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Filmcharts & Kritiken, August 2018 - Teil 5

Spürbare Rückgänge und ein stärkerer deutscher Film in der Kino-Halbjahresbilanz (2018) der FFA.



Dieser Sommer geht wohl als einer der heißesten und trockensten Sommer in die Berliner Geschichte ein. Ob er auch im Bundesschnitt den Jahrhundertsommer von 2003 erreicht, steht noch nicht ganz fest. Viel fehlt aber nicht. Dafür ist aber wegen der Hitze und der Fußball WM die Zahl der Besucher in den deutschen Kinos im ersten Halbjahr deutlich zurückgegangen und der Gesamtumsatz spürbar gesunken.

Laut der jetzt veröffentlichten und offiziellen Kino-Halbjahresbilanz der Filmförderungsanstalt (FFA) bedeuten die von Anfang Januar bis Ende Juni 2018 insgesamt gelösten 51,0 Millionen Tickets im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 15,2 Prozent. Auch der Umsatz mit 439,1 Millionen Euro im Vergleich zu 518,5 Millionen Euro des Vorjahres bewegte sich auf ähnlichem prozentualen Niveau.


Gegen den Abwärtstrend entwickelte sich allerdings der deutsche Film. Mit 11,3 Millionen verkauften Tickets lockten deutsche Produktionen im Jahre 2018 mehr Besucher in die Kinos als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres (10,6 Millionen). Dass die heimische Produktion ihren Marktanteil so von 18,2 auf 22,4 Prozent steigern konnte, ist trotz eines Überangebotes an weniger sehenswerten Produktionen, insgesamt positiv zu bewerten, da gleichzeitig auch die Anzahl der Kinosäle am 30. Juni 2018 mit 4.812 den höchsten Stand seit zehn Jahren erreichte.

In Berlin sind in dieser Zeit mit Schließung des Eiszeit Kinos in Kreuzberg und des Klicks in Charlottenburg leider auch wieder vier Leinwände verloren gegangen.

Am gestrigen Donnerstag wurden zu weiteren neuen Filmstart noch einmal 34°C in Berlin erwartet, sodass die Besucherzahlen sich vielleicht erst wieder erholen, wenn zum Wochenende Abkühlung naht. Dass die schwierigen Wetterverhältnisse natürlich auch den Arthouse-Kinos in Deutschland weiterhin zu schaffen macht und es somit vielen Filmen schwer fällt, sich zu behaupten, kann man gut nachvollziehen. Am besten gelang dies dennoch „303“ von Hans Weingartner. Er kam am fünften Wochenende mit 6.900 Zuschauern immerhin noch auf ein Einspielergebnis von 60.000 Euro, womit er den Platz 13 der Arthouse Charts erfolgreich verteidigen konnte.

Im Mainstreamkino hat dagegen das deutsche Box-Office mit dem Action-Thriller „The Equalizer 2“ von Antoine Fuqua einen neuen Spitzenreiter. Der Publikumsliebling Denzel Washington konnte zum Start laut vorsichtiger Schätzung ca. 170.000 Besucher anlocken und Tom Cruise vom Tron stoßen. Allerdings kam das Sequel im Verleih von Sony nicht an das Startergebnis des Originals aus dem Jahr 2014 heran, das damals rund 210.000 Zuschauer erreichte und auf 1,8 Mio. Euro Umsatz gekommen war.

Erfolgreichster Film des ersten Halbjahres 2018 war übrigens nach FFA-Angaben "Avengers: Infinity War" mit 3,3 Mio. Besuchern.

FFA-Vorstand Peter Dinges:
"Der Aufwärtstrend des Vorjahres hat sich leider nicht bestätigt. Das Kinogeschäft lebt von der Attraktivität des Filmangebots, dem bislang die ganz großen Erfolge gefehlt haben. Hinzu kommen ein Jahrhundertsommer und eine Fußball-WM, in der sich die Verleiher ohnedies mit großen Filmstarts zurückhalten. Deshalb ist es umso erfreulicher zu sehen, dass sich der deutsche Film ausgesprochen positiv entwickelt hat. Besonders freut mich auch, dass dies auch auf den Unternehmergeist der Kinobetreiber zutrifft. Angesichts starker Filmstarts in der zweiten Jahreshälfte bin ich optimistisch, dass wir noch einen spürbaren Anstieg der Besucherzahlen erwarten dürfen."


