30. Jüdisches Filmfestival Berlin - Potsdam
Das Jüdische Filmfestival Berlin und Brandenburg feiert 30. Geburtstag und widmet sich in einer Filmreihe Anschlägen auf die jüdische Welt und die globale Gesellschaft. (UPDATE)
Vom 18. bis 23. Juni 2024 zeigen internationale Filme beim JFBB die Vielfalt des jüdischen Lebens: vom Thriller über Komödien bis zum beeindruckenden Dokumentarfilm. Insgesamt sind es 70 Filme aus 15 Produktionsländern und damit mehr als 200 Stunden Film, unter anderem aus Frankreich, Kanada, Australien, Polen, den USA und Israel. Von Terror bis Sex, von Komödie bis Thriller, die diesjährige Festivalausgabe ist so vielfältig wie nie.
Eröffnet wird die 30. Ausgabe des JFBB am 18. Juni 2024 im Potsdamer Hans Otto Theater von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Schirmfrau des JFBB. Zahlreiche namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben sich als Gratulanten angekündigt, darunter Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke, Franziska Giffey, Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Auch der ehemalige Ministerpräsident des Landes Brandenburg Matthias Platzeck wird erwartet. Zu Gast sind außerdem Georg Friedrich und Sophie von Preußen, die Schauspielerinnen und Schauspieler Iris Berben, Andrea Sawatzki, Paula Schramm, Adriana Altaras, Christian Berkel, Laurence Rupp, Lenn Kudrajwitzki und Arndt Schwering-Sohnrey. Weitere prominente Gäste aus der Welt von Film und Fernsehen sind die Produzentinnen Nancy Spielberg und Tanja Ziegler, die Regisseure Heather Dune Macadam, Julia von Heinz, Dani Levy und RP Kahl. Durch den Abend führt RBB-Moderatorin Shelly Kupferberg.
Filmisch eingeläutet werden die Festivaltage mit der deutschen Premiere der französischen Tragikomödie "A GOOD JEWISH BOY" von Noé Debré, in der der 27-jährige Bellisha und seine Mutter ein unaufgeregtes Leben in einer Pariser Vorstadt führen. Doch als die Synagoge in der Nähe schließt, genau wie der letzte koschere Lebensmittelladen, wird den beiden klar, dass sie die letzten Juden sind, die hier leben. Ein Film über hochaktuelle Fragen von Identität und Zugehörigkeit.
Hier der Trailer:
Neu im Jubiläumsjahr ist die Erweiterung des bislang klassischen Publikumsfestivals JFBB um gezielte Branchenaktivitäten. Die Sparte JFBBpro wird sich künftig mit Programmangeboten speziell an Vertreterinnen und Vertreter der nationalen und internationalen Filmindustrie richten.
Im Mittelpunkt der Jubiläumsausgabe von Jewcy Movies – einem sechstägigen internationalen Filmfestival mit den aktuellen Filmen quer durch alle Genres: vom Blockbuster über Komödien bis zum Arthouse Kino, das die diverse, lebendige jüdische Kulturszene zeigt und einen außergewöhnlichen Einblick in jüdisches Leben auf der ganzen Welt gibt, stehen erneut die beiden Wettbewerbe um den besten Spiel- und Dokumentarfilm. Ergänzt durch FERMISHED, das bunt gemischte Genre-Kino. Dort findet sich auch das Kurzfilmprogramm NOSH NOSH (jiddisch für Leckereien).
Darüber hinaus gibt es Kurzfilme und ergänzende Filmreihen, in diesem Jahr werden es unter anderem die Themen Antisemitismus und filmische Reflektionen von Terror und Trauma sein.
Mit den terroristischen Angriffen der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung ist Terror wieder verstärkt im Fokus. Die medial inszenierte Gewalt, gekennzeichnet durch Skrupellosigkeit und Entgrenzung, dringt in die Wohnzimmer und besonders über die sozialen Medien in die Privatsphäre von Menschen überall auf der Welt ein, verbreitet Angst und Verunsicherung.
Die Filmreihe Der Angst begegnen - Filmische Reflektionen von Terror, Trauma und Widerständigkeit erinnert, mittels verschiedenartiger filmischer Ansätze, an Anschläge auf die jüdische Welt und die globale Gesellschaft. Gezeigt werden Filme wie "SUPERNOVA: THE MUSIC FESTIVAL MASSACRE" (Yossi Bloch/Duki Dror, IL 2023), der die Ereignisse des 7. Oktober 2023 in Israel anhand von Handyaufnahmen und Zeugenaussagen rekonstruiert.
Hier der Trailer:
Der Film "DER ZWEITE ANSCHLAG" (Mala Reinhardt, DE 2018) lässt die Familien der Menschen zu Wort kommen, die vom sogenannten ‚NSU‘ ermordet wurden und erzählt von den rassistischen Verdächtigungen der Ermittlungsbehörden als einer zweiten Gewalt, der die Angehörigen ausgesetzt sind.
Hier der Trailer:
Der Spielfilm "MAIXABEL" (Iciar Bollain, ES 2021) wiederum zeigt die baskische Gesellschaft, wie sie auch Jahre nach dem Ende des ETA-Terrors versucht, die tiefen Wunden der Gewalt zu überwinden.
Hier der Trailer:
Begleitet wird das Filmprogramm von Paneldiskussionen, in den Expertinnen und Experten die unterschiedlichen Formen des Terrors und ihre medialen Inszenierungen diskutieren.
