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Antwort der Filmverleiher auf offenen Brief der Produzenten

Offener Brief: Verleiherverbände vs. Produzentenverbände.




In einem offenen Brief an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters forderten die beiden bedeutenden Verbände der Film- und Fernseh-Produzenten eine Neuregelung der Erlösverteilung bei Kinofilmen. Blickpunkt:Film hatte den vollen Wortlaut am 22. Januar 2020 veröffentlicht, den wir in verkürzter Form auch unseren Lesern am 30. Januar 2020 im BAF-Blog zur Verfügung stellten.

Auf die Forderungen von Produzentenverband und Produzentenallianz haben nunmehr Björn Hoffmann (Vorsitzender AG Verleih) und Johannes Klingsporn (Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher - VdF) ihrerseits in einem offenen Brief, den wiederum mediabiz in Blickpunkt:Film gestern, den 06. Februar 2020 veröffentlicht hat, der aber auch in den sozialen Medien wie tumblr.com verbreitet wurde, ablehnend geantwortet.

Offener Brief der Filmverleiher zur Produzenten-Forderung nach neuen Erlösverteilungsmodellen.

Am 22. Januar 2020 haben Produzentenverband und Produzentenallianz einen offenen Brief an die Staatsministerin Prof. Grütters sowie die politischen Verantwortlichen für Filmförderung der Parteien CDU und SPD versandt.

In diesem Brief fordern die beiden Verbände eine grundlegende Veränderung der Erlösverteilung bei Kinofilmen zugunsten der Produzenten und zulasten der Filmverleiher. Diesem Brief gingen intensive Gespräche unter dem Dach der SPIO voraus, bei denen die Forderung der Produzenten, einen Betrag i.H. ihrer in die Produktion eingebrachten Eigenmittel erstrangig, d.h. bevor der Verleih einen Deckungsbeitrag für seine Leistung erwirtschaften kann, ausgeschüttet zu bekommen, umfassend besprochen wurde. Diese geforderte erstrangige Erlösbeteiligung der Produzenten kommt einem Zwangskorridor gleich, gegen den sich beide Verleihverbände eindeutig ausgesprochen haben. Im Ergebnis würde der Vorschlag der Produzentenverbände zu einer Belohnung der Erfolglosen und zu einem beispiellosen De-Investment in die Herstellung und Vermarktung deutscher Kinofilme führen.

Die Verleiher haben großen Respekt vor der Leistung ihrer Produktionspartner und Verständnis für den Wunsch nach Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen Situation. Die Verleiher haben dementsprechend den Wunsch der Produzenten nach Verdopplung ihrer Produzentenhonorare (von 125.000 Euro auf 250.000 Euro bei Herstellungskosten von 5 Mio. Euro) und Erhöhung ihrer Handlungskosten (um 33,3 Prozent) unterstützt und im Zuge der FFG-Diskussion Vorschläge entwickelt, wie die Finanzierungs- und Erlössituation der Produzenten verbessert werden kann. Ein Mechanismus aber, der die angespannte Erlössituation der Verleiher grundsätzlich verschlechtert und ihre ökonomische Situation völlig ignoriert, ist weder SPIO-kompatibel noch realistisch - und daher für AG Verleih und VdF indiskutabel.

Bereits bei der letzten FFG-Novelle 2016 gab es konkrete Vorschläge zur Einführung eines Korridors, die aber vom Parlament nicht übernommen worden sind. Für die Ablehnung eines Korridors gab und gibt es viele gute Gründe.

Zwangskorridor - Was ist das überhaupt?

Vorschläge für einen Erlöskorridor knüpfen in der Regel an einer anderen Aufteilung der Filmmiete an. Der durchschnittliche Anteil des Verleihs an den Nettoeinnahmen aus Ticketverkäufen beträgt laut Kinostudie circa 42-44 Prozent; wir nehmen im folgenden Rechenbeispiel 43 Prozent an. Bei einem Umsatz aus dem Verkauf von Kinotickets in Höhe von 232 Euro erhält der Theaterbetreiber im Durchschnitt 57 Prozent; gerundet also 132 Euro; den Rest i.H.v. 100 Euro erhält der Verleih als "Filmmiete" (ohne Berücksichtigung von Mehrwertsteuer und Filmabgabe).

