»Leere Netze«, »Poor Things« und »The Palace« heute neu im Kino 2024
In der letzten Woche hatten wir mit "ORCA" einen iranischen Film aus 2021 als Kinopremiere angekündigt, der allerdings nur in wenigen Kinos anlief. Mit "LEERE NETZE" folgt auch in dieser Woche ein weiterer iranischer Film, der von der Deutschen Film- und Medienbewertung sogar mit Prädikat ausgezeichnet wurde.
"LEERE NETZE" ist ein Filmdrama von Behrooz Karamizade.
Das Langfilmdebüt des deutsch-iranischen Filmemachers feierte Ende Juni 2023 beim Filmfest München Premiere und wurde anschließend auf den internationalen Filmfestivals von Karlsberg und Locarno gezeigt. Die Tragödie erzählt die Liebesgeschichte eines jungen Paares im Iran, das aus unterschiedlichen Gesellschaftsklassen kommt. (Deutschland / Iran 2023, 102 Min.) Mit Hamid Reza Abbasi, Sadaf Asgari, Keyvan Mohammadi u.a. ab 18. Januar 2024 in ausgesuchten deutschen Kinos, eine Freigabe des Films im Iran ist nicht in Sicht.
Hier der Trailer:
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"POOR THINGS" Fantasy-Komödie des griechischen Regisseurs Yórgos Lánthimos über das unschuldige Kind Bella, einem künstlich erschaffenem Monster - oder die urkomische Groteske der weiblichen Emanzipation. (Irland / USA / Großbritannien, 2023, Gewinner des Goldenen Löwen in Venedig; 141 Min.) Mit Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe ab 18. Januar 2024 überall im Kino.
Hier der Trailer:
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"THE PALACE" Tragikomödie von Roman Polanski über den ausgelassenen Jetset am Silvesterabend 1999 in einem Schweizer Nobelhotel. (Polen / Italien / Schweiz / Frankreich, 2023; 100 Min.) Mit Oliver Masucci, John Cleese, Fanny Ardant, Milan Peschel, Mickey Rourke u.a. ab 18. Januar 2024 im Kino.
Hier der Trailer:
"LEERE NETZE" ist ein Filmdrama von Behrooz Karamizade.
Das Langfilmdebüt des deutsch-iranischen Filmemachers feierte Ende Juni 2023 beim Filmfest München Premiere und wurde anschließend auf den internationalen Filmfestivals von Karlsberg und Locarno gezeigt. Die Tragödie erzählt die Liebesgeschichte eines jungen Paares im Iran, das aus unterschiedlichen Gesellschaftsklassen kommt. (Deutschland / Iran 2023, 102 Min.) Mit Hamid Reza Abbasi, Sadaf Asgari, Keyvan Mohammadi u.a. ab 18. Januar 2024 in ausgesuchten deutschen Kinos, eine Freigabe des Films im Iran ist nicht in Sicht.
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Reginas Filmkritik:
Ein junges Paar auf einem Motorrad - ausgelassen, verliebt und glücklich. Eine der wenigen optimistischen Szenen in dem Debütfilm "Leere Netze" - Nardes und Amir leben im Iran.
Regisseur Behrooz Karamizade erzählt anhand einer Liebesgeschichte von den Problemen der jungen Menschen im Iran. Etwa 60 Prozent der 86 Millionen Einwohner sind jünger als 30 Jahre. Der Film gibt Einblicke in die erstarrten Strukturen der Gesellschaft, in ein Mullah-Regime, geprägt durch Verbote, Konventionen und Korruption.
