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Generationswechsel bei den Kinobesuchern

Zunehmend älteres Publikum – dem deutschen Kino fehlen die jungen Zuschauer.



Als vor einigen Jahren das Kiezkino ausgestorben schien und die Kinobetreiber mit immer größeren Multiplexcinemas vor allem junge Zuschauer in Schaaren in die Kinosäle lockten, da war das Schlagwort des Popkorn-Kinos geboren. Gleichzeitig wurden ältere Kinobesucher durch laute, manchmal grölende Jugendliche mehr oder weniger verschreckt und blieben dem Kino lange Zeit fern. Inzwischen hat sich das Bild gewandelt. Filme wie beispielsweise "Wolke 9" von Andreas Dresen über das Thema Sex im Alter, sprechen gezielt älteres Publikum an und nehmen Rücksicht darauf, dass die Gesellschaft immer älter wird.

Die jüngste Studie der Filmförderungsanstalt (FFA) bestätigt diesen Trend. Im letzten Jahr war nur noch die Hälfte aller Kinobesucher zwischen 10 und 39 Jahre alt. Damit ist der Anteil dieser Altersgruppe am Kinopublikum seit dem Jahr 2000 deutlich zurückgegangen: Vor zehn Jahren gehörten noch zwei von drei Kinobesuchern (62%) dieser Altersstufe an. Auffällig ist der Rückgang in der Gruppe der 20 bis 29jährigen Kinobesucher, deren Anteil im Vergleich zu 2000 um 37 Prozent geschrumpft ist. Die Altersgruppen ab 40 Jahren hingegen werden immer kinoaffiner: Im Vergleich zu 2000 stellten die über 40 Jährigen jeden dritten Kinobesucher (34%) – vor zehn Jahren zählte nur jeder Fünfte zu dieser Besuchergruppe.

Die neu aufgelegte Untersuchung “Der Kinobesucher 2009” zeigt darüber hinaus, dass im Jahr 2009 knapp jede dritte Eintrittskarte (30%) der insgesamt 146,3 Mio. verkauften Tickets für einen TOP-10-Film gelöst wurde – wobei mit 44 Millionen Besuchern die Zahl der Filme mit 1 bis 6 Mio. Besuchern deutlich über dem Durchschnitt der letzten 15 Jahre lag. Nur 2001 und 1997 haben mehr Filme mit über einer Mio. verkaufter Eintrittskarten an der Kinokasse punkten können.

Deutsche Filme haben gutes Image

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine ebenfalls kürzlich veröffentlichte Studie der FFA, die dem deutschen Film eine wachsende Popularität beim Publikum bescheinigt. Die Untersuchung “Imagestudie deutscher Film” umfasst ausschließlich Kinofilme, unabhängig davon, ob sie im Kino oder auf DVD ausgewertet wurden. Befragt wurden 4.056 Deutsche über 14 Jahre im Zeitraum zwischen November und Dezember 2009. Danach sind deutsche – aber auch US-amerikanische – Filme in der Beliebtheitsskala in den letzten zwei Jahren weiter nach oben geklettert: Über die Hälfte (51% – 2% mehr als 2007) sieht gerne Filme aus Deutschland, mehr als jeder Fünfte (23%) outet sich sogar als echter Fan deutscher Produktionen. Insgesamt nur etwas höher in der Gunst der Befragten liegen nur noch Produktionen aus US-Studios mit 54 Prozent (49%).

Der Blick auf den Altersvergleich zeigt, dass amerikanische Produktionen besonders beim jungen Publikum Anklang finden: Rund drei Viertel der Befragten zwischen 14 und 39 Jahren bevorzugen amerikanische Filme, deren Beliebtheit mit zunehmendem Alter dann jedoch stark abnimmt. Deutsche Filme hingegen sprechen – mit niedrigeren Quoten zwischen 47 und 56 Prozent – fast durchgängig alle Altersgruppen an, wobei der höchste Wert bei den älteren Zielgruppen (60+) zu finden ist.

