Die deutsche Filmwirtschaft sieht bitteren Zeiten entgegen
In einem Brandbrief der PRODUKTIONSALLIANZ beklagen 77 Prozent der Unternehmen - nach angekündigten Kürzungen - die Aussicht der Lage in der Kulturbranche als schlecht oder sogar sehr schlecht.
In Berlin ist die Stimmung in der Kulturbranche auf dem Tiefpunkt angelangt. Die geplante neue Leitung der Volksbühne, das Duo um den norwegischen Theaterregisseur Vegard Vinge und der Bühnenbildnerin Ida Müller, haben beide wegen der angekündigten Kürzungen im Kulturbereich abgesagt, wie Kultursenator Joe Chialo mit Bedauern mitteilen musste. Auch die angefangene Sanierung der Komischen Oper soll für mehrere Jahre pausiert werden, weil kein Geld vorhanden ist. Danach wird alles noch teurer.
Ebenso soll bei anderen Theatern oder Filmfestspielen der Kulturetat drastisch gekürzt werden. Nicht nur die Schaubühne am Kurfürstendamm befürchtet, das Jahr 2025 nicht zu überleben.
Das Filmmuseum der Deutschen Kinemathek musste den Potsdamer Platz bereits verlassen und das Kino Arsenal bereitet sich mit letzten Abschlussvorführungen ebenfalls auf den Auszug vor. Ein geplantes neues Kino im Weddinger Silent Green Kulturquartier wird aber erst frühestens Anfang 2026 bezogen werden können. Doch auch dieser Termin wackelt, denn der Senat von Berlin erwägt auch die Förderungen für das Silent Green zu streichen.
Der Neubau bzw. Erweiterungsbau für die Amerika Gedenkbibliothek, der zentralen Berliner Landesbibliothek am Blücherplatz, wurde gestrichen und ein Umzug in das ehemalige Kaufhaus in der Friedrichstraße, dem Galeries Lafayette, wird wohl nur möglich sein, wenn ein reicher Mäzen einen Kredit beisteuern würde. Doch die Aussichten dafür sind ebenso schlecht wie die Ratifizierung des Filmförderungsgesetzes, denn auch dafür fehlen die Gelder.
Laut der diesjährigen Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen der Produktionsallianz kämpft die deutsche Filmbranche mit einer extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage. Diese wird von 77% der Unternehmen in der Produktionsallianz als schlecht oder sehr schlecht eingeschätzt (2023 waren es noch 56%). Nur noch 0,5% der befragten Unternehmen beurteilten die Lage der Branche als sehr gut oder gut. 80% der Unternehmen im Fiction-Bereich gaben an, das Auftragsvolumen internationaler Streamer sei seit 2022 stark bzw. sehr stark gesunken. Im Falle des Scheiterns der Filmreform zum 1.1.2025 drohen insbesondere in diesem Bereich massive Abwanderungen ins Ausland.
Als größte Probleme und Herausforderungen nannten die befragten Unternehmen die steigenden Kosten bei gleichzeitig sinkenden Budgets der Auftraggeber. Diese Problemlage besteht gleichermaßen bei kleinen und großen Unternehmen sowie unabhängig davon, ob sie Fiction oder Non-Fiction-Programme herstellen.
Die Unternehmensgewinne bleiben wie im Vorjahr auf einem sehr niedrigen Niveau (Median: 2,5 – 5%). Der häufigste Wert in der Stichprobe liegt bei einem Gewinn zwischen 0 und 2,5%. Der Rückgang der Unternehmensgewinne hat inzwischen ein Niveau erreicht, das eine nachhaltige Entwicklung der Branche kaum noch möglich erscheinen lässt.
Das gilt besonders für das Fiction-Segment: Fast ein Drittel der Fiction-produzierenden Unternehmen macht derzeit Verluste. Ein weiteres Viertel liegt im Bereich von prekären Gewinnmargen zwischen 0 und 2,5%. Gleichzeitig sind bei Fiction-Produktionen die Risiken, dass Produktionen teurer werden als geplant besonders hoch – Risiken, die fast ausschließlich das Produktionsunternehmen trägt.
In einer Sonderumfrage im Bereich Fiction gaben 80% der Unternehmen an, die Auftragslage ist seit 2022 stark bzw. sehr stark zurückgegangen. Knapp 70% der Unternehmen sehen im Falle des Scheiterns der Filmreform eine Abwanderung der Produktionen ins Ausland als unvermeidlich an. Wenn alle Unternehmen diese Ankündigung realisieren würden, droht demnach rund eine halbe Milliarde Euro Fiction-Produktionsvolumen ins Ausland verlagert zu werden.
Angesichts der aktuell unklaren Lage für die deutsche Filmförderung befürchtet auch die Regisseurin und Schriftstellerin Doris Dörrie eine große Krise in der Filmbranche. Im Interview des 3sat-Magazins "Kulturzeit" sprach die 69-Jährige über ihre Angst vor Stillstand und einem Einschnitt in der Herstellung von Filmen.
