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Öffentlich-rechtliche Rundfunk u. Fernsehanstalten überflüssig ?

Für viele Filmemacher, Autoren, Cutter, Kamera- und Tonleute sind sie immer noch unverzichtbarer Brötchengeber: unsere bisher so geliebten öffentlich rechtlichen Rundfunk und Fernsehanstalten. Sie sind Koproduzenten diverser Spiel- und Fernsehfilme. Den Nachrichten der Tagesschau glaubte man aufs Wort, denn die gut geschulten Moderatoren galten als nahezu unfehlbar. Doch dann kam ein Eklat nach dem anderen. Zuerst war es der Schleichwerbeskandal in der ARD, dann eine äußerst umstrittene Werbekampagne des ZDF Star-Moderators Johannes B. Kerner zum Börsengang von Air Berlin.

Den privaten Fernsehanstalten hätte man es noch verziehen, denn sie leben von der Werbung. ARD und ZDF aber sind Gebühren finanziert und sollten keine Seriosität vorgaukeln, wenn Ihre Moderatoren sich nicht daran halten.

Neulich beim Treffen der Professionals zu dem MediaCityBerlin www.mediacityberlin.de eingeladen hatte, entwickelte sich dazu eine angeregte Debatte unter Mitgliedern von verschiedenen Filmverbänden. Ellen Wietstock vom filmpolitischen Dienst „blackbox“ www.blackbox-filminfo.de hatte die Frage aufgeworfen, wie der BAF dazu steht. Einig war man sich schnell in der Meinung, dass die Glaubwürdigkeit der öffentlich rechtlichen Sender nicht nur stark gelitten hat, sondern sich allgemein das Arbeitsklima dort verschlechtert hat. Gemeinsame Aktionen und mehr politisches Engagement der Filmverbände wären wünschenswert, um zum einen klar zu stellen, dass Journalisten nach dem Ehrenkodex des Netzwerkes keine PR betreiben sollten, zum anderen, um mehr Informationsaustausch zu den verschlechterten Arbeits- und Produktionsbedingungen bei den Anstalten zu bekommen. Als erster Schritt zu der Kerner-Affäre ist daraus folgender Kommentar aus dem BAF Vorstand entstanden:

Fliegen Sie mit Kerner

“Die Zeit“ vom 28.09.06 gibt allen Aktionären noch einmal die Gelegenheit, an Ihren Lieblingsflieger Johannes Baptist Kerner zurückzudenken. Doch in dem Interview verweigert Kerner die Antwort auf alle zentralen Fragen. Stattdessen scheint seine Selbstüberschätzung neue Höhen zu erklimmen, indem er sich zum nahezu einzigen Staudamm gegen eine „Vergreisung“ des Publikums des ZDF erklärt. Schließlich fehle es dem ZDF ja an einem jungen Publikum.

Von Nikolaus Brender stammt die Äußerung: „Journalisten werben nicht“. Und Kerner kneift und zerschellt an diesem Anspruch wie ein Flieger am Berg. Er weiß, dass er keine journalistische Glaubwürdigkeit (mehr) für sich in Anspruch nehmen kann und will dennoch so weitermachen und verdienen und werben wie bisher.

Die zweite Problematik ist, wofür er eigentlich Werbung gemacht hat. Manfred Krug und Charles Brauer sind da noch in allerschlechtester Erinnerung mit Ihrem Lobgesang auf die Telekom. Auch noch bei der dritten Tranche die für 66 € in den Markt gedrückt wurde. Zwischenzeitlich stand die Telekom zwischen 7 und 8 € je Aktie. Hatte mit UMTS und „Sprint“ zigmilliardenschwere Fehlinvestitionen und im Börsenprospekt eine Immobilienbewertung in der Nähe der Bilanzfälschung.

Jedoch war bei Krug und Brauer immer klar, daß diese keinerlei journalistische Seriosität für sich in Anspruch nehmen wollten. Nicht so bei Kerner. Aber nach seinem Selbstverständnis ist er kein Journalist (mehr), sondern gehört ebenfalls zur Unterhaltungsbranche. Gut. Dann wissen wir das jetzt. Wer unterhält, fliegt nicht.

Zu diesem erweiterten Unterhaltungsbegriff gehört dann eben auch die Werbung für „Air Berlin“, einem Unternehmen von nahezu abenteuerlicher Luftigkeit. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingun-gen vor dem Börsengang im Mai 2006 waren wie folgt: Mittelzufluß durch den Börsengang ca.235 Millionen Euro (Quelle: SZ vom 11.05.06) Konzernverlust 2005 € 115.900.000,00! D.h. bei stetiger geschäftlicher Entwicklung, daß die Verluste bis Anfang / Mitte 2007 das gesamte neu eingeworbene Eigenkapital aufzehren werden. Und die Annahme „das Geschäft bleibt, wie es ist“ ist betriebswirtschaftlich gut vertretbar. Wenn sich Mitte 2007 kein neuer Geldgeber findet, dann sieht es schlecht für die neuen Aktionäre aus. Aber einer wie Kerner, nur Schauspieler, nicht aber Journalist, muß davon nichts wissen. Und verscherbelt seine Popularität, die er auf Kosten aller Gebührenzahler errungen hat, für diese Art von wirtschaftlicher Rattenfängerei. Weil ihn sein Kumpel Hunold aus dem Skiurlaub angerufen und mal nachgefragt hat.

Und wer fährt mit Kerner Schlitten? Keiner! Sein Vertrag wird verlängert. Mehr Sendungen, mehr Geld. Computer werden gebührenpflichtig, damit das ZDF die Rattenfängerei besser alimentieren kann.

Warum aber wird jemand als Journalist eingestellt und darf die Maske der journalistischen Seriosität aufsetzen, der in Wirklichkeit nur noch dem Gelde und der Werbeindustrie verpflichtet ist? Wenn die Grenzen zwischen Journalismus und Unterhaltung und Werbung erst einmal dergestalt verwischt sind, wer soll dann dem ZDF noch irgendetwas glauben und dafür bezahlen? Wenn es nicht einmal mehr dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelingt, zwischen journalistischer Information, Unterhaltung und Werbung zu unterscheiden, dann verleugnet er seinen Auftrag und verliert jedwede Existenzberechtigung. Dann reichen RTL 2 und 9 Live. Für Dauerberieselung durch eine Werbemonstranz der Luftfahrt darf niemand zur Gebührenzahlung gezwungen werden.

Herr Brender, Sie sagen uns dann, wann Kerner fliegen lernt. Oder fliegen Sie etwa auf und mit ihm?

Demille / BAF-Berlin

Über eine rege Diskussion in der Kommentarspalte würden wir uns freuen.



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