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Vier Filmkritiken zur morgigen Verleihung der 78. Golden Globes

Wegen der Corona-Pandemie diesmal keine Show in Hollywood - dafür werden Star-Laudatoren aus allen Teilen der USA virtuell zugeschaltet. - Wir präsentieren dazu vier Filmkritiken.



Wenn am morgigen Sonntag, den 28.02.2021, die Golden Globes der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) vergeben werden, so ist dies das erste Großereignis zur diesjährigen Award Season, die im April mit der Verleihung der Oscars ihren Gipfel erreicht. Dennoch findet die Verleihung der Golden Globes nur digital statt, aber mit internationalen Moderatoren.

Normalerweise finden die Preisverleihungen viel früher im Jahr in Beverly Hills statt. Doch wegen der Corona-Pandemie gibt es nicht nur eine Verschiebung, sondern leider auch die Absage an eine berauschende physische Verleihung in Hollywood.

Statt dessen werden zahlreiche Stars per Video-Konferenz dazugeschaltet, um als Presenter die Verleihung virtuell vornehmen zu können.

Bislang bestätigt sind:

Michael Douglas, Catherine Zeta-Jones, Joaquin Phoenix, Cynthia Erivo, Kristen Wiig, Annie Mumolo, Renée Zellweger, Margot Robbie, Kate Hudson, Anthony Anderson, Kenan Thompson, Kevin Bacon, Kyra Sedgwick, Sterling K. Brown, Susan Kelechi Watson, Awkwafina und Komikerin Tiffany Haddish.


Die Nominierungen im Bereich Film hatten wir am 4. Februar 2021 veröffentlicht. Die Gewinner sind auch ein Indiz für einen möglichen Oscar-Preis gut zwei Monate später.

Mit dabei ist auch die erst Zwölfjährige Schülerin Helena Zengel aus Berlin, die nach ihrem ersten großen Auftritt zur 69. Berlinale 2019 in "Systemsprenger" jetzt in dem Western „Neues aus der Welt“ an der Seite von Tom Hanks spielt und für ihre Leistung mit einem Golden Globe als beste Nebendarstellerin nominiert ist.

"Neues aus der Welt" Abenteuer-Drama von Paul Greengrass, USA 2020. Mit Tom Hanks, Helena Zengel, Elisabeth Marvel, Tom Astor u.a. auf Netflix.

Hier der Trailer.



Wegen der an zahlreichen Orten geschlossenen Kinos, konnten weder bei uns, noch in den USA alle nominierten Filme dem Publikum vorgestellt werden. Einige Werke sind aber exklusiv auf Streaming-Diensten erschienen. Darunter auch der oben genannte Western, der auf Netflix läuft, aber von uns noch nicht gesichtet wurde.

Vier andere Filme konnte unsere Kollegin Elisabeth Nagy schon sichten und nachfolgend besprechen.

Einer der vorderen Plätze unter den Nominierungen belegt davon "The Trial Of The Chicago 7" von Aaron Sorkin auf Netflix, über einen nicht sauber abgelaufenen Prozess im Jahre 1969 gegen jugendliche Demonstranten, denen Verschwörung und Aufhetzung gegen den Staat vorgeworfen wurde, obwohl die US-Polizei Auslöser des Komplotts war, was der Richter aber zu vertuschen suchte.

Der Film, der in der Zeit zwischen dem Wechsel des schwachen amtierenden Demokraten Lyndon B. Johnson zum republikanischen Hardliner Richard Nixon spielt, entstand in der Regierungszeit des ex US-Präsidenten Donald Trump, um vor dessen illegalen Machenschaften gegen demokratische Regeln und im Zuge der Bewegung "Black Lives Matter" gegen erneuten Unterdrückung von Zivilrechten in der heutigen Zeit zu warnen.

