Unsere Filmkritiken zu Kinostarts vom 14. und 21. September 2023
Aufgrund täglicher Berichterstattung über Filmfestspiele und aktueller Veranstaltungen wie der Art Week war unsere Rubrik zu Filmkritiken letzte Woche ausgefallen. Wir holen dies heute mit einer umfassenden Liste von sieben Empfehlungen nach.
Einige der im Kino letzte Woche angelaufenen Filme hatten wir bereits zur 73. Berlinale bzw. zum Achtung Berlin Festival besprochen, weshalb wir hier nur noch den Link dazu bereitstellen.
"Auf der Adamant"
seit 14. September 2023 im Kino / Dokumentation
Regie: Nicolas Philibert, Linda De Zitter
Besprechung: 28. Februar 2023
"Sieben Winter in Teheran"
seit 14. September 2023 im Kino / Dokumentation
Regie: Steffi Niederzoll
Besprechung: 11. April 2023
Unter unseren insgesamt sieben Empfehlungen befinden sich auch zwei Musik-Dokus, wobei wir vor allem letztere ausdrücklich erwähnen wollen.
"Carlos: Santanas Reise"
nur am 23. + 27. September 2023 im Kino / Dokumentation
Regie: Rudy Valdez
Besetzung: Carlos Santana
Hier der Trailer:
Die Musik-Doku über den legendären Gitarristen Carlos Santana läuft exklusiv nur an zwei Tagen in ausgewählten Kinos, nämlich am heutigen Samstag, den 23. und Mittwoch, den 27. September 2023.
Buchungen unter: www.carlosglobalpremiere.com
"Music For Black Pigeons"
seit 21. September 2023 im Kino / Dokumentation, Musik
Regie: Jorgen Leth & Andreas Koefoed
Hier der Trailer:
"Weißt du noch"
seit 21. September 2023 im Kino / Komödie
Regie: Rainer Kaufmann
Besetzung: Senta Berger, Günther Maria Halmer, Konstantin Wecker
Hier der Trailer:
Einige der im Kino letzte Woche angelaufenen Filme hatten wir bereits zur 73. Berlinale bzw. zum Achtung Berlin Festival besprochen, weshalb wir hier nur noch den Link dazu bereitstellen.
"Auf der Adamant"
seit 14. September 2023 im Kino / Dokumentation
Regie: Nicolas Philibert, Linda De Zitter
Besprechung: 28. Februar 2023
"Sieben Winter in Teheran"
seit 14. September 2023 im Kino / Dokumentation
Regie: Steffi Niederzoll
Besprechung: 11. April 2023
Unter unseren insgesamt sieben Empfehlungen befinden sich auch zwei Musik-Dokus, wobei wir vor allem letztere ausdrücklich erwähnen wollen.
"Carlos: Santanas Reise"
nur am 23. + 27. September 2023 im Kino / Dokumentation
Regie: Rudy Valdez
Besetzung: Carlos Santana
Hier der Trailer:
Die Musik-Doku über den legendären Gitarristen Carlos Santana läuft exklusiv nur an zwei Tagen in ausgewählten Kinos, nämlich am heutigen Samstag, den 23. und Mittwoch, den 27. September 2023.
Buchungen unter: www.carlosglobalpremiere.com
Unsere Kurzkritik:
Der Film feierte dieses Jahr auf dem Tribeca Festival in New York City seine Premiere und kombiniert neue Interviews von Carlos Santana und seiner Familie mit außergewöhnlichem, noch nie gezeigtem Archivmaterial, darunter von Santana selbst aufgenommene Heimvideos, Konzertmitschnitte und Momente hinter den Kulissen.
Allerdings krankt der Film daran, dass es sich um keine unabhängig zusammengestellte Dokumentation des Regisseurs handelt, sondern ein persönliches Statement des Musikers, der selbst die Regie übernimmt und ständig über die eigene Sichtweise zu seiner Musik spricht und darüber wie der Film zu gestalten sei.
