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Unsere Filmkritiken im Dezember 2021, Teil 4

Neben Arthouse-Filmkunst diesmal auch ein Blick in den Mainstream des MARVEL Universums.



"SPIDER-MAN: No Way Home" Marvel Action-Abenteuer von Jon Watts (USA). Mit Tom Holland, Zendaya, Benedict Cumberbatch u.a. seit 16. Dezember 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Filmkritik:

Bekanntlich liefen die ersten Filme vor 100 Jahren noch nicht im Kino, sondern waren Jahrmarkts-Attraktionen, für die sich nicht eine kleine, elitäre Künstlergruppe interessierte, sondern die breite Volksmasse.

Wer das heutige Mainstream-Kino kritisiert und Filmkunst nur bei den Autorenfilmer im Arthouse angesiedelt sieht, sollte auch mal über den Tellerrand blicken.

Nach den ersten im Kino laufenden schwarz-weiß Slapsticks folgte bald der Farbfilm in all seinen Facetten, dann Cinemascope und zuletzt die dritte Dimension mit dem 3D-Film.

Sogar Autorenfilmer wie Wim Wenders oder Werner Herzog experimentierten mit dem Medium, das man deswegen nicht gleich verteufeln sollte. Mit "AVATAR" von James Cameron begann vor 10 Jahren die Blütezeit der 3D-Abenteuer, die heute fast nur noch bei Animationsfilmen für Kinder im Kino zu finden sind. Im TV und im Heimvideobereich hat sich trotz oder vielleicht auch wegen der hochauflösenden 4K-Flachbildschirme, 3D zu Hause nie richtig durchgesetzt.

Auch der neue "Spider-Man: No Way Home" wurde nicht mehr nativ in 3D-gedreht, sondern läuft nur vereinzelt im 3D-Konvertierungsmodus in wenigen ausgesuchten Filmtheatern. Die breite Masse der Kinos zeigt das Marvel Abenteuer nur noch in 2D.

Wobei wir beim Thema wären. Denn die Spider-Man Comic-Figur mit dem schüchternen Waisen Peter Parker, der als unbeliebter Nerd bei seinen betagten Großeltern aufwächst, war seit ihrer Einführung im Jahre 1962 die meiste Zeit der erfolgreichste Marvel-Charakter im deutschsprachigen Raum.

Zur Kultfigur wurde Spider-Man durch die Verfilmung im Jahre 2002 mit Tobey Maguire in der Hauptrolle. Es gab zwar zwei Fortsetzungen, von denen der dritte Teil jedoch weniger erfolgreich verlief, weshalb Sony-Pictures die Geschichte um den 16-jährigen Schüler Peter Parker, der von einer mutierten Spinne gebissen wurde und dadurch selbst zum Spinnenmann wird, 2012 noch einmal mit Andrew Garfield neu auflegte und gleich nativ in 3D und 4K mit der heutigen Zeit entsprechenden Ergänzungen und diversen Abwandlungen etwas moderner verfilmte. Zwei Jahre später folgte Teil II.

Ein dritter geplanter Teil mit Andrew Garfield konnte von Sony nicht mehr realisiert werden, denn Disney übernahm die Marvel Studios und präsentierte überraschend 2016 in "The First Avenger: Civil War" neben anderen Marvel Figuren, einen neuen Spider-Man mit dem damals erst 19-Jährigen Tom Holland als Peter Parker in einer relativ kleinen Nebenrolle.

Eine Übereinkunft mit Sony/Columbia Pictures, die derzeit weiterhin die Rechte an der Filmfigur des Spider-Man halten, ermöglichte den Sony Filmstudios aber weitere Spider-Man-Folgen in den Jahren 2017, 2019 und zuletzt 2021 mit dem neu bei MCU eingeführten Darsteller Tom Holland zu drehen. Dieser hat sogar durch gute Schminke mehr Ähnlichkeiten in den Gesichtszügen und im Haarstyling mit dem ersten Darsteller Tobey Maguire, sodass er fast als sein Sohn gelten könnte.

Wer aufmerksam die Besetzungsliste des aktuellen Comic-Abenteuer liest, wird feststellen, dass die vorherigen Darsteller des mittlerweile 25-jährigen Studenten, Peter Parker wieder mit dabei sind, um diesem in einer schwierigen Lage beizustehen. Mehr wollen wir nicht verraten.