"The Trial Of The Chicago 7" Justiz-Drama von Aaron Sorkin, USA / Großbritannien / Indien 2020. Mit Mark Rylance, Eddie Redmayne, Sacha Baron Cohen, Frank Langella, Michael Keaton, Joseph Gordon-Levitt u.a. auf Netflix. Hier der Trailer:



Elisabeth' Filmkritik:

1968 kam es, während die Demokraten in Chicago ihren Parteitag abhielten, zu Ausschreitungen, ja regelrechten Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei. Beide Seiten schenkten sich nichts. Aaron Sorkin, der kreativen Kopf der Serie "The West Wing" und des Facebook-Filmes "The Social Network", schenkt als Regisseur und Drehbuchautor seine Sympathien den Demonstranten und, wie zu erwarten, nicht der Staatsgewalt. Sorkin führt die Protagonisten in einer Montage ein und nennt dabei die Vereinigungen, für die sie stehen. Auf dem Höhepunkt der Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg waren das zum Beispiel Abbie Hoffman, einer der Gründer der Youth International Party, kurz Yippies, oder Tom Hayden, der später für die Demokraten im Abgeordnetenhaus saß und der, vielleicht erinnert man sich daran eher, Jane Fonda heiratete.

Es war die Zeit, als Richard Nixon an die Macht kam. Die, damals noch 8 Aktivisten wurden der Verschwörung und der Aufhetzung angeklagt. Es war eine politisch motivierte Anklage. Zwar ist keiner dieser Verbindungen mit dem Geist der Gesetze zimperlich umgegangen, aber jeder dieser Kreise um die Angeklagten agierte für sich. Von einer Verschwörung kann daher kaum die Rede sein. Der Film spielt überwiegend in einem Gerichtssaal, schneidet dabei aber immer wieder zurück auf die Straße und auf die Straßenschlachten. Die Kamera ist im wahren Sinne des Wortes mitten drin. Denn: Sorkin verwendet Material aus dem Film "Medium Cool" von dem Regisseur und Kameramann Haskell Wexler, der Teile seines Spielfilms 1968 während der Unruhen gedreht hatte. Diese alten Aufnahmen fließen mit aktuellen Filmaufnahmen zusammen, die vor Ort in Chicago aufgenommen wurden.

Als die Dreharbeiten zu "The Trial of the Chicago 7" begannen, waren Demonstrationen im Zuge von "Black Lives Matter" wieder an der Tagesordnung. Das Drehbuch war bereits seit 10 Jahren in der Mache und plötzlich war sein Thema hoch aktuell. "The Trial of the Chicago 7" funktioniert somit hervorragend als Kommentar zur Stunde. Ursprünglich sollte Paramount den Film in die Kinos bringen, er wurde dann allerdings von Netflix gekauft, die damit ein tüchtiges Zugpferd für die aktuelle Oscar-Runde haben. Im Oktober 2020 landete das Geschichts-Gerichtsdrama im Streaming-Portal von Netflix, obwohl man besonders bei der ausgefeilten Kameraarbeit von Phedon Papamichael (zuletzt "Le Mans 66 - Gegen jede Chance"), ihm eine Auswertung auf der großen Leinwand gewünscht hätte. Gerichtsdramen können, das liegt an der Sache, es wird viel geredet, eine dröge Angelegenheit werden. Umso wichtiger ist das richtige Cast und das Zusammenspiel. Die Kamera unterstützt die Stimmung der einzelnen Figuren und der jeweiligen Situation. Sorkin versammelt eine hochkarätige Schauspielgruppe. Der Staatsanwalt, gespielt von Joseph Gordon Levitt, darf hier allerdings empathischer agieren, als er das tatsächlich war. Eddie Redmayne spielt Tom Hayden und John Carroll Lynch den pazifistischen Vater. Yahya Abdul Mateen II ist Bobby Seale von den Black Panthers und Sacha Baron Cohen gibt den Abby Hoffman und wurde für seine Darstellung bereits mit mehreren hochkarätigen Nominierungen des letzten Filmjahrgangs ausgezeichnet. Frank Langella spielt den voreingenommen Richter mit unerschütterlichem Hochmut und sicherlich am eindrucksvollsten ist Mark Rylance als Verteidiger, der eine Verwarnung nach der anderen herausfordert und stoisch einkassiert.