Somit fehlen leider erforderliche Kontrapunkte in Form von kritischen Stimmen. Aber auch viele großartige Szenen der erstaunlichen Laufbahn des außergewöhnlichen Gitarristen werden nicht weiter thematisiert. Vornehmlich geht es nur um das eigene Label von Santana, das bei Sony erschienen ist, während Einspielungen, die Carlos Santana zusammen mit John McLaughlin auch als Jazz Gitarrist beim Mahavishnu Orchestra vornahm, leider im Film völlig ausgeklammert wurden.
W.F.
"Music For Black Pigeons"
seit 21. September 2023 im Kino / Dokumentation, Musik
Regie: Jorgen Leth & Andreas Koefoed
Hier der Trailer:
Unsere Kurzkritik:
Diese Jazz- Dokumentation ist ganz anders geartet als die zugetextete Santana-Doku, denn die Musik und nur die Musik sowie die dahinterstehenden Persönlichkeiten, der z.T. recht alt gewordenen Jazz-Größen steht im Vordergrund. Da darf dann auch schon mal für längere Zeit im Film geschwiegen werden, um letztlich nur wenige Worte den Protagonisten zu entlocken, weil mit deren Musik bereits alles gesagt worden ist, was evtl. zu erläutern gewesen wäre.
14 Jahre lang waren die beiden Dokumentarfilme zusammen mit dem dänischen Komponisten Jakob Bro unterwegs, um auf drei Kontinenten zahlreiche Jazzmusiker wie Bill Frisell, Lee Konitz, Paul Motian und Midori Takada zu treffen. Sie wollten verstehen, woher die Energie und die Leidenschaft in ihrer Musik rührt. Der Film wechselt dafür nicht nur die Kontinente, sondern auch hin und her zwischen Live-Jams und Porträts der Musiker.
Ein Film nicht nur für Jazz-Liebhaber, denn improvisierte Musik ist eine universelle Sprache, die sich über Gefühle äußert, auch wenn man die Sprache des andern nicht immer versteht. Doch die Art, wie die Musik beim Zuhörer ankommt, spricht eigene Bände. Und auch der Titel des Films erläutert sich darüber erst zum Schluss der 90 Minuten kurzweiligen Doku, die zudem an einige inzwischen verstorbene hochkarätige Musiker erinnert.
W.F.
"Weißt du noch"
seit 21. September 2023 im Kino / Komödie
Regie: Rainer Kaufmann
Besetzung: Senta Berger, Günther Maria Halmer, Konstantin Wecker
Hier der Trailer:
Angelikas Filmkritik:
„Weisst Du noch?“ ist ein Film, der bei den Zuschauern Herzen fliegen und Tränen fließen lässt. Denn in „Weisst Du noch?“ spielen Senta Berger und Günther Maria Halmer nicht zum ersten Mal zusammen ein Ehepaar in einem Film. Und vielleicht wirken sie auch schon deshalb so besonders echt und besonders authentisch als Paar, weil sie nun in ihrem neuesten gemeinsamen Ehe-Spielfilm schon völlig selbst-bezogen in ihre Rollen eintauchen können.
Das aber passiert wohl hauptsächlich deshalb so authentisch, weil auch hier wieder Martin Rauhaus das Drehbuch schrieb und Rainer Kaufmann die Regie führte. In „Weißt Du noch?“ heißen Senta Berger und Günther Maria Halmer nun ganz einfach Marianne und Günter. Und inzwischen fragen sie sich ziemlich häufig, was sie eigentlich noch immer zusammenbleiben lässt. Denn in „Weisst Du noch?“ sind sie inzwischen seit über 50 Jahren verheiratet.
Zu Beginn war es die ganz große Liebe: Verliebt, verlobt, verheiratet. Für immer! So beginnt es ganz klar. — Aber wieso endet es meist anders? Woran liegt es nur, dass das schönste Gefühl der Welt, diese Musik im Herzen, so oft vergeht und vergessen wird? — Wir wissen es nicht. Und so wissen es auch Marianne und Günter nicht.
Geblieben sind eine freudlose Routine und eine gewisse Resignation. Denn mit dem langsamen Vergehen der Liebe wächst auch diese so ärgerliche Sache mit ihrem Gedächtnis: In letzter Zeit scheinen Marianne und Günter zunehmend vergesslicher zu werden. Und diese unerfreuliche Veränderung wird von Senta Berger und Günther Maria Halmer in ihrem vierten Zusammenspiel ganz großartig dargestellt.
