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71. IFFMH gab Preisträger*innen des Festivals Mannheim-Heidelberg bekannt

Das 71. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg gab letzte Woche die diesjährigen Siegerfilme bekannt. Einer davon wird auch in Berlin gezeigt.



Eines der ältesten internationalen Filmfestivals fand vom 17. - 27. November 2022 zum 71. Mal in Mannheim und Heidelberg statt. Wegen guter Erfahrungen mit dem Online-Streaming während der Corona-Pandemie im letzten Jahr, wodurch auch neue Publikumsschichten zugewonnen werden konnten, wurde auch das diesjährige Festival erneut zum Teil hybrid per Stream durchgeführt.

Unter den Gewinnerfilmen war allerdings der Publikumssieger schnell online vergriffen. Einige andere Siegerfilme blieben leider online außen vor, konnten jedoch nochmals am letzten Wochenende vor Ort im Kino gesehen werden.

Die Ergebnisse der feierlichen Award Ceremony im Luxor Filmpalast in Heidelberg fand bereits am Abend des 24. Novembers 2022 statt. Die Preisträger wurden uns allerdings erst später mitgeteilt.

Die geehrten Filme des diesjährigen Festivals zeichnen sich bei aller Unterschiedlichkeit durch einen zutiefst humanen und empathischen Blick auf ihre Protagonist*innen aus, heißt es in einer Presseerklärung.

Der mit 30.000 Euro dotierter Hauptpreis, der International Newcomer Award für die Beste Regie, ging an "You Won’t Be Alone" des australischen Regisseurs Goran Stolevski, ein symphonisch komponiertes Meisterstück von poetischer Schönheit und anrührender Kraft. Durch die Neuerzählung eines Mythos konfrontiert er die Zuschauer*innen auf unerwartete Weise mit grundlegenden Fragen von Gender und Identität, so die Jury.

Hier der Trailer der australisch-englisch-serbischen Koproduktion:



Synopsis:
Anfang der 1880er Jahre gehen in einem mazedonischen Bergdorf seltsame Dinge vor sich. Ein kleines junges Mädchen wird von einem uralten Geist entführt und in eine Hexe verwandelt. Der Wildnis überlassen, betrachtet Bosilka (Noomi Rapace) die Natur mit Neugier und Staunen. Nachdem sie versehentlich einen Dorfbewohner tötete und in dessen Körper schlüpft, lebte sie jahrelang unter den Dorfbewohnern, beobachtet sie und ahmt deren Verhalten nach, bis der uralte Geist zurückkehrt.

Das Filmdrama mit Horrorelementen feierte Ende Januar 2022 beim Sundance Film Festival seine Premiere feierte und kam Anfang April 2022 in die US-Kinos. Das Werk wurde von Australien als Beitrag für die Oscarverleihung 2023 als bester Internationaler Film eingereicht. Ein Termin für den offiziellen Kinostart in Deutschland steht noch nicht fest.


Insgesamt wurden im Wettbewerb ON THE RISE fünf Preise von vier Jurys vergeben. Hinzu kam der mit 5.000 Euro dotierte Audience Award, über den das Publikum entschied. Zur Auswahl standen 16 internationale Erst- und Zweitfilme von herausragenden Regietalenten.

Der Publikumspreis ging an den LGBTQ-Film "Joyland" von Saim Sadiq (Pakistan) und entführte das Publikum ins Nachtleben Lahores, der zweitgrößten Stadt Pakistans und Hauptstadt der pakistanischen Provinz Punjab mit dem historischen Kulturzentrum Pakistans, wo starre gesellschaftliche Konventionen ins Wanken geraten. Ein epischer, freiheitsliebender und gesellschaftskritischer Film, dessen kunstvoll gestaltete Bilder vor tiefen Farben pulsieren und das Publikum mit seinem empathischen Blick auf die Menschen überzeugte. Hier ein kurzer Teaser:



Der Rainer Werner Fassbinder Award für das Beste Drehbuch dotiert mit 10.000 Euro ging an die tunesisch-französische Koproduktion "Ashkal" von Youssef Chebbi (auch Regie) und François-Michel Allegrini.

