Skip to content

Unsere Filmbesprechungen im August 2021, Teil 3

Eine aufhellende Doku, ein Spielfilm - inspiriert von einer wahren Begebenheit und ein kaum erwähnenswerter Horrorfilm.



Anlässlich des DOK.fest München hatten wir bereits am 7. Mai 2021 den nach folgenden Dokumentarfilm der Filmuniversität Babelsberg über Politik im kleinen Maßstab auf der Ostseeinsel Rügen ausführlich besprochen. Nun ist der Film offiziell im Kino erschienen und auch unsere Kollegin Ulrike Schirm hat Gefallen an dem Werk gefunden.

"WEM GEHÖRT MEIN DORF?" Dokumentation von Christoph Eder (Deutschland). Mit Nadine Förster, Bernd Elgeti, Markus Pigard, Klaus Möller, Edwin Kopplin; seit 12. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
Ein persönlicher Film über das Wesen der Demokratie zwischen weißer Bäderarchitektur und sanftem Meeresrauschen.

Im Ostseebad Göhren auf Rügen (10200 Einwohner), dem Heimatort des Filmemachers, gibt es unterschiedliche Ansichten der Einwohner*innen über die Zukunft des beliebten Ferienortes. Der Gemeinderat besteht seit Jahren aus 4 Männern, die die Bauvorhaben eines Multimillionärs, W. Horst, aus Nordrhein-Westfalen unterstützen. Im Dorf nennt man sie die „Vier von der Stange“.

„Große Investitionen brachten große Kräne mit sich. Aus Kopfsteinpflaster wurde Asphalt. Graue Häuser wurden weiß und ein schwarzes Klinkerhaus hat schon seinen Namen weg: Bestattungshaus. Aus Mietwohnungen wurden Ferienwohnungen“. Stolz präsentiert der Gemeinderat im Neubauviertel die Straßenschilder, wie „Sanddornweg“ oder „Rapsweg“, durchaus passende Namen, denn das Gebiet bestand vorher aus Wiese und Acker. Zynismus, lass grüßen. Eine weitere Riesenfläche von Acker soll nun bebaut werden. Verantwortlich dafür: Herr Horst. Ein Hotel hat er schon gebaut.

Das heißt nichts anderes, als das im Laufe der nächsten Jahre von der Natur im Außenbereich nichts mehr übrig sein wird. Im Investorenjargon ist das Stück Land eine „Sahneschnitte“. Der Südstrand ist das ursprünglichste, den Göhren hat. Hier will Herr Horst von einem Investor aus München eine Wellness-Oase „Santé Royal“ bauen lassen. Es reicht. Die Aktivistin Nadine und ihr Vater gehen gegen das Bauvorhaben vor. Sie haben nur eine Chance die Acker-und Wiesenflächen ihrer Heimat zu schützen, wenn sie bei den anstehenden Kommunalwahlen die Mehrheit im Gemeinderat gewinnen. Es wird spannend. Kann Nadine und ihr Vater genug Leute aktivieren oder siegen die Herren, die den kapitalistischen Fortschritt in den höchsten Tönen loben? Naturschutz vers. Kapitalismus. Die Macht des Stärkeren kann man nur, wenn überhaupt, durch gemeinsames Handeln brechen.

Ulrike Schirm.


+++++++++++++

Inspiriert von den Geschehnissen zur letzten Hinrichtung in der DDR hat Regisseurin Franziska Stünkel den nachfolgenden Spielfilm nach Meinung zahlreicher Kritiker nicht immer ganz korrekt inszeniert. Der Horror des Unrechtsystems wird durch den Thriller dennoch deutlich.

"NAHSCHUSS" fiktionaler Spielfilmthriller von Franziska Stünkel, inspiriert von einer wahren Begebenheit (Deutschland). Mit Lars Eidinger, Devid Striesow, Luise Heyer u. a. seit 12. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
Ein ergreifendes Politdrama, dessen Hauptfigur von Lars Eidinger brillant gespielt wird.

Franziska Stünkel („Vineta“) hat sich für ihren zweiten Spielfilm von dem wahren Fall des DDR-Bürgers Werner Teske inspirieren lassen. Teske war der letzte Bürger, den die DDR-Justiz 1981 hinrichten ließ. Das geschah durch den so genannten unerwarteten Nahschuss. Dem nichtsahnenden Delinquenten wird mit einer schallgedämpften Pistole in den Nacken geschossen. Man hielt diese Methode für weitaus humaner, als den Tod durch die Guillotine.

Teske, der im Film Franz Walter heißt, ist außer sich vor Freude, als er das Angebot einer Professur an der Berliner Humboldt-Universität bekommt. Freudestrahlend erzählt er die frohe Botschaft seiner Freundin Corina (Luise Heyer). Damit verbunden ist auch der Umzug in eine große Wohnung mit Balkon. Einer Heirat steht nun nichts mehr im Wege.

Dass er sich vorübergehend als hauptamtlicher Mitarbeiter bei der Staatssicherheit verpflichten soll, ist für ihn kein Problem. Mit den Worten, „frohes Schaffen“ übergibt ihm der nette Kollege Dirk (Devid Striesow) die Schlüssel fürs Büro. Die beiden Männer kommen gut miteinander aus.

Walter wird im Film auf einen in den Westen geflüchteten Fußballspieler angesetzt.

Bevor der Zuschauer in dieses Drama einsteigen kann, sieht man in der ersten Szene Franz Walter (Lars Eidinger), bleich und schwer atmend, hinter Gittern. Sein Prozess bildet die Rahmenhandlung dieser perfiden Geschichte.

