Skip to content

Proteste gegen Internetsperren! (update)

Bereits im April demonstrierten aufgebrachte Bürger in Berlin für ein freies Internet und gegen den elektronischen Polizeistaat.



Inzwischen haben über 80.000 Menschen (update) eine Petition zur Ablehnung von Internetsperren unterzeichnet. Bereits mit 50.000 war die Anzahl erreicht, ab der sich der Petitionsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Sitzung mit dem Antrag befassen muss, nachdem Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen nochmals ihre Forderung beteuerte, umgehend Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornografie einzurichten. Der Termin für die Debatte wurde im Wirtschaftsausschuss des Bundestages auf den 27. Mai 2009 festgelegt. Die Kritiker meinen, die Sperren über das Domain Name System (DNS) seien leicht umgehbar und führten dennoch zu einer allgemeinen Zensurinfrastruktur. Man könne nicht China kritisieren, im eigenen Land aber die gleichen Methoden implementieren, so die Kritiker.

Bisher lehnten nur 1&1 Internet, Versatel und Freenet eine Vereinbarung ohne gesetzliche Grundlage ab, während die fünf großen Provider Telekom, Vodafone, Alice/HanseNet, Kabel Deutschland und Telefónica O2 auf die Forderung der Ministerin eingegangen waren und eine freiwillige Vereinbarung zur Sperrung von Websites unterzeichneten. Dagegen zeigten die FDP und Die Grünen diesmal eine seltene Einigkeit und opponierten gegen das neue Telemediengesetz, das vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wird und alle Internet Service Provider, anhand einer Liste des Bundeskriminalamts (BKA), zur Sperrung zweifelhafter Seiten zwingen soll. Die FDP-Spitzenpolitikerin und ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger greift sogar Bundesinnenminister Wolfgang Scheuble (CDU) scharf an und wirft ihm direkt die Schuld für den dramatischen Bürgerrechtsabbau vor. Der Staat dürfe in Handys, Computer und Wohnungen gucken, kritisierte sie weiter.

Spätestens in sechs Monaten soll die neue Technik funktionsfähig sein. Doch um die Sperrungen wirkungsvoll durchzusetzen, wurden bereits tausende von Surfern ausspioniert, um auch Erfolgsmeldungen verzeichnen zu können. Mit der Technik, die hinter den Zugangssperren steht, lasse sich "alles zensieren", so ein Teilnehmer. Es bestünde große Gefahr, dass Unschuldige auf die Sperrlisten geraten könnten. "Ich habe Angst, von meinem Blog auf irgendetwas zu verlinken", so eine Demonstrantin. Auch viele Vereine gegen Kinderpornografie wie Carechild e.V. wenden sich gegen das sogenannte Internetzensurgesetz. Doch der Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg macht weiter Front gegen Kritiker einer Internetzensur und rückt die Petenten fälschlicherweise in die Nähe von Kinderpornografiebefürwortern. Dagegen warnte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, angesichts der jüngsten Datenskandale bei großen Unternehmen vor einem "Supergau des Datenschutzes" und mahnte zugleich einen stärkeren Schutz der Privatsphäre der Bürger an.

Missbrauchsopfer klagt Bundesregierung an:
Im Interview mit mit der Wochenzeitung "Die Zeit" spricht Christian Bahls, ein ehemaliges Missbrauchsopfer:
„Ursula von der Leyens Kampagne gegen Kinderpornografie nutzt nichts, sondern ist nur ein publikumswirksam Anliegen der Ministerin, dass an Propagandazwecke zu DDR-Zeiten erinnert und die Kinderhilfe für politische Zwecke instrumentalisiert.“

Bahls weiter: „Wir sind für die effiziente Bekämpfung von Straftaten nach Paragraf 184 b. Dazu gehört aber, dass man die Inhalte aus dem Internet entfernt und die Inhaber der Server bestraft. Tatsächlich wird Kinderpornografie gar nicht richtig bekämpft. Da ist irgendwo im Internet ein Missbrauch dokumentiert und die Bundesregierung schaut weg. Und sagt uns Bürgern, wir sollen auch wegschauen, indem uns der Zugang verwehrt wird. Was noch viel krasser ist: Es werden zwischen den Staaten nur die Sperrlisten für die Filter ausgetauscht. Doch niemand bekämpft in seinem eigenen Land die Server, auf denen die Inhalte lagern. Das BKA behauptet, dass es nicht weiß, wo die Server sind. Möglicherweise haben die keine Ahnung, wie man solche Sperrlisten sachgerecht auswertet. Der Missbrauch muss unterbunden werden. Das aber geschieht nicht dadurch, dass die Bundesregierung ihren Bürgern Scheuklappen aufsetzt, indem vor der aufgerufenen, kinderpornografischen Seite ein Stoppschild erscheint. Sie können natürlich auch ein Laken vor ein Bild hängen, das Bild aber hängt dann aber noch immer dort und die Inhalte können auf anderen Wegen weiter verbreitet werden.“

