Unsere Filmkritiken in der 42. KW 2023
Nicht weniger als 20 neue Kinoaufführungen listet die Webseite Filmstarts in dieser Woche auf. Darunter gibt es zwar auch Wiederaufführungen neu digitalisierter Filme wie Alexander Kluges "Abschied von Gestern" aus dem Jahre 1966 sowie zahlreiche B-Pictures, von denen es weder Pressevorführungen noch sonstige Informationen vorab gab.

Als Kinodauerbrenner erweist sich gerade die Familiendramödie "Wochenendrebellen" von Marc Rothemund mit Florian David Fitz, Cecilio Andresen, Aylin Tezel, um einen liebenswerten autistischen Jungen, die bereits am 28. September 2023 gestartet war.
Diese Woche dürfte mit dem Historiendrama "Killers Of The Flower Moon" nach dem gleichnamigen Sachbuch von Eric Roth, welches die Morde an Ureinwohnern Amerikas vom Indianerstamm der Osage, einem sprachverwandten Zweig der Sioux im Bundesstaat Oklahoma erzählt, ein weiteres Publikumshighlight hinzukommen. Die Geschichte der Geldgier von alten weißen Männern wurde von Martin Scorsese erstmals gemeinsam mit seinen Lieblingsdarstellern Leonardo DiCaprio und Robert De Niro sowie Lily Gladstone u.a. aufwändig inszeniert, ist aber mit fast dreieinhalb Stunden Spieldauer recht lang geworden. Zudem wird der Film nur für kurze Zeit im Kino zu sehen sein, denn er wurde exklusiv für den Apple Streamingdienst produziert, bei dem er bald nur noch online im Stream abrufbar sein wird. Die verbrieften Morde, teilweise mittels Gift gestreckter Opiate der Mohnblüte ausgeführt, geschahen zwischen 1918 und 1931, als die Pferdekutschen zunehmend vom aufkommenden Automobilboom abgelöst wurden. Dafür wurde allerdings viel Gasoline oder Diesel benötigt, der im Überfluss damals nur in den Indianerreservaten vorkam.
Positiv überrascht hat uns in dieser Woche die Komödie "Ein Fest fürs Leben" von Regisseur Richard Hube mit Christoph Maria Herbst, Cynthia Micas und Marc Hosemann, die wir nachfolgend besprochen haben.
Durchaus zu empfehlen ist auch Margarethe von Trottas Biopic "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste", das einer von fünf deutschsprachigen Wettbewerbsfilmen der diesjährigen 73. Berlinale 2023 war. Auch dazu nicht nur eine, sondern sogar zwei sehr unterschiedliche Filmkritiken von uns.
"EIN FEST FÜRS LEBEN" Komödie von Richard Huber (Deutschland, 2023; Warner Bros. Pictures Germany; 101 Min.) Mit Christoph Maria Herbst, Cynthia Micas, Marc Hosemann u.a. seit 19. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:
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"INGEBORG BACHMANN - Reise in die Wüste" Biopic-Drama von Margarethe von Trotta (Österreich / Schweiz / Luxemburg / Deutschland, 111 Min.) Mit Vicky Krieps als österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und Ronald Zehrfeld als Schweizer Autor Max Frisch, ihrem Ehemann sowie Tobias Resch u.a. seit 19. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:
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Als Kinodauerbrenner erweist sich gerade die Familiendramödie "Wochenendrebellen" von Marc Rothemund mit Florian David Fitz, Cecilio Andresen, Aylin Tezel, um einen liebenswerten autistischen Jungen, die bereits am 28. September 2023 gestartet war.
Diese Woche dürfte mit dem Historiendrama "Killers Of The Flower Moon" nach dem gleichnamigen Sachbuch von Eric Roth, welches die Morde an Ureinwohnern Amerikas vom Indianerstamm der Osage, einem sprachverwandten Zweig der Sioux im Bundesstaat Oklahoma erzählt, ein weiteres Publikumshighlight hinzukommen. Die Geschichte der Geldgier von alten weißen Männern wurde von Martin Scorsese erstmals gemeinsam mit seinen Lieblingsdarstellern Leonardo DiCaprio und Robert De Niro sowie Lily Gladstone u.a. aufwändig inszeniert, ist aber mit fast dreieinhalb Stunden Spieldauer recht lang geworden. Zudem wird der Film nur für kurze Zeit im Kino zu sehen sein, denn er wurde exklusiv für den Apple Streamingdienst produziert, bei dem er bald nur noch online im Stream abrufbar sein wird. Die verbrieften Morde, teilweise mittels Gift gestreckter Opiate der Mohnblüte ausgeführt, geschahen zwischen 1918 und 1931, als die Pferdekutschen zunehmend vom aufkommenden Automobilboom abgelöst wurden. Dafür wurde allerdings viel Gasoline oder Diesel benötigt, der im Überfluss damals nur in den Indianerreservaten vorkam.
