Skip to content

Kleine Perlen und große Enttäuschungen beim 30. SCHLINGEL Filmfestival

Der deutsche Kinder- und Jugendfilm hinterließ beim Internationalen „SCHLINGEL“ Filmfestival in Europas Kulturhauptstadt Chemnitz eine durchwachsene Bilanz.



Die Narben und die verschiedenen Schattierungen seiner Gesichtsfarbe lassen auf den ersten Blick erkennen, dass "Stitch Head - Stichkopf" kein gewöhnlicher Mensch ist. Er ist das erste Geschöpf eines verrückten Professors, der in seiner Burg über dem Dorf Rafferskach ständig neue Gestalten schafft. Die Dörfler leben in ständiger Angst vor diesen Monstern, was der cleverer Zirkusdirektor Fulbert Freakfinder ausnutzt. Er überredet Stichkopf, der sich nach Liebe und Anerkennung sehnt, für das Publikum zu posieren. Der Erfolg bleibt nicht aus, aber der raffgierige Unternehmer hat die Rechnung ohne Stichkopfs Freund Ungestüm gemacht, ein pelziges, einäugiges Kuschelmonster, das sich auf die Suche nach ihm macht und ihn zur Rückkehr überreden will.

Hier der Trailer von "Stitch Head: Alles voller Monster"



Passend zu Halloween kommt der kurzweilige und farbenfrohe Animationsfilm für die ganze Familie von Steve Hudson ins Kino. Die Uraufführung feierte die 26 Millionen Euro teure Produktion beim renommiertesten Animationsfestival in Annecy, beim Schlingel in Chemnitz wurde die Uraufführung im Mitteldeutschen Raum gefeiert, wo auch Teile des den internationalen technischen Standards entsprechenden Films entstanden sind.

Wichtigster Schlingel für Irland

Das Festival in der sächsischen Industriestadt, die in diesem Jahr Europas Kulturhauptstadt ist, lockte erneut zahlreiche kleine und große Fans in den CineStar am Roten Turm und die anderen Kinos der Metropole. Großer Abräumer bei der Vergabe des Schlingel, eines handgeschnitzten Lausbuben, war das berührende Drama „Der Zauber der blauen Geige - Blue Fiddle“ der Irin Anne McCabe. Sie folgt der halbwüchsigen Molly, die verzweifelt das Geigenspielen lernt, um ihren Vater aus dem Koma zu erwecken.

Hier der Trailer:



Wie immer ist das Festival auch eine Leistungsschau des deutschen Kinder- und Jugendfilms. Die Bilanz fällt durchmischt aus. Natürlich durfte der vierte Teil der „Schule der magischen Tiere“, diesmal in der Regie von Maggie Peren, nicht fehlen.

Hier der Trailer:



Wie immer ist der Film solide inszeniert, die Tiere perfekt animiert und die Weiterführung der Geschichte entspricht den Erwartungen der Fans. Doch langsam zeichnet sich die natürliche Grenze des Franchise ab. Die Schülergruppe der magischen Klasse kommt ins Teenageralter, ihre Probleme interessieren die jüngeren Zuschauer nicht. Für ältere Zuschauer müsste der Inhalt aber langsam an die Bedürfnisse von Teenagern und Teenagerinnen angepasst werden.

Märchen und Phantasy-Storys ohne Magie

Ebenfalls bereits im Kino ist „Momo“, die Neuinterpretation von Michael Endes Klassiker durch Christian Ditter. Nach der Premiere in Zürich wurde der Film erstmals in Chemnitz in Deutschland gezeigt und vernachlässigt sträflich die eigentliche Zielgruppe. Denn der Regisseur verdichtet die Story zu einer düsteren Dystopie für mit Phantasie-Filmen aufgewachsene Erwachsene. Die magischen und spielerischen Elemente der Geschichte, die gerade für Kids wichtig sind, gehen dabei unter.

Hier der Trailer:



Das trifft leider auch auf „Das Märchen vom Schwanensee“ von Christian Theede zu, eine SWR-Produktion für den ARD-Märchenplatz zu Weihnachten. Das Budget reichte nur für einen Schwan, und die unvergleichliche Musik von Tschaikowski wird nur spärlich eingesetzt. Darüber könnte die Rezensentin hinwegsehen, wäre dieser klassischen Love-Story nicht auch noch die Tragik des Schicksals der Prinzessin genommen worden, die von ihrem Stiefvater in einen weißen Schwan verwandelt wurde. Ins Zentrum rückt dafür der Prinz, der sich in sich unsterblich in sie verliebt, und sein entsprechend der öffentlich gewünschten Geschlechts- und Herkunftsregeln aufgestellter Freundeskreis.

