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Erste Preise und Gewinner der 70. Berlinale 2020

Die Preisträger*innen in der Sektion Perspektive Deutsches Kino sowie »Gläserne Bären« und Preise der Bundeszentrale für politische Bildung bei Generation 14plus. Als Nachtrag auch der Heiner-Carow-Preis und die Kirchen-Preise.



Gläserne Bären der Jugendjury Generation 14plus.

Gläserner Bär für den Besten Film:

"Notre-Dame du Nil" (Our Lady of the Nile)
von Atiq Rahimi, Frankreich / Belgien / Ruanda

Der Film hat uns auf vielen Ebenen packend die Geschichte von Menschen erzählt, die geographisch und kulturell so weit weg sind und uns dennoch nicht fremd waren. Die Farben, Musik und Poesie bannten uns und ließen uns den Film in all seinen Facetten spüren. Durch die großartige schauspielerische Leistung und Erzählweise wurden uns die Menschen in ihrer Würde und Wichtigkeit dargestellt und ein authentisches Gefühl gegeben. Der Film hat Diskussionen aufgeworfen und soll es auch weiterhin tun. Politisch, poetisch, stilistisch und menschlich wurden wir überzeugt.


Lobende Erwähnung: "White Riot"
von Rubika Shah, Vereinigtes Königreich

Der Film hat ein vielschichtiges Erlebnis geschaffen, mit vielen verschiedenen Schnipseln und Elementen, alten und neuen Aufnahmen, viel Kreativität und zeitlosen Songs. Die Musik hält den Film zusammen, wie sie auch die Menschen damals zusammengebracht hat. Einmal mehr zeigt er uns, dass man Geschichte nicht vergessen sollte. Wir wurden motiviert gemeinsam für unsere Werte einzustehen, und all die Ungerechtigkeit, die wir spüren, in die Welt hinaus zu schreien. Gegen Rassismus, gegen Diskriminierung. The fight is far from over!


Gläserner Bär für den Besten Kurzfilm: "Clebs" (Mutts)
von Halima Ouardiri, Kanada / Marokko

Wir haben Einblick in eine Welt geboten bekommen, die wir so noch nicht kannten. Die Bilder, das Licht, die Farben und die Geräusche haben uns sehr beeindruckt. Die Kamera hat uns mitgenommen und mitten ins Geschehen gestellt; mitten rein in eine Gemeinschaft, ein Zusammenleben und Zusammengehören hunderter Individuen. Die Bewegungen, die Massen, die Organisation der Massen haben uns mitgerissen. Wir konnten das Natürliche im Unnatürlichen beobachten. Leben im Eingesperrt sein. Rauswollen und nicht Rauskommen. Klarkommen müssen. Alleine und gemeinsam. Der Film verbindet Ästhetik und Banalität. Er verbindet Alltag und Politik. Er erzählt vom Leben und lässt uns fühlen und verstehen.


Lobende Erwähnung: "Goodbye Golovin"
von Mathieu Grimard, Kanada

Dieser Film, für den wir während unserer Juryarbeit gebrannt und gekämpft haben, ist einer, der uns die Zeit vergessen ließ. Er hat es geschafft, in einem kurzen Zeitraum eine tiefe, komplexe Geschichte zu erzählen. Durch ein harmonisches Zusammenspiel von Farben, Licht, Musik und Kamera schuf der Film eine gleichzeitig traurige, energievolle und schöne Stimmung. Auf poetische Weise beschäftigt er sich mit den Themen Wegrennen, Befreiung und mit der Frage: “Wer bin ich und warum?”. Dank der großartigen schauspielerischen Leistung haben wir uns unglaublich gut in die dargestellte Situation einfühlen können. Muss man, um sich zu ändern, sein Publikum ändern?