Für das zweite Halbjahr rechnet die FFA wieder mit einem starken Ergebnis für heimische Produktionen. Es stehen die Starts von Detlev Bucks "Asphaltgorillas", Til Schweigers "Klassentreffen 1.0 - Die unglaubliche Reise der Silberrücken", Matthias Schweighöfers "100 Dinge", Florian Henckel von Donnersmarcks "Werk ohne Autor", Sebastian Schippers "Roads", Michael Bully Herbigs "Ballon", Markus Gollers "25 km/h", Nikolaus Leytners "Der Trafikant" und Caroline Links Bestsellerverfilmung "Der Junge muss an die frische Luft" auf dem Programm.

Link: ffa.de

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Filme werden zwar hauptsächlich fürs Kino und die große Leinwand gemacht, doch die ARD konnte ihren Marktanteil für ihr Sommerkino deutlich steigern. Mit durchschnittlich 3,83 Mio. Zuschauern und einem Marktanteil von 14,3 Prozent bei den Primetime-Filmen am Montagabend lag die ARD-Sommerkino-Reihe, die am 20.08.2018 mit Todd Haynes' Patricia-Highsmith-Verfilmung "Carol" zu Ende gegangen war, über ihrem Marktanteil aus dem Vorjahr.

Obwohl es heißt, dass das junge Publikum zwischen 14 und 49 Jahren kaum noch lineares Fernsehen sieht, wurden im Durchschnitt hier tolle 11,8 Prozent generiert. Die Leidtragenden sind natürlich die Kinotheaterbesitzer und die Verleiher, die mit Masse und weniger Klasse dagegen zu halten versuchen.

Quellen: FFA | Filmecho | Blickpunkt:Film | ARD | Quotenmeter

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Auch gestern, den 23.08.2017, starteten wieder 13 neue Filme von denen uns zahlreiche Werke nicht einmal als Pressevorführung angeboten wurden.

Eines davon, nämlich "BLACKkKLANSMAN" - ausgezeichnet von der Filmbewertungsstelle mit dem Prädikat »Besonders Wertvoll«, haben wir nachfolgend aber besprechen können. Für die aberwitzige Mischung aus Thriller und Satire erhielt Spike Lee in Cannes den Großen Preis der Jury. Danach folgt auch noch die Besprechung zu "NACH DEM URTEIL" von Xavier Legrand, einem Thriller über ein Ehedrama, das wir ebenfalls hoch spannend fanden. Wer darüber hinaus Näheres zur DDR und ihren Stasi-Spitzel erfahren möchte, sollte sich auch "GUNDERMAN" von Andreas Dresen ansehen. Im FilmDienst ist ein tolles Interview über die Hintergründe des Films nachzulesen.

Hier die Liste der Neustarts vom 23.08.2018:

"Action Point", Komödie von Tim Kirkby
"BlacKkKlansman", Biopic-Krimi von Spike Lee
"Crazy Rich", Romanze von Jon M. Chu
"Crow", Triller von Wyndham Price
"Das Versunkene Dorf", Doku von Georg Lembergh
"Der Doktor aus Indien", Doku von Jeremy Frindel
"Gundermann", Biopic von Andreas Dresen
"Lebenszeichen - Jüdischsein in Berlin", Doku von Alexa Karolinski
"Mein Name ist Somebody - Zwei Fäuste kehren zurück", Drama von Terence Hill
"Nach dem Urteil", Thriller von Xavier Legrand
"Silvana - Eine Pop-Love-Story" von Mika Gustafson, Olivia Kastebring & Christina Tsiobanelis
"Slender Man", Horror von Sylvain White
"The Domestics", Sci-Fi-Thriller von Mike P. Nelson
"Warten auf Schwalben", Drama von Karim Moussaoui

