Stolzer Blick zurück, Unklarheit über die Zukunft - »100 Jahre SPIO«
Die Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft feierte ihren 100. Geburtstag mit Festakt im CineStar Cubix-Kino am Berliner Alexanderplatz.
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums gratulierten Robert Habeck und Claudia Roth persönlich der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, die als erster Dachverband Deutschlands die unterschiedlichen Interessen der am Film beteiligten Kräfte – von den Produzenten bis zu den Weltvertrieben eint.
Über die SPIO:
Die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V., kurz SPIO, wurde 1923, an der Schwelle vom Stumm- zum Tonfilm, als Dachverband der Produktions-, Verleih- und Kinowirtschaft in Berlin gegründet. Bis heute vertritt sie 16 Berufsverbände der Sparten Filmproduktion, Filmverleih, Filmtheater und Audiovisuelle Medien, die insgesamt über 1.400 Mitgliedsfirmen repräsentieren. Damit stellt die SPIO eine der wichtigsten Stimmen in der deutschen Filmwirtschaft dar. Die SPIO engagiert sich als Gründungsmitglied des DFF – Deutsches Filminstitut und Filmmuseum, als Gründerin der Friedrich-Wilhelm-Murnau Stiftung und ist Trägerin der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK), die für eine altersgerechte Kennzeichnung von Filmen und digitalen Bildträgern zuständig ist. Seit 1950 ist die SPIO darüber hinaus Veranstalterin des Deutschen Filmballs, zu dem sich alljährlich das Who is Who des deutschen Films versammelt.
Link: www.spio.de
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums gratulierten Robert Habeck und Claudia Roth persönlich der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, die als erster Dachverband Deutschlands die unterschiedlichen Interessen der am Film beteiligten Kräfte – von den Produzenten bis zu den Weltvertrieben eint.
Bericht von Katharina Dockhorn
Der Film und die Filmindustrie Deutschlands seien systemrelevant, lobte Christian Sommer, Präsident der SPIO, der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft, die eigene Rolle.
Seit 1923 vertritt die SPIO – mit einer Pause zwischen 1933 und 1950 – die Interessen aller großen Verbände der Branche. Ziel sei es dabei immer, einen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten zu finden, so Sommer. Innerhalb der laufenden Diskussionen um die Gestaltung der Zukunft der deutschen Filmförderung habe man sich bereits auf zwei Prämissen geeinigt. Auch technische Betriebe sollten künftig als Nutznießer in das System eingebunden werden. Außerdem soll das Investitionsfördermodell mit den Regelungen im Filmfördergesetz austariert werden. Dessen Neufassung ist zum 1. Januar 2025 fällig.
Robert Habeck in Bestfassung
Claudia Roth versprach erneut eine Revolution, kein Reförmchen. Konkreter wurde die Ministerin für Kultur und Medien nicht in ihrer Rede zur Feier des 100. Geburtstags der SPIO am 15. November 2023 im Berliner Kino Cubix. Um den Doppelcharakter des Kinos und der Branche als Kultur- und Wirtschaftsgut zu betonen, hatte die SPIO zwei Regierungsmitglieder eingeladen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fand die Worte, die einer Kulturministerin gut zu Gesicht gestanden hätten. Mit Verweis auf Walter Benjamin philosophierte er über den Platz des Films im Zeitalter der unendlichen Reproduzierbarkeit, das Gemeinschaftserlebnis im Kinosaal und die Möglichkeiten der Manipulation des Films. Die Nazis hätten Benjamins Warnung leider eingelöst. „Wir sind als Gesellschaft, was wir uns erzählen“, fasste er zusammen. Der Film, insbesondere der Dokumentarfilm, könne das Schwert der Demokratie sein.
Zum Schluss verwies er noch auf die wirtschaftliche Bedeutung der Filmwirtschaft. 120.000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Branche, sie erwirtschaften einen Umsatz von 8,6 Mrd. Euro. Das sei ein entscheidender Beitrag zum Wohlstand des Landes.
Claudia Roth mahnt Engagement gegen Antisemitismus an
Claudia Roth hatte es nach dieser fulminanten Rede schwer. Sie ließ 100 Jahre Geschichte der SPIO und des deutschen Films Revue passieren, und lobte insbesondere die 1920-er Jahre. Sie erinnerte an die Anfänge nach dem 2. Weltkrieg in den drei westlichen Besatzungszonen und die Rolle von Erich Pommer. An den 50. Geburtstag der SPIO, als die Rolle des deutschen Films in den Jahren 1933 bis 1945 in der Festschrift unerwähnt blieb. Triumpf und Schmach seien aber beides Teile der Geschichte, so Roth. Unterschlagen heiße Wiederholen. Sie mahnte insbesondere, dem Antisemitismus nie wieder auch nur einen Millimeter Platz einzuräumen.