Bei FFA-geförderten Kinofilmen darf der Verleih aus der Filmmiete 65 Prozent mit seinen investierten Vorkosten (Minimumgarantie und Herausbringungskosten) verrechnen, bevor dieser Prozentsatz an den Produzenten zur Auszahlung kommt, maximal 35 Prozent der Filmmiete stehen dem Verleih zur Deckung seiner Personal-, Overhead- und sonstigen Kosten und, nur im Erfolgsfall, zur Erzielung eines Gewinns zu. In dem offenen Brief der Produzenten hingegen wird der Eindruck erweckt, als wären diese 35 Prozent bereits der Verleihgewinn. (Auch bei der Auswertung ausländischer Filme in den deutschen Kinos erfolgt die Refinanzierung der Garantiezahlung und der Vorkosten aus dem Produzentenanteil; allerdings ist der Verleihspesensatz bei ausländischen Filmen frei verhandelbar und in der Regel höher).

Bei einem Erlöskorridor für den Produzenten soll vor der Rückführung der Investitionen des Verleihs und vor Erzielung eines Deckungsbeitrags für dessen Overhead-Kosten ein bestimmter Anteil der Filmmiete vorab an den Hersteller fließen. Der Verleih hätte dann in unserem Beispiel nicht mehr 100 Euro zur Abdeckung seiner Leistungen zur Verfügung, sondern je nach Höhe des Korridors einen niedrigeren Betrag.

Erlös- versus Zwangskorridor

Seit vielen Jahren vereinbaren Verleiher bei Verleihverträgen mit Produzenten Erlöskorridore. Die Bereitschaft zur Vereinbarung eines Korridors hängt unmittelbar mit den geschäftlichen Erwartungen des Verleihs an den Vertragsfilm und seiner Gesamtinvestition zusammen. Je höher das Zuschauerpotenzial eines Films in Relation zu den Verleihinvestitionen, desto eher gelingt es Produzenten, einen Erlöskorridor durchzusetzen. Zumal bei erfolgreichen Filmen, die die Recoupmentstufe erreichen, ein Korridor lediglich eine Vorabzahlung von ohnehin zu zahlenden Erlösanteilen darstellt. Verständlicherweise gelingt es hingegen kaum, für besonders risikoreiche Produktionen oder Filme mit absehbar geringen Zuschauerzahlen Erlöskorridore zu vereinbaren.

Wenn der Erlöskorridor allerdings gesetzlich vorgeschrieben werden soll, greift der Gesetzgeber massiv in die Vertragsfreiheit der Beteiligten ein. In diesem Fall wird der Erlöskorridor zu einem Zwangskorridor, der zusätzliche Zahlungen an den Produzenten auch bei Flops garantieren würde.

Die Verteilung des ökonomischen Risikos

Ökonomisch sind die Folgen eines Korridors einfach ableitbar. Bei einer durchschnittlichen Kinofilmproduktion mit einer Minimumgarantie durch den Verleih ist das eingesetzte Kapital des Verleihs in der Regel deutlich höher als das des Produzenten.

Im Regelfall hat der Produzent am Ende des Herstellungsprozesses eines Kinofilms einen Erlös erzielt. Er kann die geforderten Eigenmittel in Höhe von 5 Prozent zum Teil durch Verleihgarantien darstellen und über die Kombination aus Produzentenhonorar und Handlungskosten einen betriebsbezogenen Wertezuwachs (Erlös) erzielen. Zusätzlich kann er seine Mitarbeiter, die bei der Filmherstellung tätig sind, aus dem Budget finanzieren. (Der Produzent verdient demnach an der Produktion und kann zusätzliche Erlöse durch weltweite Auswertungen erzielen).

Auf Verleihseite besteht zu diesem Zeitpunkt ein betriebsbedingter Werterückgang in Höhe der Minimumgarantie. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Filmvermarktung sind Media- und Non-Media-Kosten zu finanzieren. Der Eigenanteil der Verleiher an den Vermarktungskosten liegt bei circa 60-70 Prozent, der Rest kann durch Verleihförderungen finanziert werden. Hinzu kommen die allgemeinen Verleihkosten. Hierunter fallen die Gehälter der Mitarbeiter, Büromiete, Kosten der Buchhaltung, der EDV, sowie Kosten für einen externen Vertriebspartner, wie ihn mittelständische Verleiher regelmäßig nutzen. All diese Kosten sind kein Bestandteil der aus dem Produzentenanteil rückführbaren Vorkosten.

Nach dem Ende der Auswertung muss der Verleiher diese betriebsbedingten Werterückgänge ausgleichen. Als Ausgleich stehen ihm nur die Einnahmen aus der Auswertung in Deutschland (ggf. auch Österreich und Schweiz) zur Verfügung. (Der Verleih kann nur einen Deckungsbeitrag erzielen, wenn der Film bestimmte Besucher- und Umsatzzahlen überschreitet). Wenn diese Einnahmen aus der Verwertung nun durch einen Erlöskorridor generell reduziert werden, erhöht sich das ohnehin schon immense Risiko des Verleihs zusätzlich und die Wahrscheinlichkeit, auf Vorkosten oder anteiligen Overheadkosten sitzen zu bleiben, steigt.