Behrooz Karamizade, Regisseur
„Es war für mich sehr wichtig, einen Film über die jungen Menschen im Iran zu machen, weil es aus meiner Sicht die soziale Gruppe ist, die den größten und bedeutendsten Problemen gegenübersteht. Und ebenso wichtig wie diese Probleme selbst ist der schiere Mangel an Zukunftsperspektiven, mit dem diese Generation konfrontiert ist. Denn was ist schlimmer als keine Perspektive zu haben, nicht träumen zu können?“
Karamizade immigrierte 1984 mit seinen Eltern über die ehemalige Sowjetunion und DDR nach Deutschland, da war er sieben Jahre alt. Doch es zog ihn auf Reisen immer wieder zurück in seine Heimat, so lernte er die Verwandtschaft kennen - die Cousinen und Cousins, seine Generation - er erlebte ihre Sorgen und Konflikte hautnah mit. Sanktionen und gesellschaftliche Restriktionen bestimmen den Alltag im Iran, selbst für gut ausgebildete junge Menschen ist es im Land nahezu unmöglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Die Handlung des Films ist einfach, Karamizade erzählt sie chronologisch, ohne Schnörkel. Amir (Hamid Reza Abbasi) und Narges (Sadaf Asgari) üben ein ständiges Versteckspiel. Unverheiratete Paare können sich nur heimlich treffen, bereits eine harmlose Berührung in der Öffentlichkeit bedeutet einen Regelverstoß gegen die konservativ-islamische Moral.
Die Beiden wollen heiraten, das würde ihre Probleme lösen. Doch die iranische Tradition fordert vom Bräutigam einen Brautpreis, den hat Nardes Vater so hoch angesetzt, dass eine Hochzeit fast aussichtlos erscheint. Ohnehin hat er bereits einen wohlbetuchten Brautwerber aus Teheran für seine Tochter auserkoren.
Nardes stammt aus einer gutsituierten Familie, während Amir mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen lebt. In der Hoffnung, die Klassenunterschiede mit harter Arbeit überwinden zu können, heuert er bei einer Fischerei an der Küste des Kaspischen Meeres an. Dort ist Amir bald in illegale Machenschaften verwickelt: Kaviar-Wilderei, eine verlockende zusätzliche Einnahmequelle.
Das Drehbuch zu "Leere Netze" schrieb Behrooz Karamizade vor dem gewaltsamen Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei im September 2022. Ihr Tod löste eine Protestbewegung im Iran aus, besonders die junge Generation lehnte sich auf, es gab Massendemonstrationen gegen das restriktive Mullah-Regime.
Behrooz Karamizade
„Die aktuellen Proteste haben die jungen Menschen im Iran ins internationale Rampenlicht gerückt, doch ihre Probleme bleiben nach wie vor strukturell verankert und außerordentlich komplex: Eine immense Arbeitslosigkeit, die mit einer katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung einhergeht. Eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Und Restriktionen, die vor allem Frauen und Liebespaare wie Amir und Narges dazu bringen, das Gesetz zu brechen.“
Der Film schildert in sparsamen Dialogen die schleichende Veränderung von Amir. Anfangs optimistisch und rechtschaffen, gerät er durch seinen unbedingten Wunsch, das Brautgeld aufzubringen, immer tiefer in einen Strudel der Kriminalität. Gleichzeitig entfernt er sich, ohne es zu wollen, zunehmend von einem Leben mit seiner Nardes.
Behrooz Karamizade
„Ich wollte den folgenden Fragen auf den Grund gehen: Wie ist es, in einer Gesellschaft zu leben, in der man selbst für die vermeintlich "einfachsten" Dinge kämpfen muss? Was macht dieser tägliche Kampf mit den Menschen, wie verändert sich dadurch ihr Charakter, ihre Auffassung von Moral?“
In einer intensiven, poetischen Bildsprache schildert Karamiziade das Leben im Iran. Zu Beginn sind es noch lichte, heitere Szenen, wenn das Liebespaar sich trifft, doch im Verlauf der Handlung werden die Farben düsterer, das Meer grauer und bedrohlicher. Beeindruckend, wie der Film in detaillierten Aufnahmen die harte Realität und das Milieu der Fischer am kaspischen Meer zeigt: eine hierarchische Männerdomäne, in der Ausbeutung und Betrug den Alltag prägen, für Karamizade auch eine Parabel auf die iranische Gesellschaft.
