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Vorfreude aufs Gallery Weekend und neue Filme über Kunst im Kino, darunter ein Thriller

Erste Gallery OPENINGS noch vor Beginn des großen Gallery Weekends in Berlin vom 28. - 30. April 2023 und drei zum Thema passende Filmbesprechungen.



03. März 2023 GALERIE WENTRUP, John McAllisters
16. März 2023 GALERIE BUCHHOLZ, Alain Guiraudie, Je cherche quelqu’un
17. März 2023 BUCHMANN GALERIE, Ceramics (Group Show)
17. März 2023 MAX HETZLER, Katharina Grosse
18. März 2023 CONTEMPORARY FINE ARTS, Christa Dichgans, Robert + Oskar Roehler, Enfant Terrible
18. März 2023 KOW, Marco A. Castillo, Casa Negra + Barbara Hammer & Hudinilson Júnior
18. März 2023 MEYER RIEGGER, Alevtina Kakhidze, Signs of Peaceful Life
18. März 2023 GALERIE NORDENHAKE, Marjetica Potrč, On Coexistence, Rivers and Stories
18. März 2023 GALERIE THOMAS SCHULTE, Angela de la Cruz, Richard Deacon, Hamish Fulton, Franka Hörnschemeyer, Four Winds

Durch John McAllisters lebendiges Gemälde können wir sehen, wie der Frühling in der Wentrup Gallery (Goethestr. / Knesebekstr.) in Berlin-Charlottenburg seinen Kopf durchs Fenster steckt. Mit ihren elektrisierenden Farbkompositionen läuten die Landschaftsbilder des amerikanischen Künstlers den Beginn der Blütezeit auf eine Weise ein, die selbst die düstersten Grautöne aufhellen können, die Berlin für uns bereithält.

Darüber hinaus präsentiert die Wentrup Gallery seit Mitte 2022 eine Dauerausstellung im Schloss Freienwalde (Brandenburg) von Sophie von Hellermann anlässlich des 100. Jahrestages der Ermordung von Walter Rathenau, um ein starkes Gefühl für das Innere des Schlosses zu Lebzeiten Rathenaus zu vermitteln. Zeitgenössische Fotografien im Schloss, das als Museum dem Leben und Schaffen des jüdischen linksliberalen Politikers und Schriftstellers gewidmet ist, ergänzen die frühlingshaften Wand und Deckengemälde Hellermanns.

Hier ein Video:


Sophie von Hellermann – Schloss Freienwalde from WENTRUP on Vimeo.


Links: www.gallery-weekend-berlin.de | www.schloss-freienwalde.de

Nicht ohne Grund haben wir diesmal eine etwas längere Einleitung für unsere aktuellen Filmbesprechungen gewählt, denn seit letzten Donnerstag sind zwei bemerkenswerte Filme über Kunst in den deutschen Kinos gestartet. Einer davon handelt über die Entstehung von Kunst, der andere über deren Vernichtung durch Kunstraub. In der dritten Filmbesprechung widmen wir uns sogar der noch edleren und so gut wie ausgestorbenen Kunststickerei.

"DER MALER" eine Doku über Albert von Oehlen von Oliver Hirschbiegel (Deutschland, 2021, 94 Min.) Mit Ben Becker stellvertretend als A. Oehlen. Seit 16. März 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Eigentlich kann man bei diesem Film nicht im wörtlichen Sinne von Filmdokumentation sprechen, denn Ben Becker, der hier den großen Maler Albert Oehlen mimt, zieht seine bekannte und immer wieder variierte Bühnenshow in bewährter Manier ab. Diesmal allerdings für die Kamera als Kunstmaler, ohne wirklich malen zu können. Das Ergebnis müsste den erfolgreichen Künstler Albert Oehlen, einen der Hauptpräsentanten der sogenannten "Neuen Wilden", der seit den 1980er-Jahren einer der erfolgreichsten Maler der Gegenwart ist, eigentlich erschaudern.

Aber Oehlen, der hier wohl als Koproduzent fungiert, wollte partout nicht selbst vor die Kamera treten und überlies das Feld Becker, der stolz durch "seine" Galerie marschiert und tatsächlich die Kunst von Oehlen in übertrieben Sinne zu erklären versucht.

Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir hier das wunderbare Biopic von Pepe Danquart über Oehlens Kollegen Daniel Richter vorgestellt, der nicht minder begabt ist und anschaulich dem Zuschauer seine Malweise erklärt. Auch Gerhard Richter, der teuerste der derzeit noch lebenden Künstler, war sich 2011 nicht zu schade, selbst vor die Kamera zu treten.

Nur Ben Becker scheint mit seiner Show aus einem durchaus ernst gemeinten Thema, eine zwar lustige, aber dadurch auch die verhunzende Angelegenheit zu machen. Im Film gibt er selbst zu, dass er mit der Reihenfolge der Farben nicht immer klar kommt. Dabei ist genau dies eine wichtige Angelegenheit eines ernst zu nehmenden Künstlers.

Becker ist zwar bemüht, dem Zuschauer zu erklären, wie Oehlen arbeitet, scheitert aber mit seinem Ergebnis auf ganzer Linie.

W.F.


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Dass Kunst teuer sein kann, sehr sehr teuer sogar und dadurch auch für Diebe Begehrlichkeiten weckt, dürfte hinlänglich bekannt sein.

In dem Film "INSIDE", einer der wenigen Highlights der Sektion Panorama bei der diesjährigen 73. Berlinale, tritt der US-Schauspoiler Willem Dafoe an, einen Einbruch alleine zu begehen, um für irgendwelche Auftraggeber, die ihn anschließend im Stich lassen, einen Kunstraub durchzuführen. Dumm nur, dass das auserkorene Penthause mit hochkarätiger bestückter Kunst, derart gesichert ist, dass Defoe durch einen Verrat zwar hineingelangt, aber nicht mehr hinaus kommt.

Schon die alten Ägypter verstanden es, Fallstricke zu legen, um potentielle Grabräuber davon abzuhalten, die Totenruhe der Pharaonen zu stören. Meist traf sie ein vermeintlicher Todesfluch oder unüberwindbare Hindernisse, um möglichst niemals an Gold und Schmuck gelangen zu können.

In diesem Penthaus trifft Dafoe in einem Versteck auf die offensichtlich einbalsamierte Leiche des Künstlers, der von seinen letzten und teuersten Kunstwerken umgeben ist. Doch die Flucht aus dem als Mausoleum gebauten Schrein scheint für den Profieinbrecher unmöglich zu sein. Es bleibt ein Sarg, es wird womöglich auch sein Grab. Ein Kammerspiel, das kaum ein anderer Schauspieler so überzeugend hinbekommen hätte.

Was genau passiert, dazu lassen wir unsere Kollegin Ulrike Schirm zu Worte kommen.

"INSIGHT" Thriller von Vasilis Katsoupis (Großbritannien, Deutschland, Schweiz, Belgien, Griechenland, 2023; 105 Min.) Mit Willem Dafoe, Gene Bervoets, Eliza Stuyck seit 16. März 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Damit hat der professionelle Kunstdieb Nemo (Willem Dafoe) nicht gerechnet. Nur sieben Minuten sollte es dauern, um in das Penthouse eines reichen New Yorker Kunsthändlers einzudringen und drei millionenschwere Gemälde von Egon Schiele zu stehlen. Doch dann, oh Schreck, ist das teuerste, ein Selbstportrait Schieles, nicht dabei. Die Wohnung ist wie eine Festung, elektronisch gesichert. Doch als Nemo fliehen will, bricht das Sicherheitssystem zusammen, alle Türen sind verriegelt. Die Kommunikation mit seinem Kontaktmann draußen, funktioniert auch nicht mehr und dann geht auch noch die Alarmanlage los. Es gelingt ihm, sie mit Gewalt außer Kraft zu setzen, doch nun spielt die digitale Elektronik verrückt. Umgeben von Luxus aus Stahl, Beton und Glas, mit einem spektakulären Blick auf die Skyline von New York steht Nemo nun da und versucht irgendwie herauszukommen. Fenster und Türen lassen sich nicht öffnen. Er sitzt in einer Falle. Auch seine Komplizen melden sich nicht. Der Besitzer der noblen Wohnung ist für längere Zeit verreist. Die Angst, nicht mehr herauszukommen, ergreift immer mehr von ihm Besitz.