Es ist ein Wehmutstropfen, dass Sorkin sich nicht in den entscheidenden Momenten an die damaligen Gerichtsprotokolle gehalten hat. Mit ein paar Klicks kann man das selbst nachlesen, ich empfehle bei historischen Stoffen die Webseite "History vs Hollywood". Sorkin gipfelt sein Gerichtsdrama mit einer atemberaubend eindrucksvollen Auflistung der im Vietnamkrieg gefallenen Soldaten. Diese Szene soll sich so ähnlich in der Tat abgespielt haben, aber mitnichten am Ende des sich über Monate hinweg gestreckten Prozesses. Es zeugt leider von einem Nichtvertrauen in das Material das man hat, wenn man den Höhepunkt dramaturgisch verschiebt. Aaron Sorkin wollte wohl doch einen Publikumsfilm drehen. Das allerdings ist ihm gelungen.

Elisabeth Nagy


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"Das Damengambit - The Queen’s Gambit" TV-Drama-Serie von Scott Frank & Allan Scott, USA 2020. Mit Anya Taylor-Joy, Matthew Dennis Lewis, Jennifer Hassan u.a. auf Netflix. Hier der Trailer:



Elisabeth' Filmkritik:

Nur sieben Episoden hat diese amerikanische Miniserie, die im letzten Herbst in aller Munde war und die der Filmstadt Berlin sicherlich zur Visitenkarte taugt. Sieben Episoden mit den Titeln "Eröffnung" oder "Abtausch" oder "Hängepartie" hat das Streaming Portal Netflix in Auftrag gegeben, und man taucht in die Welt der 60er Jahre ein, um fasziniert dem Schachspiel zuzuschauen. Unter anderem. Schach. Das Spiel steht in Filmen und Serien meist für einen Aspekt der Figurenzeichnung. Steht da irgendwo ein Schachspiel im Bild? Dabei belässt man es in der Regel. Für ein Duell der Superhirne spielt man auch schon mal eine Partie. Filme über berühmte Schachbegegnungen oder gar Biographien sind nicht gerade selten. Für das Schachspiel, das heutzutage immer mehr online gespielt wird, sprich sicherlich dass für Betrug kein Platz am Brett ist und dass eine Partie, in der Regel, mit Respekt und einem Handschlag beendet wird.

"The Queen's Gambit" hat noch mehr als Schach zu bieten. Anya Taylor-Joy, bekannt aus "Peaky Blinders", dieses Jahr spielte sie knapp vor dem ersten Lockdown die Titelfigur der Neuverfilmung von "Emma", spielt Beth Harmon, als junges Mädchen und als junge Frau. Sie zieht alle Blicke auf sich, sie hat etwas an sich, was sie, obwohl sie eine einsame Seele ist, faszinierend macht. Sie greift an, nicht nur auf dem Spielbrett. Und das klug gewählte Kostümbild von Gabriele Binder ("Das Leben der anderen") zeigt ihre Entwicklung vom Waisenkind zur Frau von Welt.

Als Kind wird sie von Isla Johnston gespielt, ein bisher unbekannter Name, den man sich merken sollte. Sie trägt immer nur die Kluft, die ihr im Waisenhaus gegeben wurde, ihre Frisur ist geradezu unglücklich, aber auch hier strahlt das Kind schon. Und in ihr ist eine Wut und ein Drängen ganz nach oben. Ein Drängen, das von Beruhigungsmitteln in Schach gehalten wird. Sie ist 9 Jahre alt, als ihre Mutter verunglückt. Das Waisenhaus ist so trist, wie man sich das für die 50er Jahre nur vorstellen kann. Als sie im Keller den Hausmeister über einem Schachbrett versunken sieht, macht es bei ihr Klick. Es sollte so kommen. Das Kind lernt schnell, rasend schnell.

Scott Frank ("Godless", Drehbuchautor von "Wolverine" bzw. "Schnappt Shorty") hat "The Queen's Gambit", den gleichnamigen Roman von Walter Tevis adaptiert. Tevis wiederum kennt man als den Autoren von "Die Haie der Großstadt", "Spion aus dem All" und "Die Farbe des Geldes". "Das Damengambit" ist sein vorletzter Roman. Genug der Eckdaten. Netflix hat "The Queen's Gambit" Ende Oktober auf seinen Dienst eingestellt und die Reaktionen waren gewaltig. Eben auch aus der Schachwelt. Nicht von ungefähr. Bruce Pandolfini, der bereits Tevis bei dem Roman beraten hatte, und der russische Großmeister Garry Kasparov standen der Produktion zur Seite. Die Spielpartien sind nicht nur irgendwie auf dem Brett, sondern haben reale Vorlagen. Darüber hinaus schafft es Frank und sein Team diese Welt, in der sich Beth Harmon behaupten will, ihren Ehrgeiz und ihren Übermut, glaubhaft zu vermitteln. In jeder Folge gilt es etwas aus dem Spiel mitzunehmen, etwas zu lernen, sich zu entwickeln.

