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Wir müssen dringend reden. Über die Autorisierungspraxis in Deutschland

Unwissentlich bringen Schauspieler und Regisseure selbständige Journalisten um ihr Einkommen. Das muss sich ändern wie unsere Filmkritikerin und freie Journalistin Katharina Dockhorn meint.



Das aktuelle Medienmagazin »journalist« des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) steht unter dem Titel »Der Fall Ralf Rangnick«. Der Journalist und Buchautor Thilo Komma-Pöllath hatte den Sportdirektor des Fußballklubs RB Leipzig interviewt. Der für das Magazin »Playboy« autorisierte Artikel erschien nie, ganze Passagen waren umgeschrieben worden. Der Playboy-Chefredakteur verzichtete auf die Veröffentlichung. Ob der Autor bezahlt wurde, bleibt im "journalist" unklar. Die Angst, räumt auch Komma-Pölath ein. Mit dieser Angst ist er nicht alleine - sie trifft alle freien Journalisten, ganz gleich ob sie über Sport, Politik, Wirtschaft oder Kultur berichten.

Wenn Interviewte die Texte bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln und sie nicht erscheinen, bringen Sie sich selbst um die PR, den Leser um ein interessantes Gespräch und selbständige Journalisten meist um ihr Honorar. Denn sie haben Gegenlesevereinbarungen unterschrieben, die ihnen die Veröffentlichung ohne Autorisierung untersagen. Diese Verträge können auch Passagen enthalten, die den Honorarverträgen der Interviewenden widersprechen.

Um dieses grundsätzliche Problem macht der DJV einen Bogen. Stattdessen fordert er die Kollegen auf, Beispiele für absurde Autorisierungserfahrungen in Leserbriefen zu benennen und veröffentlicht Pressemitteilungen, in denen einzelne Künstler, Agenturen oder Veranstalter an den Pranger gestellt werden - ohne vorher Rücksprache mit den Betroffenen zu nehmen. Nötig wäre endlich ein verständnisvolles Miteinander.

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Katharinas Stellungnahme:

Ralf Rangnick spielt jetzt in einer Liga mit Herbert Grönemeyer, Wolfgang Schäuble und Martina Gedeck. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) bzw. sein Verbandsorgan »journalist« machten deren Autorisierungspraktiken öffentlich. Mal ging es um umgeschriebene Interviews, mal um riesige Zeiträume, die sich der Interviewte erbat, mal um die Verträge, die sie Journalisten vorlegten.

Martina Gedecks Vertrag wurde von der DJV-Pressestelle anlässlich der Ausstrahlung des Fernsehfilms „Terror“ öffentlich angeprangert. Eine bayerische Journalistin hatte sich mit dem Vertrag von M. Gedeck an ihren Landesverband gewandt, was durchaus legitim ist. Einen Tag vor den Interviews in Hamburg warnte die Pressestelle des DJV „alle Journalistinnen und Journalisten davor, sich auf Interviewvereinbarungen mit der deutschen Schauspielerin Martina Gedeck einzulassen, in denen eine inakzeptable Autorisierung weit über die Zitate der Schauspielerin hinaus gefordert wird.“

Martina Gedeck wurde dazu nicht gefragt. „Der Vorwurf hat mich überrascht und traurig gestimmt. Seit Jahren führe ich gute Gespräche mit Journalisten. Es gab viele großartige Interviews und Portraits und mir hat dieser Teil der Arbeit immer großen Spaß gemacht. Mich hat auch verwundert, dass vor der Veröffentlichung niemand mit mir gesprochen hatte. Dann hätte sich schnell klären lassen, dass ich nur bei bestimmten Medien auf Grund negativer Erfahrungen bitte, die Überschriften abnehmen zu dürfen.“ Das bestätigte damals auch die betreuende Presseagentur.

Die Pressestelle des DJV räumt diese Praxis ein; zumindest journalistisch ist fragwürdig, dem Betroffenen keine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Das trifft ebenso nach Bestätigung durch die Pressestelle des Verbandes auf die Pressemitteilungen zu Einschränkungen der Bildberichterstattung bei Konzerten zu. Fotografen sollen oft zusichern, dass die Fotos nur im Zusammenhang mit dem Konzert oder innerhalb eines von den Veranstaltern vorgegebenem Zeitraum und nur in dem genehmigten Medium veröffentlicht werden dürfen. Ähnliche Passagen finden sich in vielen Autorisierungsvereinbarungen, die Printjournalisten vorgelegt werden.

