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Zahlreiche neue Filme im Kino, darunter widmen sich zwei der Wirkung von Marketing & Propaganda

Unterschiedlicher könnten die Machart von zwei aktuellen Filmen im Kino nicht sein. Und dennoch gibt es enorme Schnittmengen bezüglich Werbung und Propaganda mit denen sich ein NS-Film und ein Werk über die NASA in dieser 28. KW 2024 ausgiebig befassen.



"FÜHRER UND VERFÜHRER" Historiendrama über das Leben und Wirken des Joseph Goebbels von Joachim A. Lang. (Deutschland / Slowakische Republik, 2023; 135 Min.) Mit Robert Stadlober als Goebbels und Fritz Karl als Hitler. Seit 11. Juli 2024 bundesweit im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Letzte Woche wurde der Film mit dem österreichischen Schauspieler Robert Stadlober beim Filmfest München mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

Für uns unverständlich, denn Joseph Goebbels war Rheinländer und hatte nur wenig Ähnlichkeit mit Robert Stadlobers Darstellung, die er im Film ausgiebig und sogar vor dem Spiegel probt, aber dennoch daran scheitert.

Während das Leben von Adolf Hitler schon häufig verfilmt wurde, wagt sich der Journalist, Filmregisseur, Autor und Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg, Joachim A. Lang, unseres Wissens, erstmals ausführlich in seinem Doku-Drama über Hitlers Propagandaminister, an das Leben und Wirken von Joseph Goebbels.

Der Stuttgarter Journalist, bekannt aus seinem 2018 gedrehten Kinofilm „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“, verbindet seine Zeit- und kulturhistorischen Kenntnisse, um zu beweisen, dass die Wirkung damaliger Propagandafilme auch heute nichts an Bedeutung verloren hat. Seine Intention ist die Gegenüberstellung Originaler Filmaufnahmen aus der NS-Zeit mit vermeintlich nachgestellten Aussagen von Goebbels.

Wenn die Kamera Hitlers zitternde Hand einfängt bei der Verteilung von Orden an eine Gruppe Volkssturmsoldaten, kaum einer älter als 17, dann entscheidet einzig und allein Hitlers Propaganda-Minister, was wahr ist und was dem Volk gezeigt wird.

Auch heute noch können durch geschickte Dramaturgie und Kürzungen schwierige Filmpassagen aufgepeppt und inhaltlich ins Gegenteil verdreht werden. Schon damals verbat Goebbels Techniken zu zeigen, die einen Einfluss auf die Massen haben. Doch Joachim A. Lang geht es heute genau darum, diese Manipulationen zu entlarven.

Unangenehm wird es, wenn man Goebbels und Hitler zusehen kann, wie sie gemeinsam ihre Kriegs- und Vernichtungspläne entwickeln, während dazu historische Aufnahmen von Massenerschießungen oder Kinderleichen gezeigt werden.

Leider schafft es der Österreicher Fritz Karl in diesem Film nicht, seinen tyrannischen Landsmann überzeugend darzustellen, denn nur einige Schauspieler waren brillant in der Diktator-Rolle, insbesondere Bruno Ganz als Hitler in "Der Untergang" aus dem Jahre 2004. Allerdings ahnt man an jenen Stellen, wo Privatgespräche in politische Propaganda münden, wie heute noch der Aufstieg von Autokratien funktioniert.

Letztlich lohnt sich ein Kinobesuch dennoch, zumindest für die in den Film montierten Aussagen mehrerer Holocaust-Überlebender wie Margot Friedländer oder Charlotte Knobloch, welche die fiktiven Montagen des Films in die Realität zurückholen, während die nachgestellten Szenen eher peinlich sind.

W.F.


