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1. dOKUMENTALE - International Dokumentary and Media Festival Berlin

Eine Dokumentale im Oktober, neben dem Dokuarts- und dem Human Rights Film Festival Berlin im gleichen Monat? Die ersten Nachrichten über ein neues Filmfestival irritierten die Szene.



Nach einer kurzen Sommer-Preview im Juli 2024, (wir berichteten hier) startet nun vom 10. - 20. Oktober 2024 die erste Ausgabe der DOKUMENTALE gleich in 16 Locations, darunter auf einer neuen Leinwand im Festivalzentrum D'24, das sich im zweiten Stockwerk des LIVING BERLIN befindet, dem Einrichtungshaus an der Kantstraße / Uhlandstraße, das ursprünglich Stilwerk hieß, nun aber auf vier Stockwerken komplett umgebaut wurde und am verglasten Eingang zusätzlich noch vier Monitore für Programmankündigungen und Trailer des Festivals erhielt.

Nicht weit entfernt im Kant Kino an der Kantstraße nähe Wilmersdorfer Straße gibt es abends eine weitere Abspielstätte. Ein Großteil der Premieren und vor allem die Eröffnung selbst soll aber im Saal1 des 100-jährigen COLOSSEUM Filmtheaters im belebten Prenzlauer Berg mit Clara Stella Hünekes Dokumentarfilm "SISTERQUEENS" stattfinden, die mit ihrer Rapcrew in Berlin gesellschaftliche Normen in Frage stellt.

Der an der Filmakademie Baden-Württemberg entstandene Diplomfilm dokumentiert das gleichnamige Hip-Hop-Projekt im Berliner Wedding, das seit acht Jahren Mädchen im Alter von 8 bis 18 Jahren fördert. Unter Anleitung von Mentorinnen wie der Rapperin Ebow erlernen die SISTERQUEENS das Rap-Handwerk und wachsen als Gemeinschaft zusammen. Hüneke begleitete ihre Protagonistinnen vier Jahre lang für den Film, der bereits bei seiner Uraufführung beim Filmfest München für Begeisterung sorgte.


Neben internationalen Dokumentarfilmen, die zudem im ACUDkino, City Kino Wedding, Filmrauschpalast und Sputnik Kino gezeigt werden, umfasst das Programm aber auch ausgezeichnete Medienprojekte, Talks, Podcasts, Lesungen und sehr viel mehr, die im Aquarium, Berlinische Galerie, DASHI Canteen, Dokumentationszentrum, Kater Blau, Lark, The Yaam, Tresor Globus und im Zeiss-Großplanetarium stattfinden.

Als erste Filmtitel wurden die Deutschlandpremieren von „My Fathers Diary“ (im Sputnik Kino am 11.10.24) von Ado Hasanovic bekannt gegeben, eine Doku über die Besetzung Srebrenicas anhand von Videos und Tagebuchnotizen von Hasanovics Vater, außerdem von Petr Loms „I am the River, the River is me“. Darin geht es um einen Māori-Stammesführer, seine Gemeinschaft und den Whanganui River, der als erstes Gewässer der Welt als juristische Person anerkannt wurde.

Neu für Berlin ist auch die D'Lounge, ein einzigartiges Erlebnis, das die Welt des Films erstmals in Berlins Kunst- und Partyszene präsentiert und Filme an verschiedenen Orten zeigt, die Schönheit von Kultur, Musik und Kunst verbinden. An sieben Abenden präsentiert die Dokumentale Filme an herausragenden Orten in Berlin und lädt die Gäste ein, anschließend zu diskutieren und zu feiern. Die Veranstaltungen werden von künstlerischen Acts wie DJ-Sets und Konzerten begleitet und bieten eine besondere Atmosphäre für Networking und Austausch. Der DOK-Film "E.1027" am 14.10.2024 um 20:30 Uhr im legendären Club Tresor/Globus ist bereits ausverkauft. Der Film über "Eileen Gray und das Haus am Meer", der seine Premiere auf dem DOK.Fest München feierte, kommt aber am 24. Oktober 2024 regulär ins Kino.