Im Staatssozialismus sowjetischer Prägung kam es von 1945 bis zum Fall des Eisernen Vorhangs immer wieder zu antisemitisch unterfütterten Kampagnen und auch im Alltag waren antisemitische Einstellungen präsent. Der Bogen reicht von den Slánský-Prozessen in der ČSSR über Zwangsausweisungen in Polen 1968 bis zur "antizionistischen" Propaganda in der DDR. Die Filmreihe Bruch oder Kontinuität? „Antizionismus“ und Antisemitismus im Sozialismus und danach zeigt, wie das Thema zwischen den Zeilen in zeitgenössischen Filmen adressiert und nach 1989 aufgearbeitet wurde.
Die Filmreihe zeigt Klassiker wie Paweł Pawlikowskis "IDA" (PL/DK/FR/GBR 2013) oder Alexander Askoldows "DIE KOMMISSARIN" (UdSSR 1967). Mit dabei sind auch eine Kafkaeske Anspielung auf die Slánský-Prozesse und Konrad Wolfs "GOYA" (DDR 1971), der ebenfalls als Anspielung auf die Schauprozesse im Stalinismus gelesen werden kann. In DDR-Propagandafilmen wie "DIE STÜRMER" (Dagobert Loewenberg, DDR 1967) und TV-Dokumentationen wie "ISRAEL ’74" (Sabine Katins DDR 1974) wird eine frappierende inhaltliche Nähe zur gegenwärtigen Israel-Kritik von links deutlich, einschließlich der Überschneidungsbereiche zum Antisemitismus.
Der tschechische Dokumentarfilm "SON OF A PUBLIC ENEMY" (Eva Tomanová, CZ 2022) zeigt am Beispiel von Otto Šling, einem der in den Slánský-Prozessen zum Tode Verurteilten, wie die unterschiedlichen Traumata der Shoah und der Schauprozesse im Sozialismus bis heute weiterwirken und in Marcel Łozinskis "SIEBEN JUDEN IN MEINER KLASSE" (PL 1991) treffen sich Jüdinnen und Juden wieder, die 1968 aufgrund der antisemitischen Kampagne der Regierung von Wladisław Gomułka Polen verlassen mussten.
Mit der Ausstellung Sex. Jüdische Positionen thematisiert das Jüdische Museum Berlin die Bedeutung von Sexualität im Judentum aus vielfältigen Perspektiven. Die begleitende Filmreihe beim Jüdischen Filmfestival Berlin und Brandenburg ergänzt die Ausstellung mit Filmen über Tabus, Begehren, Sexarbeit, sowie den Kampf um sexuelle Aufklärung und Gleichstellung. Spaßig, ernst, politisch, provokant und sexy ist das Kurzfilmprogramm, das in die verschiedensten Welten jüdischer Sexpositionen verführt: Religiöse Vorschriften, das Berlin der 30er Jahre, Ausflüge in die BDSM-Szene. 90 Minuten brechen auf unterschiedlichste Weise mit Stereotypen und gängigen (Vor)Stellungen.
Das Festivalzentrum des 30. JFBB ist wieder das Filmkunst 66 in Berlin-Charlottenburg. Das Programm wird außerdem im Moviemento, Bundesplatz-Kino und Kino Krokodil gezeigt sowie Open Air im Kino Central. In Potsdam ist das JFBB im Thalia Programmkino sowie im Filmmuseum Potsdam und Open Air im Inselkino zu Gast. Zusätzlich wird das JFBB tageweise in der Neuen Synagoge Berlin und im Jüdischen Museum Berlin zu gegen sein.
Das JFBB wird maßgeblich von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, vom Medienboard Berlin-Brandenburg und der Landeshauptstadt Potsdam gefördert. Der Mobilitätspartner des Festivals ist die AUDI AG. Medienpartner sind radio eins, rbb Kultur und 3sat.
Die Wettbewerbe des 30. JFBB
Im Mittelpunkt des Festivals stehen die beiden Wettbewerbe um den besten Spiel- und Dokumentarfilm. In Erinnerung an die 1999 im Alter von 79 Jahren verstorbene Kinolegende Gershon Klein stiften seine Töchter Madeleine Budde und Jacqueline Hopp auch in diesem Jahr wieder die Preise in den beiden Wettbewerben, in Höhe von jeweils 3.000 Euro.
Des weiteren werden der Preis für den interkulturellen Dialog und der Preis zur Förderung des filmischen Nachwuchses vergeben. Beide Preise sind mit 2.000 Euro dotiert und werden vom Potsdamer Unternehmer Stephan Goericke gestiftet.
In der Spielfilmjury des Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg wirken in diesem Jahr Marcia Jarmel, Filmemacherin und Veranstalterin des Jüdischen Filmfestival San Francisco, der Schauspieler Garry Fischmann, unter anderem bekannt aus SOKO Hamburg und der Netflix Serie KLEO und der langjährige Leiter des Filmfest Hamburg und Filmwissenschaftler Albert Wiederspiel.
Zwölf Produktionen im diesjährigen Spielfilmwettbewerb:
Mit dabei die Tragikomödie "A GOOD JEWISH BOY" (Noé Debré, FR 2024), in der Bellisha und seine Mutter eigentlich ein unaufgeregtes Leben in einer Pariser Vorstadt führen. Als aber die Synagoge in der Nähe schließt, genau wie der letzte koschere Lebensmittelladen, wird den beiden klar, dass sie die letzten Juden sind, die hier leben.