Positiv überrascht hat uns in dieser Woche die Komödie "Ein Fest fürs Leben" von Regisseur Richard Hube mit Christoph Maria Herbst, Cynthia Micas und Marc Hosemann, die wir nachfolgend besprochen haben.
Durchaus zu empfehlen ist auch Margarethe von Trottas Biopic "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste", das einer von fünf deutschsprachigen Wettbewerbsfilmen der diesjährigen 73. Berlinale 2023 war. Auch dazu nicht nur eine, sondern sogar zwei sehr unterschiedliche Filmkritiken von uns.
"EIN FEST FÜRS LEBEN" Komödie von Richard Huber (Deutschland, 2023; Warner Bros. Pictures Germany; 101 Min.) Mit Christoph Maria Herbst, Cynthia Micas, Marc Hosemann u.a. seit 19. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:
Reginas Filmkritik:
Eine deutsche Komödie die funkt und funktioniert, das gibt es nicht so oft im Kino zu sehen, das ist erfreulich. Normalerweise sitzen Journalist*innen ja eher lässig und verhalten in den Pressevorführungen, überzogene Gefühlsausbrüche sind selten, gelten als unprofessionell. Doch in "EIN FEST FÜRS LEBEN" habe ich mich mehrere Male bei ausgiebigen Lachsalven ertappt; die Situationskomik sitzt, die Dialoge sind witzig und die Schauspieler sind hervorragend gecastet.
Es geht um den vermeintlich glücklichsten Tag des Lebens: um eine Hochzeit. Die Feier wird jedoch nicht aus der Sicht des Brautpaares geschildert, sondern im Mittelpunkt steht das Chaosteam hinter den Kulissen, allen voran der Veranstaltungsunternehmer Dieter Salzmann (Christoph Maria Herbst). Sehenswert wie er mit spitzen Bemerkungen, ironischen Seitenhieben und bösen Blicken versucht, sein bunt gewürfeltes Team in den Griff zu bekommen, keine leichte Aufgabe, jedes Crewmitglied hat seine eigenen Lebenskrisen.
Der Stoff ist nicht neu, es gibt eine Vorlage: "EIN FEST FÜRS LEBEN" ist das Remake der erfolgreichen französischen Komödie "DAS LEBEN IST EIN FEST", Originaltitel: "LE SENS DE LA FETE" von Olivier Nakache und Éric Toledano aus dem Jahr 2017.
Interessant übrigens, dass inzwischen europäische Filme nicht nur in den USA ihr Remake erleben, sondern die europäischen Nachbarländer auch untereinander Neufassungen inszenieren. In diesem Fall auch nachvollziehbar, da der Erfolg des französischen Originals auch auf dem Sprachwitz basiert, der ist bekanntlich nicht eins zu eins ins Deutsche zu übertragen.
Regisseur und Drehbuchautor Richard Huber verlegt in seinem Kinodebüt die französische Vorlage nach Deutschland und überarbeitet den Sprachwitz gekonnt. Er spitzt weiter zu, indem er die besten Gags übernimmt, schwächere Dialoge meidet und den Slapstick auf die Spitzte treibt, ohne dabei im schrillen Klamauk zu enden. Auch mit der Wahl seiner Schauspieler zeigt er Gespür, allen voran Christoph Maria Herbst als frustrierter, überforderter Eventmanager.
Der Film folgt der Chronologie der Hochzeit, von den ersten Vorbereitungen bis zum nächsten Morgen, Dieter gibt den Zeremonienmeister, er ist die Zentralfigur des Films, um die sich alle Beteiligten scharen.
Schon vor dem Start des großen Ereignisses in einem, wie sich herausstellt nur äußerlich prächtigen Schloss, läuft einiges schief. Krach zwischen Dieters ehrgeiziger Assistentin Jella (Cynthia Micas) und dem arroganten Entertainer und Sänger Steve (Marc Hosemann); der Hochzeitsfotograf Marcel (herrlich, Jörg Schüttauf) ist schon von Haus aus genervt, er hat seinen Job satt und treibt sich lieber am Büfett herum und der depressive Aushilfskellner Florian (Johannes Allmeyer) erkennt in der Braut seine einstige große Liebe wieder.
