Nebensektionen der Berlinale zeigten hochpolitische Filme
Russlands hochbrisanter Einmarsch in die Ukraine wurden auch von Filmen der Berlinale-Sektionen Panorama und Encounters thematisiert.
Während Politiker der Westmächte noch an eine friedliche Lösung des Konflikts zischen Russland und der Ukraine glaubten, schaffte Russlands Präsident Wladimir Putin mit der größten Truppenmobilisierung seit dem zweiten Weltkrieg unumkehrbare Tatsachen. Nicht einmal das langsam erlöschende Feuer der Olympiade war ihm heilig, als er seinen Militärs den Einmarsch in die Ukraine befahl.
Cinema for Peace erinnerte am letzten Tag der Berlinale an die Original Netflix Dokumentation "Winter on Fire" von Evgeny Afineevsky, der sich der Geschichte des Freiheitskampfes der Ukraine von 2014 annimmt, als sich ein friedlicher Studentenprotest in eine Revolution verwandelte.
Hier der Trailer:
Die Reihe aktueller Filme über den Konflikt im Donbass lässt sich fortsetzen unter anderem mit "Bad Roads" von Natalya Vorozhbit, die 2020 von vier Kurzgeschichten erzählt, die entlang der Straßen des Donbass während des Krieges spielen. Hier der Trailer:
Bereits in der Cannes Sektion »Un Certain Regard« von 2018 wurde Sergei Loznitsas Film "Donbass" mit dem Regiepreis ausgezeichnet, der den Konflikt zwischen der Ukraine und der von Russland unterstützten Volksrepublik Donezk Mitte der 2010er Jahre untersucht. Der bewaffnete Konflikt mit Morden und Raubüberfällen, die von separatistischen Banden verübt werden, wird von den Tätern als Friedensaktion bezeichnet und Propaganda wird als Wahrheit deklariert.
Hier der Trailer:
Noch beeindruckender fanden wir auf der 72. Berlinale in der Sektion Panorama das Drama "Klondike", das so furchtbar absurd war, dass einige zunächst an eine Satire glaubten. Aber leider durchzieht der Trennstrich zwischen freiheitsliebenden Ukrainern und russischen Bürgern in der Ukraine leider ganze Familien, die eigentlich unpolitisch sind und nun unfreiwillig von russischen Separatisten gezwungen werden, sich zu positionieren.
Hier ein erster Teaser:
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Nicht minder dramatisch war in der Berlinal-Sektion »Encounters« der russische Spielfilm "Brother in Every Inch" aus dem Jahr 2022 von Alexander Zolotukhin über die beiden Brüder Sergey und Nikolay Zhuravlev, die sich als Kampfpiloten ausbilden lassen wollen, aber kläglich scheitern. Ihre Liebe zueinander ist ihnen letztendlich wichtiger als der Erfolg beim Militär.
Die politische Botschaft der auf Festivals gelaufenen Filme ist oft eindrucksvoller und aussagekräftiger, als das, was uns tagtäglich in den Nachrichten vermittelt wird. Nachdem die Separatistenführer in der Ostukraine gestern den russischen Präsidenten Wladimir Putin um militärische Hilfe baten, hat dieser jetzt ein militärisches Eingreifen in Aussicht gestellt.
Der deutsch-französische Kultursender ARTE zeigt in Antony Butts' Dokumentation von 2015 die Abspaltung der Volksrepublik Donezk mit der Kamera. Der Filmemacher dokumentierte, wie prorussische Demonstranten die Stadt unter ihre Kontrolle brachten und den unabhängigen Staat Donezk ausriefen.
Der Tagesspiegel wunderte sich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen keine Sondersendung nach dem Einmarsch von Putins Truppen im Anschluss an die Tagesthemen sendete. Auch befragte Politiker zeigten sich alle von Putins entschlossenem Handeln mehr oder weniger überrascht. Dabei war sein Vorgehen zu erwarten gewesen.