Hier der Trailer:



Gewohnte Qualität bei Märchenfilmen aus Tschechien

Wie man es besser macht, beweist der Tscheche Tomás Pavlicek in der Koproduktion „Drei Prinzessinnen“, in der sich die Königstöchter der finsteren Zauberin Mortana entgegenstellen, die das Königreich ihres Vaters mit Krieg überziehen will, wenn er nicht die gewünschten Edelsteine liefert, die das Land aber in eine Wüste verwandeln würden. Und auch sein Landsmann Jakub Machala eroberte die Herzen der Kleinsten mit dem Märchen „Der magische Apfel“, in der die junge Magierin Hannah ihre Kräfte zum Wohl des Königreiches ihre geliebten Prinzen Albert gegen die Bedrohungen durch eine üble Zauberin einsetzt.

Enttäuschender Altmeister, begeisternder Newcomer im Genre

Ebenso gut an kam „Der Prank“ von Benjamin Heisenberg, der bereits beim Festival in Ludwigshafen begeisterte. Er beherzigt die alte Tugend, die jüngsten Zuschauer in ihrer Lebenswelt abzuholen und mit auf ein Abenteuer zu nehmen, wobei er die Geschichte mit viel Humor würzt.

Hier der Trailer:



Diese Tugenden hat Bernd Sahling in „Ab morgen bin ich mutig“ leider nicht beherzigt. Hier stimmt nichts mit der Realität überein – angefangen von der Größe der Schulklasse und allzu braven Schülerinnen und Schülern. Vor allem ist der Film um die ersten Schritte im Werben um das andere Geschlecht durch den zwölfjährigen Karl viel zu bieder und altbacken inszeniert, der didaktische Ansatz der Geschichte tropft aus jeder Pore. Der Film startet in diesem Monat im Kino.

Hier der Trailer:



Elise Krieps überzeugt in Gerichtsdrama

Angelaufen ist bereits „Karla“ von Regiedebütantin Christina Tournatzés, der in Chemnitz als bester deutschsprachiger Film mit einem Schlingel geehrt wurde. Die Regisseurin führt mit hoher Authentizität und mit einem genauen Blick auf die Gefühle ihrer Protagonisten und Protagonistinnen in die 1960-er Jahre der Bundesrepublik. Sie setzt dabei auf Elise Krieps, die Tochter von Vicky Krieps, die das Talent offenbar geerbt hat. Sie spielt nach wahren Begebenheiten eine Zwölfjährige Mädchen, die ihren Vater wegen unzüchtiger Handlungen und häuslicher Gewalt anzeigt. Für ihre Behauptungen gibt es aber keine Beweise als ihre eigene Aussage.

Hier der Trailer:



Phantasie und Realität mischt der Österreicher Norbert Lechner in „Das geheime Stockwerk - The Secret Floor“, der Film kommt allerdings erst im März 2026 ins Kino. Als die Eltern ein altes Hotel in den Alpen kaufen und renovieren, streift Karli gelangweilt durch das Haus. Als er versehentlich zwei Köpfe im Fahrstuhl gleichzeitig drückt, macht er eine Zeitreise in die 30-er Jahre. Im Hotel lernt er Hannah, die mit ihrem Vater hier abgestiegen ist, und Schuhputzer Georg kennen. Altersgemäß zeigt der Regisseur den Heranwachsenden, welchen Repressalien Menschen jüdischen Glaubens schon früh ausgesetzt waren, und was Kinderarbeit bedeutet.

Hier vorab der Trailer:



Bei Tempo und Dramaturgie mal nach Hollywood schielen

Bleibt noch „The Last Whale Singer - Der letzte Walsänger“. Der nach internationalen technischen Standards entstandene Animationsfilm von Reza Memari eröffnete den Reigen der mehr als 200 Festivalfilme aus mehr als 70 Ländern. Mit spürbaren Anlehnungen an die Geschichte von „Findet Nemo“ folgt er dem Buckelwal Vincent, der so früh seine Eltern verliert, dass er seine eigene Stimme als Walsänger noch nicht gefunden hat. Er ist deprimiert und erwacht erst wieder aus seiner Lethargie, als ihn Putzerfisch Walter zum Handeln auffordert, um einen finsteren Leviathan zu besiegen.

Hier der Trailer in OV:



Was ist das für ein Wesen, werden sich die Kids fragen. Okay, ein dunkles Ungeheuer, das die Welt in Finsternis tauchen will. Die Geschichte des Familienfilms überfordert die Kleinesten nicht nur an dieser Stelle. Sie verheddert sich leider in allzu vielen Handlungsstränge, ist viel zu schnell geschnitten und lässt wenig Raum für Kids, um über das Gesehene nachzudenken. Ein wenig mehr Sorgfalt hätte man sich gerade bei dieser für die Auswertung auf dem internationalen Markt gedachten Koproduktion gewünscht, die optisch durchaus überzeugt.

Katharina Dockhorn