Hier der Trailer:



Die Begründung der Jury:
„Der Rainer Werner Fassbinder Award für das beste Drehbuch geht an einen Film, der aus dem Bild eines Arbeiters, der sich für die Freiheit in Tunesien selbst anzündete, eine kinematografische Metapher kreiert."

Das toll bebilderte, mitreißende Kriminaldrama mischt Politik mit Übersinnlichem und erinnert an die öffentliche Selbstverbrennung, die den Arabischen Frühling in Gang setzte. Das Drama spielt vor dem Hintergrund eines unvollendeten neuen Viertels namens Gardens Of Carthage am Stadtrand von Tunis, dessen Bau aufgrund der Revolution von 2011 ins Stocken geraten ist.


Eine Lobende Erwähnung ging an den portugiesischen Film "Wolf and Dog" (Originaltitel: ›Lobo e Cão‹) von Cláudia Varejão.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Dieses so bildgewaltige wie emotionsgeladene Spielfilmdebüt folgt den jungen queeren Bewohner*innen auf der Azoreninsel São Miguel, die sich im Würgegriff aus Tradition, Religion und Patriarchat befinden, das ihr immer stärker werdendes Bedürfnis nach Freiheit zu ersticken droht.


Eine weitere lobende Erwähnung ging an den Film "The Maiden" von Graham Foy aus Kanada, der außerdem den FIPRSCI Preis und den mit 5.000 Euro dotierten STUDENT AWARD der Jungen Jury gewann. Das Mystery-Drama folgt einen Sommer lang drei Jugendlichen in einer kanadischen Kleinstadt. Das Werk wurde im September 2022 im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Venedig uraufgeführt.

Hier nachfolgend zwei Ausschnitte:



Begründung der Jury:
Ein Film, dessen tiefschürfender filmischer Ausdruck die Zerbrechlichkeit von Freundschaft aufzeigt. Durch seine sanfte und zugleich kraftvolle Darstellung und die immersive Kraft seiner körnigen 16-Millimeter-Aufnahmen entwirft der Filmemacher eine Welt, in der sich Realismus und urbane Mystik vermischen.

Die Jugend Jury ergänzt:
"Ein Film voller trauriger, stiller Schönheit, der auf eine feinfühlige, pure Weise Freundschaft, Begegnung mit dem Tod und Trauerbewältigung thematisiert. Ein Film voll starker Symbolkraft, der den Blick der Zuschauenden subtil lenkt. Besonders beschäftigt hat uns der Übergang von der anfangs dokumentarischen Wirkung zum späteren mystischen Unterton. (…) Der Regisseur hat die Bilder sprechen lassen, er hat den Dingen Zeit gelassen für sich selbst zu sprechen.


Hier Ausschnitt zwei:



Synopsis:
Colton und Kyle sind beste Freunde. Sie genießen zusammen den Sommer und streifen glücklich durch ihre Kleinstadt und deren Umgebung. Die beiden Jugendlichen lassen sich treiben und tauschen sich über ihre Träume aus. Auch lassen sie sich zu gewöhnlichem, dummen Teenagerkram hinreißen. So zerstören sie einen alten Fernseher, fahren mit dem Skateboard eine holprige Schotterpiste hinunter oder sprühen Graffiti an eine Eisenbahnbrücke. Als sie eine tote schwarze Katze finden, beerdigen sie diese feierlich. Sie lassen den Kadaver mit einem Strauß Wildblumen versehen auf einem winzigen Floß flussabwärts treiben.

