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Weitere Filmkritiken von den Berlinale-Sektionen »Panorama Dokumente« und »Forum«

Rezension zu den DOKUS "JETZT ODER MORGEN" und "GENERATIONS".



"JETZT ODER MORGEN"

Panorama Dokumente
Weltpremiere

Jetzt oder morgen. Stillstand zeichnet die Langzeitdokumentation der österreichischen Regisseurin Lisa Weber aus. Lisa Weber ist Jahrgang 1990, sie war 19 als sie Claudia kennenlernte. Claudia war damals noch ein cooles Kid, eine vor der man ein bißchen Angst hat, wenn man nicht zu den Coolen gehört. Mit 14 Jahren wurde Claudia schwanger. Lisa Weber griff ihre Geschichte auf, als Sohn Daniel ca. 3 Jahre alt war.

Claudia, die mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zusammen wohnt, wollte zu irgendeinem Zeitpunkt Berufssoldatin werden. Das fand auch Lisa Weber spannend. Daraus wurde nichts. Immer wieder verwarf Claudia Zukunftsperspektiven. Immer wieder musste sich das Filmkonzept anpassen. Bis das Nicht-Geschehen, die Nicht-Veränderung in den Vordergrund trat. Wir beobachten diese kleine Familie von drei Generationen beim täglichen Allerlei. Immer wieder Zähne putzen, immer wieder ein "Happy Birthday". Die Zeit verrinnt halt.

Selbst bei einer Dokumentation braucht es einen Spannungsbogen, ein Ziel. Hier aber verfolgt die Hauptfigur, und Lisa Weber konzentriert sich auf Claudia, immer wieder anderen Zielen, verfolgt diese aber nicht und lässt sie fallen. Hier gibt es scheinbar nur ein Ziel. Das der Filmemacherin, die trotzdem einen Film daraus machen wollte. Dabei gelingt es Lisa Weber und ihrem Ko-Erzähler Roland Stöttinger, die als dramaturgische Beratung Severin Fiala (Ich seh ich seh) zur Seite hatten, ihre ProtagonistInnen wertfrei auf die Leinwand zu bringen. Wie man Claudia letztendlich betrachtet, hängt auch von der eigenen Einstellung ab und erzählt somit auch etwas von einem selbst.

Elisabeth Nagy


"Jetzt oder morgen"
Dokumentarfilm.
Österreich 2020
Regie Lisa Weber
Drehbuch Lisa Weber, Roland Stöttinger
Bildgestaltung Carolina Steinbrecher
Montage Roland Stöttinger
Ton Tong Zhang, Theda Schifferdecker, Lenja Gathmann, Lenka Mikulová

Termine:
Di 25.02. 21:30 CinemaxX 3
Mi 26.02. 16:15 Cubix 7
Do 27.02. 19:30 Zoo Palast 2
Sa 29.02. 16:00 CinemaxX 4
So 01.03. 10:00 Cubix 7

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"GENERATIONS"

Forum (Weltpremiere)
Dokumentation

Eine Dampflok fährt durch die Landschaft von Bäumen und Wiesen. Die Lok wurde mit Kohle befeuert. Eine Kleinstadt ist im Hintergrund, kaum auffallend sitzt eine Frau im Vordergrund der Szene. Das Bild "The Lackawanna Valley" von George Inness stammt von 1856. Die Eisenbahn ermöglichte die industrielle Revolution in den USA. Das Bild nennt die Dokumentarfilmerin Lynne Siefert als Referenz. Kohle als Energiespender, Dampf als visuelle Entsprechung.

Ein Film, der in zwölf festen Einstellungen von je exakt fünf Minuten rauchende Industrieschornsteine zeigt, und ein 13tes als Abspannhintergrund hinzufügt, lockt vielleicht nur, wenn ein Interesse bereits besteht. Siefert war bei der Drehortsuche für einen anderen Film in einer Kleinstadt mit einem aktiven Kohlekraftwerk gelandet. Das Verhältnis der Stadt zu den Industriebauten, die diese für Außenstehende geradezu überschattete, faszinierte sie. "Generations" wirkt so einfach zusammen gefügt, und doch sind die Fragen, die diese Bilder aufwerfen keine einfachen. Kohlekraftwerke in Ohio, in Arizona, Tennessee, Florida, West Virginia, Georgia, Pennsylvania, Michigan etc wurden wohlbedacht ausgesucht. Da jedes Werk aus einer festen Position zu dem Publikum steht, will diese Position gut gewählt sein. Sogar die Jahreszeit fügt der jeweiligen Einstellung etwas hinzu. Dabei sind die unkommentierten Szenen, die ganz ohne musikalischer Untermalung auskommen, nicht ohne Bewegung. Manchmal dämmert es einem erst nach einer Weile, dass ein Güterzug, der zwischen Kraftwerk und Baumreihe dahinrattert, gar kein Ende zu haben scheint. Ein anderes Kraftwerk wirkt bei der gewählten Wetterlage wie ein Science-Fiction-Gebilde, dass sich durch eine Nebelschicht schwebend im Hintergrund zeigt. Ein anderes korrespondiert in seiner Aussagekraft mit einem Golfplatz im Vordergrund.

Gemeinsam ist den Szenen, dass sie die Qualität von Landschaftsbildern haben und damit ist "Generations" auch ein Spaziergang durch eine Ausstellung. Wie sich die Kraftwerke auf die Landschaftsgestaltung und die Lebensqualität der Menschen auswirkt, erfordert jedoch etwas mehr Informationen, deren Eruierung die Regisseurin dem Publikum aufstellt. So erfährt man zwar im Abspann, welche Kraftwerke hier präsentiert werden, aber nicht, wann diese aufgenommen worden sind. Im Presseheft erzählt die Regisseurin, dass sie zwischen 2017 und 2019 insgesamt 79 Kraftwerke besucht hatte. Ihre Wahl fiel dann praktisch aus. Vorder- und Hintergrund sollten möglichst in derselben Fokalebene gezeigt werden. Manchmal passiert etwas in den Aufnahmen, manchmal bat die Regisseurin Anwohner Teil der Aufnahme zu werden. Auch den politischen Umbruch erkennt man nicht aus dem Filmmaterial selbst. Wollte Barack Obama noch viele Kraftwerke stilllegen, machte Donald Trump diese Vorhaben rückgängig. So wurde aus Aufnahmen, die teilweise, auch das verrät einem der Schlußtext schließlich, Kraftwerke in dessen letzten Atemzügen zeigen, ein Bild von Amerika, dessen Kohleenergiepolitik wieder offen ist.

Elisabeth Nagy


Generations
Dokumentarfilm.
USA 2020
Regie Lynne Siefert
Drehbuch Lynne Siefert
Bildgestaltung Lynne Siefert
Montage Lynne Siefert
Ton Billy Wirasnik, Lynne Siefert

Termine
Di 25.02. 21:00 Delphi Filmpalast
Do 27.02. 21:30 CinemaxX 4
Fr 28.02. 17:00 Werkstattkino@silent green
Sa 29.02. 19:00 CinemaxX 6

Link: www.berlinale.de


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