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"BLACKkKLANSMAN" Biopic-Krimi von Spike Lee (USA). Mit John David Washington, Adam Driver, Topher Grace u.a. seit 23. August 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Spike Lee über seinen neuen Film: „Dieser Streifen beruht auf wahrem Scheiß“”¦ Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch. Und wie sie leben, die Gruppe von Weißen, die die Weltherrschaft mit allen ihn zur Verfügung stehenden widerwärtigen Mitteln verteidigen.

In „BlacKkKlansman“ erzählt Spike Lee die irre und wahre Geschichte des Afroamerikaners Ron Stallworth, der als erster Farbiger 1978 in einer amerikanischen Großstadt bei der Polizei anfängt.

Begleitet wird sein Dienst von hämischen, rassistisch gefärbten , dummen Sprüchen. Die prallen bei dem selbstbewussten Stallworth ab, denn er will unbedingt als geheimer Ermittler Karriere machen.

Eine Werbeanzeige des Ku – Klux – Klan in der Lokalzeitung, bringt ihn auf eine Idee. Mittels Brief und Telefon besitzt er die Dreistigkeit, sich bei den verhassten Rassisten einzuschleichen, in dem er ihnen seine Sympathie vorheuchelt. Die fallen auch prompt darauf rein und laden ihn zu einem Gespräch ein. Ein Schwarzer, mit einem krausen Lockenkopf geht ja nun gar nicht.

Also überredet er einen weißen Kollegen (Adam Driver), der auch noch Jude ist, verkabelt, als falscher Stallworth, zu dem Treffen zu gehen. Der macht seine Sache so gut, dass selbst der Neo-Nazi-Chef David Juke, die dreiste Posse nicht bemerkt. Der wahre Stallworth (John David Washington, ein Sohn von Denzel Washington) zieht die Strippen via Telefon, während der falsche Stallworth, mit bemerkenswerter Chuzpe erreicht, als ehrenwertes Mitglied, samt Urkunde und offiziellem Ausweis, die weiße Kapuze überstülpen zu dürfen.

Diese Posse ist 1978/79 in Colorado Springs wirklich passiert.

Lee wäre nicht Lee, wenn er den Bogen nicht zum heutigen Rassenhass in den USA gespannt hätte.

Die Bilder vom Aufmarsch der Rechtsextremen in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia, wo die übelsten Hassparolen gegrölt wurden und ein Weißer mit seinem Auto in die Ansammlung der Gegendemonstranten fuhr, wobei 19 Menschen verletzt wurden und eine junge Frau starb, stellte er an den Schluss des Films. Ebenso die von Trump verharmlosenden Worte zu dem ungeheuerlichen Geschehen, die von dem heute 68 – jährigen Hassprediger David Juke auf Twitter so kommentiert wurden:

„Danke, Präsident Trump, für ihre Ehrlichkeit und den Mut, die Wahrheit zu sagen“.

Leider betrifft das abscheuliche Thema nicht nur die USA, sondern macht sich auch in Europa wieder breit.

Trotz aller Ernsthaftigkeit macht es einen diebischen Spaß zu verfolgen, wie Stallworth und Stallworth diese Vollidioten zum Narren halten.

Ulrike Schirm


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"NACH DEM URTEIL" Thriller von Xavier Legrand (Frankreich). Mit Léa Drucker, Denis Ménochet, Thomas Gioria u.a. seit 23. August 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

In den Unterlagen der Familienrichterin ist folgendes vermerkt: Julien, 11 Jahre alt, besucht die 6. Klasse. Er und seine grosse Schwester haben Angst vor dem gewalttätigen Vater. Die Eltern leben in Scheidung. Beide Kinder lehnen es ab, den Vater zu sehen.