Hier der Trailer:



Im Colosseum Filmtheater werden folgende Filme gezeigt:

Festivaleröffnung: Sisterqueens 10.10.2024 / 19:30 /
(Wiederholung) im City Kino Wedding am 13.10.2024 / 20:30 /
Greta Gerwig: Itinerary Of A Rising Star 11.10.2024 / 18:30 /
Hvaldimir: Conversation with a whale 11.10.2024 / 20:00 /
Hier der Trailer:



The Giants 12.10.2024 / 17:30 /
The Hexagonal Hive and a Mouse in a Maze 12.10.2024 / 20:00 /
Mozart’s Sister 13.10.2024 / 17:30 /
Standing Above the Clouds 13.10.2024 / 20:00 /
The Life and Deaths of Christopher Lee 14.10.2024 / 17:30 /
International Adoptions: A Global Scandal 14.10.2024 / 20:00 /
Fauna 15.10.2024 / 17:30 /
The Gospel of Revolution 15.10.2024 / 20:00 /
Immortals 18.10.2024 / 17:30 /
Soundtrack to a Coup d'Etat 18.10.2024 / 20:00 /
Uncropped 19.10.2024 / 17:30 /
The Click Trap 19.10.2024 / 20:00 /
My Sextortion Diary 20.10.2024 / 17:30 /
The Tempest of Neptun 20.10.2024 / 20:00 /

Besonders sehenswert dürfte auch die Berlinpremiere von "Of Caravan and the Dogs" sein. Der Film von Regisseur Askold Kurov, Anonymous 1, über Fake News und Pressefreiheit im Angriffskrieg gegen die Ukraine aus der Sicht russischer Journalisten, wird auf der großen Leinwand am 12.10.2024 im City Kino Wedding gezeigt. Läuft aber auch am 14.10.2024 im D'HUB und am 15.10.2024 im D'SALON des Festivalzentrums Living Berlin in der Kantstraße sowie auf VOD im Online-Screen für zu Hause.

Hier der Trailer:



Das gesamte Festivalprogramm gibt es hier.
Zahlreiche Werke werden auch bundesweit im Stream über EVENTIVE für je 5,- € angeboten.


Die Nachricht, dass Berlin im Oktober mit der zehntägigen DOKUMENTALE ein neues internationales Filmfestival bekommt, sorgt allerdings für Irritationen in der Berliner Festivalszene. Vor allem das seit 2006 existierende DOKUARTS-Festival und das 2018 gegründete Human Rights Film Festival Berlin (HRFFB), über das wir am 4. Oktober 2024 berichteten, sorgen sich um ihre Zukunft, denn beide finden normalerweise ebenfalls im Oktober mit sich überschneidenden Terminen und ähnlicher Ausrichtung statt.

Nach dreijähriger Corona-Pause und dank der erneuten Förderung durch den Hauptstadtkulturfonds konnte DOKUARTS im letzten Jahr vom 4.-15. Oktober 2023 mit 44 Vorstellungen von 18 Filmen aus 14 Ländern endlich wieder stattfinden. In diesem Jahr muss es leider schon wieder pausieren, denn eine Vorschrift besagt, dass die jährliche Projektförderung nach jeweils drei Jahren für ein Jahr ausgesetzt werden muss, damit daraus keine verdeckte institutionelle Subvention wird. Deshalb hat die Senatskanzlei offensichtlich nun andere Pläne und finanziert jetzt die DOKUMENTALE.

„Unser DOKUARTS Festival wurde zehn Jahre vom Bund gefördert“, sagt dessen Künstlerischer Leiter Andreas Lewin. „Nun fürchten wir, dass wir vor dem Aus stehen. Die Sorge ist groß, dass hier eine Neustrukturierung stattfindet. Es bestehe die Gefahr, dass die vielen kleinen gewachsenen Berliner Filmfestivals in die Privatwirtschaft abgeschoben werden“.


Die Dokumentale-Leiterin Anna Ramskogler-Witt verärgerte aber auch das Human Rights Festival HRFFB, das sie noch bis zum März leitete und dann überraschend verlies, womit sie ihr früheres Festival womöglich zukünftig ebenfalls in Gefahr bringt.

„Wir begrüßen selbstverständlich die Vielfalt der Berliner Filmfestivals“, stellte HRFFB-Gründer Jan Sebastian Friedrich-Rust im Gespräch mit dem Tagesspiegel zunächst klar. „Dass unsere ehemalige Leiterin aber ohne uns zu informieren ein thematisch sehr ähnliches Festival in einem ähnlichen Zeitraum im Oktober startet, finden wir äußerst irritierend und kritisieren das ausdrücklich“, sagt Friedrich-Rust, der nun gemeinsam mit Lydia Spiesberger seit Ramskogler-Witts Ausscheiden das HRFFB leitet.


Inzwischen sieht auch das Human Rights Film Festival, das 2018 mit Ai Weiwei als erstem Schirmherrn startete und 2023 mit 16.000 Zuschauer*innen einen Besucherrekord verzeichnete, seine Finanzierung durch die aktuelle Entwicklung gefährdet. Zu den Geldgebern zählt neben dem Auswärtigen Amt und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit das Medienboard, mit 110.000 Euro im letzten Jahr. Für 2024 und 2025 sind je 200.000 Euro in Aussicht gestellt.

