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Unsere Filmkritiken im Dezember 2021, Teil 6

Nach einer kleinen Auszeit zu den Weihnachtsfeiertagen wollen wir unseren Lesern heute wieder ein paar Filmtipps nennen, denn die durch Corona gebeutelten Kinos haben einen Besuch verdient.



Zum Jahresende wetterte Dieter Hallervorden gegen "dieses unsägliche Gendern". Dabei macht er keinen Hehl aus seiner Abneigung, die deutsche Sprache durch Gendersternchen oder Doppelpunkt zu verhunzen.

Den schönen Sprachfluss von Goethe und Schiller nach heutiger Sichtweise durch eine Sprechpause politisch korrekt auch im Theater zu betonen, hält der rüstige 86-Jährige als "Vergewaltigung der Sprache". Er halte sich nicht für einen Ignoranten und wisse, dass sich Sprache entwickele – "aber nicht auf Druck von oben", denn "die deutsche Sprache als Kulturgut gehört uns allen. Keiner hat ein Recht, darin herumzupfuschen."

Dass er Frauen durchaus respektiert und nicht als Macho auf seinen Theaterbühnen auftritt, ist bei dem zweimal glücklich verheiratetem Ehemann hinlänglich bekannt.

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Um die Anwendung der Original-Sprache ohne "Wenn und Aber" geht es auch in unser nachfolgenden Filmbesprechung bei "The Tragedy of Macbeth" von Joel Coen, die William Shakespeares im Jahre 1606 geschrieben hat. Bereits Roman Polański hatte eine opulente Breitbild-Filmfassung des Theaterstücks 1971 bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt.

Diesmal steht die etwas altmodisch anmutende Sprache vor allem in der deutschen Fassung noch mehr im Vordergrund, während die Bilder sich durch ihre quadratisch, schwarz-weiß Form weitaus stärker als bei Polański zurücknehmen, um sich auf Mimik und Gesichter zu konzentrieren.

Leider wird die Kinoauswertung nur von kurzer Dauer sein, denn der Apple Streaming Dienst besitzt die Rechte und wird alsbald das Werk auf seinem Online-Portal vermarkten.

"MACBETH" Drama von William Shakespeare unter der Regie von Joel Cohen (USA). Mit Denzel Washington, Frances McDormand, Alex Hassell u.a. seit 25. Dezember 2021 für kurze Zeit im Kino. (Ab dem 14. Januar 2022 auf Apple TV+) Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Macbeth ist eines der bekanntesten Dramen des englischen Dichters William Shakespeare. Das Stück entstand um 1608 und schildert Aufstieg und Fall des schottischen Generals Macbeth. Ihm wird geweissagt, dass er eines Tages König sei, es aber nicht bleiben wird. Angestachelt von seiner ehrgeizigen Frau lässt er sich dazu verleiten, den bisherigen König Duncan zu ermorden und weitere Morde zu begehen,, um seine Macht zu erhalten.

Nach etwa 20 Filmadaptionen hat sich Joel Cohen, diesmal ohne seinen Bruder Ethan ("Fargo", "No Country for Old Men"), dieses klassischen Dramas angenommen.

Coens Macbeth ist eine düstere Verfilmung, die Macht und Kälte verströmt, gedreht in schwarz-weiß, untermalt mit furchteinflößenden Geräuschen lauernder Naturgewalten. Durch alle Winkel des riesigen Schlosses Forres bläst der Wind. Coen spielt mit Licht und Schatten, verhangenen Nebelschwaden, bleibt aber eng am Originaltext. Seine Bilder sind von archaischer Kraft und von einer strengen Künstlichkeit durchzogen. Gedreht wurde im fast quadratischen 1:1,33-Format.

Meterhohe Mauern, riesige Torbögen, gigantische Treppen bilden den Schlosshof. In den düsteren kalten und kahlen Gängen im Innenbereich, wandelt Lady Macbeth (Frances McDormand) des nachts, wie eine Geistergestalt im weißen Nachthemd, ruhelos umher.

