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Intimes aus der Männerwelt - Die Kinemathek zeigt Arbeiten von Thomas Schadt

Die Deutsche Kinemathek widmet dem Dokumentarfilmer Thomas Schadt eine Werkschau und lud aus diesem Anlass zu einem Eröffnungsabend am Donnerstag, 2.11.2023, ein, mit exklusiver Filmpremiere und anschließendem Gespräch.



Dem 1957 in Nürnberg geborene deutsche Film- und Theater-Regisseur, Produzent, Kameramann, Autor und Fotograf Thomas Schadt widmet sich die Deutsche Kinemathek im Filmhaus am Potsdamer Platz vom 3. November 2023 bis 6. Mai 2024 dem Filmemacher mit einer Werkschau und präsentiert die exklusive Filmpremiere: "Männerbilder des späten 20. Jahrhunderts".

Der in Nürnberg geborene Thomas Schadt gehört mit seinen mehr als 50 Filmen zu den bedeutendsten Dokumentaristen Deutschlands. Durch seine Kamera beobachtete der vielfach ausgezeichnete Regisseur, Autor, Kameramann und Produzent von 1982–2019 Alltägliches und Historisches, schaute Bundeskanzlern, Arbeitslosen und Computerfreaks über die Schulter und kehrte dabei immer wieder nach Berlin zurück. Gerade in der Retrospektive werden seine Werke zu beeindruckenden Zeitzeugnissen, die nicht nur das Gefühl eines Augenblicks, sondern einer Nation einfangen.

Ab dem 3. November 2023 können Besucher*innen der Deutschen Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen in Berlin eine fast vollständige Auswahl von Thomas Schadts Dokumentationen in voller Länge anschauen und ausgewählte Exponate seines Produktionsarchivs betrachten.

Fünf Sichtungsinseln in der Mediathek Fernsehen vertiefen den Blick auf verschiedene, wiederkehrende Themen im Gesamtwerk des Dokumentaristen, der vor allem die Ansichten der »kleinen Leute« und ihren Alltag neben der Politik und den Mächtigen des Landes wiederholt ins Zentrum seiner Filme setzte. Für seine Arbeiten erhielt Thomas Schadt zahlreiche Preise. Alle in der Ausstellung gezeigten Filme sind bis zum 6. Mai 2024 in der Mediathek Fernsehen zu den Öffnungszeiten des Museums abrufbar.

Katharina Dockhorn berichtet hier vom Eröffnungsabend:

Gerhard Schröder in intimen Momenten des Wahlkampfes 1998, Lothar Matthäus beim Föhnen der Haare nach dem Spiel oder James Last beim Ankleiden vor dem Konzert. Der Filmemacher Thomas Schaad hat viele Prominente des Landes in Momenten begleitet, die für die neugierigen Blicke des Publikums sonst tabu sind. Dabei hielt er stets klug die Distanz zwischen interessanten Situationen und Voyeurismus.

Viel mehr als die Promis, die das Rampenlicht gewohnt sind und dorthin drängen, hätten ihn stets Menschen interessiert, deren Leben nicht so glanzvoll verläuft, erzählt der Regisseur im Gespräch mit Klaudia Wick zur Eröffnung seiner Werkschau im Museum für Film und Fernsehen, die bis zum 6. Mai kommenden Jahres zu sehen ist.

Den Langzeitarbeitslose, der im Supermarkt die Preise vergleicht, oder Arbeitslose, die von ihrem Alltag erzählen, hat Thomas Schadt ebenso vor die Kamera geholt wie gelangweilte Jugendliche. Immer wieder zog es ihn auch in die USA. Die Erzählungen der Männer sind nicht nur wichtige Zeitdokumente, sie geben Einblicke in die bundesdeutsche Geschichte. Für die Ausstellung hat er sie für den Film „Männerbilder des späten 20. Jahrhunderts“ zusammengestellt. Es wäre ihm schwergefallen, eine Parität zwischen Männern und Frauen herzustellen, räumt Schadt zur Entstehung der Konzeption der kleinen Schaffensbilanz ein. Als die Filme entstanden, hätte dies auch keine Rolle gespielt.

Berlin-Bilder aus einem Jahrhundert

Anlass ist die Übergabe des Vorlasses von Thomas Schadt an das Haus. Acht Umzugskisten, zur Freude der Archivare gut sortiert, hat er der Kinemathek im Sommer überlassen. Darunter war auch eine Festplatte mit allen Filmen in seiner Regie, die zum größten Teil für das Fernsehen entstanden.

Ergänzt werden sie von seinem Kinoglanzstück, der Neuauflage von „Berlin-Symphonie einer Großstadt“ aus dem Jahr 2002, das in der Ausstellung neben dem Original von Walter Ruttmann und einer neuen Version zu sehen ist. Nicht nur für Berliner ist diese filmische Zeitreise ein Muss!

Sender schränken heute dokumentarischen Blick ein

Über die Diskussion zu veränderten Rezeptionsgewohnheiten und Anforderungen an Filmemacher*Innnen kam das Gespräch auf die Freiheit des dokumentarischen Arbeitens. Schadt, heute Professor an der Filmhochschule in Ludwigsburg, kann über die Erfahrungen seiner Studenten sehr gut die eigenen Anfänge mit den heutigen Bedingungen in den Fernsehsendern vergleichen. Das betrifft nicht nur die Sendeplätze, die in den vergangenen Jahrzehnten für Dokumentarfilme immer unattraktiver wurden. Sondern vor allem die Freiheit des Erzählens. In den 80-er und 90-er Jahren hätte ein Konzept aus einem halben Blatt Papier gereicht, um ein wenig Geld zu bekommen. Meist hätten die Regisseure offen in das Projekt gehen können und zeigen, was sie selbst sahen. Heute wollten sich die Sender absichern und vorher genau wissen, welcher Film sie erwartet.

Finanzlücke in der Kinemathek

Die spartanische Eröffnung war auch ein Spiegelbild der finanziellen Situation der Kinemathek, die seit Jahren nicht unbedingt zu den Begünstigten des Hauses von Claudia Roth zählt. Im kommenden Jahr könnte sich die Situation noch verschlechtern. Die Zuwendungen aus dem Bundeshalt sollen trotz gestiegener Heizkosten nicht steigen.

Es darf spekuliert werden, ob dahinter Absicht steckt. Wenn das Museum im Sommer still und leise schließen muss, gibt es hoffentlich einen Aufschrei in der lokalen Presse. Wenn es aber wie geplant Ende Februar 2025 seine Pforten unmittelbar nach der Berlinale für immer schließt, dürfte die internationale Aufmerksamkeit wesentlich größer sein.

Katharina Dockhorn

Link: www.deutsche-kinemathek.de

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