Behrooz Karamizade
„Die Welt der Fischerei ist für mich ein Gleichnis für die Unterdrückung der Schwachen - ein ungerechtes und ausbeuterisches Parallelsystem, in dem kriminelle Wilderer rücksichtslos Jagd auf die vom Aussterben bedrohten Störe machen, um mit dem kostbaren Kaviar zu handeln. Ich sehe in den Netzen und den Fischen, die darin zappeln, eine bildliche Metapher für das Leben der Menschen im Iran - insbesondere der jungen Generation: Die täglichen Probleme, Einschränkungen und Hoffnungslosigkeit wickeln sich um diese jungen Menschen wie ein feinmaschiges Netz. Wie gefangene Fische winden sie sich darin und versuchen, nach Luft zu schnappen.“
"Leere Netze" ist der erste Langfilm des Regisseurs Behrooz Karamizade. An der Kunsthochschule Kassel studierte er Filmregie, mit seinem Abschlussfilm "Bahar im Wunderland" nahm er an über 150 Filmfestivals teil und gewann etliche Preise. Sein Skript für "Leere Netze" wurde bereits 2021 mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnet.
Die Dreharbeiten fanden dann zwischen Oktober und Dezember 2021 im Iran statt, ausschließlich mit iranischen Schauspielern. Es war schwer, eine Drehgenehmigung im Iran zu bekommen, das Skript musste beim Kulturministerium vorgelegt werden. Lange gab es keine Antwort, doch der iranische Koproduzent des Films konnte schließlich nach beharrlichem Einsatz die Erlaubnis zum Dreh erwirken. Heute im Zuge der verschärften Restriktionen wäre das nicht mehr möglich.
An der Kamera stand Ashkan Ashkani, der langjährige Kameramann des bekannten Regisseurs Mohammad Rasoulof. Er schuf beeindruckende Bilder, sie spiegeln die Stimmung der Protagonisten und des Landes unmittelbar visuell wider.
Behrooz Karamizade
„Mein Ziel als Filmemacher ist es, gesellschaftlich relevante Geschichten zu erzählen, die durch die Kraft der Bilder transportiert werden. Für mich dienen die Handlung und alles andere dazu, die Geschichte voranzutreiben, aber die größte Wirkung auf die Zuschauenden sollen die Bilder haben. In Ashkan Ashkani habe ich einen starken Partner an meiner Seite gefunden, der die gleiche Liebe zum Kino mitbringt wie ich selbst. Für mich ist er ein Denker und ein Dichter, der in Bildern denkt.“
Gefördert wurde "Leere Netze" unter anderem von der hessischen Filmförderung, Arte und dem ZDF. Seit seiner Weltpremiere beim Filmfest München im Juni 2023 tourt der Film mit Erfolg auf internationalen Festivals und wurde mehrfach ausgezeichnet.
"Leere Netze" ist ein starkes Debüt. Der Film vermittelt intensive Einblicke in die heutige iranische Gesellschaft und bringt dem Zuschauer die Situation der jungen Iranerinnen und Iraner plastisch nah. Er zeigt uns eine Generation, die auf eine Zukunft in Freiheit hofft und zugleich in den Fesseln restriktiver Konventionen gefangen ist.
Zwei Sätze gegen Ende des Films drücken die Gefühle der Jugend im Iran unmittelbar aus. Omid, ein Journalist, der wegen Berufsverbot und Verfolgung auch bei den Fischern arbeitet, spricht sie aus, er sagt über seine Heimat:
„Dieses Land besteht nur aus Sackgassen. Du kannst nichts von dem tun, was Du Dir wünschst."
Regina Roland (filmkritik-regina-roland.de)
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"POOR THINGS" Fantasy-Komödie des griechischen Regisseurs Yórgos Lánthimos über das unschuldige Kind Bella, einem künstlich erschaffenem Monster - oder die urkomische Groteske der weiblichen Emanzipation. (Irland / USA / Großbritannien, 2023, Gewinner des Goldenen Löwen in Venedig; 141 Min.) Mit Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe ab 18. Januar 2024 überall im Kino.
Hier der Trailer:
Elisabeths Filmkritik:
Bella Baxter (Emma Stone) ist das arme Wesen, dass erst lernen muss, Besteck zu gebrauchen. Wie eine Ente watschelt sie durch das Herrenhaus ihres Ziehvaters, Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe). Der heißt nicht zufällig so. Er trägt den Schöpfer, Gott, im Namen, und ist entstellt, während sie die Schöne und die Unschuld ist. Nur eben noch ganz un-erzogen und Kind-gleich.
