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Berlinale Filmkritik - Deutschland 09

"Deutschland 09" - 13 kurze Filme zur Lage der Nation

Dies ist der Film auf der Berlinale, auf den ich am meisten neugierig war. Es ist eine Leistungsschau aktueller Filmemacherinnen und –macher von hier. Es ist ein Film, den man mindestens zweimal anschauen sollte. So viele Stile, so viele Ansätze, es ist einfach mehr drin, als der durchschnittliche Zuschauer mit einem Mal erfassen kann. Volle Packung Leben (und Sterben). Klassenbester ist für mich Danny Levy, sein Beitrag ist schreiend komisch; kleinere Rückschritte in der Tricktechnik nehme ich da gerne in Kauf.

Thematisch soll dieses Projekt wohl an „Deutschland im Herbst“ anknüpfen. 1977 war nun aber wahrhaftig ein ganz anderes Jahr mit einem ganz anderen Zeitgeist als 2009. Dementsprechend gibt es keinerlei gemeinsame „Idee“, welche sich wie ein roter Faden durch den Film der vielen Autoren zieht. Deutschland 09 ist heterogen, multikulturell und politisch „zerlabert“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Film jenseits der deutschen Grenzen Erfolg verspricht. Dafür sind einige Beiträge zu sehr auf einen Wortwitz aufge-baut, der sich nicht ins Englische oder Französische übertragen lässt.

Bei 13 Beiträgen kann man nicht alle Namen nennen, Christoph Hochhäusler gestaltet den letzten Beitrag. Aber so sehr ich ihn auch für seine Mitwirkung an der Filmzeitschrift „Revolver“ schätze, sein Beitrag hat mir keine Freude gemacht, war mir zu fade und kalt. Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht (Heine). Und was bleibt davon bei Hochhäusler übrig ? Ein unbewohntes Deutschland, ein unbewohnter Planet, Menschen die seinsvergessen auf der dunklen Seite des Mondes dahinvegetieren und eine Frau, die den Blick auf die Erde sucht und „Deutschland“ in den Sand des Mondes schreibt. Das taugt nicht zum Film, sondern nur zu bedrucktem Papier. Die „Vision“ wird auch nicht bildlich umgesetzt. Will heißen, Deutschland 09 ist auch ohne diesen Beitrag machbar.

Was fehlt ? So richtig was zur „Globalisierung“ ist nicht dabei. Eindeutiges zur Wirt-schafts- und Finanzkrise sehe ich gerade auch nicht. Gibt es (noch) Armut in Deutsch-land? Aus diesem Film ist es ansatzweise zu erfahren, in dem Beitrag „Schieflage“. Das Thema Globalisierung wird zwar formal überzeugend von Tom Tykwer angesprochen, mit Benno Fürmann in der Hauptrolle dargestellt. Weltweit die gleichen Marken, weltweit die gleichen Waren, es lohnt sich nicht mehr in die Welt zu fliegen. Starbucks ist schließlich längst bei uns. Aber inhaltlich ? Ist Globalisierung, wenn sich ein vermögender deutscher Handlungsreisender weltweit langweilt ? Ist das alles ? Gibt es nichts anderes und nicht mehr?

Gibt es noch irgendjemand, der Deutschland in seiner historischen Rolle anspricht und versteht ? Ich habe das hier nicht finden können. Was ist nun das spezifisch Deutsche an Deutschland im Jahre 09 außer der verkorksten Sprache der Politik ? Was ist nun die spezifische Stimme Ostdeutschland, des „Beitrittsgebiets“? Ich habe Ostdeutschland nicht zu sehen bekommen, nicht die „Wende“ und auch nicht die ostdeutsche Befindlichkeit. Das filmische Schaffen hat einfach wesentliche Bereiche der deutschen Geschichte und Gegenwart ausgeblendet. Mir scheint es, als sollten sich alsbald einmal ostdeutsche Filmemacher zusammen finden zu einem Projekt „Deutschland 2010“ und die Hoffnungen und Enttäuschungen darstellen, die sich jenseits der westdeutschen Sattheit in Geschichte und Gegenwart ergeben.

© 2009 Axel Fachtan

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