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Spielbergs Berlinale Special jetzt im Kino - Teil sechs unserer Berlinale Besprechungen

Neben Steven Spielbergs "The FABELMANS" kommt jetzt auch "Die EICHE", Beitrag der französischen Filmwoche 2022, in die deutschen Kinos.



In einer sechsten Ausgabe unserer Filmbesprechungen zur 73. Berlinale 2023 widmen wir uns Steven Spielberg, der in einer Special Gala den Goldenen Ehrenbären der Internationalen Filmfestspiele von Berlin erhielt. Es ist nicht nur der Preis seines Lebenswerkes, den er erhielt, sondern sein eigenes verfilmtes Leben, das er mit seinem neuesten Werk "The Fabelmans" zur Berlinale mitbrachte und persönlich vorstellte.

"THE FABELMANS" Biopic von Steven Spielberg (USA, 2022; 151 Min.) Mit Gabriel LaBelle, Michelle Williams, Paul Dano, Seth Rogen, Chloe East u.a. ab 9. März 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Steven Spielbergs Biopic „The Fabelmans“ ist sein privatester Film und eine Hommage an das Kino, in der er seine eigene Jugend nochmal an sich vorbeiziehen lässt.

Es ist sein 33. Film. Seine Geschichte beginnt mit einem kleinen Jungen, Sammy Fabelman (Kevin E. Lee), 5 Jahre alt, der zum ersten Mal mit seinen Eltern in ein Kino geht. Es ist ihm nicht ganz geheuer, denn er verspürt Angst in der Dunkelheit. Doch dann starrt er wie gebannt auf die Leinwand. Es läuft „The Greatest Show on Earth“ von Cecil B. DeMelville, 1952. Es geht um die Geschichte de Zirkus Barnum, wobei es zu einem fürchterlichen Unfall kommt, als eine Lokomotive in den Zirkuszug rast.

Seine Eltern schenken ihm eine Super-8-Kamera, dann wünscht er sich eine Spielzeugeisenbahn, bekommt sie zum hebräischen Chanukkah-Lichterfest und stellt das Unglück nach. Seine Mutter Mitzi Fabelman (Michelle Williams) hat Sammys Talent, der in Cincinnati, Ohio, 1946 in einer jüdischen Familie geboren wurde, schon ganz früh erkannt. Alles was jetzt erzählt wird, beruht auf wahren Begebenheiten.

In einem Interview erzählt er, dass seine Mutter Leha Spielberg die abenteuerlustigste Mutter, die man sich vorstellen kann, war. Sie hat ihre Karriere als Konzertpianistin aufgegeben und liebte es zu tanzen. Sie kletterte auf Bäume und holte einen Affen ins Haus.

Es gibt eine Szene in der Mitzi Fabelman seine drei Schwestern ins Auto packt und einem Tornado hinterherjagt. Sein Vater Burt (Paul Dano) ist Computeringenieur und weitaus nüchterner. Vieles für den Film wurde anhand alter Familienfotos und Filme rekonstruiert. Das geht über Kleidung und Schuhe und Wohnungseinrichtung. Mitzi trug sogar das Parfüm seiner Mutter, „Givenchy CeDe“. So hatte Spielberg während des Drehs den Duft seiner Mutter in der Nase. (Seine Mutter Leah wurde 97, sein Vater Arnold sogar 103 Jahre alt.)

Wie Sammy, drehte auch der echte Spielberg als Teenager einen Kriegsfilm und seine Schwestern überredete er mit wahrer Lust zu Hause, zu Horrorfilm-Experimenten. Der Film zeigt wie er in Nordkalifornien der einzige Jude in seiner Klasse war und von weissen, angelsächsischen Protestanten gemobbt und antisemitisch beschimpft wird. Der ältere Sammy wird jetzt von Gabriel LaBelle gespielt. Er rächt sich mit seiner Kamera.

Und dann gibt es ja noch Burts besten Freund Bennie (Seth Rogen), der zur Familie gehört und überall dabei ist. Sammy entdeckt in seinem Filmmaterial, dass er auf einem Familien-Campingausflug gedreht hat, dass seine Mutter mit Bennie eine Beziehung hat. Er schneidet das Material zusammen, bevor er es seiner Mutter zeigt.

Er dreht Kurzfilme mit seinen Pfadfinderfreunden, ein Kinderwagen dient ihm als Dolly. Vieles hat Spielberg in seinem Film öffentlich gemacht, worüber er sonst nur privat erzählt. So auch die Scheidung seiner Eltern.

