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Neue Filme im Kino, neue Filmkritiken im Juni - Teil 2

Trotz Fußball-WM gibt es einige Filme im Kino, die man gesehen haben sollte.



Unbeirrt von der gerade begonnenen Fußball Weltmeisterschaft, die erst am 15. Juli 2018 mit dem Abpfiff im Olympiastadion Luschniki in Moskau endet, startet am 28. Juni 2018 das Filmfest München mit 43 Weltpremieren. Im Gegensatz zu der Trailer-Show des Mainstream-Kinos auf der CineEurope in Barcelona, über die wir gestern berichteten, gibt es in München sehr viel mehr Arthouse-Kino und Autorenfilme nicht nur aus Deutschland zu sehen, sondern auch hochkarätiges Weltkino sowie Deutschland-Premieren von Wettbewerbsfilmen anderer bedeutender Festivals, die bisher noch keinen deutschen Start hatten.

Das Filmfest München ist nach der Berlinale das wichtigste Filmfestival und zugleich das größte Publikums Filmfest in Deutschland. Während Kinobesitzer in Deutschland während der Fußball WM zittern, dass überhaupt jemand bei schönem Sommerwetter, sich ins Kino traut, hat das Filmfest München offensichtlich damit kein Problem und kann von früh bis spät die Kinosäle füllen.

Andere Kinos, wie das Kant Kino in Berlin, zeigen in dieser Zeit zum Teil gar keine Filme, sondern übertragen stattdessen auf der großen Leinwand die Fußball WM. Wir empfehlen deshalb unser Kinopublikum, sich vorher in den einschlägigen Medien und Portalen wie beispielsweise Kino.de zu erkundigen, wo und wann welcher unserer Filmempfehlungen derzeit läuft, denn es gibt durchaus Kinos, die ihr Programm trotz der WM unbeirrt durchziehen.

"SWIMMING WITH MEN" Komödie von Oliver Parker (Großbritannien). Mit Rob Brydon, Adeel Akhtar, Jim Carter u.a. seit 7. Juni 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Eric (Rob Brydon), ein Buchhalter in Führungsposition hat die 40 überschritten und befindet sich in einer Krise. Sein Leben sind die Zahlen, sie wehren das Chaos ab. Nun stellt er sich die Frage, ob das alles im Leben sei. Missmutig fährt er jeden Tag von der Vorstadt ins Zentrum Londons und hockt seine Zeit im Büro ab. In seiner Ehe kriselt es. Seine Frau Heather (Jane Horrocks) engagiert sich leidenschaftlich in der Politik und sein Teenager-Sohn sieht in ihm einen Versager. Hinzu kommt, dass er felsenfest davon überzeugt ist, dass seine Frau ein Verhältnis mit einem ihrer Kollegen hat. Als sein Sohn den vermeintlichen Kollegen ins Haus lockt, schleppt er alle Weinflaschen weg, packt seine Sachen, quartiert sich in einem Hotel ein und betrinkt sich.

Jeden Tag nach der Arbeit geht er ins Schwimmbad und zieht seine Bahnen. Es ist der einzige Ort wo er abtauchen kann und zu sich selbst findet.

Eine bunt zusammengewürfelte Truppe von 8 Herren bekämpfen ihre Lebenskrise ausgerechnet mit Synchronschwimmen. Es ist eine Art Protest gegen die Sinnlosigkeit ihres Lebens, Enttäuschungen und vor allem gegen das, was aus ihnen geworden ist. Da den Männern noch eine Person fehlt, um wirklich kunstvolle Schwebefiguren im Wasser ein zu üben, schließt sich Eric ihnen an und wird achtes Mitglied in ihrem Verein. Nun freut er sich auf jeden Donnerstag in der Woche wenn das Training stattfindet und er unter Gleichgesinnten weilt. Die Besuche im Hallenbad werden zu einem künstlerischen Ritual, welches ihm eine abhandengekommene, nun wiedergefundene innere Stärke verleiht.

Susan (Charlotte Riley) eine erfahrene Synchronschwimmerin, die sich öfter im Hallenbad aufhält, da sie auch Schwimmunterricht gibt, erkennt das Potential der Männer und ermutigt sie, bei einer Geburtstagsfeier ihres Bruders aufzutreten. Die Vorführung läuft schief, da dieser davon ausging weibliche Schwimmerinnen zu engagieren und überhaupt, es war ein Kindergeburtstag und niemand klatschte Beifall.

Susan und ihr Freund Jonas Ljungberg (Christian Rubeck), der ebenfalls Synchronschwimmer beim schwedischen Team ist, bestärken die Truppe unbedingt bei den inoffiziellen Meisterschaften in Mailand teilzunehmen. Nach einigem Zaudern wird geprobt wie verrückt. Nach und nach verblassen die Alltagsprobleme jedes Einzelnen, sie fassen neuen Lebensmut und müssen sich als starkes Team beweisen”¦

"Swimming with Men" erinnert an die britische Komödie von 1997 „Ganz oder gar nicht“, in der eine Gruppe arbeitsloser Männer beschließt, Stripper zu werden. Ein Film, an den sich viele bis heute noch bestens erinnern, da er streckenweise saukomisch war.

Auch hier sind die Männer halbnackt und geben ihr Bestes, damit es ihnen wieder besser geht. Es macht Spaß, ihnen dabei zuzusehen, wie aus traurigen und hoffnungslosen Figuren wieder hoffnungsvolle Menschen werden.

