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Die Gewinner des 36. Internationalen Dokumentarfestival München

Der Film "ANNY" der großen tschechischen Filmemacherin Helena Třeští­ková wurde mit dem Hauptpreis des 36. DOK.fest München ausgezeichnet.



Das 36. DOK.fest München widmet sich bei dem diesjährigen nur virtuell stattfindenden Dokumentarfilm-Festivals in einer Hommage der großen tschechischen Filmemacherin Helena Třeští­ková. Noch bis zum 23. Mai 2021 können neun ihrer Werke sowie weitere 131 Filme aus 43 Ländern digital im Internet gesehen werden.

Zugleich läuft ihr neuester Film "ANNY" über eine Sexarbeiterin im post-sowjetischen Prag auf der täglichen Suche nach Glück im Hauptwettbewerb DOK.international – und wurde von der Jury zum besten Film gewählt.

Hauptpreis vom DOK.fest München:

Hier der Trailer:



Synopsis:
„Selbst, wenn ich etwas für meine Enkel kaufe, weiß niemand, woher das Geld kommt.“ Anny ist 46, als sie – nach ihrer Scheidung – beschließt, ihren Lebensunterhalt als Prostituierte auf der Perlová-Straße in Prag aufzubessern. Doch das ist nur eine Facette ihres Lebens. Anny spielt Theater, putzt Toiletten und setzt sich für die Sicherheit der Sexarbeiterinnen ein. Denn in der postsozialistischen Ära mit ihren ökonomischen Unwägbarkeiten geht es letztlich immer um eines: irgendwie durchkommen. Wie das geht, zeigt Helena Třeští­ková am Beispiel ihrer starken Protagonistin ohne Schnörkel in Videoaufnahmen von 1996 bis 2012. Gibt es für Anny womöglich eine neue Chance auf persönliches Glück, als sie mit fast 60 Jahren heiratet? Ganz nah – aber nie zu nah – dran.

Jurybegründung:
"Der wunderbar intime und handwerklich hervorragend gemachte Film "ANNY" folgt seiner Protagonistin über 16 Jahre ab dem Moment, als diese im Alter von 46 als Sexarbeiterin auf den Straßen Prags zu arbeiten beginnt, um ihr Einkommen als Toilettenfrau aufzubessern. Helena Třeští­ková verbindet diese Langzeitbeobachtung meisterhaft mit einer moderaten Filmlänge. Ohne einen überflüssigen oder oberflächlichen Augenblick behandelt Třeští­ková ihre scheinbar gewöhnliche und doch facettenreiche Protagonistin mit großem Respekt und Behutsamkeit."


Weitere Gewinnerfilme des DOK.fest München 2021 @home sind:

VIKTOR DOK.deutsch: ZUHURS TÖCHTER / Laurentia Genske & Robin Humboldt, Deutschland 2021.


Der Dokumentarfilm "ZUHURS TÖCHTER" des Regisseur*innen-Duos Laurentia Genske und Robin Humboldt konnte sich im Wettbewerb DOK.deutsch beim internationalen Dokumentarfilmfestival München gegen zwölf Konkurrenten durchsetzen. Der Preis zeichnet besondere Filme aus, die sich in intensiven Geschichten mit Menschen und Begebenheiten im deutschsprachigen Raum auseinandersetzen. Für den Film begleiteten Laurentia Genske und Robin Humboldt drei Jahre lang die Transgender-Teenager Lohan und Samar, die in ihrer neuen Heimat Deutschland zu ihrer weiblichen Identität finden.

Hier ein Statement der beiden arabischen Trans-Geschwister:



Synopsis:
Gemeinsam mit ihren Eltern, der zweiten Frau ihres Vaters und ihren Geschwistern sind die beiden hübschen arabischen Jungs Lohan und Samar aus Syrien nach Deutschland gekommen und leben dort in einer Flüchtlingsunterkunft. Doch schon bald nach der Pubertät identifizieren sich beide als weiblich, was zu Konflikten mit ihrem sozialen Umfeld führt. Ihre Eltern trauern um die aus ihrer Sicht verlorenen Söhne, doch Lohan und Samar sind fest entschlossen, ihre weibliche Identität auszuleben. Zunächst behelfen sie sich mit Schminke und Frauenkleidern, später unterziehen sie sich einer Brust-OP und einer chirurgischen Geschlechtsangleichung. Doch das Leben als Transsexuelle ist geprägt von Anfeindungen, einschränkenden Geschlechternormen und unsicherer Zukunft. Gemeinsam mit anderen transsexuellen Frauen suchen sich die Schwestern selbstbestimmt ihren eigenen Weg.