Die sieben Mitglieder der Jugendjury Generation 14plus über ihre Arbeit: „Wir haben 28 Filme gesehen und jeder war wichtig. Wir wurden berührt, schockiert, überrascht und wütend gemacht. Die Filme betrafen uns. Aus unserer Juryarbeit nehmen wir mit, wie bereichernd viele verschiedene Sichtweisen sind.“


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Preise der Bundeszentrale für politische Bildung.

Großer Preis der Internationalen Jury von Generation 14plus für den Besten Film, im Wert von 7500 Euro, gestiftet von der Bundeszentrale für politische Bildung:

"Meu nome é Bagdá" (My Name Is Baghdad)
von Caru Alves de Souza, Brasilien

Einstimmig entschieden wir uns für unseren Gewinnerfilm: Ein umwerfendes Stück Freiheit, voller wunderbarer Freundschaften, Musik, Bewegung und gelebter Solidarität. Es war unmöglich, nicht von der Protagonistin und ihrem Umfeld eingenommen zu werden und ebenso unmöglich, den glorreichen und kraftvollen Höhepunkt dieses Films zu vergessen. Das ist der Beweis, dass das Leben uns vielleicht keine Wunder beschert, wir jedoch alle Hindernisse überkommen können, wenn wir unserer Leidenschaft folgen.


Lobende Erwähnung: "Kaze no Denwa" (Voices in the Wind)
von Nobuhiro Suwa, Japan

Wir waren von diesem sanften und zugleich epischen Roadmovie mit seinem eindringlichen Finale, das zugleich niederschmetternd, wie auch erhebend ist, tief bewegt. In unseren so schweren Zeiten, ist es wichtiger denn je, sowohl Raum für die Leere des Verlusts, als auch für die Wärme des menschlichen Miteinanders zu lassen - etwas, dass diesem Film gleichermaßen mit Anmut und Kraft gelingt.


Spezialpreis der Internationalen Jury von Generation 14plus für den Besten Kurzfilm, im Wert von 2500 Euro, gestiftet von der Bundeszentrale für politische Bildung:

"Clebs" (Mutts)
von Halima Ouardiri, Kanada / Marokko

Trotz seiner simpelsten Grundvoraussetzungen entwickelt sich dieser Kurzfilm zu einer kraftvollen Auseinandersetzung mit Menschlichkeit, Gesellschaft, Tieren und der Untrennbarkeit zwischen ihnen. Eine beeindruckende Arbeit, die sowohl vom Gewissen, als auch vom Herzen geprägt ist, und uns dem Verständnis unserer immensen globalen Krise näherbringt.


Lobende Erwähnung: "White Winged Horse"
von Mahyar Mandegar, Iran

Dieser Film nutzt die Vorstellungskraft seines Publikums, um eine außergewöhnliche Welt herzustellen. Er folgt einem ungewöhnlichen Protagonisten, der nichtsdestoweniger starke Emotionen hervorruft. Wenn sich Fantasie schlussendlich mit der Realität verbindet, fühlt es sich an, als könnten wir mit dem weißen geflügelten Pferd davonfliegen.


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Preisträger*innen in der Sektion Perspektive Deutsches Kino.

Die Preisträger*innen in der Sektion Perspektive Deutsches Kino sind:

• Kompass-Perspektive-Preis: Janna Ji Wonders für "Walchensee Forever"
• Kompagnon-Förderpreise: Hristiana Raykova (Perspektive Deutsches Kino 2019) und Ian Purnell (Berlinale Talents 2020)
• Heiner-Carow-Preis: Natalija Yefimkina für "Garagenvolk"

Der mit 5.000 Euro dotierte Kompass-Perspektive-Preis für den besten Film des Programms ging an Janna Ji Wonders für den Film "Walchensee Forever".

Am Abschlussabend der Perspektive Deutsches Kino haben die Juror*innen Melanie Andernach, Bernd Lange und Mia Spengler den mit 5.000 Euro dotierten Preis vergeben. Als Trophäe bekam die Regisseurin einen Kompass überreicht, der ihr symbolisch Orientierung geben und die Richtung weisen soll.