Ulrike Schirm


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"PAPST FRANZISKUS – Ein Mann seines Wortes" Doku von Wim Wenders (Italien, Schweiz, Deutschland, Frankreich). Seit 14. Juni 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

»Am 13. März 2013 wird Jorge Mario Bergoglio, Kardinal von Buenos Aires, zum 266. Papst der katholischen Kirche gewählt. Er ist der erste Papst vom amerikanischen Kontinent, der erste Papst, der sich den Namen Francesco gibt, nach Franz von Assisi (1181 – 1226), der sich der Armut widmete, aber auch seine Liebe zur Natur und allen Lebewesen auf unserem Planeten, den er zärtlich „Schwester Mutter Erde“ nannte.«

Wim Wenders Dokumentarfilm "PAPST FRANZISKUS – Ein Mann seines Wortes" ist eine ganz persönliche Reise mit dem Papst.

Herausgekommen ist ein weitreichendes und ungemein sympathisches Portrait eines Mannes, der unermüdlich auf die gewissenlose Ausbeutung und die horrende Verschmutzung unseres Planeten hinweist. Sein ganz besonderes Interesse gilt den Armen der Ärmsten, „die Armut heute ist ein einziger Aufschrei“ betont er sorgenvoll. „Niemand kann sagen, er habe damit nichts zu tun“.

Auch geht es in Wenders Film um die Grundeinstellung des Papstes und der katholischen Kirche.

Wenders scheut sich nicht, die Frage nach der weitverbreiteten Pädophilie zu stellen. „Sie gehört bestraft. Sie lässt die Opfer zerstört zurück“.

Wenders wendet eine besondere Kameratechnik an, in der Franziskus sozusagen mit jedem von uns, von Angesicht zu Angesicht, spricht. So entsteht ein Gespräch zwischen ihm und der ganzen Welt.

Er spricht zu denen, die in Elendsvierteln leben, Gefängnisinsassen. Flüchtlingen, Kindern und Erwachsenen. Wir Zuschauer begleiten ihn auf seinen zahlreichen Reisen, erleben seine eindringliche Rede vor den Vereinten Nationen und dem US – Kongress. Eingeblendet sind nachgestellte Szenen aus dem Leben des zutiefst bescheidenen Heiligen Franz von Assisi.

Es ist egal, ob gläubig oder nicht, hier spricht ein Mensch zu uns, der das ausspricht, was uns alle angeht. Der zu seinem Wort steht und wirklich unermüdlich uns allen ins Gewissen spricht. Wie verzweifelt muss er oftmals sein, wenn er allein in seinem Zuhause ist und feststellt, dass er vor den „Großen“ dieser Welt, wie gegen Windmühlen redet und dennoch die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht aufgibt. Mir hat es fast die Tränen in die Augen getrieben.

Ulrike Schirm


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"DIE BRILLANTE MADEMOISELLE NEïLA" Dramödie von Yvan Attal (Frankreich, Belgien). Mit Daniel Auteuil, Camélia Jordana, Nozha Khouadra u.a. seit 14. Juni 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Der Pariser Juraprofessor Pierre Mazard (Daniel Auteuil) ist ein regelrechter Rüpel, politisch durch und durch unkorrekt. Dem dunkelhäutigen Security-Menschen zeigt er unverhohlen den Stinkefinger und als die arabischstämmige Neïla zu spät den Hörsaal betritt, muss sie nicht nur ihren Ausweis vorzeigen, sie wird auch noch im vollbesetzten Hörsaal vor allen Anwesenden übelst beschimpft und beleidigt.

Mazard”¦ ein hellhäutiger Rassist. Einige Kommilitonen zücken sofort ihr Handy und die üble Szene landet sofort im Netz. Auf mehreren Facebook – Seiten wird bereits seine Entlassung gefordert. Die selbstbewusste Neïla lässt sich nicht zum Opfer machen. Sie gibt dem elitären Professor reichlich contra. Neïla Salah (Camélia Jordana) ist stolz auf sich. Das Mädchen aus der Pariser Vorstadt hat es geschafft an der renommierten Pariser Assas Law School angenommen zu werden. Sie will sich ihren Traum erfüllen und Anwältin werden.

Jetzt reicht's. Der Rektor der Universität handelt mit ihm einen Deal aus: Entweder wird er seines Amtes enthoben oder er trainiert die junge Studentin Neïla für den prestigeträchtigen Rhetorikwettbewerb, den die Schule seit Jahren schon nicht mehr gewonnen hat. Auf seinem Fachgebiet ist Mazard eine Koryphäe. Eine Studentin mit algerischen Wurzeln rhetorisch fit zu machen, könnte nicht nur den Disziplinarausschuss gnädig stimmen, sondern auch das Renommee der Uni nochmals besonders heben.

Zähneknirschend willigt Mazard ein. Auch die forsche Neïla ist nicht begeistert. Nach langem Zögern willigt sie ein. Sie begreift, dass sie alle Register ziehen muss, um ihrem Traum näher zu kommen. Mazard schärft ihr ein: Es ist wichtig, immer Recht zu haben, denn die Wahrheit spielt keine Rolle. Bei der Kunst des Redens gilt nur eins, überzeugen. Für Neïla beginnt eine harte Zeit.

Mazards Lehrstunden sind kein Zuckerlecken. Zwischen seinem Drill, muss sie sich noch so einige Entgleisungen bieten lassen. Man muss kein Hellseher sein, um nicht zu ahnen, dass die beiden sich zusammenraufen.

Regisseur Yvan Attal setzt in seiner modernen Version von George Bernhard Shaws „Pygmalion“ alles auf den verbalen Schlagabtausch seiner großartigen Protagonisten César – Gewinnerin Camélia Jordana und dem allseits beliebten Daniel Auteuil. Unterhaltsames Arthouse-Kino.

Ulrike Schirm



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