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"TO THE MOON" Tragikomödie von Greg Berlanti über die erste bemannte Apollo-11-Mission zum Mond. (USA / Großbritannien, 2024; 132 Min.) Mit Scarlett Johansson, Channing Tatum, Jim Rash u.a. seit 11. Juli 2024 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Filmkritik:

Im Gegensatz zu Dokumentationen, die zum Nachdenken anregen sollen, steht der Spielfilm, insbesondere wie im vorliegenden Fall einer Komödie, für Unterhaltung, jedoch manchmal mit durchaus ernstzunehmenden Themen.

Klugerweise bringt Sony unter seinem Label Columbia den Film "To the Moon" zu einem Zeitpunkt in die Kinos als die Aufmerksamkeit der Bevölkerung sich wieder verstärkt den NASA-Raumfahrtprojekten widmet, denn seit nunmehr einem Monat sind zwei US-Astronauten an der Internationalen Raumstation ISS mit der "Starliner"-Kapsel vom US-Flugzeugbauer Boeing angedockt, obwohl sie eigentlich nur eine Woche auf dem Außenposten der Menschheit in 400 Kilometer Höhe über der Erde bleiben sollten.

Die Behörde National Aeronautics and Space Administration (NASA) betont zwar, dass niemand im All gestrandet sei, denn zur Rettung stehen notfalls alternative Möglichkeiten wie Elon Musks Servicemodul "Crew Dragon" der Firma SpaceX zur Verfügung. Doch nach neun Jahren und rund 300 fehlerfreien Flügen kam es gestern, den 12. Juli 2024, bei der Elon Musks Rakete »Falcon 9« zu einer ernsten Panne, bei der das Triebwerk der Oberstufe im All explodierte, was mittelfristig brisante Folgen haben könnte.

Nachdem das Apollo-Raumfahrtprojekt der USA im Jahre 1972 aus Kostengründen eingestellt wurde, mit dem am 20. Juli 1969 die erste bemannte Mondlandung mit der Raumkapsel »Apollo 11« erfolgreich durchgeführt worden war, ist erst nach jahrelangen Verzögerungen am 5. Juni 2024 wieder mit Boeings "Starliner" ein bemannter Testflug von der NASA durchgeführt worden, der nun mit Düsenproblemen an der ISS feststeckt.

Künftig sollte eigentlich Boeings »"Starliner"« als Alternative zu Elon Musks »"Crew Dragon"«-Raumkapsel, oder den inzwischen politisch nicht mehr gewünschten russischen Missionen, die US-Astronauten zur Raumstation ISS transportieren. Für den 19. August 2024 wäre zudem ein weiterer Crew-Dragon-Kapselstart im Auftrag der NASA mit vier Astronauten zur „Internationalen Raumstation“ vorgesehen, der nun wohl abgeblasen werden muss.

Sonys Film mit dem Originaltitel "Fly me to the Moon" berichtet spannend und auch ein wenig ironisch über das ursprünglich streng geheime NASA-Projekt der »APOLLO-11-Mission«, mit dem zum ersten Mal Menschen auf den Mond mit einem Apollo-Raumschiff gelandet sind.

In Zeiten des sogenannten "Kalten Krieges" unkten die Sowjets natürlich, dass die Mission zum Mond ein Fake sei. Trotz strengster Sicherheitsvorrichtungen auf dem Gelände der NASA kann man davon ausgehen, das russische Spione alles beobachteten. So blieb es nicht verborgen, dass in einem etwas entfernt liegendem Hangar der NASA sich ein Nachbau der Mondkapsel befand.

Genau dort übte man auch den Ausstieg der Astronauten aus der Kapsel nach ihrer Mondlandung. Probleme bereitete nur die Erdanziehungskraft, die es in dieser Form auf dem Mond nicht gibt, sodass man die Astronauten unterstützend an Seilen befestigte, um ihnen eine Schwerelosigkeit vorzutäuschen. Natürlich wurde das ganze ausführlich gefilmt und mehrmals geprobt, woraus sich witzigerweise lustige Verstrickungen ergaben, die wir aber nicht vorab verraten wollen.

