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exground filmfest 36 in Wiesbaden mit Länderfokus Chile

Vom 17. bis 26. November 2023 bietet das exground filmfest in Wiesbaden reichlich Gelegenheit, mit den Filmschaffenden ins Gespräch zu kommen sowie den Horizont zu erweitern.



Beim diesjährigen exground Filmfest kommen Highlights der großen A-Festivals Cannes, Berlin, Venedig und Karlovy Vary in die historische Caligari FilmBühne und ins Murnau Filmtheater nach Wiesbaden, darunter viele Einreichungen für den Auslands-Oscar 2024.

Gerade die Pandemiejahre haben gezeigt: Das gemeinsame Filmerlebnis und der Austausch vor Ort lassen sich durch nichts ersetzen! Rund 200 Produktionen werden zu sehen sein – ein Querschnitt durch den 2022/2023er-Jahrgang des internationalen Kinos aus rund 2.000 eingereichten Kurz- und Langfilmen.

Für besondere Horizonterweiterung sorgt der traditionelle exground-Länderfokus der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. In diesem Jahr ist vom 17. - 26. November 2023 der spezielle Blick des Filmfestes nach Chile gerichtet. Warum ausgerechnet Chile? Dazu hier der Trailer:


Das exground Filmfest ist auch ein Forum für gesellschaftspolitischen Austausch. Die Proteste in Chile ab 2019 haben ihren Ursprung in eklatanten Missständen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Deswegen hat das Festivalteam es sich dieses Jahr zur Aufgabe gemacht, beim Länderfokus eine Filmauswahl zu treffen, die sich stark mit den Grundlagen dieser Schieflagen auseinandersetzt, seien es die patriarchalen Strukturen, die (neo-)koloniale Gewalt oder der nachwirkende Terror der Militärdiktatur, die erst 1990 zu Ende ging.


Erinnern und Sprechen sind dabei zentral, sowie der bewusste Blick auf die Werke einer jüngeren Generation. Und einige Filmschaffende werden ihre Arbeiten persönlich in Wiesbaden vorstellen. Dabei sind klassisch narrative Studentenprojekte ebenso vertreten wie unabhängig realisierte Experimentalfilme oder Debüts.

Aber auch die Oscar-Einreichung Chiles "THE SETTLERS" (CL/AR/DK/FR/TW/GB 2023) und gefeierte Werke aus Berlin, Cannes und Rotterdam sind zu sehen. Die Ländersektion umfasst stilistisch und konzeptionell eigenwilliges, emotional bewegendes und gesellschaftlich relevantes Kino, ergänzt um ein äußerst vielseitiges Zusatzprogramm.

Highlights aus dem Fokusprogramm 

Eröffnet wird exground filmfest 36 mit dem präzise inszenierten Politthriller "CHILE '76" ("1976", CL 2022), das Regiedebüt von Manuela Martelli, inmitten des chilenischen Staatsterrors im Jahre 1976 spielt.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Carmen lebt als Gattin eines angesehenen Arztes ein gutbürgerliches Leben. Die Kinder sind aus dem Haus, und das Ehepaar hat sich mit der Militärdiktatur arrangiert. Als die Ehefrau die Renovierung ihres Sommerhauses am Meer betreut, bittet sie ein befreundeter Priester, einem verwundeten Mann zu helfen. Sie beschließt, heimlich die Pflege des Angeschossenen zu übernehmen. Manuela Martelli inszeniert ruhig und metaphernreich. Die Bilder sind opulent, untermalt von atmosphärischer Musik und elegantem Schauspiel.


Auch die Oscar-Einreichung Chiles, "THE SETTLERS" von Felipe Gálvez, ist ein Spielfilmdebüt. In dem unberechenbaren, anti-kolonialen Western begibt sich ein ungleiches Trio aus US-Söldner, schottischem Lieutenant und indigenem Arbeiter im Jahre 1901 auf eine blutige Mission. Sie sollen im Auftrag eines Unternehmers so viele indigene Menschen wie möglich ermorden, um neue Weidewege zu erschließen. Mit kühnem Drehbuch und atemberaubender Formsprache erzählt der Film von genozidaler Gewalt und kapitalistischer Ausbeutung als Grundlage der Nationalstaatenbildung Chiles.

Ein weiterer besonderer Film ist "OUTSIDER GIRLS" (CL 2023), deren Regisseurin Alexandra Hyland und dessen Produzent Roberto Doveris in Wiesbaden vor Ort präsent sein werden. Roberto Doveris wird auch Mitglied der Internationalen Jury sein. Wochen nach einer süßen Partynacht bemerkt Rafaela, dass sie schwanger ist. Doch ein Kind passt gerade überhaupt nicht in ihr Leben, und Abtreibung ist in Chile zumeist illegal. Rafa und ihre beste Freundin Gabriela müssen sich auf dem Schwarzmarkt umsehen. Damit sie sich die Pillen überhaupt leisten können, nehmen sie unzählige Jobs an. Der Film erzählt empowernd von Zusammenhalt, dem Recht auf den eigenen Körper und der untragbaren Lage ungewollt Schwangerer in Lateinamerika.

