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Filmkritiken zu aktuellen Werken mit Prädikat »besonders wertvoll«

Zwei aktuelle Filmkritiken und drei Filmbewertungen von Werken die gerade im Kino angelaufen sind.



Die Deutsche Film- und Medienbewertung hat das Prädikat »besonders wertvoll« für James Francos "THE DISASTER ARTIST" und Daniel Day-Lewis in "DER SEIDENE FADEN" vergeben. Die Höchste FBW-Auszeichnung gab es auch für das Drama "LICHT".

Mit "THE DISASTER ARTIST" startete letzten Donnerstag eine hinreißend gespielte und vielschichtig inszenierte Komödie von und mit James Franco über einen der "besten" schlechtesten Filme aller Zeiten - und den Mann, der die Vision dazu hatte. Im Jahr 2003 feierte Tommy Wiseaus Film "The Room" seine Premiere und nahm am ersten Startwochenende unter 2000 Dollar ein. Für Filmkritiker gilt der Film als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten - und doch rangiert "The Room" heute als Kultfilm dicht hinter "The Rocky Horror Picture Show". "THE DISASTER ARTIST" von Regisseur und Hauptdarsteller James Franco ist gleichzeitig eine Hommage an Tommy Wiseau, seine exzentrischen Spleens und natürlich an sein Werk.

"Die Drehbuchautoren haben offensichtlich intensiv und nuanciert daran gearbeitet, der Geschichte gerecht zu werden, und sie immer in einer feinen Balance zwischen komisch und traurig zu halten. "THE DISASTER ARTIST" ist ein sehr guter Film über einen sehr schlechten Film", sagt die fünfköpfige Expertenrunde und zeichnet den Film mit dem höchsten Prädikat »besonders wertvoll« aus.


"THE DISASTER ARTIST" Biopic-Dramödie von James Franco (USA). Mit James Franco, Dave Franco, Seth Rogen u.a. seit 1. Februar 2018 im Kino. Hier der Trailer, den man unbedingt im Original sehen sollte:



Ulrikes Filmkritik:

Ein gewisser Tommy Wiseau brachte 2003 in Los Angeles einen Film auf die Leinwand mit dem Titel "THE ROOM". Zusammen mit einem gewissen Greg Sestero schrieb er das Drehbuch. Er selbst fungierte als Hauptdarsteller, Regisseur und ausführender Produzent. Herauskam der beste schlechteste Film, der jemals gedreht wurde.

Alles, wirklich alles an diesem „Desaster“ ist abgrundtief schlecht. Der Plot, das Script, die Schauspieler, die Dialoge, die Betonung, die Sprache. Es wimmelt von Anschlussfehlern, die Kostüme”¦ eine einzige Lachnummer. Erzählt wird eine abstruse Liebesgeschichte. An der Kinokasse spielte der Trash lumpige 1.800 USD ein. Produktionskosten 6 Millionen USD. Eines muss man diesem reichen, durchgeknallten Sonderling (keiner weiß genau, wie er zu seinem Geld kam) lassen: Er hat sich einen Traum erfüllt.

James Franco setzt diesem talentlosem „Genie“ mit "THE DISASTER ARTIST" nun ein Denkmal.

Zwei unterschiedliche Typen lernen sich 1998 bei einem Schauspielkurs kennen. Der eine, Greg Sestero (Dave Franco) ist eher schüchtern und hat Schwierigkeiten aus sich herauszugehen. Der andere, Tommy Wiseau (James Franco) ist schrill und laut und hemmungslos. Sie gehen zusammen nach Los Angeles, um ihr Glück in Hollywood zu suchen. Der charmante Greg findet eine Agentin. Der langhaarige Tommy, der angeblich aus New Orleans stammt, spricht mit einem merkwürdigem Akzent und überhaupt, optisch passt er nirgendwo so recht hin. Niemand wagt es ihn zu besetzen. Also, beschließt er seinen eigenen Film zu drehen: „The Room“.