Jurybegründung:
"Samar und Lohan dürsten nach dem richtigen Leben. Dem richtigen Leben im richtigen Körper. Die beiden Schwestern sind trans. In ihrem Heimatland Syrien hätte das ihren sicheren Tod bedeutet. Talib und seine Frau Zuhur verstehen ihre Kinder nicht, vor allem aber sorgen sie sich um sie. All das zeigen die Filmemacher.innen Laurentia Genske und Robin Humboldt mit großem Einfühlungsvermögen. Ihr Film begleitet und dokumentiert im besten Sinne den Weg der Transfrauen zu ihrem erhofften Leben – mit allen Hürden und Schwierigkeiten."


VIKTOR DOK.horizonte: THINGS WE DARE NOT DO / Bruno Santamarí­a, Mexiko 2020.

Coming of Age als junger Transgender ist auch das Thema von Bruno Santamarí­as "THINGS WE DARE NOT DO" in der mexikanischen Provinz. In dem herausragend gefilmten Werk, traut sich der junge Arturo jedoch nicht so schnell zu outen, sondern verzieht sich zunächst in kleine Verstecke, um dem großen Traum selbst in Frauenkleidern auftreten zu können, ein wenig näher zu kommen.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Wie lebt man als Transgender in einem kleinen Dorf in der mexikanischen Provinz? Arturo – í‘oño – kommt auf den ersten Blick ganz gut zurecht. Vor allem die Kinder lieben sie, denn sie bringt ihnen Choreografien auf dem Dorfplatz bei und entwirft glitzernde Kostüme für sie. Doch ihr Alltag hat noch eine ganz andere Seite, für ihre Identität wird sie beschimpft und ausgegrenzt. Was sie sich am meisten wünscht ist, sich als Frau zu kleiden. Dafür erhofft sie sich auch den Segen der Familie – doch wie um etwas bitten, das überall geächtet wird? „Du bist so mutig", sagt der Regisseur aus dem Off. í‘oño selbst ist sich da nicht so sicher. Ein subtiler, sensibler Film, der mit gekonnter Kameraarbeit ein nahes und authentisches Porträt zeichnet.

Jurybegründung:
"Die Jury war fasziniert vom zarten und fürsorglichen Blick des Filmemachers auf seine Hauptfiguren. In täglichen Ritualen und ihrem tiefen existenziellen Erwachen begegnen die Jugendlichen den herzzerreißenden Realitäten des Lebens mit unglaublichem Mut und dem tiefen Wunsch, tatsächlich zu wagen, sie selbst zu sein. Der Film gipfelt in einem atemberaubenden Plädoyer für Akzeptanz und Liebe, das der Jury noch lange nach dem Abspann in Erinnerung blieb."


FFF-Förderpreis Dokumentarfilm: VÄTER UNSER / Sophie Linnenbaum, Deutschland 2021

In der Reihe der herausragenden Dokumentarfilme von Studierenden deutschsprachiger Filmhochschulen wurde "VÄTER UNSER" von der in Berlin lebenden und an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF studierenden Filmemacherin Sophie Linnenbaum mit dem FFF Förderpreis Dokumentarfilm 2021 des Landes Bayern ausgezeichnet.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Die Bilder sprechen für sich. Sechs Menschen erzählen geradeaus in die Kamera von ihren Vätern. Und so minimalistisch der Film auch ist, so entsteht durch die erstaunliche Offenheit der Protagonist*innen und einer äußerst klugen Montage ein hoch spannendes Mosaik aus lang verschwiegenen Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen. Da sind tröstende Erfahrungen, bittere Enttäuschung, Furcht, Wut, Ekel, Erstaunen, aber auch die Momente, in denen sich ein Kind wieder mit seiner eigenen Geschichte versöhnt.

Jurybegründung:
"Komisch, traurig, schockierend, erstaunlich und berührend sind die Erzählungen über Väter. Dokumentarisches Kino, das sich Zeit für seine Protagonist.innen nimmt und die oft leidvollen und schmerzhaften, aber auch schönen und zarten Momente zwischen Töchtern und Söhnen und ihren Vätern so über Gesichter und Worte erzählt, dass unweigerlich intensive Bilder im Kopf entstehen."


megaherz Student Award: THE CASE YOU / Alison Kuhn, Deutschland 2020

Der mit 3.000 Euro dotierte Student Award der Produktionsfirma Megaherz ging an "THE CASE YOU" von Alison Kuhn, Studierende an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.

