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GAGARIN - Einmal schwerelos und zurück, ein Meisterwerk ab 15.8.2024 im Kino

Mit vierjähriger Verspätung endlich bei uns im Kino: GAGARIN – EINMAL SCHWERELOS UND ZURÜCK, ein französischer Film, der schon 2020 auf der Cannes-Liste stand, seine Premiere wegen der COVID-19-Pandemie jedoch erst im Herbst auf dem Zurich Filmfestival feiern konnte und seitdem durch die Träume und Hoffnungen vieler Menschen schwebt.



"GAGARIN – Einmal schwerelos und zurück" Langfilmdebüt des französischen Regieduos Fanny Liatard und Jérémy Trouilh mit grandiosen Bildern von Victor Seguin, dessen Kamera dem 16-jährigen Youri fast schwerelos folgt. (Frankreich, 2020; 98 Min.) Mit Finnegan Oldfield, Jamil McCraven, Lyna Khoudri und Alséni Bathily als Youri. Ab 15. August 2024 in den deutschen Kinos. Hier der offizielle Trailer von Cannes:



Elisabeths Filmkritik:

Eine Vorstadt von Paris, auch hier baute man in den 60er Jahren Sozialbauten, um der Wohnungsnot Herr zu werden. Eine Siedlung, genannt Cité Gagarine, wurde sogar von dem russischen Kosmonauten Juri Gagarin, Leitbild für eine hoffnungsvolle Zukunft, höchstselbst eingeweiht. Der Komplex bestand aus 370 Wohneinheiten und galt als Vorzeigeobjekt. Der Zahn der Zeit nagte allerdings an den Häusern. Das Fundament wurde marode, im Mauerwerk bildeten sich Risse. Die Wände waren voller Asbest. Ein Abriss war unausweichlich.

"Gagarin - Einmal schwerelos und zurück", das Regiedebüt des Filmemacher-Duos Fanny Liatard und Jérémy Trouilh ist ein Glücksfall von einem Film, der in Teilen dokumentarisch wirkt. Die Handlung, die sich um die Erlebniswelt eines 16-jährigen Jungen dreht, hält sich mit allzu offener Sozialkritik zurück und beschenkt uns vielmehr mit einer Note magischen Realismus.

Youri, gespielt von Alséni Bathily, ein kräftiger Bursche mit sanftem Gemüt, ist in der Gagarin-Siedlung geboren und aufgewachsen. Sicherlich haben ihn seine Eltern nach dem Namensgeber des Komplexes benannt. Die Ehe der Eltern hatte keine Zukunft. Sowohl Vater als auch Mutter haben den Jungen der Nachbarschaft und sich selbst überlassen. Youri ist vielleicht nie irgendwo gewesen, aber er träumt groß. Er möchte einmal in das Weltall hinaus. Aber sein Herz schlägt für den Ort, der ihm Heimat ist. Während diese Geschichte zwei Hauptfiguren parallel stellt, zum einen Juri und zum anderen die Siedlung, in der er lebt, lernt das Publikum diese beiden als eine Einheit kennen. Youri ist das Herz dieser Geschichte und dieser Siedlung. Als die Cité Gagarine abgerissen werden soll, unternimmt Youri zusammen mit Freunden große Anstrengungen, um den Behörden zu beweisen, dass sein Haus gut genug in Schuss ist.

Fanny Liatard und Jérémy Trouilh kamen bereits Jahre vor der Entscheidung, die Siedlung abzureißen, nach Ivry-sur-Seine. Man hatte sie 2014 gebeten filmische Porträts der Bewohner zu erarbeiten. In den Medien galten diese Viertel als soziale Brennpunkte. Ein weiteres Paar, das mit Kameras angerückt kam, wurde nicht wirklich mit offenen Armen empfangen. Es brauchte etwas Hilfe und Hingabe, mit dem sie sich den Zugang verdienten. Bald wurde ihnen, angesichts der Geschichten, die sie erzählt bekamen, klar, dass sie daraus einen Film machen wollten. Zuerst wurde daraus 2015 ein Kurzfilm.