Für Duncan (Brendan Gleeson), der Macbeth (Denzel Washington) besucht, wird das Schloss zur Falle. Lady Macbeth hat die Wachen des Königs hinterhältig mit Wein betäubt, und als Macbeth in dessen Zimmer schleicht wird der Mord an ihm zu einem Kraftakt. Beide ringen miteinander , bis ihm Macbeth den Dolch in den Hals sticht und seine Hand mit Blut besudelt ist. Das Blut klebt an ihm, er wird es nicht mehr los. Von nun an wird er von Halluzinationen verfolgt, und begeht weitere Morde.

Nicht nur er, sondern auch seine Frau spielen sich in den Wahnsinn. Ein alterndes, machthungriges, mordlüsternes Paar, das in seinem gierigen Dasein nichts mehr zu verlieren hat, außer seinem Verstand. Und in den Mauernischen lauern die schwarzen Raben wie die Aasgeier.

Coens Adaption besticht durch seine morbiden und gespenstisch anmutenden Bilder. Am liebsten würde man den Film kurz stoppen, um Fotos zu machen. Der Film läuft mit deutschen Untertiteln, so kann man Shakespeares Text gut folgen..

Ein schauspielerisches Highlight ist die Verwandlungskünstlerin Kathryn Hunter, die die drei Hexen spielt, die Macbeths Aufstieg und Fall prophezeien. Zu Beginn des Films kraucht sie mit krächzender Stimme, gleich einer Schreckensgestalt über holprigen Boden, während am Himmel die Raben kreisen. „Schön ist hässlich, hässlich schön: Schwebt durch Dunst und Nebelhöh'n!" … Ein Mann kommt ins Bild und zieht eine Blutspur hinter sich her.

Ulrik Schirm


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"EIN FESTTAG" Historien-Drama von Eva Husson (Großbritannien). Mit Odessa Young, Josh O'Connor, Colin Firth u.a. seit 23. Dezember 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Feinfühlig inszenierte Adaption von Graham Swifts Bestsellerroman MOTHERING SUNDAY, um eine heimliche Affäre in den 1920er-Jahren).

Muttertag, 30. März 1924 in England. Jane Fairchild (Odessa Young) ist Dienstmädchen im Haus der Nivens (Colin Firth, Olivia Colman). Für das Ehepaar ist der Tag kein Grund zum Feiern. Das Paar leidet unter einem schweren Verlust, es hat all seine Söhne auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges verloren.

Während Mr. Niven nach außen hin mit dem Schmerz einigermaßen gelassen umgeht, ist seine Frau fast verstummt. Trotzdem treffen sich die beiden mit einigen Freunden zum alljährlichen Picknick am Fluss, sowie sie es auch schon vor dem Krieg getan haben.

Ebenso gewährt Mr. Niven Jane einen freien Tag. Großzügig steckt er ihr noch eine Münze zu und macht ihr so einige Vorschläge, wie sie ihren freien Tag gestalten kann. Jane weiß genau, was sie gleich macht. Sie schwingt sich auf ihr Fahrrad und besucht Paul (Josh O`Connor), einen der wenigen jungen Männer, die gesund aus dem Krieg zurückgekommen sind. Jane ist Waise und hat keine Familie, die sie an diesem Festtag besuchen kann. Schon seit sieben Jahren hat sie eine heimliche Affäre mit dem Adligen.

Zu diesem letzten Beisammensein, lädt er sie erstmals bei sich zu Hause ein, denn er soll jetzt endlich standesgemäß heiraten. Paul ist der Sohn der wohlhabenden Sheringhams, mit denen sich die Nivens zum Picknick treffen. Seine zukünftige Frau ist die Tochter einer befreundeten Familie, Emma Hobday (Emma D`Arcy), die mit Pauls im Krieg gefallenen Bruder, verlobt war.

