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Doku und Thriller - zwei weitere aktuelle Filmkritiken Juli 2021, Teil 3

Zeitgleich mit der Vorstellung von Andreas Voigts Doku auf dem Filmfest München startete "Grenzland" am Donnerstag auch in Berlin.



Der in Sachsen-Anhalt aufgewachsene Dokumentarfilmer Andres Voigt wurde international bekannt durch seine 1989 zur Wende entstandenen Leipziger DEFA-Filme über die Montagsdemos in der DDR. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Dessau. Nach einem abgebrochenen Physikstudio in Krakau (Polen), schloss er in Berlin ein Studium der Volkswirtschaft und Wirtschaftsgeschichte mit Diplom ab. Nebenher arbeitete als Regie- und Aufnahmeleiter-Assistent im DEFA Studio für Dokumentarfilme und studierte anschließend an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg (Brandenburg).

Seit der Schließung der DEFA-Studios 1991 ist der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Dokumentarfilmer freischaffend als Regisseur und Autor für Kino und Fernsehen tätig.

1992 bereiste er mit einer 16mm Kamera das Grenzgebiet an der Oder. Der dabei entstandene 88 Minuten lange Dokumentarfilm "Grenzland - eine Reise" nimmt Menschen an der deutsch-polnischen Grenze in den Fokus, die dort scheinbar mit ihren ganz eigenen Problemen zu kämpfen haben. Interviews, Bilder und Kommentare spiegeln die triste und ausweglose Situation knapp 2 Jahre nach der Wende wieder. Doch auch die Vertreibung der Deutschen durch die Polen nach dem Ende des 2. Weltkrieges wird von Andreas Voigt genauer betrachtet. Hierbei werden vor allem die nicht immer friedlichen Meinungen der beiden ungleichen Nachbarn deutlich.



Knapp 30 Jahre später wiederholt er die Reise an die Oder, trifft einige Leute von damals wieder, lernt neue Leute kennen und spricht mit Ihnen über Veränderungen. Das TTT-Kultur-Magazin der ARD hat ihn dazu interviewt und zeigt auch kommentierte Ausschnitte aus "GRENZLAND", dem neuen Film von Andreas Voigt, der auf dem Filmfest München gestern seine Premiere feierte.



"GRENZLAND" Doku von Andreas Voigt (Deutschland 2020, 100 Min.). Seit 8. Juli 2021 im Kino im Verleih von Missing Films. Hier der offizielle Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Vom Dreiländereck zwischen Deutschland, Tschechien und Polen bis zum Stettiner Haff an der Ostsee geht die Reise. Allerdings fallen die schönen Landschaftsaufnahmen manchmal recht spärlich aus, denn Schwerpunkt des Films sind Kontakte zu Menschen und deren Einschätzung ihrer gegenwärtigen Situation.

Die Ressentiments gegen die hässlichen Deutschen Nazis aus dem Zweiten Weltkrieg sind nahezu verschwunden. Die polnischen Bewohner des Grenzgebietes lieben die zurückgewonnene Freiheit der offenen Grenzen in Europa. Kein Passierschein wird mehr benötigt und auch der alte Fischer muss keine Angst mehr haben von Grenzposten beim Angeln festgenommen und abgeführt zu werden.

Die jungen polnischen Leute sind weltweit unterwegs. Sie arbeiten in Deutschland, studieren in London oder rufen zu Hause in Polen aus der australischen Ferne an. Andererseits ist dem Filmemacher auch ein australisches Ehepaar über den Weg gelaufen, das der australischen Heimat den Rücken gekehrt hat und sich in Polen niederlies, weil Freiheit und Abenteuer in dem kaum besiedelten Oderbruch ihnen noch verlockender zu sein schien.