Im Film wissen die beiden mittlerweile einfach nicht mehr, warum sie sich mal ineinander verliebt haben. – Dieser Verlust wird dem Paar erst so recht schmerzlich bewusst, seitdem ihre Kinder ausgezogen sind. Immer häufiger machen sie sich —ziemlich rücksichtslos — gegenseitig Vorwürfe. So natürlich auch dann, wenn sie beim Einkaufen oder Kochen irgendeine winzige Kleinigkeit vergessen haben.
Mehr als Tristesse – die manchmal zwischen den beiden schon fast an Gehässigkeit grenzt – ist es für beide langsam immer üblicher geworden, nicht mehr viel vom Partner zu erwarten. Beide haben schon total eingefahrene Vorurteile gegeneinander und auch gegen ihre Umgebung… Und so verdächtigen sie selbstverständlich jeweils den Partner, dass der den 50. Jahrestag der Hochzeit natürlich sowieso vergessen wird.
Doch der Ehemann hat beim Einkaufen, das zu seinen Aufgaben gehört, tatsächlich vorgeplant und vorgesorgt: Er hat sich zur Feier des 50. von einem Freund, gespielt vom Musiker Konstantin Wecker, eine Pille besorgt, die sämtliche Erinnerungen in Rekordzeit zurückbringen soll…
Und das Wunder geschieht: Plötzlich ist alles wieder da. Gemeinsam reisen Marianne und Günter in ihrer Zeit zurück, zu den Höhen und Tiefen ihres Lebens, bis sie sich endlich wieder an das Wichtigste erinnern: An das, was sie einst zu ihrer Liebe brachte. Nämlich worin sie sich gegenseitig verliebt haben.
Warum allerdings diese sogenannte „Wunderpille“ die Farbe blau haben muss, bleibt offen. Denn es geht nicht darum, was der Zuschauer damit eventuell an Vorstellungen im Kopf hat…
Diese blaue Sorte hilft vorrangig ihrer Erinnerung wieder auf die Sprünge: Mit Hilfe dieser Pille können sich Marianne und Günter tatsächlich wieder an die vergangenen Zeiten und ihre große Liebe zueinander erinnern. Doch natürlich kann diese Wunderpille auch Nebenwirkungen haben… Schließlich gibt es im Laufe eines Lebens auch Dinge, die man wirklich lieber für immer vergisst… Aber für Marianne und Günter scheinen keine schlechten Erinnerungen hoch zu kommen.
Und so verlieben sie sich erneut und fühlen sich wieder jung. Es ist wie ein Rausch. Sie machen Pläne. Nichts kann sie aufhalten. — Doch was, wenn die Wirkung der Pille wieder nachlässt…?
Ein brillantes Drehbuch, Darsteller in Höchstform, ein romantischer und ein sentimentaler Genuss! — Und vielleicht sogar ein Aufruf zu mehr Geduld füreinander.
Ein Film, der Funken sprüht, Giftpfeile schießt, den ich aber jedem Paar — im weitesten Sinne — dringend empfehlen möchte — zumal die Schauspieler so hinreißend und echt ihre Rolle meistern.
Zugabe:
Aber was dachten junge Leute vor 50 Jahren denn über die „ewige Liebe“? Was erwarteten sie?
