenders Fox News sorgte. Die besondere Stärke des brisanten Dramas ist, wie gnadenlos eng die Charaktere und die Handlung mit den realen Personen und Ereignissen übereinstimmen. Wohlverdient hat „Bombshell“ den Oscar für bestes Makeup gewonnen, denn die Hauptakteurinnen Charlize Theron und Nicole Kidman sind kaum wiederzuerkennen.

Die ehemaligen Miss America und Stanford Absolventin Gretchen Carlson (Nicole Kidman), die seit elf Jahren bei Fox News als Moderatorin arbeitet und die auf einen zeitlich benachteiligten Sendeplatz verwiesen wurde, wagt es als erste, wegen Demütigungen und sexuellen Übergriffen, Klage gegen Ailes einzureichen. Es dauert, bis auch die ehrgeizige Starmoderatin Megyn Kelly (Charlize Theron) diesen Schritt wagt. Couragiert stellt sie den Präsidentschaftskandidaten Donal Trump wegen seiner frauenfeindlichen Äusserungen öffentlich zur Rede und wird deswegen von ihm auf Twitter auf übelste Weise beleidigt.

Als sie Ailes um Schutz bittet, reagiert dieser nicht. Er und Trump sind soetwas wie Seelenverwandte, was Frauenverachtung anbelangt. Ihr Makeup muss dick aufgetragen werden, denn kein Mensch will Frauen während ihrer Menstruation schwitzen sehen. Die Kleider müssen kurz sein, je kürzer um so besser, denn die Tische in den Sendestudios sind nicht umsonst aus Glas.

Wer bei den Großen mitspielen will, muss sich anpacken lassen und läuft es nicht rund, mach's mit dem Mund. So lautete das Diktat im Hause Ailes. Besonders wütend wird man, als die ehrgeizige Volontärin Kayla Pospisil hinter verschlossenen Türen auf ihre Fernsehtauglichkeit geprüft wird. Sie wird genötigt, ihr Kleid höher und höher zu ziehen, sich langsam zu drehen, um die Länge ihrer Beine zu prüfen. „Es ist ein visuelles Medium“ lautet die Begründung. Verstört verlässt Kayla den Raum. Auch sie schließt sich den beiden Frauen an und geht an die Öffentlichkeit. Es dauerte ewig, bis die ehrgeizigen Frauen, die skrupellos auf ihre Bildschirmpräsenz versessen waren und die rechtslastige Politik gegen ihre eigene Meinung vertraten, endlich Solidarität zeigten. 23 Frauen meldeten sich und berichteten über die sexuellen Übergriffe des über 70-jährigen Roger Ailes, der von dem übermächtigen Rupert Murdoch letztendlich gefeuert wurde.

„Bombshell“ ist ein wichtiger Film, der auf bestürzende Weise die männerdominierenden Machtverhältnisse in der Medienbranche zeigt. Und gewiss nicht nur dort. Es lebe die #Me-Too-Bewegung.

Ulrike Schirm


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"NIGHTLIFE" Komödie von Simon Verhoeven (Deutschland). Mit Elyas M'Barek, Frederick Lau, Palina Rojinski u.a. seit 13. Februar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Barkeeper Milo (Elyas M´Barek) fühlt sich zu alt für das Nachtleben. Er und sein Kumpel Renzo Frederick Lau) träumen davon eine eigene Bar zu eröffnen und den Nachtdienst ihren Angestellten überlassen. Das nötige Geld versuchen sie über einen Bankkredit zu bekommen. Der durchgeknallte Bankangestellte (Leon Ullrich), ein Spieleabendfanatiker, lehnt ab. Stattdessen lädt er die beiden zu einem ihrer „lustigen“ Spieleabende ein.

Der naiv tumbe Renzo heuert als Kurierfahrer an, seine Auftraggeber sind russische Drogengangster. Dumm nur, dass ihm der Stoff, drei Kilo Kokain, geklaut wird und die zwielichtigen Gestalten als Entschädigung 150.000 Euro verlangen, die er bis zum nächsten Morgen auftreiben soll. Milo und Renzo sehen blass aus. Milo, der ein Date mit seiner Traumfrau Sunny (Palina Rojinski) hat, die für eine Weile nach Amerika gehen will, weil sie der Meinung ist, dass man im Berliner Nachtleben nur Verrückte kennenlernt, schließt sich den beiden Flüchtenden an. Es folgt eine Hetzjagd durch die Stadt. Ein romantisches Date sieht anders aus. Auf ihrem Fluchtweg landen sie in angesagten Bars, verruchten Discotheken, bei einem spießigen Tanz-Etablissement, in dem sich auch Grit Boettcher amüsiert und zu guter Letzt verstecken sie sich bei den feuchtfröhlichen Teilnehmern des Spieleabends.

Unter „Nightlife“ stellt man sich was anderes vor. Die abstruse Geschichte glänzt stellenweise mit Wortwitz, wirkt aber andererseits bemüht. Wirklich Spaß macht die Figur des abgebrühten und boshaften Gangsterbosses (Nicholas Ofczarek), der unter der Fuchtel seiner herrischen Ehefrau steht.

Simon Verhoeven („Willkomen bei den Hartmanns“) wollte seinen Film schon vor Jahren machen, als er noch selbst des Öfteren um die Häuser gezogen ist. Mit wahrem Nachtleben hat der Film wenig zu tun, eher mit einer Krimigroteske. Humor ist vergleichbar mit dem Essen. Dem einen schmeckt's, dem anderen nicht.

Ulrike Schirm


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