Der perfekte Sommer endet für Colton abrupt, als Kyle bei einem schrecklichen Unfall ums Leben kommt. Dieses Ereignis stürzt ihn in eine tiefe Krise. Er beginnt noch einmal die Orte aufzusuchen, an denen er mit seinem besten Freund Zeit verbracht hat. Sein Umfeld bemerkt seine drastische Wesensänderung und versucht ihm die Hand zu reichen. Colton bleibt aber stumm vor Trauer. Währenddessen erlebt Coltons Mitschülerin Whitney eine eigene tief verinnerlichte emotionale Krise. Wie Colton zieht sie sich auf der Suche nach einer Art Frieden in den Wald zurück. Sie versucht dabei Trost in ihrem Tagebuch zu finden. Auch fertigt sie Zeichnungen darin an. Als Whitney von ihrer besten Freundin verlassen wird, verschwindet sie. Doch ihr Tagebuch wird entdeckt und die scheinbar magische Schlucht macht den Weg frei für eine paranormale Begegnung. So kehrt die vermeintlich für tot gehaltene Katze unter die Lebenden zurück.


Die ÖKUMENISCHE JURY kürte "Valeria is Getting Married" (Originaltitel: 'Valeria Mithatenet') von Michal Vinik mit dem 2.500 Euro dotierten Ecumenical Award. Die internationale Koproduktion zwischen Israel und der Ukraine wurde in diesem Jahr bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig uraufgeführt.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Christina stammt aus der Ukraine und ist vor einigen Jahren durch eine Partnervermittlung als „Braut auf Bestellung“ nach Israel gelangt. Dort hat sie den einheimischen Makler Michael geheiratet und ist im Vergleich zu früher mit ihrem neuen Leben zufrieden. Die Dinge laufen aber nicht mehr so wie geplant, als Michaels neueste Kundin aus der Ukraine anreist. Es ist Christinas jüngere Schwester, Valeria, die der zuvor getroffenen Vereinbarung zu einer Verlobung mit einem ihr fremden Partner plötzlich nicht mehr zuzustimmen will. Dem Heiratsvermittler Michael droht zudem die Rückerstattung der Vorauszahlung für die illegale Partnervermittlung.

Die Begründung der Jury:
„Was in diesem Film geschieht und warum, entfaltet sich in einem wirbelnden, brillant konstruierten, geschriebenen und inszenierten Drama, das auch humorvolle Momente aufweist. Es ist ein Kammerspiel im besten Sinne, in dem nicht nur Interessen und Emotionen aufeinanderprallen, sondern auch Länder. Ist Freiheit womöglich wichtiger als das bequeme Leben in einer arrangierten Ehe? Die Regisseurin beobachtet ihre Protagonist*innen voller Hellsicht und Zärtlichkeit, besonders das geschwisterliche Band zweier Frauen, die zwischen zwei Ländern nach Emanzipation suchen, nämlich Israel und der Ukraine.“


Eine Lobende Erwähnung erging zudem an "The Dam" (Originaltitel: 'Al-Sadd') von Regisseur Ali Cherri, einem libanesischen Actionskünstler.

Die Begründung der Jury im Auszug:
„Während in Khartum die Revolution um sich greift, durchlebt der Protagonist des Films in einer grandiosen und hell erleuchteten Landschaft seine innere Revolution, die der Regisseur in universelle Symbole übersetzt: das Wasser reinigt, das Feuer umschlingt, und die Erde erinnert uns an die conditio humana.“


Hier der Trailer:



Wie von uns bereits am 25.11.2022 erwähnt und ausführlich vorgestellt, gewann der Hauptdarsteller Maher Elkheir beim 44. Cairo International Film Festival einen Hauptpreis für seine darstellerische Leistung in diesem Film.

In Berlin wird "The Dam" ('Der Damm'), der in Kooperation mit dem World Cinema Fund (WCF) der Berlinale entstanden ist, aber noch keinen Verleih hat, noch einmal am nächsten Sonntag, 4. Dezember 2022 sowie am Dienstag, 6. Dezember 2022, auf dem Independent Filmfestival AROUND THE WORLD IN 14 FILMS im Kino der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg gezeigt.

Link: www.iffmh.de

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