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Claudia Roth: Filmförderung soll reformiert werden

Kurz vor der Berlinale präsentierte Kulturstaatsministerin Claudia Roth ihren Plan zur Rettung des angeschlagenen Filmstandorts Deutschland.



"Wir sind da ein Stück weit abgehängt", sagt Claudia Roth laut dpa über das Filmland Deutschland. Neben Steueranreizen und einer Investitionsverpflichtung soll die Filmförderungsanstalt (FFA) zur zentralen Einrichtung für Filmförderungen ausgebaut werden.

Im Vorfeld der Berlinale-Eröffnung und des Produzententages der Allianz Deutscher Produzenten - Film und Fernsehen legte am Dienstag, den 13.02.2024, die Kulturstaatsministerin (BKM) Entwürfe für eine FFG-Reform, ein steuerbasiertes Anreizsystem und eine Investitionsverpflichtung vor.

Allerdings handelt es sich in beiden letzteren Fällen lediglich um Diskussionsentwürfe, der tatsächliche gesetzgeberische Weg könnte also noch wesentlich länger dauern, auch wenn ein entsprechender Referentenentwurf für eine Novelle des Filmförderungsgesetzes bereits vorliege.

Die Verhandlungen mit den Ländern, von denen einige wichtige Produktionsstandorte sind, liefen, heißt es im ARD-Teletext. Anfang 2025 soll das Gesetz in Kraft treten, sagte Roth in Berlin.

VAUNET, der Verband privater Medien, kritisiert Roths Vorschläge dagegen als unausgewogen und kontraproduktiv.


Ein Bericht von Katharina Dockhorn.

Endlich Klarheit bei der Filmförderung?

Schon im Vorfeld der Berlinale ließ Claudia Roth ihre Vorstellungen zur künftigen Filmförderung publik werden. Allerdings nicht in einer Pressekonferenz, wie es eine normale demokratische Gepflogenheit wäre, sondern in einem Hintergrundgespräch für ausgewählte Journalisten. Ihre Pressestelle stellte auf Nachfrage zumindest eine Pressemitteilung und ein Handout zur Verfügung.

Die Kulturstaatsministerin will den Entwurf eines Filmförderungszulagengesetzes mit einem Steueranreizmodell ins Kabinett und ins Parlament einbringen sowie die EU-Richtlinie zur Investitionsverpflichtung für Streamingdienste im Entwurf eines Gesetzes zur Förderung europäischer Werke durch Direktinvestitionen umsetzen.

Kein Wort verliert sie zu den weiteren Forderungen aus dem Schulterschluss von acht Verbänden zur Modernisierung der Filmförderung, die sich insgesamt auf 360 Millionen Euro jährlich summierten. Die Unterstützung von Kinos und Verleih spielen in ihren Überlegungen momentan keine Rolle. In Deutschland fließen weiter Millionen ausschließlich in die Produktion von Filmen, die meist keiner sehen will. Und kann, denn gerade in den Neuen Bundesländern hapert es an einer Kinoinfrastruktur allgemein und insbesondere für Arthouse-Filme.

Europäisches Normalmaß bei Steuererleichterungen

133,3 Millionen Euro sind momentan im Bundeshaushalt in den starren Modellen von DFFF und GMPF eingestellt. Künftig sollen Produzenten 30% der Kosten sollen Produzenten als Steuermitteln zurückerhalten, wenn sie hier drehen. Das ist eine Steigerung von mindestens zehn Prozent gegenüber dem DFFF, bei dem es 16 bis 20% Erleichterung gab. Antragberechtigt sind Spielfilmvorhaben ab einem Budget von einer Million Euro, Dokfilme von 200.000 Euro und Serien bei einem Herstellungsminutenpreis von mindestens 30.000 Euro.

Das Studio Babelsberg und andere Produzenten hoffen zudem, wieder Hollywood an Spree, Havel, Isar und Rhein zu locken. Sie würden vor allem davon profitieren, wenn die bisherige Kappungsgrenze von 20 Millionen pro Film fällt.

