Lage der Film- und Fernsehbranche trübt sich dramatisch ein
Herbstumfrage 2023 der Produzentenallianz: Mehr als die Hälfte aller Produktionsunternehmen beurteilt die wirtschaftliche Lage als schlecht oder sehr schlecht. Lediglich 4 Prozent schätzt die Lage als gut oder sehr gut ein. Im Jahr 2022 waren es noch 23 Prozent.
Zur Produzentenallianz
Die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen (kurz: Produzentenallianz) ist die unabhängige Interessenvertretung der Produzent:innen in Deutschland von Film-, Fernseh- und anderen audio-visuellen Werken. Sie repräsentiert mit rund 340 Mitgliedern aus den Bereichen Animation, Dokumentation, Entertainment, TV-Fiction, Kino und Werbung die wichtigsten Produktionsunternehmen und ist damit die maßgebliche Produzentenvertretung in Deutschland. Im nationalen und internationalen Rahmen tritt die Produzentenallianz gegenüber Politik, Verwertern, Tarifpartnern und allen Körperschaften der Medien- und Kulturwirtschaft für die Belange der Produzent:innen ein.
Björn Böhning,
CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produzentenallianz:
Link: www.produzentenallianz.de
Katharina Dockhorns Bericht
von einer ZOOM Livekonferenz am Montag, 04.12.2023, mit Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produzentenallianz.
Jammern gehört zum Produzentenhandwerk
Der deutschen Film- und Fernsehwirtschaft geht es schlecht. Wann nicht, mögen sich langjährige Beobachter der öffentlichen Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte fragen. Daher droht auch jetzt, wo es wirklich ernst wird, dass Politiker die Klagen nicht ernst nehmen und den Fehler wiederholen, den sie beim Studio Babelsberg machten. Jahrelang winkten Politiker und Beamte in Brandenburg und auf Bundesebene die Bitten der Eigentümer Christoph Fisser und Charlie Woebcken nach einem konkurrenzfähigen Steueranreizmodell ab. Daraufhin verkauften die beiden die Filmateliers in Babelsberg an ein amerikanisches Studio – welches bisher die denkmalgeschützten Hallen in Babelsberg nicht nutzt und leer stehen lässt.
Ganz so düster sind die allgemeinen Aussichten noch nicht, doch die dunklen Wolken ziehen sich über der Branche zusammen. Da ist die Drohung aller Medienpolitiker auf Landesebene, die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der kommenden Periode nicht anzuheben. Das zwingt die Sender schon jetzt zu sparen. Und sie fangen damit an. Natürlich bei halbwegs variablen Kosten, sprich fiktionalen und dokumentarischen Auftragsproduktionen. Den Firmen bricht der wichtigste Auftraggeber weg. Auch die KEF-Empfehlung zur Gebührenerhöhung hilft ihnen nicht wirklich weiter. Die Behörde zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD, ZDF und DLF geht von einer Inflationsrate von 2% aus – die Firmen stehen aber von einer inflationsbedingten Teuerung von 7%.
Fragwürdiges Argument Hollywood-Streik
Sky stellt die deutsche Produktion ein, Netflix, mittlerweile Auftraggeber von rd. 10% der einheimischen Serien und Filme, fährt sein Engagement zurück. Die Unsicherheiten in der deutschen Wirtschaft schlagen auf die Werbung durch. Auch hier gibt es massive Auftrags- und damit Umsatzrückgänge.
Bleibt der Film, das verhätschelte Kind. Die Mittel der Deutschen Filmförderfonds DFFF1 und DFFF2 sowie des German Motion Picture Fund (GMPF) wurden in diesem Jahr nicht ausgeschöpft, der Gesetzgeber fuhr die Mittel für 2024 auf diesem Niveau ein. Offenbar glauben die Abgeordnete dem Argument nicht, der Streik in Hollywood habe Auswirkungen auf das Produktionsgeschehen in Deutschland. Sie erinnern sich eher, dass „Im Westen nichts Neues“ in Tschechien gedreht wurde. Und wo sind die Filme und Serien, die in großem Maßstab in dem vergangenen Jahr hier entstanden?
Es sind eher Einzelstücke wie der fünfte Teil von „Tribute von Panem“. Wenn Worte der Produzentenverbände jetzt verhallen, rächt sich auch der jahrelange neidische Blick der Branche auf den Erfolg von Babelsberg nach Einführung des DFFF. Dem Studio sprang kaum einer beim Flehen der Politiker bei.
Düstere Aussichten?
Die Fakten sind alarmierend. Nur 4% der Firmen sehen nach einer Erhebung der Produzentenallianz (von 327 angeschriebenen Firmen antworteten 42%) die allgemeine wirtschaftliche Lage der Branche als gut ein, 40% sind eher abwartend, 56% beurteilen sie als schlechter als im Vorjahr. Doch die Stimmung ist wohl schlechter als die wirkliche Lage. Wenn es um das eigene Unternehmen geht, sehen sich 36% gut aufgestellt, 36% sind sich nicht sicher und nur für 29% hat sich die eigene Lage verschlechtert.
