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Hamburger Filmproduzent wird neuer Chef der dffb

VdFK kritisiert die Berufung Ralph Schwingels zum Direktor der DFFB. (UPDATE)



Das Kuratorium der DFFB hat in seiner Sitzung am 6. März 2015 einstimmig beschlossen, dass in Aussicht genommen wird, Ralph Schwingel zum Direktor und Geschäftsführer der DFFB zu bestellen. Nach der Berufung soll Ralph Schwingel baldmöglichst den Chefposten der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin antreten.

„"Mit Ralph Schwingel konnte ein erfahrener Filmproduzent, Autor und Regisseur gewonnen werden", so der Kuratoriums-Vorsitzende Björn Böhning, "der sich auch als Dozent bewährt hat. Ralph Schwingel ist aus Sicht des Kuratoriums hervorragend geeignet, die Leitung der DFFB zu übernehmen."

Schwingel ist Mitinhaber der Produktionsfirma Wüste Film. 1998 realisierte er mit Fatih Akin dessen mehrfach preisgekrönten Debütfilm "Kurz und schmerzlos", auch die Akin-Filme "Solino" und "Gegen die Wand" entstanden bei Wüste Film. Jüngste Produktionen waren u. a. "Adieu Paris", "Ein Tick anders" oder "12 Meter ohne Kopf".

Die Vertretung der Studierenden der DFFB hat nach der Bekanntgabe der Wahl bereits ihren Unmut über das in ihren Augen "undemokratische Handeln" bei der Besetzung des Direktorenpostens geäußert. Die voraussichtliche, in den Augen der Studenten sogar dramatisch Umstrukturierung der Ausbildungsstätte, weg vom künstlerischen Film - hin zu Mainstream, prangern nicht nur die Studierenden, sondern auch zahlreiche Dozenten an. Sie alle fürchten um die Substanz der Akademie, immerhin eine der ältesten, profiliertesten, politischsten und zugleich ästhetisch ambitioniertesten deutschen Filmhochschulen, zu deren Absolventen Wolfgang Becker, Detlev Buck, Harun Farocki, Wolfgang Petersen, Christian Petzold, Helke Sander oder Angela Schanelec ebenso gehören, wie auch einst - zumindest im ersten Jahrgang 1966 - der einst politisch sehr rege, aber später doch sehr extreme RAF-Terrorist, Holger Meins.

Die von den Studenten als mögliche Direktorin favorisierte Kamerafrau, Kölner Hochschulprofessorin und Ex-DFFB-Dozentin Sophie Maintigneux wurde von dem Kuratoriums-Vorsitzenden Björn Böhning nicht berücksichtigt. Statt dessen präsentierte er nach der geheimen Wahl durch die siebenköpfige Findungskommission, der unter anderen die MedienboardChefin Kirsten Niehuus, der Produzent Eberhard Junkersdorf, die RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle sowie Claudia Tronnier (ZDF, „Kleines Fernsehspiel“) angehören, den österreichischen Filmemacher Julian Pölsler („Die Wand“), gegen den jedoch die Studenten vorbehalte haben.

Letztendlich wurde man sich aber angeblich über die Modalitäten nicht einig, so dass Julian Pölsler erst gar nicht seinen Dienst antrat und der Job wieder vakant ist.

Bereits 2011 hatten die die Studierendenvertreter dem kürzlich zurückgetretenen Direktor Jan Schütte in einem offenen Brief vorgeworfen, den demokratisch besetzten Akademischen Rat „als Ort der Mitbestimmung von Studenten- und Dozentenschaft in der Praxis abgeschafft“ zu haben. Seit mehr als zwei Jahren gebe es an der dffb keinen Dozenten mehr für Regie und die Zukunft sieht nicht rosig aus. Der oder die Neue solle vor allem dialogfähig sein und die lange Tradition des Austauschs an der Akademie aufrechterhalten, forderte Studierendensprecher Florian Hoffmann im Dezember 2014.

Nun soll es der Produzent Ralph Schwingel werden - also wieder kein Regiespezialist - der zudem an der offiziellen Ausschreibung erst gar nicht teilgenommen hatte. Im Gegensatz zu allen anderen Bewerbern habe er sich nun als einziger Kandidat in einer Vorlesung präsentieren dürfen, so die Kritik der Studenten. "Das Handeln der Staatskanzlei stellt in hohem Maße für die DFFB eine Gefährdung als einen Ort freier und unabhängiger Filmausbildung dar und markiert einen neuen Höhepunkt in der feudalen Ausübung eines demokratisch gewählten Amtes", so die Studenten weiter. Dies kann nur als Versuch gelesen werden, "illegitime Vorgänge unter Ablenkung auf eine Personaldebatte zu verschleiern."

Nach der Wahl überreichten die Studenten dem Produzenten Ralph Schwingel selbst ein Brief, in dem dieser aufgefordert worden sei, seine nachgereichte Bewerbung wieder zurückzuziehen. Anschließend verließen die Studierenden den Raum, um die Anhörung nicht zu legitimieren.

„Die Stimmung an der Hochschule hat sich sehr verändert“, sagt auch Regisseurin und DFFB-Dozentin Valeska Grisebach ("Sehnsucht"). „Schon unter Jan Schütte wurden Strukturen verändert, die Regie-Professur blieb jahrelang unbesetzt, die Qualität der Lehre hat spürbar gelitten.“

Aus Sicht der Studierenden hätten Björn Böhning, und mit ihm das Kuratorium die bereits gespannte Situation an der DFFB "eskalieren lassen", indem sie sich final von einer demokratischen Vorgehensweise verabschiedet hätten. Die Studenten wünschen sich nun eine Fristverlängerung, vielleicht sogar eine neue Ausschreibung.

Die bisherigen Geschehnisse stellten "nichts anderes als ein Versagen der Berliner Kulturpolitik dar, deren Entscheidungsmechanismen die Bedürfnisse der Kulturinstitutionen selbst brutal übergehen", so die einhellige Meinung der Studierenden.

U P D A T E:
Die Berufung des Produzenten Ralph Schwingel zum neuen Akademiedirektor hat den Verband der deutschen Filmkritik (VdFk) zu einem Offenen Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller veranlasst. Der Verband kritisiert darin, dass Björn Böhning, Chef der Staatskanzlei und Kuratoriums-Vorsitzender, "Schindluder mit dem Erbe der DFFB" betreibt, indem ein externer Bewerber an den vorhandenen Bewerbern und dem offiziellen Bewerbungsverfahren vorbei "von oben herab", ohne Konzeption und ohne Beteiligung der im Verfahren vorgesehenen Findungskommission installiert werden soll. Es sei der Eindruck entstanden, dass Teile des Kuratoriums "weder an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sind, noch daran, auch nur die Kriterien des selbstgewählten Verfahrens einzuhalten." Es scheine stattdessen, dass die DFFB zu einer "industriefreundlichen Film- und Kaderschmiede" verwandelt werden soll.

Der Verband fordert daher "ein Berufungsverfahren zu garantieren, das von Transparenz, Fairness und Gleichbehandlung aller Bewerber geprägt ist, und das den Charakter, das Selbstverständnis und das historische Erbe der DFFB nicht gefährdet".

Link: www.dffb.de
Quellen: Tagesspiegel | filmecho | Blickpunkt:Film | VdFK

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