Das ist erst der Anfang, eine Panne jagt die nächste, das Hauptmenü ist verdorben, das Licht fällt aus, der selbstverliebte Bräutigam entschwebt ungewollt in die Lüfte. Das alles ist treffsicher in Szene gesetzt, in zielgenauen Dialogen inszeniert, ein Ensemblefilm, in dem jeder Schauspieler sein Bestes gibt.
Ein wichtiges Merkmal für das Gelingen des Remakes ist auch die Figurenzeichnung. Richard Huber verrät seine Figuren nicht, die sind vielleicht eitel, gestresst und genervt, doch alle Beteiligten dürfen auch ihre sympathischen Seiten zeigen, Klischees und Stereotypen werden geschickt umschifft.
"EIN FEST FÜRS LEBEN" - keine tiefschürfende Gesellschaftssatire, aber eine amüsante, unterhaltsame Komödie über Menschen, Macken und Hochzeitsdesaster.
Regina Roland (filmkritik-regina-roland.de)
mit freundlicher Genehmigung von Reginas Blog entnommen.
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"INGEBORG BACHMANN - Reise in die Wüste" Biopic-Drama von Margarethe von Trotta (Österreich / Schweiz / Luxemburg / Deutschland, 111 Min.) Mit Vicky Krieps als österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und Ronald Zehrfeld als Schweizer Autor Max Frisch, ihrem Ehemann sowie Tobias Resch u.a. seit 19. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:
Angelikas Filmkritik:
Einen Film zu drehen über eines der berühmtesten Dichterpaare, die es wahrscheinlich jemals in der europäischen Literatur-Szene gab und geben wird, erfordert schon viel Mut und vielleicht auch ein bisschen zu viel Selbstvertrauen der eigentlich so sehr erfahrenen Filmregisseurin Margarete von Trotta.
Aber von einer „Aneinanderreihung von Klischees einer gescheiterten Liebe“ zu schreiben oder von einem „ermüdenden und langweiligen Film“ zu sprechen geht nun dann doch zu weit.
Immerhin treffen im Film zwei ähnlich berühmte Künstler zusammen, die beide ein sehr starkes „Ich“ hatten und sich dennoch oder gerade deshalb in den jeweils anderen von sich selbst recht überzeugten Charakter verliebten — und es sogar wagten zusammen zu ziehen und dann auch noch zu heiraten. Und das immerhin für vier sehr anstrengende Jahre — auch als Ingeborg Bachmann unbedingt nach Rom gehen will.
Denn Ingeborg Bachmann war nach außen hin eine sehr überzeugend wirkende österreichische Schriftstellerin. Durch ihren häufig übermäßigen Alkoholgenuss und ihren zunehmende Tabletten-Sucht gelang es ihr den Eindruck einer gewissen Coolness auf die männliche Umgebung auszustrahlen. In jedem Fall aber gilt sie als eine der bedeutendsten — wenn auch nicht leicht zu deutenden deutsch-sprachigen Lyrikerinnen und Prosa-Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.
Sie gewann den Georg-Büchner-Preis und den Bremer Literaturpreis und Ihr zu Ehren wird sogar seit 1977 jährlich der „Ingeborg-Bachmann-Preis“ verliehen. Geboren wurde sie am 25. Juni 1926 in Klagenfurt am Wörtersee. Gestorben ist sie am 17. Oktober 1973 mit 47 Jahren in Rom durch einen — wie es immer heißt — Brand-Unfall. Wahrscheinlich war es aber eher der übermäßige Alkoholgenuss in Verbindung mit ihrer Tablettensucht.
Und diese berühmte Frau wird nun in Margarethe von Trottas Arbeit „…Reise in die Wüste“ sehr überzeugend und einfühlsam von Vicky Krieps dargestellt. Es stimmt einfach nicht, dass sie „zu einem sensiblen Modepüppchen“ verkommt, das „in jeder Szene ein neues Kleid trägt“ und „dekorativ auf Sofas liegt“ wie es in einer der mies-machenden Kritiken in der Nachlese der „Berlinale“-Premiere im Februar 2023 hieß.
Und auch die Rolle des ebenso berühmten Schweizer Literaten Max Frisch wird von Ronald Zehrfeld mit großer Hingabe gegeben. Und das auch nicht nur „als im Grunde gutmütiger Bär“ (wie es auch in einer nicht sehr wohlwollenden Besprechung heißt). Im Gegenteil: So „cool“ er auch wirken kann, so genervt kann er sich auch häufig genug von Ingeborg Bachmanns übertriebener Sensibilität zeigen. Die allerdings auch manchmal vom Zuschauer wirklich nur schwer nachzuempfinden ist.
