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Bürgerentscheid über "Ku'damm" Theater

Wahlberechtigte in Charlottenburg-Wilmersdorf stimmen über Bühnenerhalt ab.



Neben der Friedrichstraße und der Straße 'Unter den Linden' gehört der Kurfürstendamm zu den begehrtesten Immobilienplätzen Berlins. Allerdings erlebt die Magistrale erst seit Kurzem neuen Aufschwung, nachdem in der West-City am Bahnhof Zoo rege Bautätigkeit und Modernisierung zu verzeichnen ist. Zum Jahresende musste die UCI Kinokette bereits den Zoo Palast abgeben, damit eine Bayerische Bau- und Immobiliengesellschaft das Areal um Berlins größtes Kino umgestalten kann. Glücklicherweise konnte der Denkmalschutz das Schlimmste verhindern und den Erhalt des großen Saals sowie des Ateliers am Zoo ermöglichen. Die erst später in einem Anbau hinzugefügten Kinosäle werden dagegen abgerissen und nur zum Teil ersetzt. Insgesamt sollen die Umbaumaßnahmen mehr als zwei Jahre dauern, weshalb die Berlinale in dieser Zeit das Kino nicht buchen kann und die Internationalen Filmfestspiele Berlin wahrscheinlich bis 2013 in das Haus der Kulturen der Welt (HKW) mit dem Generation Programm für Kinder und Jugendliche ausweichen müssen.

Danach wird Hans Joachim Flebbe das 1957 gebaute Kino, das seinerzeit mehr als 1000 Sitzplätze hatte, in neuem Glanz erstrahlen lassen. Eine Cocktailbar im Foyer soll nobleres Ambiente verkünden und großzügige Kinosessel im Innenraum mehr Komfort bieten. Die Anzahl der Plätze wird dadurch leicht reduziert. Wie bequem dies zukünftig den Zuschauern gemacht wird, kann man in der neuen Astor Film Lounge am Kurfürstendamm ausprobieren, wo der ehemalige Geschäftsführer der Cinemaxx Gruppe den alten Filmpalast Berlin der Ufa mit teuren Ledersesseln und neuer Technik ausgestattet hat. Es ist neben dem Cinema Paris das letzte verbliebene Kino von einst fast zehn Filmtheatern am berühmten Boulevard, wo einst die Berlinale vor 61 Jahren in der mittlerweile geschlossenen Filmbühne Wien ihren Anfang nahm und viele Jahre ihre Blütezeit erlebte.

Nun sollen auch die Theater am Kurfürstendamm den Bauspekulanten weichen und indirekt mitinvolviert ist der 92jährige Filmproduzent und Unternehmer Atze Brauner, der mehrere Grundstücke am Kurfürstendamm besitzt und einst zu einem der reichsten Männer Deutschlands gehörte. Doch seine CCC Filmstudios auf Eiswerder in Spandau waren vorübergehend geschlossen und durch einige Misserfolge, Fehlspekulationen und hohe Kreditschulden stand ihm laut Pressemeldungen vor einiger Zeit das Wasser bis zum Hals. Deshalb besann er sich letztes Jahr und kündigte dem edlen Autohaus Mercedes Benz in einem seiner vielen Geschäftshäuser am Kurfürstendamm die Ausstellungsräume, um darin der Komödie und dem Theater am Kurfürstendamm eine neue Behausung anzubieten, hieß es in diversen Erklärungen. Das angrenzende Ku'damm Karree beherbergt nämlich im Augenblick noch die historischen Boulevardtheater, die nach Plänen des Architekten Chipperfield für den irischen Investor Ballymore abgerissen werden sollen. Dabei tritt Artur Brauner keineswegs als Mäzen für die Bühnen auf, sondern verfolgt knallhart wirtschaftliche Interessen, um selber an dem 500 Millionen Euro teuren Umbauprojekt des Ku’damm Karrees mitzuverdienen, schrieb der Tagesspiegel im Mai 2010.

Inzwischen sind etliche unterschiedliche Pläne durchgespielt worden, die Bühnen, die einst vom Theaterarchitekten Oskar Kaufmann für den Intendanten und Filmregisseur Max Reinhardt gebaut worden waren, entweder zu erhalten oder daraus historische Stuckteile und Ornamente in einem neuen, modernen Theaterzweckbau zu integrieren. Vorteil in den Augen des Architekten wäre bei letzterer Betrachtung, eine zeitgemäße Umgestaltung des Entrees zum Ku'damm Karree. Eine offene, freie Passage soll in die enge, verwinkelte, nicht angenommene Shopping Mall des Ku'damm Karrees mehr Licht und mehr Lebensqualität bringen. Außerdem könnte eine neue Bühne größer ausfallen und sowohl für die Schauspieler als auch für die Zuschauer neben besserer Akustik auch komfortablere Bedingungen bieten. Dazu gehören bessere Bestuhlung mit größerem Sitzabstand sowie eine moderne Garderobe, neue Sanitäranlagen und mehr Platz für die Schminke oder anderer notwendiger Nebenräume.