Das Hochrisiko-Geschäft des Verleihs rechnet sich im Regelfall nur aufgrund des Portfolio-Gedankens: die meisten Filme spielen ihre Investitionen nicht wieder ein, folglich kann auch der Verleih keinen Deckungsbeitrag für seine eigenen Kosten generieren. Einzig die Tatsache, dass der Verleih, im optimistischen Fall, mit einigen wenigen Filmen positive Deckungsbeiträge erwirtschaftet, führt dazu, dass er seine eigenen Kosten decken und Gewinne in Minimumgarantien für neue Filme investieren kann - die dann wiederum Produzenten Deckungsbeiträge generieren können.

Der Vorschlag der Produzentenverbände

Dieser Vorschlag sieht vor, dass die investierten Eigenmittel von Produktion und Verleih in Relation gesetzt werden und die Aufteilung der Einnahmen auf Basis dieser Relation erfolgen soll. (Oben haben wir allerdings erläutert, dass die Eigenmittel des Produzenten während der Produktionsphase bereits recoupt worden sind; die Kosten des Verleihs und seine Investitionen können aber nur durch Einnahmen aus der Verwertung gedeckt werden).

Nachfolgend ein vereinfachtes Beispiel mit folgenden Annahmen:

Herstellungsbudget 5 Mio. Euro

Anteil Eigenmittel Produktion 5% 250.000 Euro

Anteil Verleihgarantie 5% 250.000 Euro

Herausbringungskosten 800.000 Euro

Eigenanteil Verleih 65% 520.000 Euro.


Die Eigenkapitalrelation beträgt 250.000 (Produktion) zu 770.000 (Verleih)= 24,5 Prozent zu 74,5 Prozent. Für den Verleih führte dieser Vorschlag demnach zu einem Zwangskorridor von 24,5 Prozent. Dem Verleih stünden von jedem aus der Auswertung erzielten Euro nur 74 Cent zur Rückführung seiner Vorkosten und seiner Verleihprovision zur Deckung der Overhead-Kosten zur Verfügung. Angesichts von Eigenmittel-Risiken von mehreren Hunderttausend Euro (und oft auch Millionen) sprechen wir von einer massiven Erhöhung des Verleih-Risikos. Im Vergleich zur aktuellen Regelung ist der Vorschlag eine Existenzbedrohung für die unabhängige Verleihszene und wird generell zu einem drastischen Rückgang der Investitionen in die Herstellung und Vermarktung deutscher Kinofilme führen.

Eine "echte Partnerschaft", wie die Produzenten ihr Modell nennen, sieht anders aus. Vielmehr ist es der Versuch, die schwindenden Finanzierungsmöglichkeiten, vor allem durch reduzierte Beiträge der Fernsehsender, durch Investoren zu kompensieren, deren Investitionen durch Gelder rückgedeckt werden sollen, die man den größten Investoren in deutsche Filme, nämlich den Verleihern, wegnehmen will. So sehr der Wunsch der Produzenten nachvollziehbar ist, so unrealistisch ist er.

Erhöhung der Verleihförderung und Zwangskorridor

Bei unseren Gesprächen mit der BKM und den Vertretern der politischen Parteien hören wir vereinzelt, dass bei der anstehenden FFG-Novelle ja auch die Fördermittel für die Filmvermarktung deutlich erhöht werden sollen. Da sei ein Korridor doch eine akzeptable "Kröte, die die Verleiher schlucken müssen". Das Plus an Fördermitteln wiege das Minus an Erlöskorridor auf - so die Annahme.

Das eine hat mit dem anderen jedoch nichts zu tun: die Erhöhung von Verleihfördermitteln ist dazu da, den Filmen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen durch höhere Herausbringungskosten. Durch die Vielzahl an konkurrierendem Bewegtbild-Angebot braucht die Herausbringung deutscher Filme mehr Geld, um das Zuschauerpotenzial zu heben. Erhöhte Verleihfördermittel führen aber nicht zu früheren oder höheren Erlösen während der kritischen Recoupmentphase. Ein Erlöskorridor wird dadurch nicht finanzierbarer. Der Zwangskorridor ist und bleibt ein Instrument zur Deinvestion in Kinofilme.