Völlig unbefangen gehen Jane und Paul miteinander um. Sie schlafen miteinander, erzählen sich ihre Geheimnisse und malen sich aus, was passieren würde, wenn Emma jetzt unverhofft auftauchen würde und als erstes Janes Fahrrad sehen würde. Während dessen wartet Emma beim Picknick auf Paul, dem es schwer fällt Jane zu verlassen. Nachdem er gegangen ist, streift Jane, nackt und unbefangen durch sein nobles Haus, streift über die Buchrücken in der Bibliothek, kostet die Pastete, die in der Küche steht und schaut sich mit fast kindlicher Neugier in dem pompösen Herrenhaus um. Angst entdeckt zu werden hat sie nicht, denn auch Pauls Bedienstete haben frei. Dass der Tag noch bewegend enden wird ahnt niemand.

Die französische Regisseurin Eva Husson hat die sinnlichen Momente in Pauls Domizil fern von jeglicher Prüderie und Klassenunterschiedlichkeit gedreht. Sie zeigt die glücklichen Momente eines Liebespaares, deren Herkunft nicht unterschiedlicher sein kann und das damit völlig normal umgeht. Zu einer Zeit, in der die Regeln streng und konservativ waren. Dass Janes Leben am Ende dieses Festtages nachhaltig beeinflusst wird, erzählt Eva Husson in Janes folgender Lebensphase.

Gleichwohl legt sie auch das Augenmerk auf die Trauer der Nivens und zeigt sehr einfühlsam die Unterschiedlichkeit zwischen Mann und Frau, mit Trauer umzugehen.

„Ein Festtag“ ist ein bildstarkes Drama, und gleichzeitig ein Fest mit großartigen Darstellern und Darstellerinnen.

Ulrike Schirm


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"THE LOST LEONARDO" Dokumentarfilm von Andreas Koefoed (Dänemark, Frankreich) über einen vermeintlich wiederentdeckten Bildschatz. Seit 23. Dezember 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Directors Notes:
„Dies ist ein Film über die unglaubliche Reise eines Gemäldes, des Salvator Mundi, der „Erlöser der Welt“, der möglicherweise das Werk von Leonardo da Vinci ist. Es ist eine wahre Geschichte, zugleich aber auch ein Märchen, das den Geschichten eines H.C. Andersen würdig wäre: Ein beschädigtes Gemälde, das Jahrhunderte lang vernachlässigt wurde, wird zufällig wiederentdeckt und bald darauf als lang verschollenes Meisterwerk göttlicher Schönheit gepriesen. Auf seinem Höhepunkt im Rampenlicht wird es als Fälschung entlarvt und herabgesetzt. Die wahre Enthüllung ist die Falschheit der Welt, die dieses Gemälde umgibt und durch zynische Kräfte und Geld angetrieben wird“.

Ulrikes Filmkritik:
(über einen Kunst- und Geld-Thriller, den man sich nicht entgehen lassen sollte.)

Die fesselnde und erhellende Doku zeigt auf, wie aus einem beschädigten Bild, das in New Orleans für 1175 Dollar verkauft wurde, und in einem Zeitraum von zwölf Jahren zum teuersten Gemälde der Welt wurde, indem es einen Auktionspreis von 450 Millionen Dollar erzielte.

Das heftig umstrittene Gemälde taucht plötzlich geisterhaft aus dem Nichts auf. Fünf Jahre lang wurde es restauriert, vergleichbar mit dem Kauf eines Autos, das einen Unfall hatte.

Der Weg des Bildes führt in die geheimnisvolle Unterwelt eines Kunstmarktes, indem unglaubliche Geldsummen von anonymen Geldgebern mit Hilfe dubioser Zwischenhändler verschoben werden und dann in Hochsicherheitskatakomben in einem Freihafen weggesperrt werden, um dann für spekulative Zwecke benutzt zu werden.

Die ganze Geschichte des berühmt-berüchtigten Bild „des „Retters der Welt“ wurde von Alexander Parish, Kunstdetektiv, USA, in seiner Funktion als sogenannter „Sleeper Hunter“, ins Rollen gebracht Herausgekommen ist ein Kunst-Thriller an dem Oligarchen, Kunst-Dealer. Restaurator*innen, FBI-Agenten, Staatsinteressen, bis zum Kronprinz von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salmann, beteiligt sind.

"The lost Leonardo" ist eine derart spannende und unterhaltsame Dokumentation, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Ulrike Schirm

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