Nun also sorgt Ralf Rangnick für Schlagzeilen. Und ein Interview für den »Playboy«, das von dessen persönlicher PR-Agentur eingefädelt wurde, um dem Trainer und sportlichen Leiter von RB Leipzig einen Imagewechsel zu verpassen. Womit jedem Journalisten klar sein müsste, worauf er sich einlässt. Rangnick selbst hat den Text sprachlich stark verändert und inhaltliche Spitzen rausgenommen, was sich erst nach einem Verwirrspiel zwischen verschiedenen Pressestellen und der Einschaltung eines Anwalts herausstellte. Zuvor hatte der „Playboy“ auch entschieden, den veränderten Text nicht zu drucken. Und der »journalist« hatte dem Autor Platz eingeräumt, seine Erfahrung zu schildern.

Die Zeitschrift ruft nun die Mitglieder des DJV auf, ihre negativen Erfahrungen bei Autorisierungen zu schildern. Ein Gesprächsthema, das Filmjournalisten gut kennen. Bei Treffen wetteifern wir gerne um die absurdeste Autorisierungsstory. Da ist der Schauspieler, der unmittelbar nach der Rechtschreibreform alle Wörter mit doppel "ss" wie dass, wieder in daß änderte. Die Agentur, die sieben Tage für die Autorisierung erbat, obwohl nur sechs Tage zwischen Interview und Ausstrahlung des Films lagen. Oder, dass ein Schauspieler den Text ohne Änderungen persönlich freigab, die beiden mit dem Film befassten Agenturen aber unterschiedliche Änderungswünsche schickten.

Ärgerlich sind Texte, denen mit Kürzungen und Streichungen jeder Gehalt genommen und die nie gedruckt wurden. Sie sind das eigentliche Übel, insbesondere für Freie Journalisten. Sie verlieren ihr Honorar für viele Arbeitsstunden. Diese Befürchtung schildert auch der Interviewer von Ralf Rangnick im „journalist“.

Dieses Problem hat der Bundes-FA Freie des DJV in den vergangenen Jahren mehrfach angemahnt. Passiert ist wenig. Der Verband verweist auf die Verlage, sie müssten Ausfallhonorare zahlen. Was kaum ein Kollege bestätigt. Es ist auch kaum ein Kollege bereit, das Honorar einzuklagen – zu groß ist die Angst, keine weiteren Aufträge zu erhalten. Die Bundesgeschäftsstelle des DJV hat keine Übersicht, ob Kollegen bei solchen Streitigkeiten um rechtlichen Beistand gebeten haben. Die Pressestelle bittet, jeden Landesverband einzeln zu kontaktieren.

Qui bono, wem nutzt also dieses Dampfablassen, das der DJV jetzt wünscht? Um nicht missverstanden zu werden, über 90% der Autorisierung erfolgen völlig problemlos, das Feedback kommt in der vereinbarten Zeit und die Änderungswünsche sind gering. Vertragsklauseln sind verhandelbar.

Das Engagement des „journalist“ geht auch an einem weiteren Problem vorbei. Letztlich stehen Freie Journalisten auch mit autorisierten Texten ständig mit einem Bein vorm Kadi. Sie unterschreiben die Gegenlesevereinbarung, sie sind rechtlich verantwortlich. Aber sie geben den Text an Redaktionen weiter, die nicht aus bösem Willen Eingriffe vornehmen. Die Journalisten unterschreiben auch, dass der Text nur zu einem bestimmten Zeitpunkt oder gar einem bestimmten Medium veröffentlicht werden darf. Dem stehen aber oft die Verträge entgegen, die sie mit den Verlagen eingegangen sind. Bei Buy-Out-Verträgen sichern sich Verlage uneingeschränkte Nutzungsrechte, bei anderen Verträgen oft langfristige Nutzungsrechte. Einschließlich der Möglichkeit, Artikel oder Fotos weiterzuverkaufen. Ohne Rücksprache mit dem Urheber. Der muss sich im Streitfall aber verantworten.

Viele freie Kollegen haben daher längst ihre eigenen Schlüsse gezogen und weichen Interviews mit deutschen Künstlern aus. Notwendig wäre, endlich eine grundsätzliche Verständigung über diese Praxis zu erreichen, die nicht ausgerechnet die Schwächsten in dem ganzen System bedroht. Darüber müssen der DJV und auch ver.di mit den Verlagen verhandeln. Nur gemeinsam können Pressefreiheit und der alte Grundsatz durchgesetzt werden, es gilt das gesprochene Wort.

Journalisten brauchen zudem den Schulterschluss mit den Interviewten. Beide wollen doch die Leser mit tollen Gesprächen begeistern. Zu einem guten Miteinander gehört, dass nicht eine Seite ihren vermeintlichen Vorteil – du kriegst nur ein Interview, wenn du meine Bedingungen akzeptierst – ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Belange des Gegenübers ausspielt.

Katharina Dockhorn


Quelle: Gastbeitrag von K.D.



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