Youri ist ein Träumer. Ein Einzelgänger, der jedoch fest auf seine Community baut, und sich stets um die Nachbarschaft kümmert. Als nach und nach alle ausziehen, auch sein bester Freund, bleibt er quasi alleine zurück. Versteckt richtet er sich ein. Mehr und mehr wird sein Rückzugsort zu einer Raumkapsel. Nur einer der Punks (Finnegan Oldfield) ist noch vor Ort und Diana (Lyna Khoudri), die als Roma noch weiter ausgegrenzt lebt, bis die französische Polizei ihre Familie vertreibt.

Das Regie-Duo verankert die Geschichte sehr wohl in unserer Zeit. Rassismus und Klassismus werden deutlich dargestellt. Es sind die Betroffenen, die hier die Erzählung bestimmen. Damit besitzt der französische Film eine ganz andere Qualität als die gemeinhin in unsere Kinos gespülten französischen Komödien. Die Geschichte, wie und wann dieser Film gedreht worden ist, ist fast schon eine eigene Erzählung wert. Die Gebäude standen bereits leer. Die Bewohner hatten dies und das zurückgelassen. Man drehte praktisch dokumentarisch. Während die Geschichte hier ohne Aufheben zeigt, was einmal das Zuhause von Familien war und was davon übriggeblieben ist, spürt man bei dem Filmteam das Wissen um die Geschichten dieser Familien.

"Gagarin - Einmal schwerelos und zurück" ist eine Widmung an die Träume seiner einstigen Bewohner. Ihre Geschichten flossen in die Handlung ein. Die Figuren der Jugendlichen wiederum kristallisierten sich auch aus den Gesprächen mit jungen Leuten vor Ort, mit denen das Duo in Video-Workshops zusammengearbeitet hatten, heraus.

"Gagarin - Einmal schwerelos und zurück" wurde kurz vor dem Abriss der Cité gedreht. Die Kamera von Victor Seguin ("Blue Jean") weist uns den Weg durch die Gebäude und findet einen wunderbar zarten Übergang in die innere Traumwelt von Youri.

"Gagarin - Einmal schwerelos und zurück", der deutsche Titel hinkt ein klein bisschen, erzählt von Gemeinschaft und gleichzeitig von dem Erwachsen werden. Er erzählt vom Ende einer Utopie und dem Träumen darüber hinaus. Die Geschichte von Youri handelt vom Gefühl der Verbundenheit, vom Gespür für ein Zuhause für viele, die die Gesellschaft hin und her schiebt. Der Film wurde in das Programm von Cannes 2020 eingeladen, das bekanntlich nicht in gewohnter Form stattfinden konnte. Zürich und Hamburg setzten ihn in ihr erstes Post-Lockdown-Programm. In Frankreich war der Film der erste, der in der abflauenden Pandemie 2021 regulär ins Kino kommen konnte. Bei all den Schwierigkeiten findet der Film jetzt doch noch in unsere Kinos. Er ist sicherlich einer der schönsten Filme des Jahres.

Elisabeth Nagy


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Studenten-Oscar: "Kruste" im Finale

Ein Absolvent der Filmuniversität Babelsberg hat in diesem Jahr Chancen auf einen Studenten-Oscar.

Mit dem Kurzfilm "Kruste" schaffte es der 1994 geborene Jens Kevin Georg unter die sieben Finalisten der Kurzfilm-Kategorie bei den Student Academy Awards. 28 Produktionen von insgesamt 2.683 Einreichungen haben es in die letzte Runde geschafft und dürfen nun auf einen der begehrten Studierenden-Oscars hoffen. Es werden Preise in vier Kategorien vergeben: Experimentalfilm, Animation, Dokumentarfilm und Spielfilm - jeweils in Gold, Silber und Bronze - und seit 1981 ein eigener Preis für die beste ausländische Produktion.

Regisseur und Drehbuchautor Georg erzählt in dem knapp halbstündigen Film eine Geschichte um Erwachsenwerden und
Identität. Ein 12-Jähriger will darin als vollwertiges Familienmitglied akzeptiert werden. Dazu muss er eine erste, große Wunde präsentieren, die zu einer Narbe verkrustet.

Die Gewinner der Gold-, Silber- und Bronzemedaille werden bei der Preisverleihung der Studentenakademie am 29. Oktober 2024 geehrt.

Link: www.filmuniversitaet.de

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