Die Jurybegründung im Wortlaut:
Dieser Film ist ein Kristall. Je länger man ihn betrachtet, desto mehr erkennt man neue Facetten. Über fünf Generationen hinweg portraitiert er die Frauen einer Familie in Bayern. Ergänzt von herausragendem Material aus dem privaten Archiv der Familie berichten die Protagonistinnen aufrichtig, klug und direkt in die Kamera. Aus diesen Einzelgeschichten entsteht ein Gesamtbild privaten Lebens im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert. Dabei bleibt das Erzählte immer persönlich und individuell und entwickelt nicht zuletzt durch die uneitle Haltung der Filmemacherin und ihrer Protagonistinnen eine überwältigende Wucht. Klug montiert, klar gefilmt und mit Herzenswärme erzählt und produziert, hören und sehen wir Apa, Norma, Anna, Frauke und Janna zu. Stiller Chronist ist der Walchensee, der ihre Leben verbindet.


Die beiden Kompagnon-Förderpreise Perspektive Deutsches Kino und Berlinale Talents gehen an Hristiana Raykova (Perspektive Deutsches Kino 2019) sowie an Ian Purnell (Berlinale Talents 2020).

Seit 2017 wird der Kompagnon-Förderpreis jeweils für ein neues Filmprojekt an eine*n Autor*in und/oder Regisseur*in von Berlinale Talents sowie an eine*n Regisseur*in der Perspektive Deutsches Kino vergeben. Mit dem Kompagnon-Förderpreis möchten Berlinale Talents und Perspektive Deutsches Kino in Deutschland lebende Regisseur*innen und Drehbuchautor*innen nachhaltig bei ihrer Arbeit unterstützen. Die Auszeichnung bietet neben dem Stipendium von 5.000 Euro (Kurzfilme: 2.500 Euro) auch ein Mentoringprogramm mit berufsbegleitenden Coachings zur Stärkung der persönlichen Handschrift und zur Vernetzung in der Branche.

"111" von Hristiana Raykova

Die Begründung der Jury im Wortlaut:
Was sind wir bereit für unsere Freiheiten aufzugeben? Die bulgarische Journalistin Miroluba Benatova konnte die neuen Bedingungen ihres Nachrichtensenders nicht mehr akzeptieren. Sie weigerte sich, die Fragen vorgeschrieben und Antworten diktiert zu bekommen. Sie begab sich freiwillig in die prekäre Situation als Taxifahrerin, um weiterhin die Geschichten der Menschen ihres Landes zu erzählen. Die Regisseurin Hristiana Raykova begleitet Miroluba Benatova auf ihren Fahrten. Die Fahrgäste werden zum Spiegelbild einer Gesellschaft, in einem Land, das den 111ten Platz in der Welt und den letzten Platz in der EU auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt. Um den Mut und die Entschlossenheit dieser klugen Rebellion eine Form zu geben, möchten wir den Film 111 von Hristiana Raykova mit dem Kompagnon-Preis auszeichnen.


"Arctic Link" von Ian Purnell

Die Begründung der Jury im Wortlaut:
Arctic Link von Ian Purnell ist ein hybrider Dokumentarfilm und visueller Essay. In der Arktis ist ein Schiff unterwegs. Es wird das längste Glasfaserkabel unter dem ewigen Eis verlegen, um die Welt mit einem schnelleren Internet zu versorgen. Dies ist nur aufgrund des Klimawandels möglich. Der hybride Dokumentarfilm Arctic Link von Ian Purnell verbindet die Geschichten der Menschen auf dem Schiff mit der Lebenswirklichkeit in einem arktischen Dorf und virtuellen Liebesgeschichten. Er setzt menschliche Sehnsüchte in Relation zu den nicht mehr widerrufbaren Auswirkungen unseres Handelns auf dem Planeten. Wir sind gespannt auf eine beeindruckende, visuelle Reise in das Herz der Dunkelheit unserer Gegenwart.