Es ist köstlich ihm und seinem Team dabei zuzuschauen. Derartig stümperhafte Dreharbeiten hat man so noch nie gesehen. Es ist nicht zu fassen, wie sich Tommy Wiseau am Set aufspielt und überzeugt ist, alles richtig zu machen. Es ist mehr als absurd, wenn Greg zwischendurch das Kommando übernimmt und Tommy zwingt, eine Situation immer wieder und wieder zu wiederholen, ohne das sie besser wird. So richtig komisch wird es, bei den Szenen, die 1zu1 (Film im Film) gedreht sind. Ein Wunder geschieht. 2003 feierte der beste schlechteste Film seine Hollywood-Premiere. Inzwischen ist der bizarre Streifen Trash-Kult geworden. Der wahre Tommy Wiseau gönnte sich ein Cameo mit einigen Stars, deren Namen ich jetzt nicht verrate.

Franco ist eine tragisch-komische Liebeserklärung an jemanden gelungen, der fest an sich geglaubt hat und unbeirrt seinen Traum verwirklicht hat. Unbedingt den Abspann bis zum Ende schauen. Am besten wäre es, wenn in einigen Kinos beide Filme als Double-Feature gezeigt würden.

Ulrike Schirm


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"DER SEIDENE FADEN" Drama von Paul Thomas Anderson (USA). Mit Daniel Day-Lewis, Vicky Krieps, Lesley Manville u.a. seit 1. Februar 2018 im Kino. Hier der Trailer:



"DER SEIDENE FADEN", der neue Film von Paul Thomas Anderson, der ebenfalls am letzten Donnerstag startete, entführt den Zuschauer in die faszinierende und exquisit schillernde Welt der Haute-Couture. Daniel Day-Lewis spielt die Hauptrolle in dem sinnlich kraftvollen Drama über einen Modeschöpfer, dessen einzige Besessenheit die Kunst seiner Profession ist. Bis er die Kraft der Liebe kennenlernt. Die FBW-Jury, die dem Film das Prädikat »besonders wertvoll« verleiht, schreibt:

"Paul Thomas Anderson, verantwortlich für Drehbuch, Regie und Kamera, lässt in einem langsamen Erzählrhythmus den Mikrokosmos einer luxuriösen, elitären Welt lebendig werden. Stimmige Locations, eine hervorragende Ausstattung, bei der auf jedes Detail bis hin zum bröckelnden Putz im Herrenhaus geachtet wurde und grandiose Kostüme bestimmen den Look des Films. Die Strenge der Etikette der britischen Oberschicht wird genauso gezeigt wie die Hingabe und Identifikation der Näherinnen mit ihrer Arbeit. In bester britischer Erzähltradition wird das Bild einer ganzen Gesellschaft entworfen, indem eine individuelle Geschichte erzählt wird. Durch seine Länge gewinnt der Film an Intensität, in der Wiederholung der Geschehnisse fügt Anderson jedes Mal eine weitere Nuance hinzu, die in einer Spannung in bester Hitchcock Manier gipfelt",


so die Deutsche Film- und Medienbewertung in ihrer Begründung.

Ulrikes Filmkritik:

Wirklich sympathisch ist einem das Modegenie Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) nicht. Er ist besessen von seiner Arbeit. Ein Pedant, kleinlich und penibel, auf sich selbst bezogen, spröde, aber leidenschaftlich, was seine Kreationen betrifft. London, 1955. Langsam erholt sich die Stadt von der Last des 2. Weltkriegs.

Er kleidet alles ein was Rang und Namen hat. Erbinnen, Herzoginnen, Filmstars. „Ihm gelingt es, dass die Angsterfüllten sich in seinen Kreationen mutig fühlen und die Unattraktiven wunderschön“.