Es gibt einen Cameo-Auftritt von David Lynch, der als John Ford eine oft erzählte Anekdote Spielbergs nachspielt.

In DIE FABELMANS wollte Spielberg eine Geschichte erzählen, die seine Erfahrungen mit seinen Schwestern, seiner Mutter und seinem Vater und Onkel Bennie, so ehrlich wie möglich wiedergibt. So bin ich all den Personen nochmal sehr nah gekommen, sagt der heute 76 jährige Filmemacher, der bisher 35 Oscars gewonnen hat.

Die Macht des Kinos hat er früh erkannt. „Wenn du aufhörst, Filme zu drehen, bricht es deiner Mutter das Herz“, warnt ihn Onkel Bennie. Am stärksten ist aber der entscheidende Satz der Mutter: „Filme sind Träume, die man niemals vergisst“.

© Ulrike Schirm


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"DIE EICHE – Mein Zuhause" Familienabenteuer Dokumentation von Michel Seydoux & Laurent Charbonnier (Frankreich, 2022; 80 Min.) Nach einigen Sonderaufführungen und Previews ab 9. März 2023 regulär im Kino.

Schon Ende November 2022 konnten wir zur Französischen Filmwoche Berlin den Natur-Familienfilm "Die Eiche - Mein Zuhause" in einer Matinee-Veranstaltung zusammen mit zahlreichen Kindern und ihren Eltern sehen.

Da sich auf unserem geerbten Grundstück zwei über 100 Jahre alte deutsche Eichen befinden, in denen sich jedes Jahr aufs Neue Eichhörnchen tummeln, wollten wir wissen, was die Franzosen daraus Spannendes gemacht haben, denn dieses ohne Kommentar, aber mit vielen Geräuschen und dazu passender Musik gedrehte Werk von Michel Seydoux und Laurent Charbonnier versammelt eine außergewöhnliche tierische Besetzung.

Dieser Dokumentarfilm ist eine poetische Ode an das Leben, in der die Natur allein zum Ausdruck kommt. Zu unserer Überraschung waren auch die Kinder im Saal offensichtlich hellauf begeistert. Einige hatten sich auf der Balustrade der Empore im Filmtheater am Friedrichshain, hoch über den Köpfen der Erwachsenen im Schneidersitz niedergelassen und konnte so ohne Sichtbeeinträchtigung das Geschehen auf der Leinwand mit großen Kulleraugen verfolgen.

Hier der Trailer:



Angelikas Filmkritik:

Ein Jahr im Leben einer über 210 Jahre alten Eiche…

Kurz nach der so viel gepriesenen wie auch gründlich geschmähten BERLINALE von 2023 kommt jetzt am 9. März 2023 ein fantastischer Abenteuer-Naturfilm für die ganze Familie mit dem vielsagenden Titel "DIE EICHE - MEIN ZUHAUSE" als ein optisches wie auch höchst spannendes akustisches Erlebnis für die große Leinwand in die deutschen Kinos.

Die Liebe der Deutschen zum Baum war das letzte Mal vor 15 Jahren durch eine repräsentative Meinungs-Umfrage verifiziert worden. Sieger war damals die 300-jährige Eiche bei Colmberg in Mittelfranken. Etwa auf der Höhe von Nürnberg und Stuttgart… Zwanzig Prozent aller Befragten benannten damals die Eiche als ihren Lieblingsbaum unter all den anderen hölzernen in Deutschland wachsenden Riesen.

Wenn Bäume leiden, eilen Menschen ihnen auch heute noch wie selbstverständlich zu Hilfe: Als in diesem Sommer — wie auch schon in den Vorjahren — schwere Unwetter in Berlin und auch im Westen Deutschlands viele der grünen Riesen verletzt und umgestürzt hatten, spendeten tausende Bürger spontan Geld, damit in Parks, Gärten und Wäldern wieder Bäume angepflanzt werden können.

Bäume, so zeigt sich, sind unter allen Pflanzen diejenigen, die am häufigsten starke Emotionen und Bewunderung auslösen. Und dazu gehört eben auch, dass nahezu jeder Deutsche und jede Deutsche mindestens einen Baum kennt, den er oder sie als Lieblingsbaum bezeichnen kann.