Wir haben eine junge Hauptfigur, die ihre Mutter verliert, deren Kindheit bereits zu dem Zeitpunkt nicht einfach gewesen war, und sie wächst in einem Waisenhaus auf. Sie schließt nur mit einem Mädchen Freundschaft. Wahrscheinlich ist dieser Umstand sogar ihr zu Diensten. Sie sucht keine Freundschaften, sie braucht keine Freundinnen in dieser Männerdomäne. Sie steigt, von der Anstalt in die Tablettenabhängigkeit getrieben, aus einer Realität aus und in eine andere hinein, die es nur in ihrem Kopf gibt, die sie unzählige Male abspulen kann. Bis sie dann doch adoptiert wird. Doch das Ehepaar, das sie aufnimmt, wiederholt im Grunde genommen das gleiche Schema, das sie bereits kannte. Das Schachspiel eröffnet ihr Möglichkeiten, konfrontiert sie aber auch mit sich selbst. Gewissermaßen ist "The Queen's Gambit" ein sogenannter Coming-of-Age-Stoff.

Ach und die Drehorte. Ja. Richtig gesehen. Die Handlung spielt in Las Vegas, Paris, Mexiko Stadt, Moskau. Und was soll ich sagen, schon lange sah Berlin nicht so verführerisch aus. Das Palais am Funkturm, der Friedrichstadt Palast, das Kino International. Berlin konnte in dieser Mini-Serie so richtig glänzen.

Elisabeth Nagy


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"One Night in Miami" Drama von Regina King über den jungen Cassius Clay - bevor er Muhammad Ali wurde, USA 2020. Mit Eli Goree, Kingsley Ben-Adir, Aldis Hodge u.a. auf Amazon Prime Video. Hier der Trailer:



Elisabeth' Filmkritik:

Eine Nacht in einem Motel in Miami, es war der 25. Februar 1964. An dem Abend besiegte Cassius Clay (Eli Goree) seinen Gegner Sonny Liston und wurde Weltmeister im Schwergewichtsboxen. Statt zu feiern, traf er sich mit Freunden im Hampton House Motel. Dazu gehörte der Bürgerrechtler Malcolm X (Kingsley Ben-Adir), der Footballspieler Jim Brown (Aldis Hodge) und der Musiker Sam Cooke (Leslie Odom Jr.). Dieses Treffen ist verbürgt. Malcolm X lud die drei in sein Motel ein. Weitere Gäste gab es nicht, Malcolm X schwebte auch keine Party vor. Worüber die vier gesprochen haben, weiß man nicht. "One Night in Miami" war zuerst ein Theaterstück. Kemp Powers versuchte gar nicht erst, historisch akkurat zu sein. Ihm ging es mehr um die emotionale Wahrheit. Dieses, sein erstes Theaterstück von 2013 wurde jetzt unter dem gleichen Titel von der bisher als Schauspielerin bekannten Regina King ("Ray", "24", "Beale Street") verfilmt, wobei das Drehbuch von Powers selbst umsetzt wurde.

"One Night in Miami" ist fast ein Kammerstück. Weitgehend spielt die Handlung in einem Motelzimmer. Trotz der Dialoglastigkeit über weite Strecken ist aber kein Moment zu viel und keine Einstellung langweilig. Die Filmzeit verfliegt im Nu. Dabei setzt die Handlung etwas früher ein, vor jener besagten Nacht. Die Figuren, diese US-Amerikanischen Ikonen werden einzeln und jeweils in einem Moment der Demütigung vorgestellt. Das Interesse für diese Figuren, wenn man denn eventuell Malcolm X kennt, aber mit dem Namen Jim Brown nichts anfangen kann, als Beispiel, ist geweckt. Eben jener Jim Brown, um bei einem Beispiel zu bleiben, begegnet einem Bekannten seiner Familie auf dessen Plantagenterrasse. Der ältere Weiße, Beau Bridges spielt ihn, bewundert den schwarzen Sportler für seine Erfolge in der National Football League (NFL), doch als Jim Brown als die Frauen des Haushalts ein paar Möbel verrückt haben wollen und Brown selbstverständlich seine Hilfe anbietet, da ist Schluss mit der Gönnerhaftigkeit. Der schwarze Mann bleibt gefälligst vor der Tür.