Die ebenfalls mit leichter Hand inszenierte Komödie über Sinn- und Glaubenskrisen "BETWEEN THE TEMPLES" von Nathan Silver (USA 2024) rückt den Kantor Ben und seine ehemalige Musiklehrerin Carla in den Mittelpunkt. Nicht nur der Altersunterschied macht diese Beziehung so besonders.
Einen Kampf, unter anderem, gegen das „HYPER-JUDENTUM“ führt Daniel Auerbach im gleichnamigen Film von David Volach (IL 2023). Gezeichnet wird das Psychogramm eines Gescheiterten, der sich in endlose Monologe verstrickt, gepaart mit (Selbst-)Zweifeln. Der Film könnte das eigene Making of des Regisseurs sein.
Nicht nur die Erwartungen der Schwiegereltern, sondern auch Korruption und Gewalt treffen in "HOME" (Benny Fredman, IL 2023) auf den Protagonisten Yair, der eigentlich nur seinen Traum vom eigenen Computergeschäft wahrmachen will.
Musicalgleich ist der kanadische Film "LESS THAN KOSHER" (Daniel am Rosenberg, 2023). Erst widerstrebt es der tätowierten und rebellischen Viv als Kantorin einzuspringen, doch dann entdeckt sie nicht nur den Sohn des Rabbis, sondern auch völlig neue Töne.
"THE BLOND BOY FROM THE CASBAH" (Alexandre Arcady, FR 2023) erzählt die Geschichte des jungen Antoine, der seine Kinoleidenschaft entdeckt, während sich der Algerienkonflikt zuspitzt. Der Berliner Schauspieler Christian Berkel übernimmt hier eine der Hauptrollen in der jüdisch, muslimisch, christlichen Hausgemeinschaft.
"RUNNING ON SAND" (Adar Shafran, IL 2023) ist der Fußballfilm, passend zur Europameisterschaft: Der aus Eritrea geflüchtete Aumari nutzt darin eine Verwechslung am Flughafen aus, um seiner Abschiebung aus Israel zu entkommen. Er nimmt kurzerhand die Identität eines Fußballstars an, doch Aumari verfügt über keinerlei fußballerisches Talent. Eine Geschichte über Schmerz, Verlust und Hoffnung.
Um eine deutsch israelische Freundschaft, aktueller denn je, geht es in Henrika Kulls Film "SÜDSEE" (DE 2023): Eine freundschaftliche Auszeit ohne Beziehungsambitionen wird zur Erkundung eines komplizierten Terrains – persönlich, politisch und historisch. Während die Nähe zwischen den beiden Protagonisten wächst, hält über ihnen das Raketenabwehrsystem den Krieg auf Abstand.
In "THE FUTURE" (Noam Kaplan, IL 2023) geht es um einen Algorithmus, der es ermöglicht, Terroranschläge vorherzusagen. Doch die junge Palästinenserin Yaffa hat einen Weg gefunden, diesen zu umgehen, ein Polit-Thriller der besonderen Sorte.
Pierre Goldman, Aktivist der Mai-Unruhen 1968 in Paris, ist zu lebenslanger Haft verurteilt. Den Anweisungen seiner Verteidigung zum Trotz verfolgt er im Berufungsprozess seine eigene Strategie und unterstellt der Anklage Antisemitismus. Ein beklemmendes und zugleich vereinnahmendes Drama über die Gerichtsverhandlungen der 1970er-Jahre im Film "THE GOLDMAN CASE" (Cédric Kahn, FR 2023).
In "THE VANISHING SOLDIER" (IL 2023) erzählt Dani Rosenberg die fesselnde und poetische Geschichte eines 18-jährigen israelischen Soldaten, der beschließt zu seiner Freundin nach Tel Aviv zurückzukehren. Dort erfährt er allerdings schnell, dass alle glauben, er sei im Krieg entführt worden und das macht seine Flucht noch intensiver. Wer kann ihn noch beschützen?
Fragen werden auch in einer Vater-Tochter-Reise nach Polen gestellt: "TREASURE" (DE/FR 2024) von Juliane Heinz führt unter anderem an den Ort, wo fast die ganze Familie in der Shoah ermordet wurde. Die Tochter hat viele Fragen, der Vater weicht aus, eine emotionale Gratwanderung zwischen Familienschicksal und Trauma.
Die Dokumentarfilmjury des Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg bilden die Berliner Regisseurin und Produzentin Britta Wauer, die rumänische Regisseurin und wissenschaftliche Leiterin des Jüdischen Filmfestival Bukarest Felicia Waldman und der
Musiker und Autor Yuriy Gurzhi, vielen bekannt als Initiator der Partyreihe Russendisko mit Wladimir Kaminer.
Im Dokumentarfilmwettbewerb sind neun Produktionen vertreten:
Wie steht man Menschen in Extremsituationen zwischen Leben und Tod bei? Darum geht es im Film "A STILL SMALL VOICE" von Luke Lorentzen (US 2023). Eine junge Krankenhaus Seelsorgerin sucht ihren Weg zwischen dem Wunsch zu helfen, Zweifeln am jüdischen Glauben und ihren eigenen Traumata.