Auf YouTube gibt es weitere ARTE Dokumentationen aus den Vorjahren, die deutlich Putins langfristige Strategie offenlegen. Westliche Sanktionen dürften ihn weniger als erhofft beeindrucken, da Putin sich längst durch Waffenverkäufe nach Afrika wertvolle Bodenschätze gesichert hat. Nicht nur teure Blutdiamanten, sondern auch begehrte Rohstoffe, die für Chips in seinen Kriegswaffen benötigt werden. Dem Westen fehlen dagegen derzeit diese notwendigen Ressourcen, um unsere Wirtschaft am Laufen zu halten.
Dennoch schien der seit mehr als sieben Jahren existierende, bewaffnete Konflikt der Ukraine mit Russland in Westeuropa nahezu keine Aufmerksamkeit zu erfahren. Die 2021 entstandene Doku stellte sich schon im letzten Jahr die Frage, was der richtige Weg im Umgang mit Russland wäre, damit die Ukraine ihre Rolle als Spielball in der internationalen Politik ablegen könnte.
Hier der komplette 60 Minuten lange Clip:
Nach 20 Jahren an der Macht setzt Wladimir Putin mit Russlands Comeback auf der großen Bühne der Weltpolitik seine geopolitische Strategie um. Bereits 2007 hatte er sein Vorhaben angekündigt – und dennoch scheint es die westlichen Regierungen völlig unvorbereitet zu treffen. Was steckt hinter dieser Neuauflage des Kalten Krieges?
Hier auf YouTube mit der Doku "Die Rückkehr des russischen Bären" ein weiterer 60 Minuten langer Clip von ARTE, der diese Frage intensiver nachgeht als andere Berichte im deutschen Fernsehen.
Links: www.cinemaforpeace-foundation.org | www.arte.tv/de
Während Politiker der Westmächte noch an eine friedliche Lösung des Konflikts zischen Russland und der Ukraine glaubten, schaffte Russlands Präsident Wladimir Putin mit der größten Truppenmobilisierung seit dem zweiten Weltkrieg unumkehrbare Tatsachen. Nicht einmal das langsam erlöschende Feuer der Olympiade war ihm heilig, als er seinen Militärs den Einmarsch in die Ukraine befahl.
Cinema for Peace erinnerte am letzten Tag der Berlinale an die Original Netflix Dokumentation "Winter on Fire" von Evgeny Afineevsky, der sich der Geschichte des Freiheitskampfes der Ukraine von 2014 annimmt, als sich ein friedlicher Studentenprotest in eine Revolution verwandelte.
Hier der Trailer:
Die Reihe aktueller Filme über den Konflikt im Donbass lässt sich fortsetzen unter anderem mit "Bad Roads" von Natalya Vorozhbit, die 2020 von vier Kurzgeschichten erzählt, die entlang der Straßen des Donbass während des Krieges spielen. Hier der Trailer:
Bereits in der Cannes Sektion »Un Certain Regard« von 2018 wurde Sergei Loznitsas Film "Donbass" mit dem Regiepreis ausgezeichnet, der den Konflikt zwischen der Ukraine und der von Russland unterstützten Volksrepublik Donezk Mitte der 2010er Jahre untersucht. Der bewaffnete Konflikt mit Morden und Raubüberfällen, die von separatistischen Banden verübt werden, wird von den Tätern als Friedensaktion bezeichnet und Propaganda wird als Wahrheit deklariert.
Hier der Trailer:
Noch beeindruckender fanden wir auf der 72. Berlinale in der Sektion Panorama das Drama "Klondike", das so furchtbar absurd war, dass einige zunächst an eine Satire glaubten. Aber leider durchzieht der Trennstrich zwischen freiheitsliebenden Ukrainern und russischen Bürgern in der Ukraine leider ganze Familien, die eigentlich unpolitisch sind und nun unfreiwillig von russischen Separatisten gezwungen werden, sich zu positionieren.
Hier ein erster Teaser:
"KLONDIKE"
Sektion Panorama, mehrfach ausgezeichnet.
Elisabeths Filmkritik:
Irka und Tolik erwarten ihr erstes Kind. Doch mitnichten ist "Klondike" eine Familien-Komödie. Der Film "Klondike", der gerade erst in Sundance den Preis für den besten Film in der Sektion des Weltkinos bekommen hat, konnte auf der Berlinale 2022 im Nebenprogramm Panorama sowohl den 2ten Platz unter den Publikumspreisen einheimsen als auch den Preis der Ökumenischen Jury. Dabei trug sicherlich auch bei, dass "Klondike", das Drama, das von wahren Begebenheiten inspiriert wurde, angesichts des Russisch-Ukrainischen Konflikts mehr und mehr an Aktualität gewinnt. Dabei verortet die ukrainische Regisseurin Maryna Er Gorbach die politische Spaltung nicht nur zwischen zwei Opponenten, sondern mitten in einer Familie.