Max Frisch, dieser wunderbare Erfinder der unterschiedlichsten Charaktere in seinen Romanen und Theaterstücken, hat Frauen allerdings in verborgener, aber doch sehr wirkungsvoller Weise meistens nur den schlechteren Part ergattern lassen. Und das nicht nur in seiner Literatur, sondern wohl auch in der Zweisamkeit mit ihnen.
Warum eigentlich? Wahrscheinlich, weil die weiblichen Wesen es zugelassen hatten. Andererseits soll er selbst gesagt haben: „Mancher“ (also er, der Mann) „hält sich für einen Frauenkenner, weil er jeder Frau gegenüber jedes Mal denselben Fehler macht".
Frisch, der 1911 in Zürich geboren wurde und dort auch mit 80 Jahren (an Darmkrebs) starb, gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. In der Schweiz gilt er als der meistgelesene deutschsprachige Schriftsteller überhaupt. Früher arbeitete er zunächst als Architekt, bis ihm mit seinem Roman „Stiller“ (1954) der Durchbruch als Schriftsteller gelang.
Was aber Margrethe von Trotta in ihren Film eingearbeitet hat und was wirklich sehr erstaunlich ist: Frisch schrieb immer nur mit einem einzigen Finger (im Film nur mit dem Daumen) auf seiner uralten Schreibmaschine. Bei der war noch jeder einzelne Buchstabe jeweils auf eine eigene metallene Taste angeschmiedet. — Allein diese Szene ist doch eine ganz köstliche Erinnerung, die Margrethe von Trotta in ihrem Film festgehalten hat
Das Klappern eines jeden Anschlages, an das sich heutzutage in der PC-beherrschten Zeit kaum noch jemand erinnern kann, trieb Ingeborg Bachmann damals mit Recht zur Verzweiflung. So sehr sogar, dass sie dadurch selbst eine Schreib-Hemmung erlitt.
Die Szene im Film erinnert an Frischs manchmal unbeherrschtes Schreiben beim Verfassen seines Romans "Mein Name sei Gantenbein" (1960/64), in dem er die angespannte Beziehung zu Ingeborg Bachmann insgeheim zum Ausdruck bringt.
Vier Jahre lang — zwischen 1958 und 1962 — hielten Ingeborg Bachmann und Max Frisch dennoch ihre anstrengende Beziehung durch. Zuletzt auch noch in Rom, wo Bachmann am 17. Oktober 1973 starb.
Margrethe von Trottas Film aber endet viel zuversichtlicher: Ingeborg Bachmann reist mit einem jungen Freund in die Wüste und freut sich, dass sie dort endlich wieder in der frischen Luft durchatmen kann.
Angelika Kettelhack
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Ulrikes Filmkritik
zu "INGEBORG BACHMANN – Reise in die Wüste"
Es ist spät. Ein langer Flur, penetrantes Telefonklingeln. Langsam nähert sich die Frau dem Telefon, hebt den Hörer ab, auf ihre Frage, hört man ein lautes männliches Lachen, welches kaum ein Ende nimmt. Ein Albtraum. Die Frau, es handelt sich um Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) erzählt es ihrem Arzt, verklausuliert als Geschichte. „Frauen sind ermordet worden… „Vielleicht hat ja der Hund die Morde begangen. Der Hund hieß Max“.
So beginnt Margarethe von Trottas fragmentarische Annäherung an die Beziehung der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zu dem Schriftsteller Max Frisch (Ronald Zehrfeld), deren erste Begegnung 1958 in Paris stattfand.
„Mit mir wirst du nie unglücklich sein“, lautet einer seiner schmeichelnden Sätze, dann bittet er sie, zu ihm nach Zürich zu ziehen, denn er ist hingerissen von ihrem bezaubernden Lächeln.
Am Tag ihrer Ankunft in Zürich möchte der 47-jährige Max Frisch mit der 32-jährigen Ingeborg Bachmann nicht über Literatur reden, sondern lieber über ihr Lächeln. In Rückblenden erzählt von Trotta entscheidende Schlüsselerlebnisse, die Aufschluss geben über die vierjährige toxische Beziehung des Machos Frisch mit der Frau, die sich über Männer amüsieren kann und sich ihnen kein bisschen unterwirft, als sie mit ihm in Zürich und später in Rom - ihrer Lieblingsstadt - ihre Zeit verbringt.