Er kann zwar auf einem Bildschirm, die gesamten Sicherheitskameras verfolgen, sieht die Housekeepingkraft, versucht Kontakt herzustellen, es funktioniert nicht. Alles um ihn herum ist automatisiert. Das Leitungswasser ist abgestellt, der Temperaturregler der Heizung spielt verrückt und sorgt für unerträgliche Hitze, der Kühlschrank ist fast leer und jedes mal, wenn er die Tür öffnet, erklingt der spanische Sommerhitohrwurm „Macarena“.

Beim Öffnen der Schränke, findet er eine Dose Kaviar, Champagner und irgendwelches Cracker ähnliches Gebäck. Doch Not macht auch erfinderisch. Aus den Zierfischen des Aquariums macht er Sushi, stellt Gefäße in die Pflanzenbeete, die in regelmäßigen Abständen durch eine Sprenkleranlage bewässert werden und hat somit wenigstens Trinkwasser.

Nach und nach verwandelt er das Penthouse in ein Schlachtfeld. Er zertrümmert das Luxusmobiliar, stapelt die einzelnen Teile aufeinander, in der Hoffnung die Sichtfenster in der Decke zu zerschlagen, um flüchten zu können. Ein Turm, der wie eine Skulptur jetzt im Raum steht. Wochen sind vergangen, er wird langsam wahnsinnig, spricht mit sich selbst, gibt der Reinigungskraft den Namen Jasmine, versucht immer wieder den Kontakt mit ihr herzustellen und kommuniziert mit einer Taube vor dem Fenster. Langsam verliert er den Verstand, fängt an die Kunstobjekte zu zerstören und die Wände mit eigenen merkwürdigen Phantasiebildern zu beschmieren und beginnt zu halluzinieren. Er sieht sich auf eine Vernissage in der sein Turm aus Möbeln zu Kunst wird, denn Kunst ist das, was bleibt.

Die Idee zu diesem klaustrophobischen Kammerspiel hatte der griechische Regisseur Vasilis Katsoupis während der Pandemie und den Lockdowns. Mit seinem Kammerspiel treibt er die damalige Isolation auf die Spitze, schickt seinen grandiosen Hauptdarsteller auf eine Tour de Force, in einer spannenden One-Man-Show. Willem Dafoe ist die perfekte Besetzung dafür.

Ulrike Schirm


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Wir bleiben bei der Kunst. Diesmal jedoch feine Webware aus blauem Satin, kunstvoll bestickt. Eine Handwerksmeisterstück, das unbezahlbar scheint und am Ende dem Tod des Meisters dient. In einer Welt voller Widersprüche, in einem Land, dass Grundrechte der Homosexualität nicht anerkennen will.

"DAS BLAU DES KAFTANS" Liebesdrama von Maryam Touzani (Marokko, Frankreich, Belgien, Dänemark, 2022; 122 Min.) Mit Lubna Azabal, Saleh Bakri, Ayoub Missioui u.a. seit 16. März 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Elisabeth's Filmkritik:

Die Farbe des Gewandes, der Duft der Mandarinen, das Dunkel der Werkstatt der Dampf im Waschhaus, die Melodie der Straße. "Das Blau des Kaftans" der marrokanischen Regisseurin Maryam Touzani spricht unsere Sinne an, wir trinken von dem Blau, wir riechen das Orange, wir hören das Leben und all das zusammen berührt unser Herz.