Wenn man der 17-jährigen Gudrun glauben darf, die damals von dem in Paris lebenden Schriftsteller und Fernseh-Korrespondenten Georg Stefan Troller für sein Buch „Pariser Gespräche“ interviewt wurde, dann hörte sich das so an:
Troller: „Aber hie und da sieht man doch ein glückliches altes Ehepaar…“
Gudrun: „Selbstverständlich, aber die Liebe ist ihnen trotzdem zu Essig geworden. Man ist ein Leben zusammengeblieben, und im Alter zehrt man dann eben von den Erinnerungen. Aber es gibt keine alte Ehefrau, die davon zehrt, wie sie mal 40 war oder 50. Nur davon als sie noch 20, höchstens 25, war. Da war die Ehe noch Ehe; und davon, von diesen paar Jahren, muss man dann ein Leben lang zehren. Darum soll man sich vorsehen mit der Ehe.“
Angelika Kettelhack
"Wild wie das Meer"
seit 21. September 2023 im Kino / Drama, Romanze
Regie: Héloïse Pelloquet
Besetzung: Cécile de France, Félix Lefebvre, Grégoire Monsaingeon
Hier der Trailer:
Unsere Kurzkritik:
Chiara (Cécile de France) und ihr Mann Antoine (Grégoire Monsaingeon) haben sich auf einer kleinen Insel vor Frankreichs Atlantikküste ein kleines Paradies geschaffen. Mit ihrem eigenen Kutter sind sie selbständige Krabben- und Langustenfischer geworden. Eine harte Arbeit zwar, vor allem bei stürmischer See. Aber der einträgliche Verdienst und die Freiheit in der Natur ist ihnen der mühsame Job wert.
Als Antoine mal wieder für längere Zeit an Land muss, um mit Abnehmern der Ware zu verhandeln, soll ein Auszubildender Chiara bei der Arbeit helfen. Anfänglich hat sie für den kaum 18-jährigen Jungen aus gehobenen Verhältnissen nur Skepsis übrig. Doch Maxence arbeitet hart und nimmt seine Ausbildung ernst, wodurch sich Chiara in der Einsamkeit auf dem Meer immer mehr zu ihm hingezogen fühlt.
Der Jugendliche spürt die prickelnde Spannung zwischen den beiden und verliebt sich in die Frau, die vom Alter her seine Mutter sein könnte. Es ist seine erste große Liebe, die zwar heimlich geschieht, aber dennoch eines Tages von anderen Fischern entdeckt wird, denn jeder kennt hier jeden.
Was für ein Skandal!
Aber in dem Filmdebüt der Regisseurin geht es nicht darum, Chiara als Ehebrecherin zu verurteilen oder ihr Verhalten mit einem erhobenen Zeigefinger moralisierend zu bewerten. Stattdessen zeigt sie Chiaras überwältigende Gefühle für Maxence, einem unschuldigen Jüngling, wodurch die 45-Jährige an ihre eigene Jugend erinnert wird. Dies funktioniert dank Pelloquets wohlwollender Betrachtung der Hauptfigur und ihrer weiblichen Perspektive, die den Film maßgeblich prägt, sehr gut und stereotypfrei, wodurch ein facettenreiches Bild einer unangepassten Frau entsteht, die einfach glücklich und sie selbst sein will.
Der Film entlarvt zudem die Doppelmoral unserer Gesellschaft, die immer noch vom herrschenden Patriarchat bestimmt wird.
W.F.
"Vergiss Meyn Nicht"
seit 21. September 2023 im Kino / Dokumentation
Regie: Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff
Mit: Steffen Meyn, Alaska, Diam, Frodo, Lilie, Lola Tuk und Wo
Hier der Trailer:
Ulrikes Filmkritik:
Der Hambacher Forst ist zum Symbol für die Klimapolitik geworden. Seit Jahren kämpfen Aktivistinnen und Aktivisten für den Erhalt des Waldes, unter dem Motto: „Der Hambi bleibt“. Es geht den Aktivisten um Naturschutz, Klimaschutz, Energiepolitik sowie die Zerstörung von Ökosystemen. Für die Kohlebagger des Tagebaubetreibers RWE musste nicht nur ein Großteil des Waldes weichen, sonder auch Dörfer, deren Bewohner*innen enteignet und umgesiedelt wurden.
Herbst 2017. Der Hambi hat zu Veränderungen bei den jungen Besetzern gesorgt. Noch wirkt alles friedlich. Vögel zwitschern und die jungen Leute haben provisorische Baumhäuser gebaut, die Aktivisten üben das Klettern an Seilen. Man muss schon sehr gut klettern können, wenn man in einem Baumhaus wohnt. Einige sind bis zu 20 Meter hoch in den Baumkronen.