Die Aussichten werden allgemein als düster gesehen Bei der allgemeinen wirtschaftlichen Lage der Branche sehen sie nur noch 2% als gut aufgestellt, 43 % antworten mit teils teils, 45% erwarten eine weitere Verschlechterung. Beim eigenen Unternehmen wird dann entweder geschummelt oder die Lage zu optimistisch eingeschätzt. In der eigenen Zukunft sehen sich 30% als gut aufgestellt, 44% sind sich nicht sicher, 26% erwarten eine Verschlechterung.
Pleitewelle oder Marktbereinigung im Wasserkopf
Jetzt rächt sich, dass kaum eine Firma Rücklagen hat bilden können. Und das liegt nicht nur an Corona. Zur Erinnerung: Bei der Einführung des DFFF vor knapp 20 Jahren wurde gejubelt, jetzt hätten die Firmen endlich die Chance, Geld für Investitionen in Neuproduktionen zurücklegen zu können. Die Illusion platzte bald – gegengesteuert hat keiner. Dafür gab es Applaus, wenn KulturstaatsministerInnen regelmäßig den Geldhahn bei DFFF und GMPF ein wenig kräftiger aufdrehten.
Die ersten Firmen machen bereits dicht. Und ein anderes Problem tritt in den Hintergrund. Nur 45% der Firmen beklagen einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, beinahe eine Halbierung im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Der Branche droht allerdings auch eine weitere Abwanderungswelle. In der Tarifrunde mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) will die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V. (Produzentenallianz) bei ihrem nein zu jeglicher Erhöhung der Löhne und Gehälter bleiben.
Ideen für den Weg aus der Krise
Natürlich hat Björn Böhning von der Produzentenallianz Ideen, wie die drohende Pleitewelle bei den ProduzentInnen abgewendet werden könnte. Da ist zunächst die Hoffnung, dass die Haushaltssperre bald aufgehoben wird und es der Ampelregierung auch gelingt, rechtzeitig den Bundeshaushalt 2024 aufzustellen. Das würde den 50 Produktionen helfen, die jetzt in der Luft hängen. Bei einigen ist die erste Klappe bereits gefallen.
Er hofft, dass das Steueranreizmodell doch noch kommt. Eine erste Runde mit den Verantwortlichen für Medien aus den Staatskanzleien der Bundesländer hat gerade stattgefunden. Im Zentrum stand die Frage, auf wessen Kosten die drohenden Steuerausfälle gehen. Dieses Modell sei dem gegenwärtigen Zuschussmodell auch vorzuziehen, da es langfristige Sicherheit bietet und die Produzent*Innen nicht von Jahr zu Jahr planen und um die Finanzierung ihrer Projekte bangen müssen.
Rechtestock als Allheilmittel?
Als weiteren Schlüssel sieht er, dass der Gesetzgeber endlich Hebel einbaut, damit die Verantwortlichen in den Mitgliedsfirmen einen Rechtestock aufbauen können, der sie wirtschaftlich sicherer aufstellt. Was nebenbei immer wieder versprochen wird. Es müsste dann aber auch eine Nachfrage nach ihren Filmen und Serien geben – und dieser Spagat ist in Deutschland vor allem zwei Urgesteinen der Branche gelungen: Horst Wendlandt und Atze Brauner. Ihre umsatzkräftigsten Filme produzierten sie in einer Zeit, als es noch keinerlei Filmförderung gab und alleine der Publikumszuspruch entschied, ob das Geld für den nächsten Film da ist.
Dafür müsste es aber auch weiter Kinos geben. Dass der Mittelstand und das Arthouse-Kino in der Kinolandschaft im Osten des Landes weitgehend fehlt und Millionen Menschen seit Jahrzehnten vom Weltkino abgeschnitten sind, hat keinen gestört. Jetzt ist auch die Zukunft der gesamten Filmlandschaft des Landes gefährdet, zum einen, wenn der deutsche Film fehlen würde, der sich immer als Motor des Zuspruches sieht. Und zum anderen, weil die BKM auch beim Zukunftsprogramm Kino den Rotstift angesetzt hat. Hier zumindest verspricht Björn Böhning den Schulterschluss, um gemeinsam mit den Kinoverbänden Nachbesserungen zu erreichen.
Katharina Dockhorn
Zur Produzentenallianz
Die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen (kurz: Produzentenallianz) ist die unabhängige Interessenvertretung der Produzent:innen in Deutschland von Film-, Fernseh- und anderen audio-visuellen Werken. Sie repräsentiert mit rund 340 Mitgliedern aus den Bereichen Animation, Dokumentation, Entertainment, TV-Fiction, Kino und Werbung die wichtigsten Produktionsunternehmen und ist damit die maßgebliche Produzentenvertretung in Deutschland. Im nationalen und internationalen Rahmen tritt die Produzentenallianz gegenüber Politik, Verwertern, Tarifpartnern und allen Körperschaften der Medien- und Kulturwirtschaft für die Belange der Produzent:innen ein.
Björn Böhning,
CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produzentenallianz:
„Wir sehen eine dramatische Eintrübung der konjunkturellen Lage der Filmwirtschaft. Die Produzentenallianz fordert mit Nachdruck 3 Säulen aus Investitionsverpflichtung einschließlich Rechterückbehalt, einem international wettbewerbsfähigen Steueranreizmodell und der zügigen Reform des Filmfördergesetzes."
Link: www.produzentenallianz.de