An inhaltlichen und stilbildenden Kriterien werden deutschen Filmen im Vergleich zum amerikanischen Film Realitätsnähe, inhaltliche Qualität und gute Dialoge attestiert, während US-Filme als spektakulärer und actionreicher empfunden werden. Die TOP 10 der “typischen” deutschen Filme besteht aus einer Mischung aus aktuellen und älteren Filmen, darunter sechs Komödien. Der “typischste” deutsche Film ist Til Schweigers Film “Keinohrhasen“, gefolgt von Wolfgang Petersens “Das Boot” und Michael “Bully” Herbigs “Der Schuh des Manitu“. Auffällig ist, dass die erwähnten “typischen” deutschen Filme sich durchaus mit den Qualitäten US-amerikanischer Produktionen vergleichen lassen, also weniger im anspruchsvollen, denn im Unterhaltungsbereich angesiedelt sind.

Weniger Arthouse-Publikum in Deutschland

Inwieweit sich der deutsche Arthouse-Film entwickelt hat, zeigt die Studie zwar nicht, doch das Arthouse-Kino leidet generell unter einem Besucherrückgang. Anspruchsvolles Kino läuft inzwischen vor allem auf Festivals, wo es überall Preise gewinnen kann, doch die Verleihfirmen scheuen sich, die Filme anschließend ins Kino zu bringen. Es gibt allerdings Ausnahmen. So gilt Michael Hanekes „Das weiße Band“ mit 367.000 Zuschauern als „bester deutscher Arthouse-Film des letzten Jahres“. Ein anderer Film dagegen, wie „Sturm“ von Hans-Christian Schmid erzielte nur 37.000 Zuschauer, was sicherlich auch durch schlechtes Marketing zu begründen ist, denn das außergewöhnliche Werk hätte mehr Zuschauer verdient.

Beeinflusst Filmkritik den Zuschauer?

Die Hälfte der Zuschauer, die sich vor den bundesweit rund 4.800 Kinoleinwänden versammeln, gibt an, keine Kritiken zu lesen. Dafür haben Mundpropaganda und Tweets in den Social-Networks deutlichen Einfluss auf das Zuschauerverhalten. Es gibt dennoch Filme, die unabhängig von einer guten oder schlechten Besprechung funktionieren. Allerdings ist eine Besprechung in den Tageszeitungen, im Internet oder in den Filmzeitschriften immer noch ein wichtiges Kriterium für einen Film, um wahrgenommen zu werden. Die intensive Berichterstattung der Presse über neue Filme im 3D-Verfahren brachte sogar junges Publikum wieder zurück in die Kinosäle.

Insgesamt sehen die Zahlen positiv aus und das deutsche Kinojahr 2009 kann als „statistisch sehr gut“ bezeichnet werden. Der Kino-Umsatz ist auf über 800 Mio. Euro in Deutschland gestiegen, 123 Mio. Zuschauer besuchten 2009 unsere Kinos und sogar elf deutsche Filme fanden sich unter den Top-50 der meistbesuchten Filme des Jahres. Von den 523 Kinostarts in Deutschland kann die generelle Qualität der Filme zwar nicht befriedigen, aber immerhin kamen 165 Filme aus Deutschland.


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Kommentare

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Katrin am :

Ein schöner Artikel-auch wenn der werte Herr Haneke heißt (klugscheißer off). Den Besucherschwund kann ich mir nur begrenzt erklären. Dass jetzt die ca 40 Jährigen das Kino entdecken, kann nicht sein, dass ist glaube die Generation,die immer schon gern ins Kino gegangen ist und irgendwann nun mal auch älter wird. Und die jüngeren gehen einfach nicht ins Kino wegen der unsäglichen Downloads. Ich kanns zwar nicht nachvollziehen, aber Geld wird offensichtlich lieber für andere Dinge ausgegeben statt für ein Kinoerlebnis, was mit einfach keinem Filmsehen in einem noch so großen Flatscreen vergleichbar ist. LG Kaddi

Anonym am :

Vielen Dank für die netten Worte. Wir haben den Tippfehler im Namen des österreichischen Regisseurs Michael Haneke sofort korrigiert.

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