Das heißt für die jungen Leute, die ganz oben hausen, morgens runter, abends wieder rauf. Es finden zudem regelmäßige Workshops statt und auch die Tagesgestaltung wird gemeinsam besprochen. Die Gemeinsamkeit und der Schritt in eine andere Welt einzutreten, neue Erfahrungen zu machen wird von allen Teilnehmern positiv bewertet. Ihr gemeinsamer Grundgedanke lautet: „Wenn eine Brücke gesprengt werden soll, dann wird sie auch gesprengt, aber wenn sich jemand auf die Brücke stellt, dann dürfen sie das nicht tun. Die Sprengmeister werden zwar weiterbezahlt, aber ein Menschenleben darf dabei nicht draufgehen.
Von Politikern werden sie als Terrorgruppe tituliert und dementsprechend wird auch die Polizei gegen sie aufgehetzt. Deswegen wird unter den Aktivisten*innen ganz streng darauf geachtet seine wahre Identität untereinander geheim zu halten. Auch Morddrohungen werden im Wald laut. Falls eine Räumung stattfinden sollte, gibt es Regeln, an die sich jeder halten soll.
Natürlich gehören auch Ängste vor Repressionen und Polizeigewalt und auch Knast zu ihrer Tagesordnung. Auch Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung ist ab und zu spürbar. Einer von ihnen, Steffen Meyn, Filmstudent und Kameramann ist stolz auf seine neue 360 Grad- Helmkamera, mit der er alles um sich herum seit zwei Jahren fotografiert und dokumentiert. Einer von ihnen sagt vor der Kamera ein Gedicht auf, in dem er beschreibt, um was es ihnen geht. Wir wollen alle aktiv etwas machen, um die Zerstörung der Natur friedlich zu verhindern. In Sprechchören fordern sie die Polizei auf, den Wald zu verlassen. Es folgt eine gute Nachricht: Die Rodung wurde erst einmal aufgeschoben.
Bei der Rodung werden von der Firma RWE auch Unmengen an Tieren getötet. Gibt es überhaupt eine friedliche Lösung? Ist Kompromisslosigkeit förderlich? Um in solch einem Fall gewaltfrei zu handeln, muss man schon sehr privilegiert sein.
Herbst 2018. Anfänglich waren noch alle hochgradig motiviert. Alles war bestens geplant, aber durch bestimmte Ereignisse, hat so mancher Teilnehmer etwas von seiner Aktivität eingebüßt. Jetzt geht alles ganz schnell: Die Räumung findet statt, brutal und gewaltsam. Presse und Journalisten wurden weggeschickt. „Brecht ab“, wurde gerufen.
Am 13. Mai 2018 wurde von der Polizei mit der Räumung der Baumhäuser begonnen, Über 1000 Polizisten marschierten ein. Nur 30 Minuten Zeit wurde den jungen Leuten für die Räumung und das Packen ihrer Sachen gegeben.
Während der radikalen Räumung stürzt Steffen Meyn vom Baum und stirbt. Die Polizei war nah dabei. Aber kann man jemanden die Schuld geben? Der Wald wird von der Polizei total dicht gemacht. Etwa 1000 Unterstützer, die sich auf den Weg gemacht haben, mussten „draußen“ bleiben. Braunkohleverbrennung und Umweltzerstörung ist dazu da, um Geld zu machen. Alle die dabei waren, haben entschieden, dagegen vorzugehen. Steffen Mayns Aufgabe war es, alles zu filmen. Der Filmstudent dokumentierte den teilweise rigorosen, teilweise aggressiven Kampf der Aktivisten gegen die Polizeigewalt. Er hat seine gesamte Konzentration daraufgelegt und war vielleicht dadurch etwas unvorsichtig geworden.
„Muss für diese verfickte Kohle ein Riesenloch in einem Wald entstehen?“ Fragen, die sich einige von ihnen stellen, die aber nicht leicht zu beantworten sind, denn es fehlen die Gefangenen.
Der Dokumentarfilm von Meyns Freund*innen und Kommiliton*innen Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff (Regie und Buch) basiert auf Steffens Filmmaterial. Seine Freund*innen haben viele interessante Interviews mit den Aktivisten geführt. Bei allen Befragten hat die Erfahrung im Hambi tiefe Spuren hinterlassen und dennoch an außergewöhnlichen Erfahrungen positiv bereichert.