Entscheidend für die erfolgreiche Durchführung der Mondmission waren jedoch finanzielle Unwägbarkeiten. Wie bereits heute, war auch damals die NASA knapp bei Kasse. Man wollte allerdings damit auch nicht an die Öffentlichkeit gehen, um die geheimen Pläne nicht zu vorzeitig zu verraten.

Eine zufällige Begegnung des Direktors des NASA-Apollo-Programms Cole Davis (Channing Tatum) mit der gewieften Trickbetrügerin Kelly Jones (Scarlett Johansson), die sich eine Stelle als NASA-Marketingchefin erschlich, brachte die geheimen Pläne dennoch über die TV-Anstalten an die Öffentlichkeit. Firmen wie »OMEGA«, die bekannte Schweizer Uhrenmarke spendeten kräftig, um im Gegenzug direkt bei der Mondmission von den Kameras ins rechte Licht gerückt zu werden, denn die Astronauten trugen alle eine OMEGA-Uhr.

Die selbsternannte Werbefachfrau Kelly hat noch viele weitere Ideen, wodurch der Spendenzufluss und die Zustimmung des Volkes an der Mondmission enorm gesteigert werden konnte.

Aus ihren Marketingstrategien entstand der sogenannte Imagefilm, der heute in der Werbebranche einen hohen Stellenwert genießt, auch wenn er nicht in allen Punkten immer der Wahrheit entspricht.

W.F.


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"EIN KLEINES STÜCK VOM KUCHEN" Tragikomödie von Maryam Moghadam & Behtash Sanaeeha über die bittersüße Romanze einer iranischen Witwe, die ihr Glück selbst in die Hand nimmt. (Iran / Frankreich / Schweden / Deutschland, 2024; 97 Min.) Mit Lili Farhadpour und Esmaeel Mehrabi. Seit 11. Juli 2024 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Seit dem Tod ihres Mannes fühlt sich die iranische, 70-jährige Witwe Mahin (Lily Farhadpour) sehr einsam. Ihre Tochter lebt mit ihren Enkelkindern längst im Ausland und Mahin weiterhin im heutigen Iran, zu einer Zeit, in der die Sittenpolizei die Scharia mit allen Mitteln durchsetzt.

Ab und zu schickt ihre Tochter ihr hübsche Kleider, doch sie weiß gar nicht, wann und zu welchem Anlass sie die tragen soll. Sie hat beschlossen einen netten Mann kennen zu lernen und geht viel spazieren.

Dabei trifft sie auf ein junges Mädchen, das sie vor der Sittenpolizei, die mal wieder auf Kontrollgang ist, rettet. Das Mädchen spricht mit ihr darüber, dass sie Glück gehabt hat vor der Revolution geboren worden zu sein und eine lockere Zeit erlebt hat, in der man sich nicht verhüllen musste und Tanzen gehen konnte.

Mahin besucht das Restaurant für Rentner. Dort hat sie einen Taxifahrer Faramarz (Esmail Mehrabi) belauscht, der erzählt, dass er 70 Jahre alt ist und Single. Diese Gelegenheit nutzt sie, folgt ihm und lässt sich von ihm nach Hause fahren. Er erzählt ihr, dass er Veteran ist und Verletzungen hatte und seit 20 Jahren Taxi fährt. Sie erzählt ihm, dass ihr Mann im Krieg starb und sie sich sehr allein fühlt.

Es dauert nicht lange und es funkt bei den beiden. Schnell hat man die beiden ins Herz geschlossen.

Es entwickelt sich eine berührende Beziehung, erzählt mit viel Humor und großem Einfühlungsvermögen und den absurden Schwierigkeiten, denen das Leben der Frauen im heutigen Iran ausgesetzt sind. Mahin, deren alte Erinnerungen wieder wach werden, lässt sich nicht unterkriegen und nimmt ihr Glück selbst in die Hand. Für Faramarz erfüllt sich durch ihr Kennenlernen ein langgehegter Wunsch. Beide genießen den Moment ihrer Beziehung. Diese bittersüße Romanze wirkt noch lange nach.