Fast eine Million Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion immigrierten in den 1990er Jahren nach Israel. Ein Schockerlebnis, gerade im Kindesalter. Aufgewachsen zwischen russischsprachigem Elternhaus und einer Gesellschaft, die mit den Neuankömmlingen fremdelte, beleuchten die Kinder von damals in "GENERATION 1.5" (Roman Shumanov, IL 2023) einen wichtigen Teil israelischer Einwanderungsgeschichte.
Die bröckelnde Beziehung seiner Eltern lässt den Regisseur Ohad Milstein nicht los. In "MONOGAMIA" (IL 2023) geht er der Frage nach, wie eine Liebe nach Jahrzehnten in einer Ehe wieder entfacht werden kann. Stellt unbequeme Fragen, kramt alte Aufnahmen aus dem Familienarchiv hervor und beginnt auch seine eigene Ehe zu betrachten. Regisseur Ohad Milstein war 2023 JFBB-Preisträger und gewann mit "KNOCK ON THE DOOR" den Gershonn Klein-Dokumentarfilmpreis.
Tamar Manasseh hat eine Mission im Film "RABBI ON THE BLOCK" (Brad Rothschild, USA 2023): Jüdin zu sein bedeutet für sie, sich zu engagieren, Vorurteile abzubauen, sich um Benachteiligte zu kümmern – was eine Herkulesaufgabe ist, wenn man in einem sozialen Brennpunkt Chicagos aktiv ist. Als Frau, Jüdin und Afroamerikanerin erfährt sie tagtäglich am eigenen Leib, was Diskriminierung bedeutet.
In Manhattan spielt die Dokumentation "REFLECTIONS IN SYNAGOGUE" (Amir Moverman, US 2024). Ein Bildarchiv sämtlicher Synagogen Manhattans wird zum Anlass einer Reflexion über jüdisches Leben und Gemeinschaft heute, dessen Sorgen und Ängste, und eine erstrebenswerte Zukunft.
In einer Montage aus Begegnungen und historischen Aufnahmen rekonstruiert Danny Ben Moshe in "REVENGE: OUR DAD THE NAZI KILLER" (AU 2023) eine Biografie, welche unter anderem die Frage nach historischer Gerechtigkeit aufwirft: ging Vater mit anderen Juden auf die Jagd nach versteckten Nazis?
Die radikale Aufspaltung in zwei Persönlichkeiten war Yehiel De-Nurs Strategie, um mit seinem Trauma als Shoah-Überlebender umzugehen. Wenn er als Ka.tzetnik abgekapselt und in Häftlingskleidung seine internationalen Bestseller verfasste, war er wieder auf dem „anderen Planeten“, den die Kunstfigur mit dem KZ im Namen nie verlassen hatte. Die Bücher von Ka.tzetnik haben Israel bewegt. Die Dokumentar-Biografie "THE RETURN FROM THE OTHER PLANET" von Assaf Lapid (Il/DE 2023) übersetzt diese Persönlichkeitsspaltung in Bilder. Dabei wird nicht nur die Frage nach Möglichkeiten der Traumabewältigung gestellt, sondern auch nach dem Wert subjektiver Wahrheit.
In "TELLING NONIE" (IL 2024) geht Paz Schwartz anhand von Archivbildern auf die Spannungen zwischen Gaza und Israel in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre ein. Es geht um den damaligen Leiter des ägyptischen Geheimdienstes in Gaza und seine Tochter Nonie. Diese erhält mehr als 60 Jahre nach dem Attentat auf ihren Vater rätselhafte Informationen. Was hat der ehemalige Mossad-Agent mit dem Attentat zu tun?
Die Bilder des russisch-amerikanischen Fotografen Roman Vishniac prägen bis heute vor allem die Vorstellung des osteuropäischen Judentums am Vorabend der Shoah. Die Filmbiografie "VISHNIAC" (Laura Bialis, US 2023) verfolgt seinen Weg von der Oktoberrevolution über die Weimarer Republik bis zum Neustart in den USA. In einer Mischung aus Interviews mit Verwandten, Zeitzeugen und Historikern, Archivmaterial, autobiografischen Aufzeichnungen und nachinszenierten Szenen führt seine Tochter chronologisch durch das Leben eines Mannes, der nicht nur Einstein und Chagall auf Fotos festhielt, sondern auch Biologe und Pionier der Mikrofotografie war.
Nachtrag vom 20.06.2024:
"SÜDSEE" und "VISHNIAC" gewinnen die Gershon-Klein-Preise des 30. JFBB. Die Gewinnerfilme sind bis zum Samstag noch beim Festival zu sehen.
Hier der Trailer von Südsee:
Bis einschließlich Sonntag konnten mehr als 6.000 Besucher*innen bei den verschiedenen Veranstaltungen des 30. Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg gezählt werden, so viele wie noch nie. Dieses große Interesse gibt Aufwind für die Vorbereitungen auf die nächste Ausgabe des Festivals.
Link: www.jfbb.info
Vom 18. bis 23. Juni 2024 zeigen internationale Filme beim JFBB die Vielfalt des jüdischen Lebens: vom Thriller über Komödien bis zum beeindruckenden Dokumentarfilm. Insgesamt sind es 70 Filme aus 15 Produktionsländern und damit mehr als 200 Stunden Film, unter anderem aus Frankreich, Kanada, Australien, Polen, den USA und Israel. Von Terror bis Sex, von Komödie bis Thriller, die diesjährige Festivalausgabe ist so vielfältig wie nie.