Die Berliner Senatskanzlei hat der neuen Plattform The Good Media Network, die die DOKUMENTALE organisiert, dagegen 300.000 Euro Fördergelder über das Medienboard Berlin-Brandenburg zugesichert, außerdem 200.000 Euro für das neue Festival, das Senatskanzlei-Chef Florian Graf anlässlich der letzten Berlinale ausdrücklich begrüßte.

Den Vorwurf einer unguten Konkurrenz wies Anna Ramskogler-Witt allerdings zurück:

„Wir wollen keinen Festivals Konkurrenz machen, sondern uns mit einer Thematik auseinandersetzen, für die es bisher unseres Wissens keinen Raum gab. Unser Konzept einer medienübergreifenden Plattform für dokumentarische Erzählweisen – von Film über Podcasts und Virtual Reality bis hin zu Sachbüchern – gab es bisher nicht. Wegen des Fokus auch auf Sachbücher sei zudem die zeitliche Nähe zur Frankfurter Buchmesse im Oktober ein wichtiger Aspekt.“


Ihr früherer Kollege Jan Sebastian Friedrich-Rust vom HRFFB sieht das anders. Gerade der Einsatz für Menschenrechte und für das Dokumentarfilmschaffen erfordere eher eine Bündelung der Kräfte als eine Zersplitterung.

Über den Disput zur Förderung der DOKUMENTALE gab es auch eine Stellungnahme von Festiwelt Berlin am 15. Juli 2024.

Festiwelt ist der zentrale Interessenverband von Filmfestivals in Berlin. Mit seiner Arbeit stärkt Festiwelt die Bedeutung und Sichtbarkeit von Fimfestivals verschiedener Größen und Ausrichtungen in Berlin. Festiwelt hat darüber hinaus das Ziel, die Vernetzung und Zusammenarbeit der Berliner Filmfestivals untereinander sowie die Kommunikation mit dem Publikum und der Politik zu fördern. Festiwelt, das Netzwerk der Berliner Filmfestivals, hat aktuell 24 Mitgliederfestivals.

"Wir haben mit Interesse gesehen, dass mit der Dokumentale ein neues Filmfestival gegründet wurde und damit die Filmfestivallandschaft in Berlin bereichert werden soll. Allerdings sind wir über die Vorgehensweise bei der Vorbereitung und Vorstellung dieses neuen Festivalvorhabens irritiert."

Der hier angesprochene Sachverhalt wurde in einem TAGESSPIEGEL-Beitrag von Christiane Peitz am 10.05.2024 umfassend beleuchtet.

"Grundlegend begrüßen wir es, wenn die Förderung von Filmfestivals aufgestockt, breiter aufgestellt oder ausgedehnt wird. Denn Filmfestivals sind Orte der kulturellen Praxis, sie vermitteln nicht nur Kultur und Bildung, sondern fördern den Diskurs und damit die Demokratie".

Aufgrund des Vorgehens bei der Installation der Dokumentale erweisen sich die folgenden Punkte unserer Ansicht nach als kontraproduktiv für eine Wertschätzung und Stärkung der Filmfestivals in Berlin und Brandenburg:

• Fehlende Sondierung bestehender Festivalprofile, Festivalterminen, etc.

• Keine Kontaktaufnahme mit dem Netzwerk der Berliner Filmfestivals

• Anhaltend intransparente Förderstruktur und -kriterien bei der Filmfestivalförderung

• Offensichtliche Überschneidung mit Blick auf existierende Filmfestivals, thematisch wie terminlich

• Unnötige Konkurrenzbildung zwischen Filmfestivals

• Missachtung von bereits bestehenden und gewachsenen Festivalprofilen, die Dokumentarfilme in ihrer Vielfalt abbilden

• Unausgeglichene finanzielle Ausstattung der Filmfestivals trotz Berücksichtigung unterschiedlicher “Größe”

"Angesichts dieser aktuellen Situation möchten wir durch die folgenden Anliegen die Transparenz befördern:"

• Ein offener Austausch zwischen den Filmfestivals, ihrer Vertretung und der Politik

• Einbeziehung unserer Expertise die Ausrichtung der Filmfestivals in Berlin betreffend

• Nachvollziehbarkeit der festival-politischen Entscheidungen mit Blick auf eine “gerechtere” Förderpolitik

• Transparentere Fördermöglichkeiten mit Ausschreibung, administrativen Ansprechpersonen, strukturiertem Förderprozedere und öffentlichen Jurys

"Wir fordern die angegebenen Punkte konstruktiv zu bearbeiten und möchten einen produktiven Austausch mit allen verantwortlichen und involvierten Stellen anregen, um nicht zuletzt aktuell und zukünftig die Wirkkraft von Filmfestivals am Standort Berlin-Brandenburg zu stärken."

Link: www.festiwelt-berlin.de/stellungnahmedokumentale2024

Der Vorstand
Festiwelt e.V.


Link: www.dokumentale.de

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