Dennoch lebt dieses Wesen im Körper einer erwachsenen Frau. Trotz einer Kamera, die hier zu Beginn einen subjektiven, wenn nicht gar verzerrten Blick auf den Raum gibt, der hier zum Ausgangspunkt von Bella Baxters Geschichte wird, bemerkt man, dass so einiges seltsam ist. Als hätte man Körperteile auseinandergenommen und sie nicht wieder "richtig" zusammensetzen können. Doch in der Veränderung liegt der Schlüssel zu neuen Erkenntnissen. Bella ist sich zuerst nur "Gott" bewusst, der sie, zugegeben mit viel Hingabe und auch Zärtlichkeit, zu erziehen trachtet. Dafür holt er auch einen Assistenten (Ramy Youssef) ins Haus, der ihre Entwicklung minuziös protokollieren soll.
Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos galt 2009 mit seinem Film "Dogtooth" als Entdeckung. Mit "The Lobster", Untertitel "Hummer sind auch nur Menschen", eine skurrile Verwandlungsfantasie, etablierte sich Lanthimos im Arthouse-Bereich. Weit zugänglicher war sein Porträt von Queen Anne in "The Favourite - Intrigen und Irrsinn", der Humor mit Traurigkeit (oder umgekehrt) zu verbinden wusste. Neben zahlreichen Auszeichnungen konnte "The Favourite" in seinem Jahrgang fast alle Europäischen Filmpreise für sich verbuchen. Bereits hier hatte Lanthimos Emma Stone eine Nebenrolle gegeben. Dass weit mehr in ihr steckt, beweist sie mit "Poor Things". Womit Lanthimos für Emma Stone wohl genauso gern ein Dr. Baxter wäre.
Emma Stones Bella, ein frankensteinisches Geschöpf, saugt Wissen auf, wie ein verdorrter Schwamm. Vor unseren Augen erstrahlen ihre Augen, wann immer sie etwas entdeckt. Abgeschottet von der Welt, will sie hinaus aus dem Herrenhaus. Einmal hinausgekommen, kann man sie nicht mehr halten.
Mitnichten begnügt sie sich mit einem Assistenten. Sie lernt den Lebemann Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) kennen und brennt mit ihm durch. Noch ein Mann, der sie formen will nach seinem Ermessen und noch ein Mann, dessen Fassade sie einreißt, dessen Charakter sie entlarvt und den sie an sich selbst zerbrochen zurück lassen wird.
Konventionen und Gepflogenheiten, die guten Sitten und die Regeln des Zeitalters, hier die Viktorianische Zeit, gelten aus der Sicht eines Wesens, das frei von all diesen Hemmschuhen sich aus sich heraus entwickelt hat, nichts. Das darf man sich mal vorstellen. Natürlich entdeckt sie auch ihren Körper. Und was man damit anstellen kann. Und sie hat Freude daran. London hat sie da schon längst verlassen und nachdem sie über die Meere geschippert ist, landet sie dort, wo böse Mädchen weiterkommen. Es ist ein Spaß.
Yorgos Lanthimos hat sich für "Poor Things" das Buch des Schottischen Autors Alasdair Gray vorgenommen. Sein Roman "Arme Dinger: Episoden aus den frühen Jahren des schottischen Gesundheitsbeamten Dr. med Archibald McBandless", ursprünglich 1992 veröffentlicht und 2000 auch auf Deutsch übersetzt, ist die Vorlage, aus der Lanthimos zusammen mit dem australischen Drehbuchautoren Tony McNamara, der auch schon für "The Favourite" verantwortlich war, dem Kanon der Frankenstein-Adaptionen ein neues Kapitel hinzufügt.
Bella weiß zuerst nichts von ihrer Herkunft. Aber Herkunft ist hier nur ein weiterer Puzzlestein im großen Ganzen. Bella auf ihrer Reise zur Selbstermächtigung und Erkenntnis zu begleiten ist das eine. "Poor Things", den man gerne mehrmals anschauen möchte, um mehr und mehr der Referenz- und Zitat-Kaskaden einfangen zu können, handelt von der Lust an der Erforschung und der Freunde am Wissen. Das ist in einer vermehrt wissensfeindlichen Mainstreamzeit schon mal außergewöhnlich. "Poor Things" funktioniert als Komödie genauso gut, wie auf der Metaebene, die die Vorlagen aufgreift und das Publikum damit anlockt.