Sam Cookes Song "A Change is Gonna Come", das zu der Zeit entstanden war, aber erst nach seinem Tod als Single ausgekoppelt wurde, wurde zur Hymne der Bürgerrechtsbewegung. Die Veränderungen lagen in der Tat in der Luft. Wie gesagt, Cassius Clay wollte seinen Sieg feiern, Malcolm X strebte nach Austausch. Kemp Powers lässt in seinem Stück die vier Figuren mit ihren unterschiedlichen Positionen und ihrer politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Erfahrungen zusammentreffen. Jeder für sich hatte eine Vorbildfunktion. Sie waren Influencer, würde man heute sagen. Sie redeten über ihre Verantwortung und über die Stellung der Schwarzen in der amerikanischen Gesellschaft, Gleichberechtigung und sich aufdrängende Veränderungen. Regina King inszenierte keine Geschichtsstunde, dieser Film ist, man staune, ihr Regiedebüt. Das Theaterhafte spürt man der Inszenierung zwar noch an, aber das macht nichts. King machte aus dem Theaterstück ein spannendes, flüssiges Drama das grundsätzliche Werte aufgreift und damit auch darauf verweist, wo wir heute in der Gesellschaft stehen.

Man weiß, wie die Geschichte weiter ging. Man weiß, dass Cassius Clay der Nation of Islam beitrat und zu Muhammad Ali wurde. Man weiß, dass Malcolm X mit der Nation of Islam brach und später einem Attentat zum Opfer fiel. Sam Cooke wurde wenige Monate nach jeder Nacht ermordet. Leslie Odom Jr. spielt diesen Sam Cooke und singt auch die Songs. Für den Film schrieb er, zusammen mit Sam Ashworth, den Titelsong "Speak Now". "Speak Now" ist eindeutig von "A Change Is Gonna Come" beeinflusst. Ein Pop-Stück, das nachhallt und ebenfalls eine Chance, unter anderem auf den Golden Globe hat.

Elisabeth Nagy


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"Soul" Animationsfilm von Pete Docter & Kemp Powers, USA 2020. Familienabenteuer mit den Sprechern Jamie Foxx, Tina Fey, Graham Norton u.a. auf Disney+. Hier der Trailer:



Elisabeth' Filmkritik:

Eine dumme Unachtsamkeit lässt Joe, in der Originalfassung spricht er mit der Stimme von Jamie Foxx, zu Fall kommen. Da lässt er einmal nicht die Nase hängen. Seine Seele brennt für den Jazz, seitdem ihn sein Vater einst als Jungen in einen Jazzclub geschleift hatte. Aber es gab keinen Moment, der aus ihm eine große Nummer gemacht hätte. Jetzt schlägt er also seine Lebenszeit desillusioniert in einer Schule als Musiklehrer tot und kann den Kids kaum Begeisterung für das Fach entlocken. Doch dann bekommt er doch noch eine Chance auf ein Vorspiel und wird vom Fleck weg engagiert, der erste Auftritt soll noch am selben Abend stattfinden. Da wird ein Traum wahr.

Das Schicksal will es anders. Nun liegt Joe im Koma. Ein dummer Umstand nur und "Soul" wäre wahrscheinlich einer der größten Erfolge des Disney-Konzern geworden. "Soul" ist der neue Pixar. Lange schon hatte man sich auf den Film gefreut und dann setzte der Konzern Disney angesichts geschlossener Filmtheater auf seinen eigenen neuen Streaming-Dienst. Auch wenn das Thema ernst klingt, "Soul" berührt auf vielen Ebenen. Die Hauptfigur ist ein Jazzmusiker, der dem Tode näher ist als dem Leben. Es geht um den Kreislauf von Leben und Tod und Leben, und um die Seele, die all diese Stationen durchläuft. Es geht um das, was unserem Leben Sinn gibt. Und um den Umstand, dass unsere Träume oft Träume bleiben und wir trotzdem ein erfülltes Leben leben können. Es geht um das, was uns im Innersten ausmacht. Musik ist eine der stärksten Brücken, die uns unserer Seele näher bringt. In "Soul" ist es zudem der Jazz und der Soul.