Renner, der nichts Böses ahnt und mit seinem Sohn den Tierpark Hagenbeck besucht, wird von den beiden Stasi-Spitzeln Franz und Dirk mit den Worten „Wir wollen ihnen helfen“ angesprochen. Einer der beiden überreicht ihm ein Kuvert. „Es wäre doch furchtbar, wenn die Bilder in die Hände der Presse gelangen, oder?"

Die Fotos zeigen Renner in einer kompromittierenden Situation. Der Fußballspieler des HSV hat seine Frau mit einer Zufallsbekanntschaft betrogen. Mit dieser üblen Masche, wollen die beiden Männer Renner dazu bewegen, einen Mitspieler, den in den Westen geflüchteten Fußballer Horst Langenfeld, zu bespitzeln. Als Mitarbeiter des Auslandsgeheimdiensts fliegt Walter nun regelmäßig nach Westdeutschland. Als er begreift, dass er sogar so weit gehen muss, die Familie des Sportlers zu zerstören, was er mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren kann, beginnt er das skrupellose Handeln der Stasi zu sabotieren und wird selber zum Opfer.

Gedreht wurde an einigen Originalschauplätzen, im Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen und in den Räumen der Hauptverwaltung Aufklärung in der Berliner Normannenstraße. Die Sepia-Einfärbung geben dem Geschehen eine zusätzliche Tristesse.

Die Geschichte von Teske hat einen besonders üblen Nachgeschmack, in dem an ihm ein Exempel statuiert wurde. Er wurde als Spion verurteilt, obwohl er kein brisantes Material in den Westen geschmuggelt hat. Das Urteil stand von vornherein fest. Er war nicht nur Täter, sondern wird selbst zum Opfer der staatlichen Machenschaften. Hier wird sichtbar, wie sich jemand bereitwillig in eine Situation begibt, in der er anfänglich funktioniert, um dann festzustellen, dass er einen Schritt zu weit gegangen ist und keinen Ausweg daraus findet. In diesem Drama um Verstrickung, Schuld und Manipulation, stellt man sich die Frage, wie man selbst gehandelt hätte, wäre man in diesem Unrechtsstaat aufgewachsen und sozialisiert worden.

Ulrike Schirm


+++++++++++++

"THE FOREVER PURGE" fünfter Teil des dystopischen Horrorthrillers mit gesellschaftskritischen Untertönen von Everardo Gout nach einem Drehbuch von James DeMonaco (USA). Mit Ana de la Reguera, Tenoch Huerta, Josh Lucas u. a. seit 12. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
Der fünfte Teil der Purge-Filmreihe. Doch diesmal will die Brutalität kein Ende nehmen.

Adela und Juan haben gegen die Kartelle in Mexico gekämpft, mussten flüchten und sind illegal in die USA eingereist. Juan hat einen Job auf einer Farm in Texas, der Sohn des verfassungstreuen Patriarchen, der die Farm führt und seine schwangere Ehefrau machen keinen Hehl aus ihrer rassistischen Einstellung gegenüber Juan und Adela. Aber weil Juan ein Pferdeflüsterer ist, sind sie auf ihn angewiesen.

Es ist wieder so weit. Einmal im Jahr herrscht für 12 Stunden der Ausnahmezustand in den USA.

Wenn um 19:00 die Sirenen heulen, beginnt die „Purge“, die offiziell von der amerikanischen Regierung zugelassen ist. Alle Straftaten bleiben ungesühnt. Die Menschen fangen an, sich in ihren Häusern zu barrikadieren. Auch Juan und seine Leute haben Schutz gesucht. Doch diesmal ist alles anders. Nun haben ultrarechte Gruppen eine „ewige Säuberung“ ausgerufen. „Wir machen Amerika wieder sauber. Wir tolerieren nicht, dass Immigranten unsere Städte bevölkern“. Wer nicht selbst zum rassistischen Lynchmob „Forever Purge“ zählt, wird zum Freiwild. Für die Mexikanerin Adela und ihren Freund Juan beginnt ein blutiger Kampf ums Überleben.

Kanada und Mexico öffnen aus Barmherzigkeit ihre Grenzen für flüchtende Amerikaner*innen. Aber nur für 6 Stunden. Das ist der Beginn eines unüberschaubaren Chaos. Am nächsten Tag geht das Morden weiter. Überall liegen Leichen in ihren Blutpfützen, denn das ist die wahre „Purge“. Der texanische Farmersohn und seine schwangere Frau haben sich Juan und Adela, die es gelernt hat mit der Waffe zielgerecht umzugehen, angeschlossen. Sie flüchten gemeinsam zur Grenze nach El Paso. Freunde von Juan und Adela helfen ihnen über die Grenze zu kommen, denn die 6 Stunden sind vorbei. Zu Fuß unterwegs laufen sie den bewaffneten „Säuberern“ entgegen. Es entwickelt sich eine wilde Schießerei.

Diese Gewaltorgie offenbart leider nichts Neues. Außer, dass diese Zukunftsvision den Mexikanern 2 Millionen amerikanische Flüchtlinge beschert. Die Dialoge käuen wieder, was man seit der Trump-Ära eh schon weiß und die Häufigkeit der Schießereien sind auf Dauer ermüdend. Die vier Vorgänger dieser Reihe waren weitaus spannender und interessanter. Einfallslos.

Ulrike Schirm


Anzeige

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Formular-Optionen

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!