Hier der Trailer:



Synopsis:
In dem Dokumentarfilm, der auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2021 deutsche Premiere feierte, treffen wir in einem leeren Theatersaal auf fünf Frauen - unter ihnen Alison Kuhn. Seit 2018 Regie-Studentin an der Filmuni versucht sie, die Ereignisse zu rekonstruieren, die alle miteinander verbindet: „Sie sind in ihren Zwanzigern, Schauspielerinnen und haben vor vier Jahren wie hunderte Andere an demselben Casting teilgenommen, bei dem systematische Übergriffe sexueller und gewaltsamer Natur passierten. Auch ich war damals eine der Bewerberinnen. Wie viele meiner Kolleginnen wollte ich diesen Tag so schnell wie nur möglich verdrängen. Da jener Regisseur den Missbrauch jedoch fortführte, indem er aus dem gedrehten Castingmaterial einen eigenen Film montierte, brennt aktuell ein Rechtsstreit zwischen Produktionsfirma und Schauspielerinnen. An die Öffentlichkeit ist kaum etwas gelangt. Heute studiere ich selbst Regie und erarbeite mit den Frauen in „The Case You“, was damals geschah, wie es möglich war, dass es dazu kam und was dies nun für unser Leben und unsere Arbeit bedeutet“, beschreibt Alison Kuhn ihr Projekt und freut sich darüber, wieviel Aufwind das Team für den Film bekommen habe.

Jurybegründung:
"Der Film beeindruckt mit der Präzision, mit der er Machtmissbrauch schildert und anklagt. Er ist laut und ergreifend zugleich und hat uns durch seine Relevanz, die Courage der Protagonistinnen, aber auch durch seine filmische Umsetzung überzeugt. Die Kritik, die der Film anbringt, richtet sich nicht nur gegen die Machtstrukturen innerhalb der Filmbranche, sondern sie zielt auf ein größeres systeminhärentes Problem ab."


DOK.edit Award – presented by Adobe: NEMESIS / Thomas Imbach, David Charap, Schweiz 2020.

Der Abriss eines Schweizer Güterbahnhofs gerät in "NEMESIS" des Schweizer Filmemachers Thomas Imbach zum Abgesang auf unseren Umgang mit Geschichte und die Illusion totaler Sicherheit. Eine interessante Studie, mal in Zeitraffer, mal in Zeitlupe gedreht. Der Schnittpreis ging zu gleichen teilen an die Editoren (Cutter) Thomas Imbach und David Charap.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Wo ein Güterbahnhof stand, soll ein Gefängnis gebaut werden. Von seinem Fenster aus beobachtet Regisseur Thomas Imbach das kuriose Ballett der Baumaschinen: Im Zeitraffer stürzen die alten Dächer und Fassaden, hämmern die Kompressoren. Immer wieder dreht Imbach die Zeit zurück, fügt – für Sekunden – das Zerborstene wieder zusammen. Dann: Brache, Feierlichkeiten zur Grundsteinlegung, Feuerwerk, ein Festival als Zwischennutzung, wieder Maschinen. Wir hören von Abschied, von Gewesenem, dazu: die Berichte von Ausschaffungshäftlingen in ihren Zellen. Wie ein Impresario lässt Imbach die Jahreszeiten und das Treiben der Menschen vor uns aufziehen. Kongenial trägt das Schweizer KALI Trio die Klangkomposition dazu bei – und die Rachegöttin Nemesis verkauft Frozen Drinks.

Jurybegründung:
"Der Film beeindruckt mit der Präzision, mit der er den Machtmissbrauch schildert und anklagt. Er ist laut und ergreifend zugleich und hat uns durch seine Relevanz, die Courage der Protagonistinnen aber auch durch seine filmische Umsetzung, die Integrität und die Komposition der Erzählung überzeugt. Die Qualität des Films beruht sehr stark auf der großartigen Montage, die eine lokale und persönliche Geschichte in eine universelle verwandelt. Ebenfalls ist es der Schnitt, der eine ganze Reihe von Erzählebenen auf brillante Weise zusammenführt."