Eröffnet wird die 30. Ausgabe des JFBB am 18. Juni 2024 im Potsdamer Hans Otto Theater von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Schirmfrau des JFBB. Zahlreiche namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben sich als Gratulanten angekündigt, darunter Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke, Franziska Giffey, Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Auch der ehemalige Ministerpräsident des Landes Brandenburg Matthias Platzeck wird erwartet. Zu Gast sind außerdem Georg Friedrich und Sophie von Preußen, die Schauspielerinnen und Schauspieler Iris Berben, Andrea Sawatzki, Paula Schramm, Adriana Altaras, Christian Berkel, Laurence Rupp, Lenn Kudrajwitzki und Arndt Schwering-Sohnrey. Weitere prominente Gäste aus der Welt von Film und Fernsehen sind die Produzentinnen Nancy Spielberg und Tanja Ziegler, die Regisseure Heather Dune Macadam, Julia von Heinz, Dani Levy und RP Kahl. Durch den Abend führt RBB-Moderatorin Shelly Kupferberg.
Filmisch eingeläutet werden die Festivaltage mit der deutschen Premiere der französischen Tragikomödie "A GOOD JEWISH BOY" von Noé Debré, in der der 27-jährige Bellisha und seine Mutter ein unaufgeregtes Leben in einer Pariser Vorstadt führen. Doch als die Synagoge in der Nähe schließt, genau wie der letzte koschere Lebensmittelladen, wird den beiden klar, dass sie die letzten Juden sind, die hier leben. Ein Film über hochaktuelle Fragen von Identität und Zugehörigkeit.
Hier der Trailer:
Neu im Jubiläumsjahr ist die Erweiterung des bislang klassischen Publikumsfestivals JFBB um gezielte Branchenaktivitäten. Die Sparte JFBBpro wird sich künftig mit Programmangeboten speziell an Vertreterinnen und Vertreter der nationalen und internationalen Filmindustrie richten.
Im Mittelpunkt der Jubiläumsausgabe von Jewcy Movies – einem sechstägigen internationalen Filmfestival mit den aktuellen Filmen quer durch alle Genres: vom Blockbuster über Komödien bis zum Arthouse Kino, das die diverse, lebendige jüdische Kulturszene zeigt und einen außergewöhnlichen Einblick in jüdisches Leben auf der ganzen Welt gibt, stehen erneut die beiden Wettbewerbe um den besten Spiel- und Dokumentarfilm. Ergänzt durch FERMISHED, das bunt gemischte Genre-Kino. Dort findet sich auch das Kurzfilmprogramm NOSH NOSH (jiddisch für Leckereien).
Darüber hinaus gibt es Kurzfilme und ergänzende Filmreihen, in diesem Jahr werden es unter anderem die Themen Antisemitismus und filmische Reflektionen von Terror und Trauma sein.
Zitat Programmdirektor Bernd Buder:
"Das JFBB zeigt die ganze inhaltliche und stilistische Vielfalt des Kinos, vom Experiment bis zur Romantischen Komödie, vom Thriller bis zum Essay, vom Liebes- bis zum Geschichtsfilm. Damit zeigen wir nicht nur, wie vielfältig jüdische Geschichte und Erfahrung ist, sondern auch, wie unterschiedlich diese filmisch erzählt wird. Eine faszinierende Zahl von Geschichten und von Ausdrucksformen, zwischen purer Emotion und Reflexion, Tiefgang und Überflieger, Balanceakt und Provokation. Ob gedankenverloren oder kopfbetont: jeder Film ganz speziell individuell und zusammen im Programm ganz, ganz stark - tolles Kino für alle"
Mit den terroristischen Angriffen der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung ist Terror wieder verstärkt im Fokus. Die medial inszenierte Gewalt, gekennzeichnet durch Skrupellosigkeit und Entgrenzung, dringt in die Wohnzimmer und besonders über die sozialen Medien in die Privatsphäre von Menschen überall auf der Welt ein, verbreitet Angst und Verunsicherung.
Die Filmreihe Der Angst begegnen - Filmische Reflektionen von Terror, Trauma und Widerständigkeit erinnert, mittels verschiedenartiger filmischer Ansätze, an Anschläge auf die jüdische Welt und die globale Gesellschaft. Gezeigt werden Filme wie "SUPERNOVA: THE MUSIC FESTIVAL MASSACRE" (Yossi Bloch/Duki Dror, IL 2023), der die Ereignisse des 7. Oktober 2023 in Israel anhand von Handyaufnahmen und Zeugenaussagen rekonstruiert.
Hier der Trailer:
Der Film "DER ZWEITE ANSCHLAG" (Mala Reinhardt, DE 2018) lässt die Familien der Menschen zu Wort kommen, die vom sogenannten ‚NSU‘ ermordet wurden und erzählt von den rassistischen Verdächtigungen der Ermittlungsbehörden als einer zweiten Gewalt, der die Angehörigen ausgesetzt sind.
Hier der Trailer:
Der Spielfilm "MAIXABEL" (Iciar Bollain, ES 2021) wiederum zeigt die baskische Gesellschaft, wie sie auch Jahre nach dem Ende des ETA-Terrors versucht, die tiefen Wunden der Gewalt zu überwinden.
Hier der Trailer:
Begleitet wird das Filmprogramm von Paneldiskussionen, in den Expertinnen und Experten die unterschiedlichen Formen des Terrors und ihre medialen Inszenierungen diskutieren.
