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40 Jahre Forum des Jungen Films

40 Jahre Mondlandung – 40 Jahre Forum – 40 Jahre CSD, ein Blick zurück und in die Zukunft.


Auf den ersten Blick scheinen die drei genannten Jubiläen wenig Gemeinsamkeiten aufweisen, doch tatsächlich gibt es bei näherer Betrachtungsweise viele Berührungspunkte und wie in einem Stammbaum nachvollziehbare Verästelungen der oben genannten Ereignisse.

Am 21. Juli 1969 betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit“. Dieses Ereignis veränderte die Welt, denn erstmals konnten Fernsehbilder vom Mond gesendet werden. Auch heute steht die Film- und Fernsehwelt wieder vor großen Umbrüchen. Die Digitalisierung schreitet voran und einige Kinos zeigen bereits kein Filmmaterial mehr, sondern empfangen testweise die Filmbilder direkt vom Satelliten oder spielen sie zumindest von DVD und Blu-ray Disc bzw. hochauflösend in 4K-HD-Qualität von Festplatte ab.

Vor 40 Jahren waren in der Filmbranche an solche umwälzenden Vorstellungen in der Projektions- und Distributionstechnik nicht zu denken. Dafür erlebte die Filmbranche eine politische Umwälzung:
• Cannes, 19. Mai 1968: Filmemacher stürmen die Bühne im Galasaal, hängen sich an den Kinovorhang und erzwingen den Abbruch des Festivals.
• Venedig, 7. September 1968: Alexander Kluges Films „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ gewinnt den Goldenen Löwen in Venedig und gibt den entscheidenden Anstoß zur Änderung der Festival-Statuten, die noch aus faschistischer Zeit stammen.
• Berlin, 1. Juli 1970, Der kritische Vietnam-Film „o. k.“ hat den Unwillen des Jury-Präsidenten George Stevens erregt, die Auseinandersetzungen führen zum Abbruch des A-Festivals.
• 27. Juni 1971: Die Berlinale ist gerettet, und die 1963 gegründeten „Freunde der Deutschen Kinemathek“ veranstalten das erste „Internationale Forum des Jungen Films“ in Konkurrenz zum Wettbewerb.
Damit war die alte Berlinale überholt, das Kartell der Filmindustrie hatte ausgedient, das wahre Festival findet woanders statt, nämlich beim „Forum des Jungen Films“ im kleinen Kino „Arsenal“, versteckt in einer Seitenstraße, der Welser Str., fernab vom Kudamm wo die Subkultur und das schwule Leben in West-Berlin jedes Wochenende tobt. Es ist die Zeit von Erika und Ulrich Gregor, die gemeinsam mit gleichgesinnten eine neue Sektion des Internationalen Film Festivals, als Gegenpol zum Mainstream, begründeten. Ihr „Arsenal“ Kino der „Freunde der Deutschen Kinemathek“ befand gleich gegenüber vom damals stadtbekannten Varieté „Chéz Romy Haag“, die mit ihrer Travestie Show sogar David Bowie später nach Berlin lockte. Und so verwundert kaum, dass ebenfalls vor 40 Jahren eine neue Gay Bewegung in San Franzisko ihren Lauf nahm und sich überall weltweit unter den Schwulen ausbreitete, die nach einer Polizeiwillkür am 28.06.1969 in der New Yorker Christopher Street (CSD) jetzt auf ihre Art und Weise für eigene politische Interessen eintraten und damit aus einem bis dato selbst ernannten Getto selbstbewusst heraustreten wollten. Eindrucksvoll schildert dieses Ereignis Gus van Sants Film "Milk", für den Sean Penn den diesjährigen Oscar als Bester Darsteller abräumen konnte. (Siehe BAF-Blog vom 23. Februar 2009)

So schließt sich der Kreis der Gemeinsamkeiten der großen Jubiläen neben den Feiern 60 Jahre Grundgesetz und 20 Jahre Fall der Berliner Mauer. Auch wenn das Kino von den Gregors mitnichten schwul war, so war doch die Berlinale seitdem offen für andere Sektionen und andere Blickweisen. Immerhin nehmen heute die Gay & Lesbian Filme mit dem Teddy Award des Panoramas einen großen Raum auf der Berlinale ein.

Doch zurück zum Forum, das dieser Tage im neuen Kino Arsenal im Filmhaus am Potsdamer Platz die 40 Jahre Forum gebührend mit einem Symposium feiert. Vom 1. bis Sonntag den 5. Juli 09 steht der Dialog zwischen verschiedenen Filmemachern im Mittelpunkt, die ihre Lieblingsfilme bzw. Filme die ihre eigene Arbeit nachhaltig beeinflusst haben, präsentieren. Den Auftakt machte am 1. Juli der japanische Regisseur Sabu, der den Film Lien Lien Fung Chne (Dust in the Wind, Regie: Hou Hsiao Hsien, Taiwan 1986) in Anwesenheit von den Gregors vorstellte. Die beiden Pensionäre Erika und Ulrich Gregor wurden von ihrem Nachfolger Christoph Terhechte, dem Leiter des Forums seit Juni 2001, mit einem filmischen Schmankerl aus den Anfangstagen des Forums gebührend geehrt. Übrigens waren die Gregors auch treibende Kraft bei der Gründung unseres Berliner Arbeitskreis Film (BAF e.V.) vor 35 Jahren. Wir hatten am 18. September 2007 Ulrich Gregor zu seinem 75. Geburtstag im BAF-Blog gratuliert.

Jeweils drei Filme am Tag werden noch bis Sonntag gezeigt und von 12 internationalen Regisseuren, die zum Teil von weit her angereist sind; aus USA, Japan, Finnland, Israel u.a. Ländern, persönlich vorgestellt. Am Sonntag wird um 12 Uhr ein Podiumsgespräch über den unabhängigen Film und Festivals, als Höhepunkt der Reihe „Wilde Jahre ohne Kompromisse“ angepriesen, denn von Anfang an ging es im Forum und im Arsenal um filmische Zeugnisse, über soziale und politische Entwicklungen, Geschichten aus der „Dritten Welt“, um neue Formen und Experimente, um den jungen deutschen Film, das Autorenkino und historische Wiederentdeckungen. Dabei müssen es nicht immer die großen Namen sein, die alle Normen sprengenden Werke, oft beschert einem ein kleiner unscheinbarer Film eine neue Sicht aufs Kino.

Auch im heutigen Arsenal wollen die Nachfolger, darunter die Tochter der Gregors, den Dialog zwischen Filmemachern und Filmfans herstellen, den Austausch zwischen den Generationen erleichtern und Bezüge quer durch die Filmgeschichte deutlich machen. Doch der Anspruch „nur“ als kommunales Kino zu gelten, genügt ihnen nicht, so das sie sich zum Institut für Film und Videokunst e.V. umbenannt haben.

Am Samstag, den 4. Juli gibt es z.B ein Wiedersehen mit der herrlichen Taschendiebs-Ballade "Xiao Wu" aus dem Jahre 1998 des chinesischen Regisseurs Jia Zhangke, der auch am nächsten Tag zur Podiumsdiskussion anwesend sein wird. Unter der Leitung von Ulrich Gregor und Christoph Terhechte wird gemeinsam am Sonntag, den 5. Juli (12 Uhr) über „Die Bedeutung der Festivalarbeit für das unabhängige Filmschaffen“ diskutiert. Ebenfalls dabei sein wird Jasmila Zbanic, die mit ihrem bosnischen Kriegsdrama „Grbavica“ 2006 den Goldenen Bären in Berlin gewann.

Link zum Arsenal Programm

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