Ulrike Schirm
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Die nachfolgenden beiden Filme von Aki Kaurismäki und Ken Loach wollen wir wegen teilweise ähnlicher Thematik und ihrer sozialkritischen Einstellung gemeinsam abhandeln, denn es tun sich - trotz unterschiedlicher Dramatik - zahlreiche Parallelen auf.
Beide Filme feierten ihre Weltpremiere im Mai auf den Filmfestspielen von Cannes, wobei Aki Kaurismäkis Werk "Fallen Leaves" (Fallende Blätter) nicht nur mit dem „Preis der Jury“ und sowohl in Cannes als auch in San Sebastián dem FIPRESCI Grand Prix als „Bester Film des Jahres 2023“ ausgezeichnet wurde, sondern inzwischen auch als Finnlands Beitrag für den Academy Award in der Kategorie „Bester Internationaler Film“ ausgewählt wurde.
Ken Loachs Film "The Old Oak" wird zwar erst Ende November offiziell in unsere Kinos kommen, feiert aber gerade bei der Filmkunstmesse Leipzig seine Deutschlandpremiere und wird auch Ende September beim Filmfest Hamburg vorgestellt. Zudem war der Film bei den Filmfestspielen von Cannes für die Goldene Palme nominiert. 2016 hatte Ken Loach diese höchste Auszeichnung von Cannes für sein früheres sozialkritische Werk "Ich, Daniel Blake" tatsächlich erhalten.
"Fallende Blätter"
seit 14. September 2023 im Kino / Tragikomödie
Regie: Aki Kaurismäki
Besetzung: Alma Pöysti, Jussi Vatanen, Janne Hyytiäinen
Hier der Trailer:
"The Old Oak"
erst ab 23. November 2023 im Kino / Sozial-Drama
Regie: Ken Loach
Besetzung: Dave Turner, Ebla Mari, Trevor Fox
Hier der Trailer:
Unsere Kurzkritik:
Dass Suff nicht nur krank macht, sondern auch zu geistiger Umnachtung oder aggressivem Fehlverhalten führen kann, erlebt man immer wieder. Eine Stammkneipe, die in Deutschland immer seltener wird, aber sowohl in Finnland als auch Großbritannien immer noch bei den Arbeitern für ein abendliches Zusammentreffen am Stammtisch hohen Stellenwert genießt, kommt in beiden Filmen als zentrales Thema vor.
Aki Kaurismäkis Protagonist ist frustriert, weil er jeden Abend stink betrunken ist. Er verliert sogar den Zettel, einer flüchtigen Bekanntschaft, der vom Wind - wie Blätter eines Baumes - weggetragen wird. Ohne Telefonnummer und ohne ihren Namen zu kennen, wird es schwierig, sie - seine neue Liebe - wiederzutreffen. Am Ende schafft er es per Zufall doch noch. Dazwischen liegen lange Filmabende und trostlose Momente, in denen keiner über seinen eigenen Schatten zu springen wagt, um die bisherigen Verhaltensmuster zu ändern.
Auch in Ken Loachs heruntergekommener Kneipe - The Old Oak - wird jeden Abend am Stammtisch kräftig getrunken. Ein hart gesottener Kern von drei bis vier Mann lästert dabei über alles, was ihnen nicht passt. Sie schwingen rechtsgerichtete Parolen gegen Einwanderer und hecken im Suff einen kühnen Plan aus, der am Ende ihren eigenen Stammtisch unüberlegt in Schutt und Asche zerlegt und den einst befreundeten Wirt seiner Existenz beraubt.
Dieser hatte sich gerade Hoffnungen gemacht, mit den unverhofften Neuankömmlingen aus fremden Ländern, neuen Schwung in seine alte Kneipe zu bekommen, nachdem seine Frau verstorben war, doch die letzten übrig gebliebenen Stammtischbrüder durchkreuzen seinen kühnen Plan mit böser Absicht und viel zu später Einsicht.
W.F.