Im Staatssozialismus sowjetischer Prägung kam es von 1945 bis zum Fall des Eisernen Vorhangs immer wieder zu antisemitisch unterfütterten Kampagnen und auch im Alltag waren antisemitische Einstellungen präsent. Der Bogen reicht von den Slánský-Prozessen in der ČSSR über Zwangsausweisungen in Polen 1968 bis zur "antizionistischen" Propaganda in der DDR. Die Filmreihe Bruch oder Kontinuität? „Antizionismus“ und Antisemitismus im Sozialismus und danach zeigt, wie das Thema zwischen den Zeilen in zeitgenössischen Filmen adressiert und nach 1989 aufgearbeitet wurde.
Die Filmreihe zeigt Klassiker wie Paweł Pawlikowskis "IDA" (PL/DK/FR/GBR 2013) oder Alexander Askoldows "DIE KOMMISSARIN" (UdSSR 1967). Mit dabei sind auch eine Kafkaeske Anspielung auf die Slánský-Prozesse und Konrad Wolfs "GOYA" (DDR 1971), der ebenfalls als Anspielung auf die Schauprozesse im Stalinismus gelesen werden kann. In DDR-Propagandafilmen wie "DIE STÜRMER" (Dagobert Loewenberg, DDR 1967) und TV-Dokumentationen wie "ISRAEL ’74" (Sabine Katins DDR 1974) wird eine frappierende inhaltliche Nähe zur gegenwärtigen Israel-Kritik von links deutlich, einschließlich der Überschneidungsbereiche zum Antisemitismus.
Der tschechische Dokumentarfilm "SON OF A PUBLIC ENEMY" (Eva Tomanová, CZ 2022) zeigt am Beispiel von Otto Šling, einem der in den Slánský-Prozessen zum Tode Verurteilten, wie die unterschiedlichen Traumata der Shoah und der Schauprozesse im Sozialismus bis heute weiterwirken und in Marcel Łozinskis "SIEBEN JUDEN IN MEINER KLASSE" (PL 1991) treffen sich Jüdinnen und Juden wieder, die 1968 aufgrund der antisemitischen Kampagne der Regierung von Wladisław Gomułka Polen verlassen mussten.
Mit der Ausstellung Sex. Jüdische Positionen thematisiert das Jüdische Museum Berlin die Bedeutung von Sexualität im Judentum aus vielfältigen Perspektiven. Die begleitende Filmreihe beim Jüdischen Filmfestival Berlin und Brandenburg ergänzt die Ausstellung mit Filmen über Tabus, Begehren, Sexarbeit, sowie den Kampf um sexuelle Aufklärung und Gleichstellung. Spaßig, ernst, politisch, provokant und sexy ist das Kurzfilmprogramm, das in die verschiedensten Welten jüdischer Sexpositionen verführt: Religiöse Vorschriften, das Berlin der 30er Jahre, Ausflüge in die BDSM-Szene. 90 Minuten brechen auf unterschiedlichste Weise mit Stereotypen und gängigen (Vor)Stellungen.
Das Festivalzentrum des 30. JFBB ist wieder das Filmkunst 66 in Berlin-Charlottenburg. Das Programm wird außerdem im Moviemento, Bundesplatz-Kino und Kino Krokodil gezeigt sowie Open Air im Kino Central. In Potsdam ist das JFBB im Thalia Programmkino sowie im Filmmuseum Potsdam und Open Air im Inselkino zu Gast. Zusätzlich wird das JFBB tageweise in der Neuen Synagoge Berlin und im Jüdischen Museum Berlin zu gegen sein.
Das JFBB wird maßgeblich von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, vom Medienboard Berlin-Brandenburg und der Landeshauptstadt Potsdam gefördert. Der Mobilitätspartner des Festivals ist die AUDI AG. Medienpartner sind radio eins, rbb Kultur und 3sat.
Die Wettbewerbe des 30. JFBB
Im Mittelpunkt des Festivals stehen die beiden Wettbewerbe um den besten Spiel- und Dokumentarfilm. In Erinnerung an die 1999 im Alter von 79 Jahren verstorbene Kinolegende Gershon Klein stiften seine Töchter Madeleine Budde und Jacqueline Hopp auch in diesem Jahr wieder die Preise in den beiden Wettbewerben, in Höhe von jeweils 3.000 Euro.
Des weiteren werden der Preis für den interkulturellen Dialog und der Preis zur Förderung des filmischen Nachwuchses vergeben. Beide Preise sind mit 2.000 Euro dotiert und werden vom Potsdamer Unternehmer Stephan Goericke gestiftet.
In der Spielfilmjury des Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg wirken in diesem Jahr Marcia Jarmel, Filmemacherin und Veranstalterin des Jüdischen Filmfestival San Francisco, der Schauspieler Garry Fischmann, unter anderem bekannt aus SOKO Hamburg und der Netflix Serie KLEO und der langjährige Leiter des Filmfest Hamburg und Filmwissenschaftler Albert Wiederspiel.
Zwölf Produktionen im diesjährigen Spielfilmwettbewerb:
Mit dabei die Tragikomödie "A GOOD JEWISH BOY" (Noé Debré, FR 2024), in der Bellisha und seine Mutter eigentlich ein unaufgeregtes Leben in einer Pariser Vorstadt führen. Als aber die Synagoge in der Nähe schließt, genau wie der letzte koschere Lebensmittelladen, wird den beiden klar, dass sie die letzten Juden sind, die hier leben.
