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Eine Buchempfehlung und zwei weitere Filmkritiken im März 2022, Teil 4

KLAPPE! - Geschichten der Filmstadt Berlin von Oliver OHMANN aus dem Elsengold Verlag mit zahlreichen Fotos von 1895 bis heute.



Der Elsengoldverlag am Asternplatz in Berlin hat uns freundlicherweise ein Leseexemplar des Buches »KLAPPE! - Geschichten der Filmstadt Berlin« überlassen, das uns sofort begeistert hat. Es beginnt mit einem Foto der Aktion »KINO LEUCHTET« aus dem letzten Jahr, als die Filmtheater wegen der Corona-Pandemie geschlossen bleiben mussten.

Ab dem heutigen 20. März 2022 soll zwar die Normalität wieder in den Alltag einziehen, doch das Virus hält sich nicht an politische Vorgaben, sondern lässt die Inzidenzzahlen durch Mutationen überraschenderweise in diesem Frühjahr in die Höhe schnellen. Ob sich daraus ein erneuter Hotspot in Berlin entwickelt, sodass wieder mit strengeren Auflagen beim Besuch von Kinoveranstaltungen gerechnet werden muss, wird sich vielleicht bald abzeichnen. Wir hoffen selbstverständlich, dass mit Eigenverantwortung jedes Einzelnen, die Filmtheater gut über die Runden kommen können.

Wer sich nicht sicher ist, ob die Kinos genügend Schutzvorkehrungen getroffen haben, sollte lieber zu Hause bleiben und Filme von bald startenden Festivals wie dem Internationalen Trickfilm-Festival Stuttgart (ITFS) im Stream ansehen, oder zu einem Buch greifen, wie das von Oliver Ohmann, das auf 255 Seiten die Geschichte der Filmstadt Berlin abhandelt.

Seine gebundenen Dokumentation »KLAPPE!« ist seit dem 23. Februar 2022 für 26,- € fast überall im Buchhandel oder Online-Vertrieben wie Amazon oder Buch.de erhältlich und beginnt mit Max Skladanowsky, der 1895 in Berlin das Kino erfand.

Rasant geht die Erfolgsgeschichte des Films in Berlin weiter, heißt es im Klappentext. Die Dänin Asta Nielsen wird hier zum Star, in Konkurrenz zu Henny Porten aus Steglitz. Sogar Actionfilme gab es schon: Die Titanic sank 1912 auch in Königs Wusterhausen.

Nach dem ersten Weltkrieg revolutioniert der geniale Ernst Lubitsch die Filmkunst, die Filmmetropole Berlin wird geboren. Regie-Götter wie Murnau, Pabst und Lang dominieren die Filmkunst weltweit. Kino-Paläste entstehen, Schauspieler leben auf der Überholspur. Dann der Tonfilm, gleich der erste, „M“, wird ein Meisterwerk. Marlene Dietrich startet ihre Weltkarriere, aber auch die Nazis okkupieren die Filmkunst.

Nach 1945 kommt es in den Trümmern Berlins zu einem Neuanfang und einem Comeback der Kinos – trotz mittelmäßiger Filme. Aber auch die 1970er- und 1980er-Jahre bringen Meisterwerke made in Berlin hervor: „Die Legende von Paul und Paula“ und „Coming out“ im Osten ebenso wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und „Der Himmel über Berlin“ im Westen. Die Wende schlägt sich mit „Herr Lehmann“, „Sonnenallee“ und „Good bye, Lenin“ nieder. Und „Lola rennt“ direkt in die Filmgeschichte. Ein wilder Ritt durch über 100 Jahre Film in Berlin.

Kenntnisreich und mit viel Sympathie erzählt Oliver Ohmann rund 125 Jahre Berliner Filmgeschichte nach. Dass auch in Pandemie-Zeiten in Berlin weiter gedreht wurde, konnte natürlich wegen der Drucklegung nicht mehr berücksichtigt werden, genauso wenig, wie der Hinweis auf den überraschenden Verkauf des Studios Babelsberg Anfang dieses Jahres an einen US-Investor.

Link: www.elsengold.de

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"DREI ETAGEN" Arthouse-Tragikomödie von Nanni Moretti (Italien / Frankreich). Mit Margherita Buy , Riccardo Scamarcio , Alba Rohrwacher u.a. seit 17. März 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Unter jedem Dach wohnt ein „Ach“)

Ein lauter Knall in der ruhigen Seitenstraße in Vittoria, einem bürgerlichen Wohnviertel im Zentrum Roms, weckt die Mieter im dreistöckigen Wohnhaus. Eine hochschwangere Frau mit einem Rollkoffer hat gerade das Haus verlassen, um ein Taxi zu rufen, als ein Auto mit quietschenden Reifen um die Ecke kommt, eine Passantin auf dem Zebrastreifen erfasst und durch die Wand aus Glasbausteinen ins Büro im Erdgeschoss rast. Auf allen Etagen gehen die Lichter an, die Mieter versammeln sich erschreckt vor der Haustür.