Doch man merkt ihm an, wie die Eifersucht an ihm nagt. Er wirft ihr vor, sich in Rom wie ein Star zu verhalten. Das hat sie sehr gekränkt. Ingeborg, die er in Zürich sein braves Mädchen nennt, dass erfreulicherweise abgewaschen hat, ist in Rom bekannt, wie ein bunter Hund und wird dementsprechend von jungen und auch älteren Männern aufs freudigste hofiert und bewundert, denn sie hat dort früher schon einmal gewohnt. Man spürt, dass sie dort glücklich ist. Rom bedeutet für sie eine geistige Heimat.
Wenn Frisch nicht so recht weiterweiß, jammert er, dass er ohne sie nicht mehr schreiben kann. Er ist nach Rom gekommen, um sie zu bitten, ihn zu heiraten. Sie hat NEIN gesagt. Noch in Zürich lauscht sie einem seiner Texte, in dem es um die Wüste geht. Ingeborg war noch nie in einer Wüste, obwohl sie sehr reisefreudig ist. Wenn ja, möchte sie tief im Sand eingegraben werden wie eine Mumie, um zu fühlen, was das bedeutet.
Trotta verzichtet auf filmische Gegenwart und zeigt Bachmanns Unbekümmertheit, wenn sie junge Gefährten trifft. Für sie ist die Ehe eine ganz unmögliche Situation, wenn eine Frau arbeitet. Sie wusste das schon als Kind. Sie ist der Meinung, dass der Faschismus immer das erste ist, zwischen der Beziehung mit einem Mann und einer Frau. Wie in so vielen Beziehungen ist es auch in dieser: Mann und Frau reden aneinander vorbei. Hinzu kommt, dass auch ihre Schreibweisen total unterschiedlich sind.
Bachmann hat sein Tagebuch verbrannt, weil sie es unredlich findet über sie zu schreiben. Es war wohl ein Wahnsinn zu glauben, dass zwei Schriftsteller es miteinander aushalten können.
Auch das Geheimnisvolle, das Ingeborg Bachmann verströmt (von Vicky Krieps ganz wunderbar gespielt) war etwas, mit dem Frisch nicht umgehen konnte. Er gesteht, dass seine Hörigkeit jetzt aufgebraucht ist. Das Gute ist, dass sich Margarethe von Trotta nicht auf die an der Seite von der Beziehung zu Frisch zerbrechende Ingeborg Bachmann konzentriert, sondern die nach und nach genesende Ingeborg zeigt, die sich nicht mehr zum Gradmesser seiner Literatur machen will und der Enge seiner Bürgerlichkeit entflieht.
Auch nach der Trennung geht ihr Max Frisch nicht aus dem Kopf. Um ihre innere Balance wiederzufinden, fährt sie mit einem jungen Mann aus Wien, Adolf Opel (Tobias Resch), der Theaterstücke schreibt und von ihr fasziniert ist nach Marokko, genießt die Wärme und das Licht, der im Titel angegebenen Wüste. Ihm hat sie mit einer Lockerheit gestanden, dass sie junge Männer mag und gerne mal mit mehreren schlafen möchte. Ob der bürgerliche Frisch so etwas geahnt hat, man weiß es nicht. Es kommt, wie es kommen musste. Ihre Liebe ist an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert.
Sowohl an seinen als auch an ihren. Eine seiner letzten Bemerkungen lautet: „Es sind nicht immer nur die Mörder schuldig, sondern auch die Ermordeten“. Was auch immer er damit sagen wollte.
Vicky Krieps ist wunderbar anzusehen, mit ihrer feingliedrigen Gestalt, ihrer überwiegend leisen Stimme und ihrem bezaubernden Lächeln und einem Strahlen im Gesicht, hervorgerufen durch die heilende Kraft der Sonne und dem fürsorglichen Verhalten des Adolf Opel. Stimmungsvolle Bilder, wechselnd zwischen Licht und Schatten unterstreichen die Liebestragödie und sorgen für Kontrast. Besonders auffällig ist, dass Vicky Krieps in jeder Einstellung eine andere Kleidung trägt und den Charakter der Bachmann dadurch noch interessanter macht. Nach einem letzten Gang durch die Nacht heißt es in einem literarischen Text: „Meine Wüste, meine einzige meine sanfte Vorhölle, meine Erlösung.“
(Ingeborg Bachmann geb: 25. Juni 1926 in Klagenfurt, verstorben: 17. Oktober 1973 in Rom.
Ihr zu Ehren wird seit 1977 jährlich der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen.
Ulrike Schirm (ulriketratschtkino.wordpress.com)