Anhörung vor der Familienrichterin. Es sind anwesend die Eheleute mit ihren Anwälten. Verhandelt wird das Besuchsrecht des Vaters, der darauf pocht, seinen Sohn am Wochenende zu sehen. Besonders Julien (Thomas Gioria) leidet unter panischer Angst, dass er seiner Mutter etwas antun könnte. Das hat der junge zu Protokoll gegeben. Die Mutter (Léa Drucker) lebt mit ihren Kindern vorübergehend wieder bei ihren Eltern. Die Anwältin des Vaters (Denis Ménochet) ist äußerst skeptisch, was die Aussagen der Mutter und des Jungen betrifft. „Ein schlechter Ehemann ist noch längst kein schlechter Vater“, bemerkt sie lakonisch. Der Familienrichterin fällt die Entscheidung nicht leicht.

Der Vater nimmt das angeordnete Besuchsrecht wahr. Der Junge, zuhause liebevoll Ju-Ju genannt, steigt verängstigt zu dem Vater ins Auto. Aus purer Angst, etwas falsches zu sagen, vermeidet er es, so gut er kann, die bohrenden Fragen seines cholerischen Vaters zu beantworten und flüchtet sich in Unwahrheiten. Es ist kaum auszuhalten und kaum mit anzusehen, wie er den Jungen unter Druck setzt und was für rabiate Einschüchterungsmethoden er anwendet, um das verängstigte Kind zum Reden zu zwingen.

Als Julien ihn bittet, einen Wochenendbesuch zu tauschen, weil er zum Geburtstagsfest seiner Schwester möchte, lehnt er ab. Es sei die Aufgabe seiner Mutter, derlei Änderungen mit ihm zu besprechen. Jedes Mal wenn er versucht, mit seiner Frau zu sprechen, beteuert Julien vor Angst, sie sei nicht da.

Die Besuchszeit verbringt Vater und Sohn bei seinen Eltern, denen nicht verborgen bleibt, wie unsäglich sein Verhalten gegenüber dem Kind ist. Der Großvater schmeißt seinen eigenen Sohn deshalb einfach raus.

Und wieder eskaliert ein Treffen. Der Vater attackiert den Jungen verbal solange, bis das Kind ihn zu der neuen Wohnung führt, in die sie inzwischen eingezogen sind. Rasend vor Wut, vermutet er dort einen neuen Liebhaber seiner Frau zu finden. Mit dem verstörten Jungen taucht er bei seiner Frau auf, inspiziert sämtliche Räume und behauptet heulend, sich geändert zu haben. Dem Jungen ermöglicht er, zum Festsaal zu gehen, um den Geburtstag seiner Schwester zu feiern, mit der Versicherung, ihn am nächsten Tag wieder abzuholen.

Seine fast volljährige Schwester feiert mit Freunden ausgelassen ihren Geburtstag. Auf dem Fest tritt sie zusammen mit ihrem Freund auf und singt „Rolling on the river“. Auch der Vater erscheint, um ihr ein Geschenk zu bringen, doch die Mutter wimmelt ihn ab.

Spät nachts, Ju-Ju und seine Mutter liegen im Bett. Der Vater klingelt sturm, während Joséphine und ihr Freund bei ihren Großeltern schlafen und von dem folgenden Drama nichts mitbekommen...

Xavier Legrand, erzählt das Drama aus der Perspektive des 11-jährigen Julien. Die am Anfang stehende Anhörung benutzt er als Einstieg, ohne auf die Urteilverkündigung einzugehen. Sein Film konzentriert sich auf das, was „Nach dem Urteil“ passiert.

Sein erschütterndes Spielfilmdebüt wurde bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Silbernen Löwen für die beste Regie ausgezeichnet. Es ist kaum zu ertragen, wie es der junge Thomas Gioria schafft, in die Rolle des zutiefst verängstigten Jungen zu schlüpfen und sie buchstäblich zum Greifen nahe verinnerlicht, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Das überzeugende Spiel aller Beteiligten macht dieses realistische Scheidungsdrama unbedingt sehenswert.

Ulrike Schirm



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