Tolik, gespielt vom zwischenzeitlich verstorbenen Sergiy Shadrin ist eigentlich kein politischer Mensch. Die Umstände zwingen ihn jedoch, für sich einen Weg zwischen Feind und Gegner zu suchen. Und dann ist da Irka, gespielt von Oxana Cherkashyna mit schier erschreckender Wucht, die ihr Zuhause an der Grenze zum Bruderland Russland nicht verlassen möchte. Dabei steht die Geburt des Kindes kurz bevor und es gibt weit und breit kein weiteres Haus und schon gar keine medizinische Hilfe, sofern sie gebraucht wird. Es gibt noch nicht einmal einen Wagen. Das heißt, Tolik hat ein Auto, aber das leihen sich seine Seperatisten-Freunde regelmäßig und ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie essentiell der Wagen für Tolik und Irka sein könnte.
"Klondike" ist ein Kammerstück im offenen Raum. Das darf man wörtlich verstehen. Gleich zu Beginn macht es Wums und eine Außenwand ist futsch. Als wäre es ein dummer Jungenstreich hat irgendwer eine Granate in die falsche Richtung abgeschossen. Aber Tolik und Irka sollen sich mal nicht so anstellen, das wollen die Jungs, von denen sich Tolik nicht distanzieren kann, wieder in Ordnung bringen. Doch wann haben Männer, die Krieg führen, je wieder etwas in Ordnung gebracht? Irka putzt ihr Heim. Das ist irrational, doch mehr Kontrolle hat sie nicht. Maryna Er Gorbach, die ihren Film den Frauen widmet, setzt das Drama, das sich gut als Theaterstück machen würde, an einen ganz bestimmten Zeitpunkt an. Irka und Toliks Geschichte spielt 2014, ganz zu Beginn des russisch-ukrainischen Konfliktes. Toliks Freunde sind pro-russisch. Irkas Bruder Nationalist. Das Haus steht mitten zwischen zwei politischen, bewaffneten Lagern. Was bewegt jemanden, dieser Zerreißprobe täglich standzuhalten? Was bewegt Irka dazu, sich nicht in den Wagen zu setzen und in die nächste sichere Stadt zu fahren, um dort in einer Klinik ihr Kind zu bekommen? Die Frage führt nirgendwohin, denn offensichtlich ging es die Regisseurin darum, die Ausweglosigkeit in der Unvereinbarkeit der politischen Lage auf die Leinwand zu werfen.
Eine Vorgeschichte bekommen wir nicht. Aber einen dramatischen Fingerzeig. Am Flugzeugsitz im Hof, Rauchschwaden am Horizont. Ein Passagierflugzeug der Linie Malaysia-Airlines wird abgeschossen, die Trümmer gehen auf einem Areal von 35 Quadratkilometern nieder. Die Weltöffentlichkeit blickt auf den Vorfall. Das ist Zeitgeschichte, das kann man nachlesen, wenn man es nicht mehr parat hat. Schuldzuweisungen verschärfen jedoch den Konflikt. Erschreckend ist in Maryna Er Gobachs Spielfilm aber nicht nur die Ausweglosigkeit, sondern die Intensität, mit der sie ihre Protagonisten, die jeweils Sinnbild einer Haltung darstellen, in die Groteske führt. Dabei treibt das Drehbuch stetig jeden Funken an Menschlichkeit aus den Figuren heraus, wenn es denn je so etwas wie Menschlichkeit gegeben hat. Maryna Er Gorbach findet dafür ein Bild, eine Szene, die schier kaum auszuhalten ist.
Elisabeth Nagy
"Klondike"
Drama, Ukraine / Türkei 2022.