Aber machen wir uns nichts vor. Es ist ein männlicher Blick, der hier Bella Baxter ein- und vorführt. Bella hält in ihrer offenen und ehrlichen Art und ohne Worte zu verklausulieren den anderen Figuren zwangsläufig den Spiegel vor. Das filmische Geschöpf aus Vorlage, Umsetzung und Inszenierung wiederum sollte nun uns den Spiegel vorhalten. Nur Bedenken kommen hier nicht auf. Wissen ist Lust, Lust ist gut. Bella optimiert sich ohne auch nur einmal auf die Bremse zu treten. Da lässt der Film keinen Raum mehr übrig, etwas Zweifel ist also schon angebracht.
"Poor Things" feierte seine Premiere 2023 auf den Internationalen Filmfestspielen von Venedig und gewann dort prompt den »Goldenen Löwen« als besten Film. Seitdem sammelt auch dieser Film in allen darstellerischen als auch künstlerischen Gewerken die Preise ein. Damit gilt "Poor Things" als einer der besten und wichtigsten Filme des Kinojahres 2023 mit hohen Chancen auf einen der vorderen Plätze bei der Bekanntgabe der Nominierungen am 23. Januar 2024. Verliehen werden die 96. OSCARS® am 10. März 2024.
Elisabeth Nagy
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"THE PALACE" Tragikomödie von Roman Polanski über den ausgelassenen Jetset am Silvesterabend 1999 in einem Schweizer Nobelhotel. (Polen / Italien / Schweiz / Frankreich, 2023; 100 Min.) Mit Oliver Masucci, John Cleese, Fanny Ardant, Milan Peschel, Mickey Rourke u.a. ab 18. Januar 2024 im Kino.
Hier der Trailer:
Unsere Kurzkritik:
Eine aktuelle Meldung vom Wirtschaftsgipfel 2024 in Davos, die uns heute Abend erreichte, bewog uns doch noch Polanskis Reichensatire zu besprechen, auch wenn das Werk des inzwischen 90-jährigen Regisseurs nicht mehr die bissige Qualität seiner früheren Schaffensperiode erreicht.
"Beim 54. Meeting des World Economic Forums, das vom 15.-19. Januar 2024 in Davos mit über 100 Regierungen und ihren Staatschefs stattfindet, sind am Abend alle verfügbaren Prostituierten ausgebucht", heißt es in den Nachrichten.
Ähnlich geht es auch am Silvesterabend 1999 im Film "The Palace" zu, den Polanski nach einem Drehbuch seines polnischen Kollegen Jerzy Skolimowski im gleichnamgen Schweizer Nobelhotel von Gstaad inszeniert hat. Polanski hatte dort vor mittlerweile 24 Jahren selbst ausgiebig gefeiert und konnte sich wohl an einige skurrile Momente wie einen befürchteten Computerausfall zum Jahrtausendwechsel gut erinnern, bei dem einige Gäste sogar an den Weltuntergang glaubten.
Eigentlich bietet die Dekadenz der Eliten und oberen Zehntausend ein dankbares Sujet für einen makabren Filmstoff, wie es z.B. vorletztes Jahr der Schwede Ruben Östlund in "Triangle of Sadness" vormachte und damit die »Goldene Palme« von Cannes 2022 gewann.
Doch Polanskis Gags erinnern eher an Altherrenhumor, womit er weder beim Filmfestival von Venedig die Kritiker überzeugen konnte noch intellektuelles Publikum in den Kinos erreichen wird. Zudem gib es mit stark überzeichneten Schauspielern wie Mickey Rourke kaum überzeugende Darsteller, die den Film hätten retten können, vielmehr erscheint jeder erdenkliche Stereotyp vertreten zu sein.
Einzig die real stattgefundene TV-Silvesteransprache eines angetrunkenen Boris Jelzin, bei der er sei Präsidentenamt temporär an den jungen Ministerpräsidenten Wladimir Putin übergibt, ist eine witzige Idee im Film, die manch einen Zuschauer vielleicht zum Schenkelklopfen aufmuntern wird. Doch insgesamt überzeugt das Werk wenig und dürfte kaum mehr als Fans vom Blödelbarden "Otto" ansprechen.
W.F.