Bekannt ist aus der letzten Folge von "Spider-Man: Far From Home" nur, dass die Identität des selbsternannten Retters der Menschheit gegen übermächtige und böse Kräfte, trotz seiner Gesichtsmaske, inzwischen in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Demzufolge muss Peter Parker sich im neuen Teil vor Gericht verantworten. Er ergreift aber die Flucht, nimmt seine Freundin auf die waghalsige Tour durch die Lüfte mit und sucht Beistand zunächst in der Unterwelt des Doctor Strange und seiner Gespensterwelt.

Harry Potter ist zwar nicht dabei, aber einige gruslige Momente wird dessen Zuschauer-Fangemeinde sicherlich auch bei "Spider-Man: No Way Home" zu schätzen wissen. Nur mit den anderen Bösewichtern des Marvel-Universe wie mit Willem Dafoe als Green Goblin tun wir uns etwas schwer, da wir die immer mehr ausufernden Geschichten und Seitenstränge des Marvel Universe nicht weiter verfolgt haben. Die in den letzten Jahren überhand nehmenden CGI-Effekte töten unserer Meinung nach zu sehr die Fantasie, die man dem Zuschauer auch in der Blockbuster-Filmwelt unbedingt lassen sollte.

Durch die Enttarnung des Spider-Man kommt vielleicht aber ein wenig mehr Klarheit in die Figur und damit auch ins Verständnis des Marvel Universums mit seinen oft zu kunterbunten Actionszenen.

W.F.


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"ANNETTE" Fantasy-Melodrama von Leos Carax mit Musik von den Sparks (Frankreich, Belgien, Deutschland, Japan, Mexico, Schweiz). Mit Adam Driver, Marion Cotillard u.a. seit 16. Dezember 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Das 74. Filmfestival von Cannes 2021 wurde mit Leos Carax` Musical "Annette" eröffnet, einer Rock-Oper und Musical. Das Libretto und die Songs stammen von der amerikanischen Pop-Legende »Sparks« der Brüder Russel und Ron Meal, die auch am Drehbuch mitgeschrieben haben.

Zugeschnitten ist das polarisierende Werk auf seine Hauptdarsteller Adam Driver und Marion Cotillard, betitelt nach ihrem Baby Annette, eine animierte Gliederpuppe aus Holz.

Driver spielt einen kontroversen Stand-Up-Comedian Henry McHenry, dessen Markenzeichen es ist, in einem grün-grauen Bademantel mit Kapuze in seiner Soloshow die Zuschauer, obwohl er sie beschimpft, zum Toben zu bringen. Cotillard spielt Ann, eine berühmte Sopranistin, die Abend für Abend auf den Opernbühnen dramatisch sterben muss und anschlißend frenetisch beklatscht wird. Beide sind ineinander verliebt.

Das Drama beginnt, die Leinwand bleibt schwarz. Eine Männerstimme fordert absolute Stille, Aufmerksamkeit und Konzentration auf die Show, die gleich beginnt.

Wirklich komisch sind Henrys Auftritte wahrlich nicht. Sie sind begleitet von Selbsthass und unkontrollierter Wut. Und da Driver nun wirklich kein begnadeter Sänger ist, rezitiert er seine Publikumsbeschimpfungen eher rhythmisch, mal lauernd und intensiv, erschreckend gefährlich, wälzt sich auf dem Boden, um dann wieder auf der Bühne ruhig hin- und herzugehen. Wenn er seine Frau mit dem Motorrad vom Theater abholt, ist die Klatschpresse begeistert von diesem Traumpaar.

Besonders bizarr wird es, als ihr Baby geboren wird. Ein Mädchen, dem sie den Namen Annette geben. Eine Holzpuppe mit roten Haaren und abstehenden Ohren,, von beiden abgöttisch geliebt. Ein Wesen, das an „Chucky“ - Die Mörderpuppe erinnert. Als später aus ihrem Mund ein wunderschöner Gesang ertönt, ist Ann schon tot. Vom eigenen Vater ermordet. Vielleicht ist es die ruhelose Seele der Mutter, die in dem Körper des Kindes irrt. Aber, wer weiß, wer weiß?

