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Der Große Preis von Locarno 2016

69. Festival del film Locarno: Hauptpreis des A-Filmfestivals geht an "Godless" aus Bulgarien.



Der gesellschaftskritische Krimi "Godless" der bulgarischen Regisseurin Ralitza Petrova hat das 69. Filmfestival von Locarno gewonnen. An die bulgarisch-dänisch-französische Produktion ging gestern Abend, den 13.08.2016 - wie vielfach erwartet - der Goldene Leopard, der Hauptpreis für den besten Wettbewerbsfilm. Hier der Trailer:



Auch deutsche Produzenten konnten einen Erfolg verbuchen. Der Spezialpreis der Jury ging an die rumänisch-deutsche Koproduktion "Scarred Hearts - Vernarbte Herzen" von Radu Jude. Hier der Trailer:



Meist weniger beleuchtet als nötig, spielt dieser moribunde Spitalfilm aus Rumänien mit wenig Nahaufnahmen und vielen Totalen. Gefilmt in einem 4:3-Format mit abgerundeten Ecken und basierend auf einem lange Zeit wenig beachteten Roman von Max Blecher, wird eine Krankengeschichte durchgespielt. Unterbrochen durch Textpassagen direkt aus dem Roman, leiden hier Intellektuelle aus gutem Hause an ihren körperlichen Gebrechen und dem, was damals medizinisches State of the Art war. Dies ist nicht immer schön anzusehen - der Tod ist allgegenwärtig -, aber wohlwissentlich verweigert sich die Regie einer allzu großen Drastik der Bilder.

Den Publikumspreis gewann Altmeister Ken Loach mit "Ich, Daniel Blake", der mit diesem Film schon in Cannes hatte abräumen können. Hier der Trailer:


Das cineastisch vielleicht ambitioniertesten A-Festivals präsentierte ansonsten keine großen, bekannten Namen im Wettbewerb. Doch die neuen Werke von João Pedro Rodrigues, Axelle Ropert und Matí­as Piñeiro sind für Liebhaber des Independent Films sicher von größerer Bedeutung, als große Namen aus Hollywood, auch wenn nicht alle einen Preis gewinnen konnten. Vor allem letzterer, Matí­as Piñeiro, verfilmt mit "Hermia and Helena" Shakespeare so schön, verspielt und frei und mit kunstvollen Überblendungen wie niemand zuvor. Dennoch wurde er mit keinem Preis bedacht. Darunter war auch Angela Schanelecs neuer Film "Der traumhafte Weg", eine rein deutsche Produktion, die ebenfalls keine Auszeichnung abbekam. Hier der Trailer:



Film "Paula" begeisterte in Locarno.
Schon zu Beginn des Festivals hatte auch der deutsche Film "Paula" für Jubel gesorgt. Die Uraufführung des Spielfilms über die berühmte Malerin Paula Modersohn-Becker von Regisseur Christian Schwochow ("Novemberkind") begeisterte das Publikum auf der Piazza Grande. "Paula" gehörte zum Programm der Freiluftaufführungen mit der Chance, den Publikumspreis zu gewinnen.

Nach der feierlichen Eröffnung des 69. Festival del film Locarno am Mittwochabend, den 03.08.2016, präsentierte Lokalmatador Frederic Mermoud "Moka" auf der Piazza Grande. Er brachte seine charmanten Hauptdarstellerinnen Emmanuelle Devos und Nathalie Baye mit auf die Bühne und freute sich, dass sein, in seiner Heimat am Genfer See zwischen Lausanne und Evian spielendes Drama im passenden Rahmen, am Lago Maggiore, Weltpremiere feiert. Selbst der Regen passe, scherzte er. Mit den späteren realen Sturzfluten hatte er wohl nicht gerechnet - nur die Zuschauer sind wie üblich mit Regenschirmen bewaffnet, offensichtlich jedes Jahr auf Unwetter bei den Open-Air-Vorstellungen auf dem pittoresken Marktplatz vorbereitet.

In "Moka" macht Diane (Devos), die Mutter eines bei einem Autounfall gestorbenen Teenagersohnes, den potenziellen Unfallwagen ausfindig, einen mokkafarbenen Mercedes, und forscht das Besitzerpaar aus. Was auch ein reinrassiger Rachethriller hätte werden können, u.a. besorgt sich Simone von einer Zufallsbekanntschaft eine Waffe, entwickelt aus der Geschichte einer Frau, die mit dem Tod ihres Kindes nicht fertig wird die einer aufkeimenden Frauenfreundschaft. Vor allem Baye gefällt als Parfümeriebesitzerin, die eine freundliche, perfekte Fassade aufrechterhält, während ihre Beziehung zu Mann und Tochter in die Brüche geht. Etwas unentschlossen zwischen Drama und Thriller pendelnd, mochte der an sich interessante Stoff nicht so recht überzeugen.

Dafür empfahl sich "Donald Cried", ein Film von Kris Avedisian mit Kris Avedisian, Jesse Wakeman, Kyle Espeleta und Louisa Krausedas, der im Wettbewerb »Cineasti del presente« lief, und als höchst gelungenes Beispiel einer amerikanischen Independent-Komödie steht, bei der Langfilmdebütant Kris Avedisian die feine Balance zwischen Komödie und Drama perfekt gelingt. Sein sich aus Erinnerungen speisendes Regiedebüt erzählt vom Zusammentreffen zweier ehemaliger Schulfreunde in einer Provinzstadt in Rhode Island. Hier der Trailer:



Peter Latang hat sein Arbeiterklasseleben in Rhode Island verlassen, um ein großer Fisch an der Wall Street zu werden. 15 Jahre kehrt er aus New York zurück, um Formalitäten wegen seiner verstorbenen Großmutter zu erledigen. Dabei verliert er seinen Geldbeutel. Der einzige Person, von der er glaubt, dass sie ihm helfen kann, ist sein ehemaliger Kumpel Donald Treebeck. Donald hat sich kein bisschen verändert und mit ihm beginnt für Peter eine Reise in die Vergangenheit. Doch der Nerd bringt ihn immer wieder in Verlegenheit und hochpeinliche Situationen.