Vollständiger Artikel unter: www.zeit.de/online/2009/17/netzsperren-missbrauch

BITKOM befürchtet Scheitern des neuen Telekom-Gesetzes
Auch der IT-Branchenverband Bitkom hatte bei der öffentlichen Expertenbefragung des Unterausschusses Neue Medien des Bundestages im Februar 2009 noch gegen die Sperren votiert. So brachte Guido Brinkel vom Bitkom Befürchtungen zum Ausdruck, dass einmal errichtete Internetsperren auch "Begehrlichkeiten wecken könnten, diese gegen Urheberrechtsverstöße und Glücksspiel einzusetzen". Gleichzeitig forciert der BITKOM aber auch die Pläne des Bundeskabinetts, eine allgemeine Rechtsgrundlage für die Sperrung von Kinderpornografie zu schaffen.

Darüber hinaus befürchtet der Hightech-Verband BITKOM, dass die Verabschiedung des neuen europäischen Rechtsrahmen in der Telekommunikation ("Telekom-Paket") scheitert. Da sich die EU-Parlamentarier überraschend nicht auf den mit dem Rat der Europäischen Union gefundenen Kompromiss zu Internetsperren für kriminelle Online-Nutzer einigen konnten, steht das Gesetzesvorhaben auf der Kippe. Es wird damit gerechnet, dass das Gesetzesvorhaben erneut in ein langwieriges Vermittlungsverfahren geht und das Telekommunikationssektor um Jahre zurück wirft, sagte BITKOM-Präsident Prof. August-Wilhelm Scheer am 7.5.09 laut Pressebox. Aus Sicht des BITKOM wäre es sinnvoller gewesen, das schwierige Thema Internetsperren aus dem Gesetzesvorhaben herauszuhalten. Strittig ist, ob bei wiederholten Urheberrechtsverstößen, zum Beispiel der unerlaubten Weitergabe von Musik oder Filmen per Internet, den Beschuldigten der Zugang zum Netz ohne richterliche Anordnung untersagt werden kann. Das Telekom-Paket soll eine neue Gesetzesgrundlage für den europäischen Telekommunikationssektor schaffen, zu dem die Telefon-, Mobilfunk- und Breitbandnetze gehören. Der Abstimmung im EU-Parlament sind jahrelange, zum Teil kontroverse Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, EU-Kommission und den Mitgliedsländern vorausgegangen. In mehreren Richtlinien und Verordnungsvorschlägen sind unter anderem Bestimmungen zu Datenschutz, Frequenzvergabe und Marktregulierung enthalten.

Gegen das BSI-Überwachungsgesetz, das die IT-Sicherheitsbehörde BSI ermächtigt, die gesamte Sprach- und Datenkommunikation aller Unternehmen und Bürger mit Bundesbehörden zu überwachen - Voice over IP eingeschlossen - wehrt sich auch das Bündnis der Medienverbände und -unternehmen, das sich in der Pressefreiheit bedroht sieht. Dem Bündnis gehören der Deutsche Journalisten-Verband, die Deutsche Journalisten-Union in Verdi, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, der Deutsche Presserat, der Verband Privater Rundfunk und Telemedien, die ARD und das ZDF an.
Auch Schleswig-Holsteins Landesdatenschützer Thilo Weichert kritisiert:
"Schon das reine Sperren von Webseiten sei ein grundrechtliches Problem, weil dadurch auch rechtmäßige Inhalte des Internets betroffen sein können, die den uneingeschränkten Schutz des Artikels 5 des Grundgesetzes (Meinungs- und Pressefreiheit) genießen", so Weichert. "Mit dem neuen Telemediengesetz würde sich jeder Internetnutzer schon der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen, wenn er eine ihm noch nicht bekannte Adresse aufruft, da alle Zugangsprotokolle dem BKA zugänglich gemacht würden".
Weitere Informationen auf der Seite: www.dubistterrorist.de

