Filmförderreform auf der Zielgerade?
Leichte Bewegung in der Filmförderung schreibt Blickpunkt Film, doch mit überzogenen Forderungen gefährden die Produzenten selbst die Anpassung der Strukturen.

Als Claudia Roth zur Berlinale im Februar ihre Pläne für eine umfassende Reform der Filmförderung vorlegte, da machte sich in der Produzentenlandschaft kurz ein bisschen Euphorie breit. Ein "großer Wurf" soll es werden, das von vielen seit langem so sehnlich erwartete steuerliche Anreizmodell kommen, dazu noch eine - von Sendern und Plattformen stark kritisierte - Investitionsverpflichtung. Inzwischen sind über vier Monate ins Land gezogen - doch die Bundesregierung scheint wenig Eile zu haben, die Vorhaben weiter zu konkretisieren und umzusetzen, weshalb sich mittlerweile 22 Verbände der Filmbranche dem Aufruf #FilmReformJETZT angeschlossen haben, um von der Bundesregierung und den Bundesländern eine Stärkung der Produktions- und Kinobranche in Deutschland fordern.
Mittlerweile stehen die Förderungen von Filmen, Serien und Kulturproduktionen ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung und wurden als wirtschaftlicher Dynamisierungsfaktor anerkannt. Die angekündigte Filmzulage als Steueranreizmodell soll kommen. Fraglich ist die Kostenverteilung für den Tax Incentive und die Ausgestaltung der Investitionsförderung. Ob mit einer 30%igen Filmförderung Deutschland endlich international wieder wettbewerbsfähig wird, bleibt aber fraglich.

Als Claudia Roth zur Berlinale im Februar ihre Pläne für eine umfassende Reform der Filmförderung vorlegte, da machte sich in der Produzentenlandschaft kurz ein bisschen Euphorie breit. Ein "großer Wurf" soll es werden, das von vielen seit langem so sehnlich erwartete steuerliche Anreizmodell kommen, dazu noch eine - von Sendern und Plattformen stark kritisierte - Investitionsverpflichtung. Inzwischen sind über vier Monate ins Land gezogen - doch die Bundesregierung scheint wenig Eile zu haben, die Vorhaben weiter zu konkretisieren und umzusetzen, weshalb sich mittlerweile 22 Verbände der Filmbranche dem Aufruf #FilmReformJETZT angeschlossen haben, um von der Bundesregierung und den Bundesländern eine Stärkung der Produktions- und Kinobranche in Deutschland fordern.
Mittlerweile stehen die Förderungen von Filmen, Serien und Kulturproduktionen ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung und wurden als wirtschaftlicher Dynamisierungsfaktor anerkannt. Die angekündigte Filmzulage als Steueranreizmodell soll kommen. Fraglich ist die Kostenverteilung für den Tax Incentive und die Ausgestaltung der Investitionsförderung. Ob mit einer 30%igen Filmförderung Deutschland endlich international wieder wettbewerbsfähig wird, bleibt aber fraglich.
Über den Stand der Dinge berichtet uns Katharina Dockhorn.
Hollywood würde lieber in Deutschland als in Ungarn drehen, warb Ed Berger, Regisseur des in Tschechien gedrehten Oscar-Gewinners „Im Westen nichts Neues“, für die Filmförderreform der Ampelregierung auf dem Twitter Account der „Süddeutschen Zeitung“.
Wer das im Februar von Claudia Roth vorgestellte Dreistufenmodell aus FFG-Novellierung, Steueranreizmodell für Filme, High-End-Serien und VfX-Production sowie die Investitionsverpflichtung kennt, weiß natürlich, worauf er anspielt. Auch hier wurden die potentiellen Mehreinnahmen für den Staat durch eine Steueranreizmodell immer wieder beschrieben. Bei 99% der Deutschen dürfte allerdings nur ankommen, die Filmleute sind vollkommen losgelöst von der Realität.
Warum sollten George Clooney, Brad Pitt oder Tom Cruise nach Deutschland gelockt werden, wenn selbst die UEFA die Verspätungen der Deutschen Bahn als großes Ärgernis bei der Fußball-WM der Männer kritisierte. Und das Land Berlin bei Schulen, Lehrern und dem Kinder- und Jugendsport kürzen muss?