Die ebenfalls mit leichter Hand inszenierte Komödie über Sinn- und Glaubenskrisen "BETWEEN THE TEMPLES" von Nathan Silver (USA 2024) rückt den Kantor Ben und seine ehemalige Musiklehrerin Carla in den Mittelpunkt. Nicht nur der Altersunterschied macht diese Beziehung so besonders.
Einen Kampf, unter anderem, gegen das „HYPER-JUDENTUM“ führt Daniel Auerbach im gleichnamigen Film von David Volach (IL 2023). Gezeichnet wird das Psychogramm eines Gescheiterten, der sich in endlose Monologe verstrickt, gepaart mit (Selbst-)Zweifeln. Der Film könnte das eigene Making of des Regisseurs sein.
Nicht nur die Erwartungen der Schwiegereltern, sondern auch Korruption und Gewalt treffen in "HOME" (Benny Fredman, IL 2023) auf den Protagonisten Yair, der eigentlich nur seinen Traum vom eigenen Computergeschäft wahrmachen will.
Musicalgleich ist der kanadische Film "LESS THAN KOSHER" (Daniel am Rosenberg, 2023). Erst widerstrebt es der tätowierten und rebellischen Viv als Kantorin einzuspringen, doch dann entdeckt sie nicht nur den Sohn des Rabbis, sondern auch völlig neue Töne.
"THE BLOND BOY FROM THE CASBAH" (Alexandre Arcady, FR 2023) erzählt die Geschichte des jungen Antoine, der seine Kinoleidenschaft entdeckt, während sich der Algerienkonflikt zuspitzt. Der Berliner Schauspieler Christian Berkel übernimmt hier eine der Hauptrollen in der jüdisch, muslimisch, christlichen Hausgemeinschaft.
"RUNNING ON SAND" (Adar Shafran, IL 2023) ist der Fußballfilm, passend zur Europameisterschaft: Der aus Eritrea geflüchtete Aumari nutzt darin eine Verwechslung am Flughafen aus, um seiner Abschiebung aus Israel zu entkommen. Er nimmt kurzerhand die Identität eines Fußballstars an, doch Aumari verfügt über keinerlei fußballerisches Talent. Eine Geschichte über Schmerz, Verlust und Hoffnung.
Um eine deutsch israelische Freundschaft, aktueller denn je, geht es in Henrika Kulls Film "SÜDSEE" (DE 2023): Eine freundschaftliche Auszeit ohne Beziehungsambitionen wird zur Erkundung eines komplizierten Terrains – persönlich, politisch und historisch. Während die Nähe zwischen den beiden Protagonisten wächst, hält über ihnen das Raketenabwehrsystem den Krieg auf Abstand.
In "THE FUTURE" (Noam Kaplan, IL 2023) geht es um einen Algorithmus, der es ermöglicht, Terroranschläge vorherzusagen. Doch die junge Palästinenserin Yaffa hat einen Weg gefunden, diesen zu umgehen, ein Polit-Thriller der besonderen Sorte.
Pierre Goldman, Aktivist der Mai-Unruhen 1968 in Paris, ist zu lebenslanger Haft verurteilt. Den Anweisungen seiner Verteidigung zum Trotz verfolgt er im Berufungsprozess seine eigene Strategie und unterstellt der Anklage Antisemitismus. Ein beklemmendes und zugleich vereinnahmendes Drama über die Gerichtsverhandlungen der 1970er-Jahre im Film "THE GOLDMAN CASE" (Cédric Kahn, FR 2023).
In "THE VANISHING SOLDIER" (IL 2023) erzählt Dani Rosenberg die fesselnde und poetische Geschichte eines 18-jährigen israelischen Soldaten, der beschließt zu seiner Freundin nach Tel Aviv zurückzukehren. Dort erfährt er allerdings schnell, dass alle glauben, er sei im Krieg entführt worden und das macht seine Flucht noch intensiver. Wer kann ihn noch beschützen?
Fragen werden auch in einer Vater-Tochter-Reise nach Polen gestellt: "TREASURE" (DE/FR 2024) von Juliane Heinz führt unter anderem an den Ort, wo fast die ganze Familie in der Shoah ermordet wurde. Die Tochter hat viele Fragen, der Vater weicht aus, eine emotionale Gratwanderung zwischen Familienschicksal und Trauma.
Die Dokumentarfilmjury des Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg bilden die Berliner Regisseurin und Produzentin Britta Wauer, die rumänische Regisseurin und wissenschaftliche Leiterin des Jüdischen Filmfestival Bukarest Felicia Waldman und der
Musiker und Autor Yuriy Gurzhi, vielen bekannt als Initiator der Partyreihe Russendisko mit Wladimir Kaminer.
Im Dokumentarfilmwettbewerb sind neun Produktionen vertreten:
Wie steht man Menschen in Extremsituationen zwischen Leben und Tod bei? Darum geht es im Film "A STILL SMALL VOICE" von Luke Lorentzen (US 2023). Eine junge Krankenhaus Seelsorgerin sucht ihren Weg zwischen dem Wunsch zu helfen, Zweifeln am jüdischen Glauben und ihren eigenen Traumata.
Fast eine Million Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion immigrierten in den 1990er Jahren nach Israel. Ein Schockerlebnis, gerade im Kindesalter. Aufgewachsen zwischen russischsprachigem Elternhaus und einer Gesellschaft, die mit den Neuankömmlingen fremdelte, beleuchten die Kinder von damals in "GENERATION 1.5" (Roman Shumanov, IL 2023) einen wichtigen Teil israelischer Einwanderungsgeschichte.