Die ergreifende Tragikomödie lief auf der diesjährigen 74. Berlinale und wie es inzwischen üblich ist bei Filmen aus dem Iran, wurden die Pässe des Regie-Duo Maryam Moghaddam und Betash Sanaeeh konfisziert, so dass diese nicht einreisen konnten.

Ulrike Schirm


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"MADAME SIDONIE IN JAPAN" Dramödie von Élise Girard über eine Schriftstellerin, die voller Trauer nach Japan reist, wo die sichtbare und die unsichtbare Welt nebeneinander existieren. (Frankreich / Japan / Deutschland / Schweiz, 2023; 95 Min.) Mit Isabelle Huppert, Tsuyoshi Ihara, August Diehl u.a., seit 11. Juli 2024 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Beinah hätte die französische Schriftstellerin Sidonie Perceval (Isabelle Huppert) ihren Flug nach Japan verpasst. Lange hat sie gezögert, ob sie die Reise überhaupt antreten will. Ihr Debütroman „Die Silhouette“, worin sie den tödlichen Autounfall ihrer Eltern verarbeitete, wurde nach 40 Jahren ins Japanische übersetzt und neu aufgelegt.

Geschrieben hat sie schon lange nichts mehr, denn sie ist weiterhin mit Trauer erfüllt, da ihr Mann Antoine (August Diehl) später auf dieselbe Weise umgekommen ist. Wobei sie selbst, die mit im Auto saß, nicht einen Kratzer davongetragen hat.

Ihr Flug von Paris nach Osaka dauert 11 Stunden. In Japan erwartet sie ihr Verleger Kenzo Mizoguchi (Tsuyoshi Ihara) mit dem sie zusammen ihren Erfolgsroman an verschiedenen Orten vorstellen wird. Von nun an hat sie einen Guide an ihrer Seite, der sogar ihre Handtasche trägt. Er erzählt ihr, dass er in Paris studiert hat.

Währenddessen gibt sie Interviews, in denen sie über ihre Einsamkeit und ihre Trauer erzählt, was ihren Begleiter irritiert, denn in Japan spricht man nicht über persönliche Gefühle. Ansonsten sitzen beide viel im Auto und der Bahn, machen Ausflüge, schauen sich Tempel an und halten Lesungen.

Ihr Begleiter ist nicht sehr gesprächig, hört aber gut zu. Als sie eines Abends ihr Hotelzimmer betritt, sitzt dort der Geist ihres Mannes. Von nun an wird er ihr noch öfter begegnen. Für Japaner nichts Ungewöhnliches, denn dort lebt die sichtbare und die unsichtbare Welt nebeneinander. Es ist das Land der Geister. Sidonies Liebe zu Antoine reicht über den Tod hinaus. Es ist nicht unbedingt ungewöhnlich, dass das Gehirn uns auch mal einen Streich spielt, besonders wenn man seelisch belastet ist und nach einem Ausweg sucht. Als sie den Impuls verspürt Antoines Geist zu umarmen, ist er verschwunden.

Noch hält sie sein Erscheinen für einen Spuk, um dann langsam zu begreifen, wenn man sein Leben wirklich leben will, muss man die Toten gehen lassen. Nach und nach spürt sie den Sinn dieser Reise. Langsam entwickelt sich bei der allein zurückgeblieben Schriftstellerin, die nicht mehr schreibt und nicht mehr liest, der Funke einer Romanze mit dem melancholischen und verlassenen Verleger, mit dem sie viel Zeit verbracht hat.

Erzählt wird das Drama ohne viel Worte, schlicht und voller Respekt. Isabelle Huppert besitzt die Gabe Gefühle, mit entsprechender Mine auszudrücken. Man schaut ihr gerne zu.

Ulrike Schirm


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