Auch ein syrischer Flüchtling mit kurdischen Wurzeln, der übers Meer geschwommen kam, hat eines der inzwischen verlassenen und halb verfallenen Landhäuser auf der deutschen Seite günstig auf Ebay erworben und baut es für seine angedachte, zukünftige Familie ganz alleine aus. Hier genießt der Moslem ebenfalls die Freiheit, denn niemand schreibt ihm mehr vor, wem er zu gehorchen hat und wann und wo er beten muss.

Rückblenden zu Ausschnitten in den vor dreißig Jahren entstandenen ersten Teil vervollständigen den Anspruch des Filmemachers, Vergleiche zu heute ziehen zu können. Nicht alles ist perfekt, denn trotz des Unrechtstaates DDR war der zwischenmenschliche Kontakt oft herzlicher als heute, weil Neid und Sorge wegen fehlender Arbeit in der inzwischen dünn besiedelten Landschaft größer geworden sind. Die Menschen in Görlitz und Guben schotten sich mehr ab, um ihre privaten Probleme und Nöte vor Nachbarn nicht offenlegen zu müssen.

W.F.

Wir haben den Film im Klick Kino in der Charlottenburger Windscheidstraße am Stuttgarter Platz gesehen. Eine neue Perlleinwand, gute Soundanlage und die nett dekorierte Bestuhlung machen den Aufenthalt noch angenehmer in dem kleinen Berliner Kiez-Kino.

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"THE LITTLE THINGS" Thriller von John Lee Hancock (USA 2021, 128 Min.). Mit Denzel Washington, Rami Malek, Jared Leto u.a. seit 8. Juli 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Der PSYCHO-THRILLER glänzt mit einem Super Cast.)

Der in die Jahre gekommene Deputy Sheriff Joe Deacon (Denzel Washington) kommt für eine Routineuntersuchung aus der Provinz nach Los Angeles, wo ihn widererwarten die Vergangenheit einholt. Er wird in die Ermittlungen zu einem Serienmörder hineingezogen, der die Stadt terrorisiert.

Der ungelöste Fall eines Serienkillers brachte ihn vor fünf Jahren an den Rand seiner Ermittlungen. Er wurde suspendiert, litt unter einem Burnout, seine Ehe wurde geschieden und er musste drei Bypass-Operationen über sich ergehen lassen.

Sein Nachfolger, der geschniegelte junge Sergeant Jim Baxter (Rami Malek) zeigt sich beeindruckt von Deacons feinsinnigem Spürsinn, denn noch immer spricht man unter Polizeikollegen über seine ganz eigenen Methoden der Ermittlung. Sein Wahlspruch: „Es sind die kleinen Dinge, die wichtig sind“.

Baxter erhofft sich nun von seinem Vorgänger Hilfe bei der Aufklärung der Verbrechen, die an Deacons Fall von damals erinnern. Es wird höchste Zeit, denn die Zahl der Opfer hat sich auf sechs erhöht.

Während das ungleiche Paar die Ermittlungen aufnimmt, bemerkt Baxter, dass der „Provinzpolizist“ ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt.

Als die beiden den intelligenten Außenseiter Albert (Jared Leto) ins Visier nehmen, kommt es zu einem mörderischen Katz- und Maus-Spiel.

Regisseur John Lee Hancock („Blind Side - Die große Chance“) hat einen Noir-Thriller inszeniert, in dem es mehr darum geht, was Ermittlungsarbeit mit einem macht. Der Plot ist streckenweise ermüdend und wimmelt von Klischees. Zum Glück hat er seinen Film mit den drei Oscar-Preisträgern Washington, Leto und Malek („Bohemien Rhapsody) besetzt, die retten, was zu retten ist, indem sie sich ein gelungenes Psychoduell liefern. Gelungen auch, die düstere Atmosphäre, in der sich die drei bewegen.

Für seinen Part des undurchsichtigen Outlaws wurde Jared Leto in diesem Jahr für den Goldenen Globe nominiert. Er macht seine Sache grandios.

Ulrike Schirm


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