Etwas aus der Zeit gefallen ist die kleine Schneiderei in einer der vielen Gassen Casablancas. Halim (Saleh Bakri) hat sein Handwerk noch von seinem Vater gelernt. Vielleicht war die Entscheidung, die Werkstatt zu übernehmen, nicht sein Herzenswunsch. Seinem Herzenswunsch kann er sowieso nicht immer folgen. Zusammen mit seiner Frau Mina (Lubna Azabal), die beiden sind kinderlos geblieben, versucht er nun einen Nachfolger für ein Gewerk zu finden, das scheinbar niemand mehr braucht. Bei ihm wird noch mit der Hand genäht und gestickt. Stolz spielt damit hinein, vielmehr hat man nicht. Schon so mancher Lehrling hat bei Halim und Mina schnell das Weite gesucht. Nicht so Youssef (Ayoub Missioui), er begreift die Sinnlichkeit, die in der Bewegung der Hände liegt.

Der blaue Kaftan, ein besonders edles und teures Stück, ist der rote Faden, der uns durch die Handlung führt, eine Lebensschnur. Geduldig arbeitet der Meister an dem Stück. Für eine reiche, schnippische Kundin, die den Preis nur zu zahlen bereit ist, weil das gute Stück ein Statussymbol sein soll. Die fordernde, vermeintlich fortschrittliche Kundschaft steht für das Morgen, das jedoch an den Regeln der rückständigen Gesellschaft und deren Ächtungen festhält. Halim lebt ein Doppelleben. Nicht aus freien Stücken. Was sein Herz begehrt, gilt faktisch als kriminell. Für diese Gesellschaft wäre er ein Ausgestoßener. Er liebt seine Frau und zeigt ihr das auch mit kleinen Gesten. Um sie nicht zu verletzen, nimmt er Rücksicht, versagt sich die kleinste Regung, wenn es den jungen Lehrling betrifft.

Maryam Touzani, die mit ihrem Debüt "Adam", in der eine Bäckerin eine schwangere Frau aufnimmt, bereits ihren Stil gefunden hat, in dem sie die Entwicklung der Figuren sensorisch vermittelt und das Bild nach und nach öffnet, erzählt dieses Mal nicht von der Mutterschaft, sondern von der Liebe in all ihren Schattierungen.

"Das Blau des Kaftans" brachte sie, wie bereits "Adam", nach Cannes, nach Karlovy Vary, nach Hamburg und Zürich, bis nach Toronto und Rotterdam. Ihr Blick ist dabei ein zurückhaltender, sie zeigt nicht alles. Sie gibt den Figuren Würde und Dauer. Die Liebe ist dabei das Hauptthema. Liebe ist Hingabe und Aufopferung, Liebe ist fest in sich ruhen und los lassen können. Mina, nicht frei von Eifersucht, kennt ihren Mann gut. Das Leben entgleitet ihr zunehmend und sie muss die Zeit nutzen, die in den sorgfältigen Stichen der nähenden Hand schier im Stillstand zu verharren scheint. Und er, der sich hin und her gezogen fühlt, die Arbeit gibt ihm Sinn und Halt, muss sie, die geliebte Lebensgefährtin ebenso los lassen. Die Liebe zu der Arbeit, mit geduldig feinen Stichen etwas zum Leben zu erwecken, ist dabei die Liebe, die Halim offen ausleben kann, die die drei Figuren und ihre Beziehung zu einander bindet und formt.

"Das Blau des Kaftans", übrigens Marokkos Einreichung für den internationalen Oscar, ist keine Romanze. Romanzen sind wild und stürmisch. Ein Gefühl der ersten Begegnung und mit all der Unvernunft, die damit einher geht. Dieses Drama spielt sich still und leise im Verborgenen ab. Die wenigen Kunden, die die kleine Näherei noch hat, sind ungeduldig und oberflächlich. Touzani spricht die an, die geduldig auf die Sprache der Herzen reagieren und wahrnehmen, für was ein blauer Stoff steht und wie der Duft der Mandarinen die Welt bedeuten kann. Wie die Musik aus der Nachbarschaft für die Freude steht. Das Leben, das Halim trotzig in seiner Trauer feiert. Als Antwort auf das alles, was ihm und auch den anderen Figuren versagt wird. "Das Blau des Kaftans" ist zart. Der Stillstand, in dem sich Halim befindet, mag eine Herausforderung sein. Dabei ist das Titel gebende Stück Bild der Beständigkeit und eine Bestätigung, für alles, was sein kann.

Elisabeth Nagy


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