Das Filmförderungsgesetz (FFG) läuft nämlich Ende des Jahres aus. Ein neuer, reformierter Gesetzentwurf müsste rechtzeitig in Kraft treten. Ansonsten droht ab Januar eine Lücke in der Filmförderung, so die Regisseurin.
Zudem haben zahlreiche Berliner Verlage in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die
Mitglieder des Senats dazu aufgerufen, die geplanten Kürzungen im Kulturbereich zu überdenken. "Kultur ist kein Luxus", heißt es darin.
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Die Herbstumfrage ist die jährliche Mitgliederbefragung der Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen & Audiovisuelle Medien. Sie wird seit 2009 durchgeführt und fragt wirtschaftliche Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres (hier: 2023) und Einschätzungen für das kommende Jahr ab. Befragt wurden 329 Mitglieder der Produktionsallianz im Zeitraum zwischen dem 09.10.2023 und dem 04.11.2024. Die Grundgesamtheit umfasste 362 Unternehmen, von denen 214 vollständig teilgenommen haben (Rücklaufquote 59 % und damit repräsentativ für die Mitgliedsunternehmen der Produktionsallianz, jedoch nicht für den Gesamtmarkt, da Produktionsunternehmen mit Umsätzen unterhalb von 1 Mio. Euro in der Produktions-allianz im Vergleich zum Gesamtmarkt unterrepräsentiert sind). Die Unternehmen in der Stichprobe stehen für einen Gesamtproduktionsumsatz von rund 2,3 Mrd. Euro.
Zusätzlich zur Herbstumfrage 2024 hat die Produktionsallianz eine Sonderbefragung unter ihren Mitgliedsunternehmen im Bereich Fiction zu den Themen „Auftragsvolumen im Bereich Streaming“ und zur Filmreform durchgeführt. Von 152 Unternehmen (Grundgesamtheit) haben 55 Unternehmen teilgenommen (Rücklaufquote: 36 %).
Link: produktionsallianz.de
In Berlin ist die Stimmung in der Kulturbranche auf dem Tiefpunkt angelangt. Die geplante neue Leitung der Volksbühne, das Duo um den norwegischen Theaterregisseur Vegard Vinge und der Bühnenbildnerin Ida Müller, haben beide wegen der angekündigten Kürzungen im Kulturbereich abgesagt, wie Kultursenator Joe Chialo mit Bedauern mitteilen musste. Auch die angefangene Sanierung der Komischen Oper soll für mehrere Jahre pausiert werden, weil kein Geld vorhanden ist. Danach wird alles noch teurer.
Ebenso soll bei anderen Theatern oder Filmfestspielen der Kulturetat drastisch gekürzt werden. Nicht nur die Schaubühne am Kurfürstendamm befürchtet, das Jahr 2025 nicht zu überleben.
Das Filmmuseum der Deutschen Kinemathek musste den Potsdamer Platz bereits verlassen und das Kino Arsenal bereitet sich mit letzten Abschlussvorführungen ebenfalls auf den Auszug vor. Ein geplantes neues Kino im Weddinger Silent Green Kulturquartier wird aber erst frühestens Anfang 2026 bezogen werden können. Doch auch dieser Termin wackelt, denn der Senat von Berlin erwägt auch die Förderungen für das Silent Green zu streichen.
Der Neubau bzw. Erweiterungsbau für die Amerika Gedenkbibliothek, der zentralen Berliner Landesbibliothek am Blücherplatz, wurde gestrichen und ein Umzug in das ehemalige Kaufhaus in der Friedrichstraße, dem Galeries Lafayette, wird wohl nur möglich sein, wenn ein reicher Mäzen einen Kredit beisteuern würde. Doch die Aussichten dafür sind ebenso schlecht wie die Ratifizierung des Filmförderungsgesetzes, denn auch dafür fehlen die Gelder.
Laut der diesjährigen Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen der Produktionsallianz kämpft die deutsche Filmbranche mit einer extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage. Diese wird von 77% der Unternehmen in der Produktionsallianz als schlecht oder sehr schlecht eingeschätzt (2023 waren es noch 56%). Nur noch 0,5% der befragten Unternehmen beurteilten die Lage der Branche als sehr gut oder gut. 80% der Unternehmen im Fiction-Bereich gaben an, das Auftragsvolumen internationaler Streamer sei seit 2022 stark bzw. sehr stark gesunken. Im Falle des Scheiterns der Filmreform zum 1.1.2025 drohen insbesondere in diesem Bereich massive Abwanderungen ins Ausland.
Als größte Probleme und Herausforderungen nannten die befragten Unternehmen die steigenden Kosten bei gleichzeitig sinkenden Budgets der Auftraggeber. Diese Problemlage besteht gleichermaßen bei kleinen und großen Unternehmen sowie unabhängig davon, ob sie Fiction oder Non-Fiction-Programme herstellen.
Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produktionsallianz: „Die dramatische Eintrübung der konjunkturellen Lage der Filmwirtschaft setzt sich auch in diesem Jahr fort. Die unklare Lage bei der Filmförderung droht nun alle Hoffnungen für das nächste Jahr abzuwürgen. Erschreckend ist vor allem die Aussicht, dass der hohe wirtschaftliche Druck viele Projekte ins Ausland abwandern lässt. Auch der künstlerische Erfolg verhindert dann nicht das Ausbluten des Produktionsstandortes Deutschland. Wir appellieren erneut an die Politik, jetzt zu handeln! Die Film- und Fernsehwirtschaft braucht die Impulse der Filmreform und Klarheit beim von der KEF empfohlenen Erhöhung des Rundfunkbetrages.“
Die Unternehmensgewinne bleiben wie im Vorjahr auf einem sehr niedrigen Niveau (Median: 2,5 – 5%). Der häufigste Wert in der Stichprobe liegt bei einem Gewinn zwischen 0 und 2,5%. Der Rückgang der Unternehmensgewinne hat inzwischen ein Niveau erreicht, das eine nachhaltige Entwicklung der Branche kaum noch möglich erscheinen lässt.
Das gilt besonders für das Fiction-Segment: Fast ein Drittel der Fiction-produzierenden Unternehmen macht derzeit Verluste. Ein weiteres Viertel liegt im Bereich von prekären Gewinnmargen zwischen 0 und 2,5%. Gleichzeitig sind bei Fiction-Produktionen die Risiken, dass Produktionen teurer werden als geplant besonders hoch – Risiken, die fast ausschließlich das Produktionsunternehmen trägt.
In einer Sonderumfrage im Bereich Fiction gaben 80% der Unternehmen an, die Auftragslage ist seit 2022 stark bzw. sehr stark zurückgegangen. Knapp 70% der Unternehmen sehen im Falle des Scheiterns der Filmreform eine Abwanderung der Produktionen ins Ausland als unvermeidlich an. Wenn alle Unternehmen diese Ankündigung realisieren würden, droht demnach rund eine halbe Milliarde Euro Fiction-Produktionsvolumen ins Ausland verlagert zu werden.
Angesichts der aktuell unklaren Lage für die deutsche Filmförderung befürchtet auch die Regisseurin und Schriftstellerin Doris Dörrie eine große Krise in der Filmbranche. Im Interview des 3sat-Magazins "Kulturzeit" sprach die 69-Jährige über ihre Angst vor Stillstand und einem Einschnitt in der Herstellung von Filmen.
Das Filmförderungsgesetz (FFG) läuft nämlich Ende des Jahres aus. Ein neuer, reformierter Gesetzentwurf müsste rechtzeitig in Kraft treten. Ansonsten droht ab Januar eine Lücke in der Filmförderung, so die Regisseurin.
Zudem haben zahlreiche Berliner Verlage in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die
Mitglieder des Senats dazu aufgerufen, die geplanten Kürzungen im Kulturbereich zu überdenken. "Kultur ist kein Luxus", heißt es darin.
"Mit großer Bestürzung" habe man von den Kürzungsplänen über 130 Millionen Euro erfahren. Die geplanten Einsparungen wirkten sich nicht nur auf die Literaturszene aus, sondern auf die ganze Stadt: "Ein kulturell verarmtes Berlin ist ein unattraktives Berlin." Kultur sei ein "wesentlicher Standortfaktor", hieß es.
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Die Herbstumfrage ist die jährliche Mitgliederbefragung der Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen & Audiovisuelle Medien. Sie wird seit 2009 durchgeführt und fragt wirtschaftliche Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres (hier: 2023) und Einschätzungen für das kommende Jahr ab. Befragt wurden 329 Mitglieder der Produktionsallianz im Zeitraum zwischen dem 09.10.2023 und dem 04.11.2024. Die Grundgesamtheit umfasste 362 Unternehmen, von denen 214 vollständig teilgenommen haben (Rücklaufquote 59 % und damit repräsentativ für die Mitgliedsunternehmen der Produktionsallianz, jedoch nicht für den Gesamtmarkt, da Produktionsunternehmen mit Umsätzen unterhalb von 1 Mio. Euro in der Produktions-allianz im Vergleich zum Gesamtmarkt unterrepräsentiert sind). Die Unternehmen in der Stichprobe stehen für einen Gesamtproduktionsumsatz von rund 2,3 Mrd. Euro.
Zusätzlich zur Herbstumfrage 2024 hat die Produktionsallianz eine Sonderbefragung unter ihren Mitgliedsunternehmen im Bereich Fiction zu den Themen „Auftragsvolumen im Bereich Streaming“ und zur Filmreform durchgeführt. Von 152 Unternehmen (Grundgesamtheit) haben 55 Unternehmen teilgenommen (Rücklaufquote: 36 %).
Link: produktionsallianz.de
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