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Die Gewinner von München und Karlsbad 2024

Das Filmfest München 2024 fand nicht nur während der Fußball-WM statt, sondern auch zur selben Zeit, wie das internationale A-Filmfestival im tschechischen Karlsbad (Karlovy Vary).



Die Berichterstattung über die Gewinner des wichtigsten Festivals des osteuropäischen Films verkommt leider in den deutschen Medien fast zur Randnotiz, obwohl der Hauptpreis des 58. Filmfestivals von Karlsbad (28.06.- 06.07.2024), der umgerechnet mit rund 23.000 Euro dotiert ist, an einen britischen Regisseur vergeben wurde.

Mark Cousins erhielt für seinen bildreichen Dokumentarffilm "A Sudden Glimpse to Deeper Things" im Grand Prix den begehrten Crystal Globe. Cousins erzählt in seinem Film von einem entscheidenden Wendepunkt im Leben der schottischen Malerin Wilhelmina Barns-Graham.

Die Künstlerin besuchte 1949 die Berge im schweizerischen Grindelwald, was zu einer Serie von abstrakten Gletscherbildern führte. Heute ist die Eislandschaft längst massiv geschrumpft, was als Folge der Erderwärmung gilt.

Lilja Ingolfsdottirs Debütfilm, das intensive norwegische Beziehungsdrama "Loveable" gewann den Sonderpreis der Jury (15.000 US-Dollar) sowie den Preis als beste Schauspielerin für die nackte Darstellung der norwegischen Theaterveteranin Helga Guren als unsichere Ehefrau, die Angst hat, ihren Mann zu verlieren. Ähnlich wie "Anatomy of a Fall" aus dem letzten Jahr basiert "Loveable" auf der turbulenten Ehe der Autorin und Regisseurin und ihres Mannes (Kameramann Øystein Mamen). Der gut gespielte Film wurde auf dem Festival mit tosenden Standing Ovations beklatscht, schreibt das US-Branchen-Magazin IndieWire. Beim KVIFF gewann der Film insgesamt fünf Preise, darunter den Europa Cinemas Label Jury Award, den FIPRESCI Jury Award und den Ecumenical Jury Award. Der norwegische Regisseur hat übrigens auch an der Prager Filmschule studiert.

Darüber hinaus gab es mit dem »Proxima« einen zweiten Wettbewerb, der vom Festivalpräsidenten Jiří Bartoška, dem künstlerischen Leiter Karel Och und dem Geschäftsführer Kryštof Mucha geleitet wurde.

In dieser Section ging der FIPRESCI Jury Award an den kraftvollen Debütfilm "Die Nacht ist gekommen" von Paolo Tizón (Peru, Spanien, Mexiko, 2024). Der Film deckt mutig die Zerbrechlichkeit auf, die sich in allen menschlichen Bemühungen verbirgt. Dieser herausragende Dokumentarfilm scheut sich nicht, Licht und Dunkelheit nicht nur auf der thematischen, sondern auch auf der formalen Ebene kämpfen zu lassen. Es zeigt einen Kampf mit einem unsichtbaren Feind Tausende von Kilometern von Karlsbad entfernt, aber es erinnert auch an die Kriege um uns herum.

Das KVIFF Festival, das zwischen Cannes und Venedig liegt, ist das wichtigste Sommerereignis des Landes, das nicht nur viele Sponsoren und Mäzene anzieht, sondern auch nicht mit den finanziellen Schwierigkeiten von Festivals wie Berlin, Toronto und Sundance konfrontiert ist. Es wurden mehr als 130 Filme gezeigt und ca. 140.000 Tickets verkauft.

Gezeigt wurden zudem beim osteuropäischen Festival Filme im Kristallkugel-Wettbewerb, die es nach Cannes nicht geschafft haben, oder noch nicht fertig waren. Außerdem nahmen Prominente wie Steven Soderbergh teil, der mit seinen Filmen "Kafka" und "Mr. Kneff" an der Kafka-Retrospektive teilnahm.

Der Preis für die beste Regie ging an die Filmemacherin Nelicia Low aus Singapur für ihren Spielfilm "Pierce" (Stechen) über einen jungen Fechter und seinen älteren Bruder, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde. Als beste Schauspieler wurden die Niederländer Ton Kas und Guido Pollemans gewürdigt.

Der britische Filmstar Clive Owen - bekannt aus "Hautnah - Closer" (2004) und "Gosford Park" (2001) - erhielt bei der Abschluss-Galafeier im Hotel Thermal den Ehrenpreis des Festivalpräsidenten. Er habe viel in Prag und Umgebung gedreht und in Tschechien einige Freunde gefunden, sagte Owen.

Ebenfalls erhielten der tschechische Schauspieler Ivan Trojan den Preis des Festivalpräsidenten für sein Lebenswerk, sowie der 46-jährige deutsch-spanische Schauspieler und Regisseur Daniel Brühl, der mit dem Ehrenpreis für sein bisheriges Schaffen bedacht wurde und dazu bemerkte, dass die Kristallkugel sogar schöner ist als der Oscar. Aktuell verkörpert Daniel Brühl in der Serie "Becoming Karl Lagerfeld" den legendären Modeschöpfer.