Die Verlegung der Bühnen in die Uhlandstraße, einer Seitenstraße des Kurfürstendamms, mit einem Eingang an der Stelle des jetzigen Parkhauses, das ebenfalls abgerissen werden soll, lehnte der Intendant der Bühnen, Martin Woelffer bereits ab. Ein neuer Vorschlag mit einem Eingang direkt am Ku'damm und einem größeren Theater, das im dritten Obergeschoss neu gebaut werden würde, fand dagegen seine Befürwortung. Auch eine Verlegung in die ehemaligen Ausstellungsräume von Mercedes Benz, die zu Artur Brauners Imperium gehören, war angedacht. Sogar die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) begrüßte einen größeren Neubau mit 650 Sitzplätzen.

Doch plötzlich bekämpfte eine Bürgerinitiative um Otfried Laur vom Berliner Theaterclub die einvernehmliche Lösung und ruft zum generellen Widerstand auf. Die historischen Bühnen sollen erhalten bleiben, egal was für ein Schicksaal ihnen blüht. Aus reichlicher Erfahrung wissen wir, dass nicht lukrative, zu kleine Bühnen oder Filmtheater auf kurz oder lang nicht überleben können und in nicht allzu ferner Zukunft zu Modeläden am Ku'damm umfunktioniert würden. Den umliegenden alten Kinos ereilte das gleiche Schicksal. Dazu gehören das Marmorhaus, das Gloria, das Astor Filmtheater und die Filmbühne Wien. Dennoch hat die Bürgerinitiative die erforderliche Anzahl an Stimmen erhalten, um am Sonntag, den 16. Januar 2011 zur Wahl des Bürgerentscheids aufzurufen. Die anstehende Problematik ist auf dem Wahlschein für Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürger dagegen nicht erkennbar, denn es darf nur mit JA oder NEIN für den Erhalt der Bühnen abgestimmt werden. Die Empfehlung des Intendanten Martin Woelffer für einen Neubau, wird aus dem Wahlaufruf nicht ersichtlich. Auch direkt betroffene Schauspieler, die vielleicht in einem anderen Bezirk ihr zu Hause haben, dürfen sich leider an der Wahl nicht beteiligen.

Wir empfehlen deshalb vor der Wahl noch einmal ganz genau zu überdenken, was für Berlin zurzeit das Beste ist. Im Falle eines Neubauboykotts könnte der Investor von dem geplanten Umbau zurücktreten und eine weitere leer stehende Bauruine am Kurfürstendamm zurücklassen.

Wahl zum Bürgerentscheid
am 16. Januar 2011
von 8:00 bis 18.00 Uhr

Infos der Kontrahenten unter:
www.rettet-die-kudammbuehnen.de
www.dasneuekudammkarree.de

Weitere Links:
www.theater-am-kurfuerstendamm.de
www.kinokompendium.de

(Nachtrag vom 17. Januar 2011)

Das Quorum von notwendigen 15% Wahlbeteiligung wurde am Sonntag mit 13,68% knapp verfehlt. Somit kann ab 2012 mit dem Neubau begonnen werden. In der Bauzeit, die voraussichtlich drei Jahre dauern wird, soll auf dem Hof des Grundstücks von Artur Brauner an der Knesebeckstraße möglicherweise ein Zelt errichtet werden, um einen Spielbetrieb weiter zu gewährleisten. Der Eingang und die Kassenräume könnten vorübergehend an der Ecke zum Kurfürstendamm, in den bisherigen Schaufensterräumen von Daimler Benz, eingerichtet werden. Wer für die Kosten der Ersatzspielstelle aufkommt, ist allerdings noch nicht geklärt. In dem Eckgebäude selbst plant Artur Brauner, ein "Holiday Inn Hotel" mit 200 Betten zu errichten. Gegenüber betreibt seine Firma bereits das "Hollywood Media Hotel". Dort befinden sich auch noch die Überreste des ehemaligen Kinos Lupe, das der 92jährige angeblich gelegentlich für seine Privatvorstellungen nutzt.


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