Die teure Kampagne der Filmwirtschaft zur Werbung für die Reform hatte einen schlechten Start. Oder ging eher nach hinten los. Sie zeigt, wie nervös die Branche ist. Dabei geht es voran. Das FFG wurde Ende Mai von der Regierung gebilligt und geht in die parlamentarische Beschlussfassung. Die Einwände der Verbände zum Referentenentwurf vom Februar wurden kaum berücksichtigt. Und auch der Wunsch der Länder fand bei der BKM kein gehör, die FBW-Gutachten in der kriteriengestützten Referenzfilmförderung zu belassen. Claudia Roth setzte den Weg ihrer Vorgängerin fort und tut alles, um das Urteil von Dritten über die deutsche Filmproduktion aus dem Gesetz zu streichen.
Steueranreizmodell auf der Zielgeraden?
Im September sollen nun die Gesetzgebungsverfahren für das Anreizmodell und die Investitionsverpflichtung beginnen. Der Referentenentwurf wird an die Branchenverbände geschickt. Das Anreizmodell ist auch Teil der Wachstumsinitiative für die deutsche Industrie, die die Ampel im Zuge der Einigung über die Grundzüge des Bundesetats Anfang Juli verkündete.
Christian Lindner hat offenbar seine Bedenken ad acta gelegt – wobei er ja ein wenig nach dem Motto agiert, nach mir die Sintflut. Mit den Einbußen bei den Einkommens- und Körperschaftssteuern durch das Steueranreizmodell muss sein Nachfolger klarkommen.
Der anschließende Zeitplan für die Diskussion ist sportlich. Zum Anreizmodell gibt es zumindest einen in der Bund-Länder Arbeitsgruppe abgestimmten neuen Entwurf, der allerdings weder von den für das Gesetz zuständigen Senator*Innen oder Minister*Innen der Länder abgesegnet ist. Der Entwurf weicht wohl von der hälftigen Finanzierung durch beide Seiten ab, wie sie
Ursprungstext aus dem Hause BKM im Februar vorgesehen war. Im Gespräch ist wohl ein Modell, dass die unterschiedlichen Strukturen in den einzelnen Ländern berücksichtigt. Denn nach dem Königsteiner Schlüssel müssten Bayern und Niedersachsen ungefähr die gleichen Verluste schultern. In Bayern sind die Einnahmen aus der Filmbranche aber viel höher, weil hier viele Firmen ihren Sitz haben und Kreative Steuern zahlen.
30% Steueranreiz alleine reicht nicht
Die zweite wichtige Frage bleibt, wie die regionale Vielfalt auf der filmischen Landkarte bewahrt werden kann. Hier darf man auf eine Lösung gespannt sein. Denn auch hier denkt das Gesetz zu kurz. Andere Länder wie Spanien gewähren weitere Boni, wenn in abgelegenen Regionen gedreht wird. Doch die BKM will nicht über die 30% Rabatt hinausgehen. Mit diesem Satz wird die deutsche Filmindustrie aber weder die hiesigen Produktionen zurück ins Land holen, und es wird auch schwer, Hollywood ins Land zu locken. Denn andere Länder bleiben günstiger. Rumänien, Ungarn oder Polen mit dem Rabatt in gleicher Höhe bei niedrigeren Löhnen. Österreich, das mit Boni über den 30prozentigen Steuerrabatt hinaus für Green Shooting oder die Mitwirkung von Frauen in Schlüsselpositionen punktet.
We agree to disagree
Also braucht es die Investitionsverpflichtung, um zumindest die einheimischen Produktionen im Land zu halten. Die Fronten in der Diskussion um das Gesetz zwischen den potenziellen Zahlern (Fernsehsender, Streamingdienste) und den Produzenten haben sich kaum angenähert. Wobei selbst bereits gefundene Einigungen wieder von den deutschen Produzenten in Frage gestellt werden. Bei der vorherigen Novellierungsrunde des FFG gab es eine Einigung über die Einbeziehung der Streamer als Einzahler in das System, dazu gehört natürlich auch eine Bemessungsgrundlage. Die FFA meldet die pünktliche Zahlung der Beiträge. Aber offenbar wird diese Einigung jetzt wieder in Frage gestellt.