Die bröckelnde Beziehung seiner Eltern lässt den Regisseur Ohad Milstein nicht los. In "MONOGAMIA" (IL 2023) geht er der Frage nach, wie eine Liebe nach Jahrzehnten in einer Ehe wieder entfacht werden kann. Stellt unbequeme Fragen, kramt alte Aufnahmen aus dem Familienarchiv hervor und beginnt auch seine eigene Ehe zu betrachten. Regisseur Ohad Milstein war 2023 JFBB-Preisträger und gewann mit "KNOCK ON THE DOOR" den Gershonn Klein-Dokumentarfilmpreis.
Tamar Manasseh hat eine Mission im Film "RABBI ON THE BLOCK" (Brad Rothschild, USA 2023): Jüdin zu sein bedeutet für sie, sich zu engagieren, Vorurteile abzubauen, sich um Benachteiligte zu kümmern – was eine Herkulesaufgabe ist, wenn man in einem sozialen Brennpunkt Chicagos aktiv ist. Als Frau, Jüdin und Afroamerikanerin erfährt sie tagtäglich am eigenen Leib, was Diskriminierung bedeutet.
In Manhattan spielt die Dokumentation "REFLECTIONS IN SYNAGOGUE" (Amir Moverman, US 2024). Ein Bildarchiv sämtlicher Synagogen Manhattans wird zum Anlass einer Reflexion über jüdisches Leben und Gemeinschaft heute, dessen Sorgen und Ängste, und eine erstrebenswerte Zukunft.
In einer Montage aus Begegnungen und historischen Aufnahmen rekonstruiert Danny Ben Moshe in "REVENGE: OUR DAD THE NAZI KILLER" (AU 2023) eine Biografie, welche unter anderem die Frage nach historischer Gerechtigkeit aufwirft: ging Vater mit anderen Juden auf die Jagd nach versteckten Nazis?
Die radikale Aufspaltung in zwei Persönlichkeiten war Yehiel De-Nurs Strategie, um mit seinem Trauma als Shoah-Überlebender umzugehen. Wenn er als Ka.tzetnik abgekapselt und in Häftlingskleidung seine internationalen Bestseller verfasste, war er wieder auf dem „anderen Planeten“, den die Kunstfigur mit dem KZ im Namen nie verlassen hatte. Die Bücher von Ka.tzetnik haben Israel bewegt. Die Dokumentar-Biografie "THE RETURN FROM THE OTHER PLANET" von Assaf Lapid (Il/DE 2023) übersetzt diese Persönlichkeitsspaltung in Bilder. Dabei wird nicht nur die Frage nach Möglichkeiten der Traumabewältigung gestellt, sondern auch nach dem Wert subjektiver Wahrheit.
In "TELLING NONIE" (IL 2024) geht Paz Schwartz anhand von Archivbildern auf die Spannungen zwischen Gaza und Israel in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre ein. Es geht um den damaligen Leiter des ägyptischen Geheimdienstes in Gaza und seine Tochter Nonie. Diese erhält mehr als 60 Jahre nach dem Attentat auf ihren Vater rätselhafte Informationen. Was hat der ehemalige Mossad-Agent mit dem Attentat zu tun?
Die Bilder des russisch-amerikanischen Fotografen Roman Vishniac prägen bis heute vor allem die Vorstellung des osteuropäischen Judentums am Vorabend der Shoah. Die Filmbiografie "VISHNIAC" (Laura Bialis, US 2023) verfolgt seinen Weg von der Oktoberrevolution über die Weimarer Republik bis zum Neustart in den USA. In einer Mischung aus Interviews mit Verwandten, Zeitzeugen und Historikern, Archivmaterial, autobiografischen Aufzeichnungen und nachinszenierten Szenen führt seine Tochter chronologisch durch das Leben eines Mannes, der nicht nur Einstein und Chagall auf Fotos festhielt, sondern auch Biologe und Pionier der Mikrofotografie war.
Nachtrag vom 20.06.2024:
"SÜDSEE" und "VISHNIAC" gewinnen die Gershon-Klein-Preise des 30. JFBB. Die Gewinnerfilme sind bis zum Samstag noch beim Festival zu sehen.
Hier der Trailer von Südsee:
"Der Film "SÜDSEE" (DE 2023) von Henrika Kull ist wie ein Mittagsschlaf in der israelischen Sonne. Es ist eine erotische Beziehung zwischen einem Israeli und einer Deutschen. Es knistert wie es nur zwischen Israelis und Deutschen knistern kann. Überzeugend durch seine Ästhetik ist SÜDSEE innovativ, ohne prätentiös zu sein. Ein wunderschöner Flirt - auch wenn vom blauen Himmel die Bomben fallen", so die Begründung der Jury. SÜDSEE erzählt die Geschichte einer deutsch-israelischen Freundschaft, aktueller denn je. Während die Nähe zwischen den beiden Protagonisten wächst, hält über ihnen das Raketenabwehrsystem den Krieg auf Abstand.
Bis einschließlich Sonntag konnten mehr als 6.000 Besucher*innen bei den verschiedenen Veranstaltungen des 30. Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg gezählt werden, so viele wie noch nie. Dieses große Interesse gibt Aufwind für die Vorbereitungen auf die nächste Ausgabe des Festivals.
Link: www.jfbb.info
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