Es ist nicht so, dass das House of Woodcock nur allein von ihm kontrolliert wird. Seine Schwester Cyril (Lesley Manville) führt mit harter Hand die Geschäfte, die Investorin Barbara Rose, die auch einiges zu sagen hat und natürlich die Damen der High Society, die bei ihm ein-und ausgehen. Auch seine verstorbene Mutter wacht in seinen Träumen noch über ihm. Weniger freundlich könnte man ihn als narzisstisches Muttersöhnchen beschreiben.

Bei einem Wochenendausflug lernt er die Kellnerin Alma (Vicky Krieps) kennen. Er ist fasziniert von ihrer Natürlichkeit. „Wenn sie mich im Anstarren schlagen wollen, werden sie Verlieren“, schleudert sie ihm bei ihrem ersten Treffen zu. Er lädt sie zu sich nach Hause ein. Ihr Körper hat es ihm angetan. Kleine Brüste, flacher Bauch, ideal für die Vorführung seiner Roben. Alma wird nicht nur seine Muse und Geliebte, es ist die ungezügelte Anwesenheit eines Mädchens vom Lande, welches immer mehr die Kontrolle über das House of Woodcock in die Hand nimmt. Langsam begreift auch Cyril, dass sich an den eingefahrenen Strukturen etwas ändern muss. Sie ist es, die Alma lehrt, wie man mit dem sturen Reynolds umgehen muss. Außerdem braucht das Modehaus einen Erben. Alma entwickelt immer mehr Fantasie, wie sie Woodcock gefügig machen kann. Längst hat sie sich von der Rolle der Muse verabschiedet. Der hochbegabte Designer verliert immer mehr die Kontrolle über sein „maßgeschneidertes“ Leben. Die Liebe hängt an einem seidenen Faden.

Paul Thomas Anderson hat mit Vicky Krieps eine Schauspielerin gewählt, deren Namen man sich spätestens jetzt unbedingt merken muss. Lewis, der bekannt dafür ist sich perfekt auf seine Rollen vorzubereiten, hat in seinem weiblichen Gegenüber eine Person, die mit einer erfrischenden Unbekümmertheit in ihrer Rolle aufgeht. Sie bestand, völlig ungeschminkt vor die Kamera zu treten. Das muss man sich erst einmal trauen.

Es lastet viel Trauer und Melancholie über diesem Liebesdrama. Unterbrochen wird es mit den Bildern aus der Welt der Mode, die Sinnlichkeit der feinen Luxusstoffe als Pendant zu der Trübseligkeit im Woodcock House. Bei aller filmischer Kunstfertigkeit, hinterlässt der Film irgendwie ein fades Gefühl.

Vorgeschlagen für sechs Oscars. Daniel Day-Lewis hat verkündet, das dies sein letzter Film sei. (Wenn das mal kein Schachzug ist).

Ulrike Schirm


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"LICHT" Historiendrama von Barbara Albert (Deutschland/Österreich). Mit Maria-Victoria Dragus, Devid Striesow, Katja Kolm u.a. seit 1. Februar 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Zeitgleich mit den vorgenannten Filmen startete mit "LICHT" zum 1. Februar 2018 auch der neue Film der Regisseurin Barbara Albert in den deutschen Kinos.

"LICHT" erzählt die Geschichte der begnadeten und blinden Pianistin Maria Theresia "Resi" Paradis, die von ihren Eltern im Jahr 1777 an den Hof des Arztes Franz Anton Mesmer geschickt wurde, in der Hoffnung, ihre Blindheit zu heilen.

Die fünfköpfige Jury der FBW, die das höchste Prädikat »besonders wertvoll« vergab, war beeindruckt von der Darstellerleistung von Maria Dragus, die Paradis "glaubwürdig verkörpert" - und darüber hinaus auch von der Regieleistung Barbara Alberts, die den Film "nie ins Melodramatische abgleiten lässt" und stattdessen "sachlich und komplex" erzählt, wodurch LICHT "sowohl sinnliches wie auch intellektuelles Vergnügen bereitet".


Mehr dazu unter: www.fbw-filmbewertung.com/film/licht

Quelle: dpa - news aktuell




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