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Berliner Kiezkino wurde in der Pandemie gekündigt, soll aber mit neuem Betreiber wieder öffnen

Vor Ostern wird es wohl keine Kinoöffnungen geben - Streaming ist und bleibt die Alternative. Dazu eine VoD Kritik.



Auch mit 81 Jahren leitete Lothar Bellmann bis zum zweiten Lockdown das Kiezkino COSIMA in Berlin Friedenau. Erst Ende des Jahres 2021 wollte er aufhören und schlug deshalb Karlheinz Opitz, Betreiber der EVA Lichtspiele im benachbarten Bezirk Berlin Wilmersdorf, als seinen Nachfolger vor.

Dass nun genau während der Corona-Krise vom Hauseigentümer eine Kündigung zum 31. Mai 2021 hereinflatterte, überraschte ihn dennoch. Ein Streit mit dem Nachfolger ist wohl an der Ablösesumme entbrannt, denn die Preisvorstellungen liegen weit auseinander, obwohl das COSIMA in den letzten Jahren mit starken Umsatzeinbußen zu kämpfen hatte.

Zudem haben die Streamingdienste während der Pandemie so kräftig aufgeholt, dass trotz Unterstützung durch die Hausverwaltung, die Fortsetzung des Betriebes auf Dauer gefährdet sein könnte. Wir hoffen, dass die Kontrahenten sich vielleicht auf eine Kooperation einigen können, denn für Bellmann, der vor 60 Jahren das Kino von seiner Mutter übernommen hatte, könnte ein kleiner Nebenverdienst zur kargen Rente sicherlich willkommen sein.

Weitere Ausstattungs-Infos über die beiden Kinos stehen im Kinokompendium. Einzelheiten zur Kündigung können hier im Tagesspiegel nachgelesen werden.

Darüber hinaus hatten wir am 3. Juni 2015 einen kleinen Abriss über das COSIMA und andere traditionsreiche, teils 100-jährige Berliner Lichtspieltheater von Isolde Arnold veröffentlicht.



Solange die Kinos geschlossen bleiben, widmen wir uns in unserer wöchentlichen Filmkritik den VoD-Streams.

"KLEINES MÄDCHEN - Petite Fille" Dokumentation vom preisgekrönten, zweifachen Teddy-Gewinner Sébastien Lifshitz über ein achtjähriges Trans-Mädchen. (Frankreich, 2020). Seit 18. Februar 2021 für kurze Zeit vom Salzgeber Club kostenpflichtig als VoD auf Vimeo.

Hier der Trailer:



Ulrikes VoD-Kritik:

„Kleines Mädchen“ ist das berührende Porträt des achtjährigen Trans-Mädchens Sasha und ihrer Familie. Als ihre Mutter sie fragte, was sie denn mal werden will wenn sie groß ist, antwortete sie: „Ein Mädchen“. Schon als vierjähriger Junge ahnte sie, dass sie ein Mädchen ist, auch wenn sie als Junge geboren wurde.

Die ganzen Jahre macht sich Sashas Mutter Karine Vorwürfe. Immer wieder hat sie Tränen in den Augen, besonders wenn sie der für Transgender- Kinder spezialisierten Psychologin erzählt, dass sie sich während ihrer Schwangerschaft ein zweites Mädchen wünschte und es mit ein Grund dafür sein könnte, dass sie den Jungen unbewusst beeinflusst hat. Es tut ihr gut, endlich über ihre Schuldgefühle reden zu können und zu erfahren, dass Kinder schon mit drei oder vier Jahren eine gute Selbstwahrnehmung haben und man sie ernst nehmen sollte. Der Kampf um ein möglichst glückliches Leben für ihr Kind ist schwer genug, da große Teile der Gesellschaft immer noch in einem biologischen Junge-Mädchen-Denken verhaftet sind.

Die besondere Leistung dieses Films ist, die Behutsamkeit und Vorsicht, mit der sich Sébastian Lifshitz den intimen Momenten der Familie mit der Kamera nähert und das Vertrauen, das sie ihm entgegen bringt.

In der Schule hat Sasha es nicht leicht. Als die Psychologin sie danach fragt, bricht sie in Tränen aus. Karine bittet die Psychologin um eine Bescheinigung für den Rektor, in der ihm klar gemacht wird, Sashas Mädchenwunsch endlich zu akzeptieren und sie als Mädchen zu behandeln. Für sie ist es ganz wichtig, das 3. Schuljahr als Mädchen zu beginnen und nicht die Schule wechseln zu müssen. Sie soll in der Schule genau so glücklich sein wie zu hause.

Wenn in den Papieren nicht männlich stehen würde, würde niemand merken, dass sie kein Mädchen ist.

Wie eine Löwin um ihr Junges, kämpft Karine darum, dass ihr Kind so sein darf, wie es sich fühlt. Auch Sashas Vater und ihre Geschwister lieben sie so, wie sie ist.

Es macht Freude mit anzusehen, wie Sasha ihre Jungenklamotten aussortiert und es endlich wagt, in der Öffentlichkeit Mädchenkleidung zu tragen. Auch in der Schule gibt sie sich endlich als Mädchen zu erkennen und lädt zum ersten Mal eine Freundin zu sich ein. Mit ganz normaler Selbstverständlichkeit trägt sie am Strand ihren kleinen Bikini.

Die Ferien sind zu Ende. Hat sich beim Rektor und dem Lehrerkollegium etwas geändert?

Bei der Psychologin ist Sasha ganz entspannt. Glücklich erzählt sie, dass sie die „Feuerprobe“ bestanden hat.

Nur die neue russische Ballettlehrerin erlaubt es nicht, dass Sasha von jetzt an als Mädchen am Unterricht teilnimmt. Die Begründung: „So etwas gäbe es in Russland nicht“.

Noch hatte Sasha mit transphoben Menschen kaum Berührung und erfährt Schutz und Liebe in ihrer Familie. Zuhause hat sie geweint und sich gefragt, ob der Kampf überhaupt lohnt.

Über ein Jahr hat Sébastian Lifshitz die Familie liebevoll begleitet. Er hat die Erfolge wahrgenommen aber auch die Niederlagen. Ihm war es wichtig zu zeigen, was Transidentität sei. Sie entsteht nicht erst in der Pubertät und hat auch nichts mit Sexualität zu tun und wie bedeutsam es ist, die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. Am Ende sieht man Sasha hingebungsvoll und selbstvergessen, in ihrem Röckchen und Schmetterlingsflügeln tanzen. Man wünscht diesem kleinen Mädchen eine selbstbefreite, diskriminierungsfreie Zukunft.

Den Grundstein dafür hat ihr ihre liebende und tolerante Familie mitgegeben.

Ulrike Schirm

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