Von nun an begleitet Regisseur Nanni Moretti über zehn Jahre die Bewohner dieses Hauses und erzählt ihre Geschichten und Empfindsamkeiten.

In der obersten Etage wohnen Dora (Margherita Buy) und ihr Mann Vittorio, gespielt von Nanni Moretti himself, mit ihrem erwachsenen Sohn Andrea (Alessandro Sperduti), der betrunken den

tödlichen Unfall vor der Haustür verursacht hat. Andrea hofft auf die Unterstützung seines Vaters, doch der selbstgerechte Richter, wendet sich von ihm ab und zwingt seine Frau, die ebenfalls Richterin ist, den Kontakt zu Andrea abzubrechen. Er wird zu einer Haftstrafe verurteilt, Dora steht weiterhin an seiner Seite.

In der zweiten Etage lebt die junge Mutter Monica (Alba Rohrwacher) mit ihrem Baby, zurückgezogen in ihrer ganz eigenen Welt zwischen Realität und Fantasie. Sie leidet unter postnataler Depression, ist viel allein. Ihr Mann Giorgio ist als Bauleiter ständig unterwegs.

In der ersten Etage leben Lucio (Ricardo Scamarcio) und Sara mit ihrer siebenjährigen Tochter Francesca (Elena Lietti). Da beide Elternteile arbeiten, geben sie ihre kleine Tochter gerne bei den älteren Nachbarn Renato (Paolo Graziosi) und seiner Frau Giovanna (Anna Bonaiuto) ab, die sich liebevoll um das Kind kümmern. Als der leicht demente Renato sich eines abends mit dem Kind in einem Park verläuft und die beiden verstört im Park aufgefunden werden, ist Lucio fest davon überzeugt, dass sich der alte Mann an seiner Tochter vergangen hat. Er macht sich wie besessen auf die Suche nach der Wahrheit, vergiftet das nachbarschaftliche Verhältnis und landet wegen eines sexuellen Vergehens vor Gericht.

Morettis Film basiert auf dem Roman "ÜBER UNS" des israelischen Autors Eshkol Nevo. Die unterschiedlichen Familien, die im gleichen Haus leben, setzen sich mit Themen auseinander, die uns alle betreffen, ob in Israel oder Rom, jede unserer Handlungen, auch die im privaten Bereich, hat Folgen und wirkt sich auf künftige Generationen aus. Der Film erinnert uns daran, dass unser eigenes Wohlergehen immer auch mit dem Wohlergehen anderer geknüpft ist und nicht wie hier, die Männer in ihrem Starrsinn wie gefangen sind während die Frauen bereit sind, familiäre Brüche zu kitten und wenn nötig, auch ihren eigenen Weg gehen. Es gibt Hoffnung auf Versöhnung.

Thematisch etwas überladen. Eine Etage weniger hätte auch gereicht.

Ulrike Schirm


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"DER WOLF UND DER LÖWE" Familienabenteuer von Gilles de Maistre (Frankreich / Kanada). Mit Molly Kunz , Graham Greene (II), Charlie Carrick u.a. seit 17. März 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Die angehende Pianistin Alma (Molly Kunz) träumt davon, einen der begehrten Plätze im philharmonischen Orchester von Los Angeles zu ergattern. Als sie erfährt, dass sie von ihrem Großvater eine kleine Insel in der kanadischen Wildnis geerbt hat, fährt sie dort hin, um nach dem rechten zu sehen und wirft ihr Pläne erst einmal über den Haufen, als sie ihr Herz für Wildtiere entdeckt. Eine weiße Wölfin legt ihr Junges bei ihr ab und der Fund eines Löwenbabys nach einem Flugzeugabsturz, wecken in ihr mütterliche Instinkte und sie wird eine Ersatzmutter für die beiden knuddeligen Jungtiere. Den Wolf nennt sie Mozart, den Löwen Dreamer. Die gemeinsame Freundschaft wird bedroht, als eines Tages ein Ranger vor ihrer Hütte auftaucht.

Nach seinem letzten Tierabenteuerfilm „Mia und der Löwe“ 2018, zeigt Regisseur und Tierfilmexperte Gilles de Maistre in „Der Wolf und der Löwe“ eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen zwei Raubtieren in den Wäldern Kanadas, die so einige Abenteuer erleben und überstehen. Geschickt baut er ernste aktuelle Themen, wie die Haltung von Raubkatzen als Zirkusattraktion, die Rettung bedrohter Tierarten und die Wichtigkeit der artgerechten Haltung so in die Geschichte ein, dass auch kleinere Kinder es verstehen und nicht überfordert werden.

Es gibt so einige dramaturgische Schwächen, die man dem anrührend erzähltem Film, angesiedelt in der atemberaubenden Naturkulisse Kanadas, verzeiht. Ein warmherzig erzählter Film für die ganze Familie.

Ulrike Schirm


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