Verbotsantrag der CSU für Online-Rollenspiele
Die Diskussion um Internetsperren und Gewaltdarstellung in den Medien scheint inzwischen ganz aus dem Ruder zu laufen und aberwitzig zu werden. Nach den Attacken auf das Internet und Verbotsanträge zur Sperrung von Internetseiten durch die Familienministerin Ursula von der Leyen, schlug die Bayerische Staatsregierung kürzlich noch schärfere Töne an und will erneut über den Jugendschutz beraten.

Im Gespräch mit der „Bild-Zeitung“ hat die CSU-Sozialministerin Haderthauer ein Verbot von „World of Warcraft“ (WoW) gefordert. Das Internet Fantasy Spiel ist zwar mit der Jugendfreigabe ab 12 Jahre gekennzeichnet. Tatsächlich will die Politikerin aber dafür sorgen, dass mögliche „Spielesucht“ zukünftig bei Prüfungen der USK stärker berücksichtigt wird. „Die freiwillige Selbstkontrolle wird von der Medienwirtschaft bezahlt und besetzt", sagte sie. Eltern dürfen sich nicht in Sicherheit wiegen, wenn ein Spiel eine Altersfreigabe hat. Es kann ihrer Meinung nach dennoch ein brutales Killerspiel sein“ und verlangte, dass das bayerische Kabinett sich am 5. Mai 2009 mit dem Thema in einer Dringlichkeitssitzung befasst. Die Altersfreigabe „ab 12“ für Massively Multiplayer Online Roleplaying Games (MMORPG) wie „World of Warcraft“ (WoW) würde Haderthauer gerne rückgängig machen, weil durch das Killerspiel „massive Suchtgefahr“ bestehe.

Nachrichten zeigen die meiste Gewalt!
Online-Rollenspiele erfreuen sich nicht nur in Asien, sondern auch im Rest der Welt zunehmender Beliebtheit. Dabei reicht das Spektrum der Inhalte über klassische Fantasy mit Elfen und Zwergen bis hin zu Science-Fiction-Welten mit Raumschiffen und Aliens. Neben vielen kampfzentrierten Spielen gibt es mitunter auch solche, in denen Zusammenarbeit auf andere Weise gefragt ist. Die Foren im Internet haben auf die Äußerung der CSU-Ministerin mit Empörung bis Unverständnis reagiert:
Wer WoW als Killerspiel bezeichnet...der müsste eigentlich auch SuperMario, Zelda und Co. als Killerspiel bezeichnen, oder?

Verbannen wir einfach alle Spiele und andere Medien, die "Tötungshandlungen" zeigen aus unserem Leben. Sprich: 98% der Kinofilme, Computerspiele, Bücher (jaaaa, Krimiromane, dieses Teufelszeug, animiert zum Nachmachen!) und vor allem Abendnachrichten. Die zeigen doch die meiste Gewalt.

Sony bietet WoW-Konkurrent kostenlos an
Die Industrie läßt sich von der Verbotsdiskussion noch wenig beeindrucken und sucht ganz im Gegenteil nach neuen Absatzmärkten und visiert nicht nur Jugendliche, sondern jetzt auch Kinder als neue Zielgruppe an. Da diese noch nicht über das Internet einkaufen dürfen, können die Trialversionen direkt im Browser gespielt werden. Sony Online Entertainment richtet sich mit dem Kinder-MMOG „Free Realms“ als erster großer Publisher von Onlinerollenspielen an die neue Zielgruppen und bietet das Spiel der Schwertkämpfer in der Basisversion weltweit, kostenlos über das Internet an. Wollte man auch dieses Spiel zensieren, weil dieser Tage eine 16 jährige Amokläuferin einer Mitschülerin mit einem Messer den Finger abhackte, (siehe "Die Welt" vom 12.5.09) müsste wohl der Zugang zur Firma Sony gesperrt werden. Inzwischen macht mit Flyoff ein weiteres kostenloses MMORPG im Mangastil von Gala Networks Europe, Ltd. (www.gpotato.com) aus Irland im Internet die Runde.

Anzeige

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.

Kommentar schreiben

Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Formular-Optionen

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!