Für sein Langfilmdebüt wird auch Tajyo Yamazaki, Regisseur von "THANKS FOR COMING" (CL 2023), nach Wiesbaden kommen. Jeden Sommer entflieht Nanchos Familie der stickigen Großstadt Santiago und verbringt die heißen Monate am Meer. Als sein Vater unerwartet stirbt, will Nanchos Onkel das Haus verkaufen, anstatt es im Familienbesitz zu lassen. Also muss ein Plan geschmiedet werden, mit dem sich die Verkaufspläne sabotieren lassen. Mit schwungvoller Leichtigkeit, lakonischem Witz und sympathischen Charakteren widmet sich Taiyo Yamazaki den absurden Unwägbarkeiten familiärer Konflikte.

Auch Alfredo García, Produzent, Autor und Protagonist von "MEETING POINT" (CL 2022) des Regisseurs Roberto Baeza wird vor Ort erwartet. Afredo und Paulina verbindet das Schicksal ihrer Väter, die sich im Folterzentrum Villa Grimaldi kennenlernten und von denen der eine überlebte und der andere „verschwand“. Als Filmschaffende reinszenieren sie die Ereignisse, casten und drehen in Anwesenheit der Eltern und stellen sich so nicht nur den familiären Wunden, sondern auch der schwierigen Aufgabe des kollektiven Erinnerns. Ein mehrstimmiges Projekt über die Verwobenheit der Militärdiktatur mit der spannungsreichen Gegenwart Chiles.

Ein weiteres Highlight ist die ideenreiche Doku-Fiktion "OTRO SOL" (CL/FR/BE 2023) von Francisco Rodríguez Teare, der sich auf die Spuren des Diebes Alberto Candia begibt, der einen spektakulären Raub in einer spanischen Kirche organisierte und eine eigenwillige Legende entwirft. Dabei verwebt er in Chiles Atacama-Wüste und Spanien Interviews, Alltagsbeobachtungen und Inszenierungen übermütig zu einem Mythos rund um Gier und Gold, Deutungshoheit und koloniales Erbe.

"MY BROTHERS DREAM AWAKE" (CL 2021) der Regisseurin Claudia Huaiquimilla zeichnet die Lebenswirklichkeiten einer Gruppe Jugendlicher in einem Gefängnis nach, die bei einem Ausbruchsversuch durch Feuer und Rauch zu Tode kamen. Das Leben hinter Gittern inszeniert Huaiquimilla ehrlich und ungeschönt, aber auch zärtlich und mit Sinn für Nähe und die gesellschaftlichen Zusammenhänge von Gewalt und Strafvollzug.

Ausstellungen und Lesungen

Neben der Foto-Ausstellung von Paula Ábalos im Murnau-Filmtheater zeigt der Nassauische Kunstverein Wiesbaden im Rahmenprogramm noch bis zum 17. Dezember 2023 den Film "LOS HUESOS" (CL 2021) von Joaquín Cociña und Cristóbal León, den das MoMA in New York bereits für seine Sammlung erworben hat. Die in schwarz-weiß erzählte Geschichte spielt mit der Vergangenheit Chiles, in der die Schicksale von Diego Portales, einem Vertreter der Oligarchie, und Jaime Guzmán, einem Gefolgsmann des Diktators Pinochets, in der Hand eines Mädchens liegen. 

Am 21. November 2023 liest Günther Wessel in der Krypta der Marktkirche aus seinem Buch „Salvador Allende – eine chilenische Geschichte“. Am 11. September 2023 jährte sich zum 50. Mal der Militärputsch unter Augusto Pinochet gegen Chiles frei und demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende. Günther Wessel erzählt mit Rückgriff auf viele Interviews die Biografie Allendes und die Geschichte des Landes: vom Putsch bis zum mühsamen Kampf um die Rückkehr zur Demokratie und deren Entwicklung bis heute.

Im Literaturhaus Villa Clementine liest Patrick Twinem am 20. November 2023 Auszüge aus dem 2022 erschienenen Roman „Camanchaca“ des chilenischen Autors Diego Zúñiga. Darin erzählt ein 20-jähriger Junge von seiner Familie, während er mit dem Vater zur Zahnbehandlung über die Grenze nach Peru fährt. Ein Roadmovie in Prosa mit einem übergewichtigen, apathischen Ich-Erzähler, der nur Vages aus der Vergangenheit seiner Familie kennt.

Matinee

Die Sonntagsmatinee schließt den diesjährigen Länderfokus Chile von exground filmfest gebührend ab. Am 26. November 2023 um 12 Uhr wird in Anwesenheit des aus Chile angereisten Regisseurs Juan Carlos Bustamante "GESCHICHTEN VON EIDECHSEN" (CL 1989) in der Caligari FilmBühne gezeigt. Der so bildgewaltige wie poetische Episodenfilm, der seinerzeit seine Weltpremiere im Forum der Berlinale feierte, wird auf einem 16-mm-Projektor abgespielt. Der Film erzählt drei Episoden aus den „Jahren des Schweigens“, der transitorischen Phase unmittelbar nach dem Staatsterrors der Pinochet-Diktatur. Im Anschluss wird der Kurator des Länderfokus Chile, Amos Borchert, mit dem 1940 geborenen Juan Carlos Bustamante und dem Publikum ein Gespräch moderieren.

Großzügig gefördert wird der Schwerpunkt wieder vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Hier kann der ausführliche Programmflyer zum Länderschwerpunkt Chile als PDF herunterladen werden.


Die Wettbewerbe des exground filmfest beschränken sich auf Kurzfilme. Zahlreiche Langfilme sind dagegen neben dem Fokus Chile in den Filmreihen: European Cinema, World Cinema, American Independents und Made in Germany zu sehen.

Link: www.exground.com

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