Mit Oksana Cherkashyna, Sergey Shadrin, Oleg Shcherbina, Oleg Shevchuk, Artur Aramyan, Evgeniy Efremov, Nadir Samedov, Anatolij Ohorodnyk, Amdrii Iaroshevskii, Danylo Savchenko, Oleksiy Konovalenkov, Tetiana Misik, Serhii Momot
Regie: Maryna Er Gorbach
Drehbuch: Maryna Er Gorbach
Bildgestaltung: Sviatoslav Bulakovskyi
Montage: Maryna Er Gorbach
Musik: Zviad Mgebry
Szenenbild: Mariia Denysenko, Vitaliy Sudarkov, Andrii Hrechyshkin
Kostüm: Viktoria Filipova
Make-Up: Kseniya Halchenko
Ton: Srdjan Kurpjel
Casting: Tetyana Symon
Produzent: Mehmet Bahadir Er
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Nicht minder dramatisch war in der Berlinal-Sektion »Encounters« der russische Spielfilm "Brother in Every Inch" aus dem Jahr 2022 von Alexander Zolotukhin über die beiden Brüder Sergey und Nikolay Zhuravlev, die sich als Kampfpiloten ausbilden lassen wollen, aber kläglich scheitern. Ihre Liebe zueinander ist ihnen letztendlich wichtiger als der Erfolg beim Militär.
Die politische Botschaft der auf Festivals gelaufenen Filme ist oft eindrucksvoller und aussagekräftiger, als das, was uns tagtäglich in den Nachrichten vermittelt wird. Nachdem die Separatistenführer in der Ostukraine gestern den russischen Präsidenten Wladimir Putin um militärische Hilfe baten, hat dieser jetzt ein militärisches Eingreifen in Aussicht gestellt.
Der deutsch-französische Kultursender ARTE zeigt in Antony Butts' Dokumentation von 2015 die Abspaltung der Volksrepublik Donezk mit der Kamera. Der Filmemacher dokumentierte, wie prorussische Demonstranten die Stadt unter ihre Kontrolle brachten und den unabhängigen Staat Donezk ausriefen.
Der knapp 60 Minuten lange Clip, den wir hier eingebunden hatten, ist leider nicht mehr verfügbar:
Der Tagesspiegel wunderte sich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen keine Sondersendung nach dem Einmarsch von Putins Truppen im Anschluss an die Tagesthemen sendete. Auch befragte Politiker zeigten sich alle von Putins entschlossenem Handeln mehr oder weniger überrascht. Dabei war sein Vorgehen zu erwarten gewesen.
Auf YouTube gibt es weitere ARTE Dokumentationen aus den Vorjahren, die deutlich Putins langfristige Strategie offenlegen. Westliche Sanktionen dürften ihn weniger als erhofft beeindrucken, da Putin sich längst durch Waffenverkäufe nach Afrika wertvolle Bodenschätze gesichert hat. Nicht nur teure Blutdiamanten, sondern auch begehrte Rohstoffe, die für Chips in seinen Kriegswaffen benötigt werden. Dem Westen fehlen dagegen derzeit diese notwendigen Ressourcen, um unsere Wirtschaft am Laufen zu halten.
Dennoch schien der seit mehr als sieben Jahren existierende, bewaffnete Konflikt der Ukraine mit Russland in Westeuropa nahezu keine Aufmerksamkeit zu erfahren. Die 2021 entstandene Doku stellte sich schon im letzten Jahr die Frage, was der richtige Weg im Umgang mit Russland wäre, damit die Ukraine ihre Rolle als Spielball in der internationalen Politik ablegen könnte.
Hier der komplette 60 Minuten lange Clip:
Nach 20 Jahren an der Macht setzt Wladimir Putin mit Russlands Comeback auf der großen Bühne der Weltpolitik seine geopolitische Strategie um. Bereits 2007 hatte er sein Vorhaben angekündigt – und dennoch scheint es die westlichen Regierungen völlig unvorbereitet zu treffen. Was steckt hinter dieser Neuauflage des Kalten Krieges?
Hier auf YouTube mit der Doku "Die Rückkehr des russischen Bären" ein weiterer 60 Minuten langer Clip von ARTE, der diese Frage intensiver nachgeht als andere Berichte im deutschen Fernsehen.
Links: www.cinemaforpeace-foundation.org | www.arte.tv/de