Heiner-Carow-Preis 2020

Der Heiner-Carow-Preis 2020 zur Förderung der deutschen Filmkunst geht an Natalija Yefimkina für "Garagenvolk".

Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der DEFA-Stiftung ausgelobt und zum ersten Mal in der Sektion Perspektive Deutsches Kino verliehen. Ausgezeichnet werden Dokumentar-, Spiel- oder Essayfilme, die sich sozialen und politischen Fragen der Gegenwart und Geschichte mit außergewöhnlichen ästhetischen Mitteln annehmen.

Die Jurybegründung im Wortlaut:
„Der Gullideckel ist meine Tür, aber ich bin glücklich. Mein Leben ist schön“, sagt eine der Figuren des Filmes. Die Entscheidung für diesen Preis ist uns sehr schwer gefallen in diesem starken Jahrgang der Perspektive Deutsches Kino. Wir haben uns für Garagenvolk von Natalija Yefimkina entschieden. Großes Kino.

Die Regisseurin lässt uns in einen Mikro-Kosmos schauen, der uns wie eine Parallelwelt erscheint. Die komplexe Welt einer morbiden Garagenanlage eines Bergarbeiter-Ortes im Norden Russlands erinnert an eine Kleingartenkolonie ohne Garten. In jeder einzelnen dieser kleinen Garagen entsteht, je länger der Film sich Zeit nimmt hinzuschauen, ein eigenes Universum. Anfangs skurril scheinende Charaktere werden zu Reflektoren der Gesellschaft. Liebe, Freundschaft und Alkohol, Träume von Wohlstand und Zukunft sowie das kleine Glück finden hier Behausung.

Die Zukunft all dieser Menschen ist JETZT. Und wenn das rastlose Handeln, ob es die Schrottsuche ist, der Kellerbau, die schiefen Töne der Punkbandprobe, die Prügelei oder die geschnitzten Ikonen, wenn dieses Handeln zum Erliegen kommt, dann stockt auch der Lebensfluss, dann gibt es keine Zukunft mehr. Wenn einer der Protagonisten sich unterhalb seiner Garage fünf Stockwerke in die Tiefe gräbt, eine Sisyphusarbeit ohne Ziel, außer der Beglückung des Moments, findet der Film Bilder von metaphorischer Dimension, die über die reine Beobachtung hinausreichen. Die Absurdität der Handlungen in der allgemeinen Chancenlosigkeit der Figuren lässt die Garagenwelt immer mehr zur Realität werden. Nicht die Figuren des Filmes leben in einer Parallelwelt, sondern wir.


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Kirchen-Preis für iranischen Berlinale-Film

Der iranische Wettbewerbsfilm "Sheytan vojud nadarad" (Es gibt kein Böses) hat den Preis der Ökumenischen Jury bei der Berlinale erhalten. Der Film von Mohammad Rassulof konfrontiere das Publikum "mit der verstörenden Wirklichkeit des politischen und juristischen Systems im Iran", so die Jury.

Weitere Preise der Kirchen gingen im Forum an den japanischen Film "Seishin 0" (Zero) über einen Psychiater vor dem Ruhestand sowie im Panorama an "Otac" (Vater) aus Serbien um einen Sorgerechtsstreit.

Eine Lobende Erwähnung der Jury erhielt "Saudi Runaway" der Schweizerin Regina Meures, der ebenfalls im Panorama lief. Darin filmt eine junge arabische Frau heimlich mit dem Smartphone die Höhen und Tiefen des Alltags hinter Schleiern und geschlossenen Türen. Als klar wird, dass sie mit ihrem Streben nach Autonomie in Saudi-Arabien keine Zukunft hat, plant Muna die Flucht.

Link: www.berlinale.de

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