Das Geld ist gut angelegt, wie Finanzminister weltweit wissen und etliche Studien beweisen. Die Einnahmen der Sozialversicherungen und die Einnahmen aus Steuern und Abgaben übertreffen bei weitem die Fördersumme, wie auch an dieser Stelle immer wieder argumentiert wurde. Im komplizierten deutschen Steuerverteilungsmechanismus könnte es für Christian Lindner also zu Mehreinnahmen für seinen Etat führen oder zumindest einem Nullsummenspiel werden. Ob er und seine Beamten von der Rechnung überzeugt sind und ihre Bedenken wegen mangelnder Planbarkeit der Ausgaben aufgegeben haben, beantwortete die Pressestelle der BKM bis Redaktionsschluss nicht.

Die Bundesländer, die jedem Gesetz zustimmen müssen, die auch ihre Steuerhoheit betrifft, werden wohl keine Einwände haben. Wenn ihre Forderung erfüllt wird, dass die Steuererleichterungen aus dem Bundeshalt bezahlt werden.

Investitionsverpflichtung von 20%

Viel spannender wird es bei der Investitionsverpflichtung, hier zieht Deutschland mit Frankreich gleich. 20% ihrer Einnahmen in einem Land sollen Streamer künftig in die dortige Produktion stecken. Um die 20 Millionen Abos gibt es laut VAUNET, dem Verband privater Medien, im Moment im Land. Bei Produktionen und Lizenzeinkäufen audiovisueller Werke gehört Deutschland aber zu den Schlusslichtern – Spitzenreiter sind Spanien und die Niederlande, gefolgt von Großbritannien.

Laut gerichtlichen Gutachten sind auch ARD und ZDF mit ihrem Mediathekenangebot betroffen. Ältere werden sich noch an den jahrzehntelangen Streit um das Filmförderungsgesetz erinnern, ob die Bundesregierung in die Kulturhoheit der Länder eingreifen darf, wenn es Sender zur Förderung von Filmproduktionen verpflichtet.

Für das Filmförderungsgesetz (FFG) wurde die Diskussion bei der Filmförderungsanstalt (FFA) vor mehr als zehn Jahren beendet. Vielleicht hofft Claudia Roth nun durch die Verknüpfung der drei Säulen der Filmförderung auf das stillschweigende Einverständnis der Länder.

Es bleibt aber abzuwarten, wie die Betroffenen auf ihren Eingriff in die Programmhoheit reagieren. Und auch die Effekte für die Produktion bleiben abzuwarten. Als Bemessungsgrundlage für Berechnung ihrer Investitionsverpflichtung werden nicht die Gesamteinnahmen von acht Milliarden zu Grunde gelegt, sondern die Kosten des letzten Jahres für die Veröffentlichung der mit Ausnahme der in § 3 Abs. 1 S.3 genannten audiovisuellen Inhalte in ihrer jeweiligen Mediathek. Zu diesen Kosten zählen die unmittelbar für die Mediathek entstandenen Lizenzkosten und Programmbeschaffungsaufwände. Für die Produktionswirtschaft wird es so wohl eher ein Nullsummenspiel oder es könnte gar zu einem Rückgang der Investitionen der Sender kommen.

Blick über die Grenze

Ein Blick nach Frankreich reicht, um die Effekte zu benennen. Die Franzosen waren der EU zuvorgekommen und hatten ihre eigenen Sender und Plattformen bereits 2018 zu Zahlungen verpflichtet. 2021 wurden die internationalen Anbieter zur Kasse gebeten. Die ARCOM, die Regulierungsbehörde für audiovisuelle Kommunikation, handelte dazu Abkommen aus, die die Investitionen im Detail regeln. 20% des Geldes muss in Kinofilme investiert werden, 80 in andere audiovisuelle Produktionen. 2022 flossen laut ARCOM 21,7 Millionen ins Kino und 136 Millionen in Serien und Dokumentationen. 17 Kinofilme profitierten mit einer Durchschnittfördersumme von 1,2 Millionen. Die Sperrfrist zwischen Kinostart und Auswertung bei den Streamern liegt bei 15 Monaten.

