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Erfolgreiche Zwischenbilanz der 73. Berlinale 2023 und eine Filmkritik

Zur Berlinale Halbzeit waren die Kinos in Berlin mit rund 90%, manchmal sogar zu 100% ausgelastet.



Das lebhafte Interesse des Publikums an der 73. Berlinale beschert dem Veranstalter volle Kinosäle, führt die Zuschauer*innen aber manchmal auch in die Verzweiflung, wenn am frühen Morgen, nur wenige Minuten nach Freischaltung der Kartenkontingente, viele der Vorstellungen gleich restlos ausverkauft sind.

Das Online-Ticketing hat zwar den Vorteil, nicht mehr in der morgendlichen Kälte anstehen zu müssen, dafür hat man im System aber auch versteckten Tücken zu kämpfen. Einmal eingeloggt heißt nicht, dass gesetzte Filter für weitere Karten bestehen bleiben, sondern bei einem erneuten Bestellungsversuch durchaus ungewollt aufs aktuelle Tagesdatum zurückspringen können. Wer zwei Tage im Voraus plant, muss bei der Auswahl der Vorstellungen also höllisch aufpassen, das richtige Datum zum gewünschten Veranstaltungsort ausgewählt zu haben.

Wer sich irrt, oder die Länge des vorgesehen Films bzw. die Fahrzeit zum Veranstaltungsort falsch eingeschätzt hat und zu spät kommt, dem kann durchaus der Eintritt verwehrt werden. Eine zweimalige, nicht rechtzeitige Stornierung, führt sogar zum Verlust der Akkreditierung, was einige offensichtlich im Kleingedruckten überlesen haben.

Zur Halbzeit der Internationalen Filmfestspiele Berlin gab es am Dienstag die Verleihung des Goldenen Ehrenbären an den US-amerikanischen Regisseur Steven Spielberg. Im Berlinale Palast nahm Steven Spielberg die renommierte Auszeichnung nach der Laudatio von U2-Sänger Bono vor stehendem Applaus von den 1.600 Zuschauer*innen entgegen. Anschließend wurde mit "The Fabelmans" sein jüngstes und persönlichstes autobiografisch geprägte Werk im Berlinale Palast aufgeführt.

Hier der Trailer:



Zeitgleich gab es in der Verti Music Hall mit "Kiss the Future" die Welturaufführung der Doku über ein Charity-Konzert der irischen Rockband "U2" mit Frontman Bono.

Filmstill-Plakat zu "Kiss the Future" © 2023

Synopsis:
Der Film von Nenad Cicin-Sain und Produzent Matt Damon handelt vom Bosnienkrieg Mitte der neunziger Jahre mit der über vier Jahre andauernden Belagerung der Stadt Sarajevo im ehemaligen Jugoslawien durch serbische Truppen sowie über die Geschichte der Sarajevo-Underground-Kunstszene während dieser Zeit und der Hoffnung der eingeschlossenen Bewohner, einst genau dort das kathartische Nachkriegskonzert der größten Rockband der Welt durchführen zu können.


Während in der Ukraine seit einem Jahr schon wieder ein Krieg tobt über den das Festival in verschiedenen Sektionen Stellung bezieht, vor allem aber im Berlinale Special mit Sean Penns Weltpremiere der Doku "Superpower" über den russischen Angriffskrieg am Wochenende beim Publikum breite Aufmerksamkeit erregte, in der Penn als rasender Reporter sich ein Bild von der Ukraine machen wollte und dabei mitten in einen Krieg geriet, startet nächste Woche mit "Luftkrieg - Die Naturgeschichte der Zerstörung" des ukrainischen Regisseurs Sergei Loznitsa eine weitere Kriegs-Doku über das menschliche Leiden im Zweiten Weltkrieg regulär im Kino, die schon letztes Jahr beim Filmfestival von Cannes ihre Premiere feierte.

In diesem sehr aktuellen Film, der anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nun ins Kino kam, setzt sich der in Weißrussland geborene Regisseur mit der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinander und zeigt anhand von bislang unveröffentlichtem, historischem Archivmaterial eindringlich, welches Ausmaß die Zerstörung der Städte folglich auf die Zivilbevölkerung hat.

"LUFTKRIEG - Die Naturgeschichte der Zerstörung" Doku von Sergei Loznitsa (Deutschland, Litauen, Niederlande 2022; 112 Min.) ab 16. März 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Schon im Buch „Luftkrieg und Literatur“ von W.G. Sebald wird geschildert, welch verheerende Ausmaße die Zerstörung von einigen deutschen Städten im Zweiten Weltkrieg hinterließ. Von diesem Buch ließ sich der ukrainische Filmemacher Sergei Loznitsa inspirieren.

Er verzichtet auf erklärende Kommentare und lässt die Bilder für sich sprechen. Obwohl sein Film im letzten Jahr unter dem von Russland begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine entstand, zeigt er keine aktuellen Ereignisse. Sein Film beginnt vielmehr mit harmlosem Archivmaterial aus Deutschland und Großbritannien, welches Deutsche und Briten in ihrem friedlichen Alltagsleben zeigt. Belebte Straßen, spielende Kinder, geschäftiges Treiben und Spaß am Leben. Unterbrochen wird die normale Alltagssituation mit dem Start von Bombern und dem Abwurf von Bomben aus der Luft mit der folgenden verheerenden Zerstörung und dem bitteren Leid, welches dieser Wahnsinn verursacht.

Egal, wo es passiert, Leid und Elend sind überall gleich wo zu Waffen gegriffen wird. Ganz perfide wird es, wenn uns Loznitsa mit in die Produktionshallen nimmt, wo wir Zeugen von der Herstellung tausender von Bomben werden, die das Fließband verlassen und die erbarmungslos eingesetzt werden und von Menschen aufgrund ihrer Staatstreue, nicht nur auf Schlachtfeldern und Schützengräben eingesetzt werden, sondern auch hinterhältig von oben auf die Zivilbevölkerung in den Städten geworfen werden. Man nannte es eine neue Art der Kriegsführung, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Nationen kritisiert wurde. Es ist ein wichtiger Film. Das Archivmaterial, das für diese Dokumentation zusammengetragen wurde, sagt mehr als es Worte vermögen und öffnet den Blick für einen Wahnsinn, der heute noch genauso aktuell und grausam ist, wie vor Jahrzehnten.

Ulrike Schirm


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