Hoch gehandelt war auch die deutsch-schweizerische Produktion "Marija" des Schweizers Michael Koch. Das in Dortmund spielende Sozialdrama "Marija" um eine junge Immigrantin aus der Ukraine stand auf der Liste für die Auszeichnung der besten Schauspielerin ganz oben. Die durch die Berliner Volksbühne bekannte Margarita Breitkreiz beeindruckt in der Titelrolle mit einer ausgefeilten Charakterstudie. Ihre stärkste Konkurrentin war die Bulgarin Irena Ivanova als Altenpflegerin im düsteren Krimi "Godless - Gottlos". Als besten Schauspieler sahen viele den Bulgaren Stefan Denolyubov, Hauptdarsteller des zweiten bulgarischen Gesellschaftspanoramas "Slava - Glory".

Stark beachtet wurde auch aus Portugal ("Korrespondenzen" / "Der Ornithologe") sowie aus Österreich ("Mister Universo") oder aus Polen ("Die letzte Familie") und aus Ägypten ("Bäche, Wiesen und schöne Gesichter").

Ehrenleopard für Birkin und Hommage an Mario Adorf.
Mit dem Produzenten David Linde, der eine Zeit lang im Berner Oberland lebte, und Jane Birkin wurden am selben Abend zwei hochkarätige Gäste ausgezeichnet. Die britische Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin wurde mit einem »Pardo alla carriera«, einem »Leoparden für ihre Karriere«, geehrt.

Die 69-Jährige überraschte mit einem Geständnis: "Ich habe in den all den Jahrzehnten noch nie eine Auszeichnung bekommen." Sie fügte mit einem Zittern in der Stimme hinzu: "Es ist mein erster Preis und ich nehme ihn voller Stolz und Freude mit nach Hause."

Birkin nahm den ersten Preis ihrer Karriere, gerührt entgegen. Berühmt wurde die Engländerin 1969 in Paris als Sängerin mit dem Chanson "Je t'aime - moi non plus".

Darüber hinaus wurde Mario Adorf von Jurypräsidenten Edgar Reitz mit einer Auszeichnung für sein Lebenswerk geehrt, wie wir bereits in unserer Vorberichterstattung vom 01. August 2016 erwähnten. In seinem Beisein wurde die diesjährigen Retrospektive eröffnet, die sich dem Kino der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1963, also den Jahren Konrad Adenauers, widmete.

In knapp zwei Wochen wurden 279 Filme gezeigt, davon 16 im Freiluftkino auf der Piazza Grande und 17 im Concorso internazionale.

Die Gewinner von Locarno auf einen Blick:

Internationaler Wettbewerb

Goldener Leopard: "Godless" vonn Radlitza Petrova
Goldener Spezialpreis der Jury: "Scarred Hearts" von Radu Jude
Leopard für beste Regie: João Pedro Rodrigues für "O Ornitólogo"
Beste weibliche Darstellerin: Irena Ivanova in "Godless"
Bester männlicher Darsteller: Andrzey Seweryn in "The Last Family"
Lobende Erwähnung: "Mister Universo" von Tizza Covi und Rainer Frimmel

Wettbewerb Cineasti del presente

Goldener Leopard: "El auge del humano" von Eduardo Williams
Spezialpreis der Jury Cine+: "The Challenge" von Yuri Ancarani
Bester Nachwuchsregisseur: Mariko Tetsuya für "Destruction Babies"
Lobende Erwähnung: "Viejo Calavera" von Kiro Russo
Bestes Erstlingswerk: "El futuro perfecto" von Nele Wohlatz

Swatch Art Peace Hotel Award: "Gorge Coeur Ventre" von Maud Alpi
Lobende Erwähnung: "El auge del humano" von Eduardo Williams

Kurzfilmpreise
Internationaler Wettbewerb:

Pardino d'oro für den besten internationalen Kurzfilm: "L'immense retour (Romance)" von Manon Coubia
Pardino d'argento SSR SRG: "Cilao" von Camilo Restrepo
Locarno-Nominierung für die European Film Awards: "L'immense retour (Romance)" von Manon Coubia
Film-und-Video-Untertitelungs-Preis: "Valparaiso" von Carlo Sironi
Loebende Erwähnung: "Non Castus" von Andrea Castillo

Kurzfilmpreise
Nationaler Wettbewerb

Pardino D'oro für den besten Schweizer Kurzfilm: "Die Brücke über den Fluss" von Jadwiga Kowalska
Pardino d'argento Swiss Life: "Genesis" von Lucien Monot
Best Swiss Newcomer Award: "La Sí¨ve" von Manon Goupil

Publikumspreis UBS: "I, Daniel Blake" von Ken Loach

Variety-Preis Piazza Grande: "Moka" von Frédéric Mermoud

Link: www.pardolive.ch
Quellen: Blickpunkt:Film | Out Now.ch | T-Online | 3sat | Critic.de

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