Der Knackpunkt bleibt der zwingende Rechterückbehalt zu Gunsten der Produzenten, in dessen Ablehnung sich alle Auftraggeber einig sind. Die Produzentenallianz argumentiert zwar, dass Steuern für Rechtedeals dann in Deutschland und nicht mehr in den USA anfallen würden. Das ist sicher richtig, aber letztlich nur ein Nebeneffekt. Im Kern geht es um die Stärkung der Eigenkapitalbasis der Produzenten.
Produktionsverschiebung von ARD zu privaten Sendern und Streamern
Sowie den Ausgleich des Wegfalls der ARD als größten Auftraggeber. Knapp 900 Millionen Euro investiert der Senderverbund momentan in fiktionale Produkte, in den kommenden Jahren werden es rund 10% weniger sein. Auch weil sich abzeichnet, dass die Länder nicht der Empfehlung der KEF zur Gebührenerhöhung folgen werden. Auffangen sollen das Produktionsvolumen die privaten und Bezahlsender sowie die Streamingdienste.
Mögliche Klagen gegen das Gesetz stehen im Raum, die dann wohl bis zum europäischen Gerichtshof gehen werden. Seit Jahren heißt es immer wieder, dass Juristen die entsprechende Regelung in Frankreich kritisch sehen. Bekommen die Kläger recht, hätte Deutschland mit seinem Starrsinn, nur die Position der einen Seite zu sehen, der gesamten europäischen Filmindustrie einen Bärendienst erwiesen. Vor allem jenen elf Ländern plus der Schweiz, die sich mit einer Investitionsverpflichtung von bis zu 5% zurückgehalten haben und einen Aufschwung der Produktion verzeichneten.
Verlierer der Reform stehen fest
Die Verlierer der großen Filmreform von Claudia Roth stehen bereits fest. Die Kurzfilmbranche wird weiterhin nur mit Brotkrumen abgespeist, obwohl sie bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes und Annecy die deutsche Präsenz rettete. Aber Qualität spielt in der gesamten Diskussion keine Rolle. Es muss gedreht werden, egal, ob das Produkt auch nur einen Zuschauer hinter dem Ofen vorlockt.
Unklar ist auch, ob es mehr Geld für die Kinoförderprogramme geben wird, die bislang ja noch nicht mal bekannt sind. Wobei es nur um die Erhaltung geht, nicht um den Wiederaufbau von Strukturen, insbesondere im Osten Deutschlands. Die Treuhand-Privatisierungspolitik hinterließ hier eine Trümmerlandschaft, 80% der Kinos machten dicht, Von diesem Exodus hat sich die Kinolandschaft nie erholt, für mehr als 90% der deutschen Filmproduktion findet sich nur in einigen ostdeutschen Groß- und Universitätsstädten ein Filmtheater. Daher wird wohl auch ein Aufschrei des Publikums ausbleiben, wenn nach den kommenden Wahlen die AfD die Filmförderung auf Null setzen würde. Einen entsprechenden Antrag gab es gerade in Bayern.
Filmerbepakt steht vor dem Aus
Niemand weiß auch, wie sich die Regierungsbildung in den drei Ländern gestaltet, in denen im Herbst gewählt wird, und was dies für die Zustimmung zu den drei Gesetzen zur Filmreform im Bundesrat bedeuten könnte. Es könnte sich rächen, dass Claudia Roth mehr als drei Jahre brauchte, um den grundsätzlichen Beschluss im Koalitionsbeschluss in ein Gesetz zu gießen. Ein weiterer Kollateralschaden deutet sich unterdessen an. Mehrere Länder überlegen, die 2019 zwischen Bund und Ländern gefundene Vereinbarung zur Digitalisierung des Filmerbes zu kündigen. Und ganz nebenbei ist nicht sicher, ob auch nur ein Hollywood-Film von der Donau an die Spree gelockt werden kann. In Ungarn sind die deutschen Pläne kein Thema.
Katharina Dockhorn