Schon mit seinem Film „Holy Motors“ (2012) hat das „Enfant terrible“ des französischen Films, Leos Carax, mit einer durch ein leeres Kaufhaus flanierenden Kylie Minogue und sprechenden Autos etwas gewagt, was nicht jedermanns filmischen Geschmack getroffen hat. Auch in seinem überdrehten Fantasy-Melodrama „Annette“ lässt er Fragen unbeantwortet. Zum ersten Mal hat er in englischer Sprache gedreht, wobei fast jedes Wort gesungen wird. Verarbeitet hat er aktuelle Themata, wie #me-too, Macht, Erfolg, Eifersucht und die Rolle der Boulevard-Medien. Aber auch Liebe, Tod und Selbstzweifel. Sein Film ist faszinierend und verstörend zugleich.

Er erhielt für seinen Film den Regiepreis. Die Film-und Medienstiftung NRW hat seinen Film mit 500.00 Euro unterstützt.

Ulrike Schirm


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"MONTE VERITÀ – Der Rausch der Freiheit" Historien-Drama von Stefan Jäger (Schweiz, Österreich, Deutschland) über eine junge Mutter, die sich schon 1906 aus gesellschaftlichen Zwängen zu befreien versucht. Mit Maresi Riegner, Max Hubacher, Julia Jentsch u.a. seit 16. Dezember 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Es ist das Jahr 1906. Die 29jährige Hanna Leitner (Maresi Riegner), Ehefrau und Mutter zweier Töchter leidet unter Atemnot, offensichtlich psychisch bedingt. Ihr Mann (Philipp Hauß) nötigt sie sexuell, da er unbedingt noch einen Sohn zeugen will. Er scheut auch vor gewalttätigen Übergriffen nicht zurück.

Auf Anraten ihres Therapeuten Otto Gross (Max Hubacher) verlässt sie Wien und folgt ihm in ein Sanatorium auf dem Monte Verità, im Gemeindegebiet von Ascona im Schweizer Kanton Tessin. Obwohl sie unter Schuldgefühlen leidet, weiß sie sich nicht mehr anders zu helfen. Ihre eingeengten Lebensumstände lassen ihr keine andere Wahl. In den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts, einer Zeit im Umbruch, trafen sich in diesem malerischen Ort Künstler, Pazifisten, Schriftsteller und all diejenigen, die ein zwangloses, hierarchiefreies Leben erproben wollten. Unter ihnen auch der junge Hermann Hesse (Joel Basman), der nach seinem dortigen Aufenthalt den Roman „Siddhartha“ schrieb. Der Monte Verità wurde zu einer Künstlerkolonie.

Für Hanna beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Empfangen wird sie mit den Worten: „Nutz die Annehmlichkeiten, die wir dir bieten. Dann bist du herzlich willkommen“.

Als erstes legt man ihr bequeme Kleidung hin. „Hier auf dem Berg, findest du Kraft, Liebe und Freiheit. Es gibt hier keine Patienten, sondern Sinnsuchende“. Es dauert einige Zeit bis Hanna sich eingewöhnt hat, denn plötzlich ist sie von nackten Männern und unkonventionellen Frauen umgeben. Es dauert nicht lange und sie ist fasziniert von dem selbstbestimmten Leben, das hier alle führen. Jetzt kann auch sie endlich ihre Leidenschaft zur Fotografie ausleben, die ihr von ihrem eifersüchtigen Mann verboten wurde. Und nicht nur das, sie findet in der paradiesischen Natur endlich ihre eigene Stimme.

Der Schweizer Film "Monte Verità – Der Rausch der Freiheit" erzählt sehr einfühlsam die Geschichte einer mutigen Frau, die gequält von innerer Zerrissenheit, den ersten Schritt in ein ganz neues Leben wagt. Das historische Drama, das auf wahren Gegebenheiten basiert, wirft die Frage auf, wie selbstbestimmt wir leben wollen, ohne dabei von Teilen der Gesellschaft kritisiert zu werden. In weiteren Rollen Julia Jentsch als Ida Hofmann, die das Sanatorium selbst bestimmt zu leiten versucht und Hannah Herzsprung als Lotte, die sich in Höhlen verkriecht und sich von Wurzeln ernährt.

„Monte Verità“ war damals so etwas wie die allererste Hippi-Kommune, ein Sehnsuchtsort für Freidenker.

Ulrike Schirm


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