Den jetzt erst in die deutschen Kinos kommenden fantastischen semi-dokumentarischen Abenteuer-Film "DIE EICHE - MEIN ZUHAUSE" haben im Nachbarland Frankreich schon weit über 500.000 kleine und große Menschen bereits gesehen: In ungewöhnlichen Bildern und mit einer virtuosen Tongestaltung zeigen dort die beiden preisgekrönten französischen Regisseure Laurent Charbonnier und Michel Seydoux ein Jahr im Leben einer uralten Eiche und deren Bewohner aus der Tierwelt. Und das einschließlich aller Wetter-Phänomene, mit denen eine so alte Baum-Riesin beständig zu kämpfen hat.

Der Film "DIE EICHE - MEIN ZUHAUSE" glänzt mit einer äußerst vielfältigen und außergewöhnlichen tierischen Besetzung. Sie setzt sich zusammen aus Eichhörnchen, Eichelhähern, Feldmäusen, Rüssel-Käfern, Ameisen, Insekten und unzähligen anderen Tierarten wie Wildschweine, eine Schlange und jede Menge Vögel. Jede Sorte der tierischen Baum-Bewohner baut ihre eigene Art von „Wohnungs-Modellen“, die sie je nach den Natur-Gegebenheiten be- und ausnutzen. So werden zum Beispiel die kugeligen Nester der Eichhörnchen, die man als „Kobel“ bezeichnet, ebenso zum Ruhen und Schlafen, als auch zum Rumtoben vom quirligen Nachwuchs benutzt.

Die Bewohner-Sorte der Rüssel-Käfer lebt dagegen total bescheiden in den vorhandenen Holz-Ritzen. Andere Bewohner wie etwa die Eichelhäher kleiden ihre Nester geschickt mit Moos aus. Zu weiteren beliebten Einwohnern zählen vor allem Ameisen.

Alle noch so unterschiedlichen Baum-Bewohner erschaffen zusammen eine wunderbare, vibrierende, summende, singende und zwitschernde Welt. — Eine Welt, deren Schicksal von diesem majestätischen jahrhundertealten Baum bestimmt und am Leben erhalten wird. Denn diese uralte Eiche nimmt all ihre Bewohner nur bis zu einer bestimmten Größe auf. Sie nährt und sie beschützt sie: Von den Wurzeln bis hinauf zu ihrer Krone.

In ihrem Film "DIE EICHE - MEIN ZUHAUSE" bieten die beiden französischen Regisseure Michel Seydoux und Laurent Charbonnier nicht nur geduldig und mit viel Liebe und Achtsamkeit beobachtende Bilder, sondern auch ungewöhnliche und überraschende Momente akustischer Raritäten aus einer brodelnden, knisternden, zwitschernden, singenden und oft tief Atmen holenden Welt. — Eine Welt, die sie von Zeit zu Zeit auch noch mit zarter oder aufrüttelnder Musik untermalen oder sogar vorantreiben.

Ameisen, Käfer, Mäuse, Eulen und andere Vögel… Alle werden geduldet von der uralten Gastgeberin. Und so lassen sogar die älteren Wildschweine ihre Frischlinge vom Schatten der Eiche profitieren wenn sie vom Herumtollen erschöpft sind… oder auch dann, wenn sie bei Sturz-Regen die Nähe und den Schutz der uralten Eiche suchen — ebenso wie alle anderen Bewohner auch.

Die unterschiedlichsten Höhlen und Verstecke des alten Baumes werden als „Speisekammern“ genutzt. An flacheren Stellen werden Eicheln von ihren Schalenkapseln befreit und dann zwecks Aufbewahrung verstaut.

Aber auch größere Vögel nutzen die alte Eiche oft genug als Starthilfe für längere Flüge oder um sich aus höchster Höhe dann im Sinkflug auf ihre Beute zu stürzen.

Auch nachts gibt es kaum ruhigere Momente, damit alle Bewohner schlafen können. Das lebhafte Auf-Alles-Vorbereitet-Sein nimmt die gesamte Nacht hindurch niemals ein einheitliches Ende. Irgendwo ist immer Gekuschel, Geraschel und Neuordnung angesagt. Alles bleibt immer irgendwie in Hab-Acht-Stellung: Jedes Tier ist irgendwann, egal ob groß oder winzig für das Wohlergehen der jeweiligen Nachbarn verantwortlich.

"DIE EICHE — MEIN ZUHAUSE" ist ein äußerst wohltuender Film.

© Angelika Kettelhack


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