In Deutschland sollen nur 15% in Kinofilme fließen. Eine Sperrfrist zwischen Kinoauswertung und Einstellung in die Dienste ist nicht vorgesehen.

Branchenvereinbarungen haben den Vorteil, dass sie flexibel und zum Vorteil aller schnell angepasst werden können. Aber es besteht ein weiterer gravierender Unterschied zwischen dem Kinotraditionsland Frankreich und Deutschland. Die Filme locken insgesamt mehr Zuschauer ins Kino, das Land hat breiteres und vielseitigeres Angebot. Es spielt nur eine untergeordnete Rolle, wenn prominente Regienamen zu den Streamern abwandern. In Deutschland wäre es im Moment und nach den vorgesehenen gesetzlichen Regelungen ein Alptraum für das Kino, wenn die wenigen Kassenbringer zu den Streamern abwandern.

Euphorie in der Branche

Die Verbände der Filmwirtschaft reagierten euphorisch auf die Ankündigungen von Claudia Roth. Die Stimmung erinnert ebenso wie die Versprechungen und Hoffnungen an die Monate rund um die Einführung des DFFF. Ob sie aufgehen werden, ist eine Frage von Details, in die hoffentlich die damaligen Erfahrungen einfließen.

Während die Einbeziehung der Streamer ins Finanzierungssystem zumindest einen Schub für die Produktion verspricht, dürften die Effekte der Steuererleichterungen für deutsche Film- und Fernsehproduktionen in Grenzen bleiben. Denn bereits jetzt stecken in jedem deutschen Kinofilm 50% Förderung, bei Debüts 80%. EU-rechtlich ist nicht mehr möglich. Es läuft also nur auf eine Verschiebung im Gesamtkonzert von Bundes- und Länderförderungen hinaus.

Die Einführung des DFFF führt bekanntlich auch zu einer zweitweisen, exorbitanten Steigerung der Budgets. Zu Amphibienfilmen wie „Anonyma“ mit Kosten von 15 Millionen Euro. Rückflüsse an den Produzenten sind bei solchen Summen auf dem deutschen Markt nicht darstellbar, sie gehören auch jetzt zu den großen Ausnahmen. Um diese Chance zu erhöhen, müsste auch mehr Geld in Verleih und die Attraktivität der Kinos fließen. Und vor allem die Qualität der Produktion signifikant steigen, um Kinobesuch und den Auslandsverkauf anzukurbeln. Dies gehört zu den Forderungen der Branche, für deren Erfüllung es von Claudia Roth kein Signal gibt. Und an der Qualität kann sie sowieso nichts drehen.

Babelsberg vor nächstem Frühling?

Es ist auch fraglich, ob der Steueranreiz reicht, Hollywood zurückzugewinnen. Eike Wolf vom Studio Babelsberg versprach bei einer Veranstaltung des Medianet am Montag sogar, dass er Signale von den amerikanischen Studios habe, dass diese lieber am Traditionsstandort Babelsberg produzieren würden als in Osteuropa. Dies widerspricht allen bisherigen Erfahrungen. Prag und Budapest haben sich längst einen Ruf als Produktionsstandorte mit exzellenten Fachkräften international etabliert. Polen lockt bei niedrigeren Personalkosten ebenfalls mit 30% Steuererleichterungen. Und dann ist da noch das kleine Malta, das mit 40% Steuererleichterungen, einem professionellen Studio, Sonne und einem einzigartigen Filmlicht lockt.

Katharina Dockhorn


Link: www.kulturstaatsministerin.de

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