Hier der Trailer:



Das 1946 gegründete Filmfestival, das anfangs im Wechsel mit seinem Moskauer Pendant stattfand, ist eines der ältesten der Welt. Es verwandelt den malerischen Bäderort im Westen Tschechiens jeden Sommer in eine Partyhochburg und lockt Besucher aus dem In- und Ausland an.

Link: www.kviff.com

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Auch das 41. Filmfest München (28.06. - 07.07.2024) vergab am letzten Wochenende seine Preise.

Der CINEMASTERS AWARD ist der Hauptpreis vom FILMFEST MÜNCHEN und ging an "EINE ERKLÄRUNG FÜR ALLES" von Gábor Reisz als Bester Internationaler Film. Das Werk erzählt ein meisterhaft gezeichnetes Porträt einer gespaltenen Gesellschaft auf der Suche nach Lösungen. Mit naturalistischen und ansprechenden Darbietungen und einer Kameraführung, die zu einer direkten Auseinandersetzung mit den Dilemmata der Figuren einlädt, gelingt es diesem Film, unterschiedliche politische und generationsbedingte Standpunkte darzustellen.

Der Preis im Wettbewerb CineCoPro wurde dieses Jahr neu belebt und ist mit 100.00 Euro die höchstdotierte Auszeichnung beim FILMFEST MÜNCHEN. Die Jury wählte den Preisträgerfilm aus vierzehn Beiträgen des Wettbewerbs aus und kürte Mahdi Fleifels Drama "TO A LAND UNKNOWN" über zwei palästinensische Flüchtlinge als Gewinner, weil sie hingerissen war von der Genauigkeit und Wärme des Spiels, der klar erzählten und mitreißenden Geschichte und der künstlerisch herausragenden Leistung sämtlicher Departments.

Hier der Trailer:



Der CineVision Award als Bester Internationaler Debütfilm ging an den argentinischen Film "SIMÓN DE LA MONTAÑA" von Federico Luis, der mit außergewöhnlichen Schauspielleistungen aufwartet. Es ist die Idee, einen jungen Mann zu porträtieren, der nicht weiß, wo er hingehört, sich dann aber selbstbewusst einer Gruppe junger Menschen mit kognitiven Behinderungen anschließt.

Der mit 10.000 Euro dotierte CineRebels Award ist eine neue Plattform für Formatsprenger, Filmabenteu(r)er und den cinephilen Filmgeschmack. Die diesjährige dreiköpfige Jury hat sich für den Film "VIÊT AND NAM" von Minh Quý Trương entschieden. Liebe, Menschenhandel und das Vermächtnis des Krieges werden in diesem intimen und doch epischen Drama behandelt, das zwar in Vietnam spielt, aber im Heimatland des Regisseurs verboten ist.

Der 2022 erstmalig verliehene CINEKINDL AWARD ging an den Kinderfilm "LARS IST LOL" von Eirik Sæter Stordahl, die zeigt wie komplex unsere Welt ist und oft noch komplizierter gemacht wird. Nicht immer ist Freundschaft gleich wahre Freundschaft. Und der Weg aus einem Labyrinth, gebaut aus Intrigen und Vorurteilen, unbeschadet zu finden, lässt sich nicht so einfach herbeizaubern.

Bereits am Freitag, den 05.07.2024, wurde der Förderpreis Neues Deutsches Kino in vier Kategorien vergeben: Beste Produktion, Beste:r Schauspieler:in, Bestes Drehbuch und Beste Regie.

Beste Regie: Fabian Stumm für "SAD JOKES"
Hier der Trailer:


"Der Film erzählt beiläufig von modernen Familien-Konstellationen - ein konzentrierter Blick in die Absurditäten und Spannungen des Lebens, mal aggressiv und ruppig, dann einfach nur unwirklich und schließlich poetisch schön", so die Jury.

Bestes Drehbuch: Aaron Arens für "SONNENPLÄTZE"

Beste Produktion: Semih Korhan Güner für "MILCH INS FEUER"
Hier der Trailer:


Justine Bauers Abschlussarbeit an der Kunsthochschule für Medien (KHM / Köln) porträtiert das Leben von fünf jungen Frauen auf einem Bauernhof in Süddeutschland. Sie denken über Schwangerschaft und Kastrationen nach, über die Zukunft des Bauernhofs und die jährliche Tomatenernte, obwohl immer mehr Bauernhöfe in Deutschland schließen müssen, weil die Landwirtschaft in einer Krise steckt und das Geschäft mit der Milch schon seit einer Weile nicht mehr rentabel ist.

Bester Schauspieler: Atika Jumaih Bashiru für "O CHALE"

Der Audience Award National ging an "FÜHRER UND VERFÜHRER" von Joachim A. Lang mit Robert Stadlober als Joseph Goebbels. Leider nicht überzeugend gespielt, sodass die Original-Nazi-Filmbeispiele über Werbung und Marketing im Dritten Reich ihre Wirkung nicht so wie gewünscht entfalten können.

Der Audience Award International ging an "SAMIA".

Der FIPRESCI-Preis ging an den Regiepreisträger Fabian Stumm für "SAD JOKES".

Das Festival, das erstmals unter der Leitung von Christoph Gröner und Julia Weigl stattfand, verzeichnete 71.000 Besucher mit rund 500 Filmvorführungen und Veranstaltungen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung von 30 Prozent trotz Fußball-WM.

Link: www.filmfest-muenchen.de

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