Maria Schrader übernahm es, mit Charme an 100 Jahre SPIO Geschichte zu erinnern. Am 26. Oktober 1923 wurde sie von sechs Vereinen gegründet, die Produktion, Verleih, Filmtheater, Ateliers, Werbefilmer und Außenhandel repräsentierten. 2880 Betriebe mit damals 150.000 Mitarbeitern, darunter 30% Frauen, hatte die Branche damals. In rd 3000 Kinosälen konnte das Publikum unter 1100 Titeln wählen, darunter waren rd. 800 deutsche. 1925 ging jeder Deutsche fünfmal im Jahr ins Kino.
Neuanfang im Westen mit einem kleinen Blick in den Osten.
Zu Beginn der 1930-er Jahre zogen sie 240 Millionen Besucher an, bevor die Wirtschaftskrise für einen Einbruch sorgte. Anschließend wurde das Kino auch ein Ort der Ablenkung. 1943 wurden 1,3 Milliarden verkaufte Tickets registriert, ein Rekord, der nie wieder erreicht wurde.
Die Begeisterung hielt nach dem Krieg an. Bis 1956 stiegen die Besucherzahlen stetig. Der erste deutsche Nachkriegsfilme entstand allerdings bei der DEFA, auch daran erinnerte Schrader, bevor sie weitere Meilensteine aufzählte: Die Gründung der Stiftung Künstlernothilfe und des Deutschen Filminstituts 1949 und der Murnau Stiftung in den 1960-er Jahre. Sie verhinderte, dass die Rechte an 4000 vor 1945 in Deutschland entstandenen Filmen in die USA verkauft worden wären.
Ihre Bewährungsprobe hatte die SPIO mehrmals beim Kampf gegen Zensurversuche. Die Freiheit von Kultur und Kunst setzte sie zum Beispiel gegen die Forderung durch, „Die Sünderin“ aus dem Kino zu verbannen.
Fehlender Stolz auf Studiolandschaft und internationale Koproduktionen
In zwei Blöcken wurde an die großen Erfolge des deutschen Films erinnert, von „Metropolis“, über „Die Drei von der Tankstelle, „Die Sünderin und „Die Brücke“, über Winnetou und Loriot, „Das Boot“ und „Die Blechtrommel“ bis zu „Toni Erdmann“ und „Das Leben der Anderen“ und „Im Westen nichts Neues“. Auffällig war, wer fehlte. Nicht eine Koproduktion, die deutsche Produzenten erfolgreich stemmten. Egal ob „Das Mädchen Wadjda“ von Razor Film oder die großen Produktionen des Studios Babelsberg in den vergangenen Jahrzehnten.
Die anschließende, auf Grund der banalen Fragestellungen von Moderator Dominik Porschen nur mühsam anlaufende Diskussion zur Zukunft des Films zeigte dann aber vor allem die verschiedenen Interessenlagen der einzelnen Mitgliedsverbände auf. Juliane de Boer, Geschäftsführerin Filmpalast Gruppe, Mitglied im Hauptausschuss des HDF Kino e.V., Corinna Mehner, Geschäftsführerin blue eyes Fiction, Mitglied des Gesamtvorstandes der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V., Leila Hamid, Vorstandsvorsitzende X-Verleih AG, Vorstand Verband der Filmverleiher (VdF) und Christian Sommer zeigten sich, auch bedingt durch die Fragen. Vor allem als InteressenvertreterInnen der eigenen Zunft. Konflikte wurden kaum angesprochen. Es bleibt der Eindruck, für ein Zusammenraufen nach österreichischem Vorbild fehlt noch immer der Wille.
Katharina Dockhorn
Über die SPIO:
Die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V., kurz SPIO, wurde 1923, an der Schwelle vom Stumm- zum Tonfilm, als Dachverband der Produktions-, Verleih- und Kinowirtschaft in Berlin gegründet. Bis heute vertritt sie 16 Berufsverbände der Sparten Filmproduktion, Filmverleih, Filmtheater und Audiovisuelle Medien, die insgesamt über 1.400 Mitgliedsfirmen repräsentieren. Damit stellt die SPIO eine der wichtigsten Stimmen in der deutschen Filmwirtschaft dar. Die SPIO engagiert sich als Gründungsmitglied des DFF – Deutsches Filminstitut und Filmmuseum, als Gründerin der Friedrich-Wilhelm-Murnau Stiftung und ist Trägerin der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK), die für eine altersgerechte Kennzeichnung von Filmen und digitalen Bildträgern zuständig ist. Seit 1950 ist die SPIO darüber hinaus Veranstalterin des Deutschen Filmballs, zu dem sich alljährlich das Who is Who des deutschen Films versammelt.
Link: www.spio.de