Verfassungsrechtlich fragwürdiger Eingriff

Der Zwangskorridor ist nicht geeignet, die Ziele des Filmförderungsgesetzes (FFG) zu erreichen. Der Zwangskorridor erhöht die Mindestbesucherzahl, die ein Film erreichen muss, damit der Verleih seine Investitionen refinanzieren kann. Dies wird zu einem allgemeinen Rückgang der Investitionen in die Herstellung und Vermarktung deutscher Kinofilme führen. Dieses erhöhte Risiko trifft zunächst Filme von unbekannteren Regisseuren und/oder mit unbekannteren Schauspielern, sowie künstlerisch anspruchsvolle Filme mit potentiell niedrigen Besucherzahlen. Diese Filme werden aber häufig von ökonomisch kleineren Verleihfirmen vermarktet, so dass ein Erlöskorridor auch und gerade kleinere Verleihfirmen massiv benachteiligen und in ihrer Existenz gefährden würde. Im Ergebnis führt dies zu einer deutlichen Schlechterstellung der Produzenten im Vergleich zur jetzigen Situation, da ihre Filme keinen Verleih mehr finden werden, der das Risiko eingehen kann.

Der Zwangskorridor ist nicht erforderlich, weil es andere Maßnahmen gibt, um die Situation der Produzenten zu verbessern. Das VdF-Konzept führt diverse Maßnahmen auf. Ein Zwangskorridor zum Nachteil der Verleiher ist auch nicht angemessen, weil es keine strukturelle Benachteiligung der Produzenten gibt. Denn Voraussetzung für eine spezielle Schutzvorschrift, wie den angedachten "Zwangskorridor", ist, dass ein Vertragsteil, hier die Produzenten, typischerweise gegenüber dem anderen Vertragsteil unterlegen ist. Hieran fehlt es aber gerade: Es gibt für Filme jeder Kategorie einen regen Wettbewerb unter den circa 120 Verleihern. Bereits heute gibt es vertraglich vereinbarte Korridore zwischen Produktion und Verleih und es gibt bei den Förderbedingungen zahlreiche Besserstellungen, die dem Produzenten zu Gute kommen, für Verleiher aber nicht gelten.

Regelfall geringe Besucherzahlen

Nimmt man die verheerenden Zahlen aus dem SPIO-Statistischen Jahrbuch 2019 zu den Besucherklassen deutscher Kinofilme als Basis, werden in der Masse die Flops von einer Neuregelung betroffen sein: 69,3 Prozent der deutschen Langfilme (158 Erstaufführungen) hatten 2018 weniger als 20.000 Besucher.

Der offene Brief der Produzenten unterstellt, dass die Produzenten keinen Anreiz hätten, erfolgreiche Filme zu produzieren, weil sie nicht an den Erlösen ausreichen partizipieren würden. Nachweislich, siehe oben, verhandeln Produzenten erfolgreicher Kinofilme allerdings mit Verleihern vorteilhaftere Konditionen (wie Erlöskorridore u.a.) - ob also der fehlende Anreiz tatsächlich Grund dafür ist, dass mehr zwei Drittel aller Filme keine relevanten Besucherzahlen erzielen, darf bezweifelt werden.

Fazit

Wir sehen in einem Zwangskorridor einen verfassungsrechtlich bedeutsamen Eingriff in unser Geschäftsmodell sowie eine Benachteiligung der Verleiher bei der Auswertung deutscher Kinofilme im Vergleich zur Auswertung anderer EU-Kinofilme. Ein Zwangskorridor wird das Risikokapital für deutsche Kinofilme deutlich verringern; dies bedeutet weniger kulturelle Vielfalt und niedrigere Budgets für die Herstellung und Vermarktung vieler deutscher Kinofilme. Dies führt zu rückläufigen Besucher- und Umsatzzahlen für deutsche Kinofilme und damit einhergehend sinkende Abgaben.

Bereits heute ist Deutschland mit nur 1,3 Kinobesuchen je Einwohner das Schlusslicht im internationalen Vergleich. Eine Umsetzung des Vorschlags der Produzentenverbände würde diese Position zementieren. Wir sind der Überzeugung, dass wir deutlich mehr Besucher für das Kino und den deutschen Kinofilm begeistern können. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.

Berlin, im Februar 2020

AG Verleih - Verband der unabhängigen Filmverleiher e.V.
gez. Björn Hoffmann (Vorsitzender)

Verband der Filmverleiher e.V.
gez. Johannes Klingsporn (Geschäftsführer)


Links: ag-verleih.de | www.vdfkino.de
Quellen: AG Verleih | VdF | mediabiz | filmecho

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