Pete Docter führte Regie. Von ihm ist auch der Animationsfilm "Alles steht Kopf", der in die Gefühlswelt eines Mädchens eintauchte und dieser eine visuelle Entsprechung gab. Mit "Soul" verhält es sich ähnlich. Pete Docter findet für abstrakte Ideen Bilder. An dem Drehbuch wirkten noch Mike Jones mit, der auch bereits bei Pixars "Coco" zum Kreativteam gehörte und der Drehbuchautor Kemp Powers, der gerade für "One Night in Miami" Anerkennung findet. Powers wurde kurzerhand auch zum Ko-Regisseur ernannt. In "Soul" nimmt uns ein Film mit in eine Zwischenwelt zwischen Jenseits und Diesseits, um uns dann in einer Vorstufe zu dem Diesseits zu verorten. Auch wenn viele es ausblenden, man staunt doch, wie bereits kleine Kinder von Anfang an eine ganz individuelle Persönlichkeit haben. Auch wenn der Alltag und die Gesellschaft daran schleift was das Zeug hält, so sind wir alle etwas Besonderes. Jeder hat etwas, für das er brennt und das ihn ausmacht. Und um diesen Funken zu finden, werden die Seelen in "Soul" in einem Mentorenprogramm angeleitet.

Joe, der sich nichts sehnlicher wünscht als seine Musik zu spielen, landet augenscheinlich auf dem Fließband zum Jenseits, aber er sieht gar nicht ein, dass alles vorbei sein soll, bevor er seine Erfüllung gefunden hat. Durch eine Verwechslung gerät er in dieses Mentorenprogram. Ihm wird eine Seele zugewiesen, die nicht geboren werden möchte. Partout nicht. Hier entfaltet "Soul" seinen typischen Sinn für Komik, aber mit Tiefgang. Ist das Leben nicht schön? Die Seele mit der Nummer 22, also eine sehr alte Seele, kann dem gar nichts abgewinnen. Joe wiederum hat keine Ambitionen, dieser 22 diese Abneigung auszureden. Er will einfach zurück in seinen Körper, der da im Krankenhausbett liegt. Er will seine Chance, seinen Durchbruch. Seine Musik. Es gibt und schließlich ist dieses "Soul" doch ein Film, eine Möglichkeit. Ich möchte gar nicht alles verraten. "Soul" erzählt von all den vielen kleinen Dingen im Leben, die das Leben mit Sinn und Freude füllen, so dass die Seele sich füllt und wächst.

"Soul" ist ein kluger Film, ein wunderschöner Film, der einen stolpern lässt, dann mitreißt, in Schwingung setzt und dabei die Balance findet. So dass man im Idealfall ganz mit sich und der Welt im Reinen und zufrieden ist. Aber nicht nur das. "Soul" findet eine Bildsprache, die ganz viel mit Texturen arbeitet. Die Seelen leuchten aus ihrem Inneren heraus. Die Farben setzen auf Harmonie. Und gleichzeitig sind sie einzigartig abstrakt, als hätte Picasso seine Pinsel im Spiel gehabt. Und es gibt einen Erbsenzähler, eine Seelenzählerin, Terry, sie ist Joe und 22 auf den Fersen. Terry ist nur ein Strich. Ältere Zuschauer werden an der Figur ihre Freude haben, ähnelt sie doch dem Männchen aus der italienischen Serie aus den 70ern, "La Linea". Und während die Welt jenseits der realen Welt so luftig, schwebend und unbestimmbar ist, ist die Stadt New York mit seinem Trubel, dem Verkehr und dem Lärm, umso bestimmter, aber keineswegs weniger fantastisch. Die Ideen gehen dem Film nicht aus. Darum ist es so schade, dass wir "Soul" eben noch nicht auf einer großen Leinwand sehen konnten.

Elisabeth Nagy


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