Bereits früher verliehen gehören folgende drei Preise:

VFF Dokumentarfilm-Produktionspreis (Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten mbH): THE OTHER SIDE OF THE RIVER / Frank Müller, Guevara Namer, Antonia Kilian - Deutschland, Finnland 2021.

"THE OTHER SIDE OF THE RIVER" entstand unter lebensgefährlichen Bedingungen während des syrischen Kriegs, mit knappem Budget und einer mangelhaften Infrastruktur in Nordsyrien. Antonia Kilian arbeitete hier eng mit dem Filmkollektiv Komina Film a Rojava zusammen. Die Regisseurin und Produzentin studierte Visuelle Kommunikation, Kunst und Medien an der Universität für Kunst und Film in Berlin sowie Cinematografie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und an der ISA in Havanna. "THE OTHER SIDE OF THE RIVER" ist ihr Regiedebüt.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Ein Jahr lang begleitet sie mit der Kamera die 19-jährige Hala, die vor einer Zwangsheirat aus ihrer nordsyrischen Heimat geflohen und der kurdischen Frauenarmee beigetreten ist. Während der Militärausbildung lernen die Frauen mit Waffen umzugehen, ihre Körper zu trainieren und sich zu verteidigen. Sie wollen sich gegen den IS wehren, aber auch gegen männliche Unterdrückung – und für ihre Frauenrechte einstehen. Hala hat ein großes Ziel: Sie will nach Hause zurückkehren und ihre jüngeren Schwestern zu sich holen – noch leben diese bei ihrem IS-treuen Vater.

Jurybegründung:
„Die Regisseurin und Produzentin Antonia Kilian lebte ein Jahr lang in Nordsyrien, gab dort Filmworkshops für junge Frauen und drehte mit ihnen Kurzfilme zu Frauenrechten. Produzent Frank Müller versuchte währenddessen mit seiner in Hamburg ansässigen Doppelplusultra Filmproduktion, mit Förderanträgen, bei Workshops, Pitching-Veranstaltungen und Koproduktionstreffen die internationale Finanzierung des Films zu gewährleisten. Sicher hat dieses frühe Bemühen um eine Internationalisierung des Projekts seine Spuren in der Dramaturgie des Films hinterlassen. Gleichzeitig aber verstärkt es die bemerkenswerte produzentische Leistung, die mit großem persönlichen Einsatz, beträchtlichen Vorleistungen und einem anfänglich hohen finanziellen Risiko verbunden war – und die auch in anderer Hinsicht geradezu Modellcharakter hat: Menschen aus der Krisen-Region, alle mit einer Fluchtgeschichte, wurden kreativ und organisatorisch maßgeblich an dem Projekt beteiligt und den problematischen Produktionsbedingungen entsprechend fair entlohnt.“


Deutscher Dokumentarfilm-Musikpreis: SOLDATEN Regie: Christian von Brockhausen / Musik: Christoph Schauer, Deutschland 2021

Christoph Schauer erhält für seine Musik, zu dem über 100 Minuten langen Dokumentarfilm "SOLDATEN" unter der Regie von Christian von Brockhausen, den mit 5.000 Euro dotierten Deutschen Dokumentarfilm-Musikpreis 2021.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Der Film SOLDATEN von Willem Konrad (Buch) und Christian von Brockhausen (Regie) bietet einen faszinierenden Einblick ins Innere der Bundeswehr. Er handelt von drei jungen Männern, die sich für die Berufsarmee verpflichten, weil sich ihnen sonst kaum Chancen bieten. Der Film begleitet sie durch die Grundausbildung – und einen von ihnen bis zum ersten Kriegseinsatz. Sie lernen sich zu rasieren, auch wenn es noch an Bartwuchs mangelt, lernen scharf zu schießen und den Kopf auszuschalten, um Befehle zu befolgen.

Jurybegründung:
"Mit der Filmmusik zu "SOLDATEN" ist Christoph Schauer eine in sich stimmige, raffiniert unaufdringliche und sparsam eingesetzte, aber umso wirkungsvollere Textur gelungen. Sie überrascht in jeder Weise und bildet als Gegenpol zur äußeren Handlung eine substanzielle und eigenständige Komponente. Sie gibt sich nicht – wie in diesem Genre vielleicht üblich – mit erwartbar „kritischen“ tautologischen Tönen und Kommentierungen ab, sondern lässt uns den Innenwelten der Protagonisten auf feinfühlige Weise nachspüren. Dass dadurch – fast nebenbei – auch der gezielte Einsatz von „Stille“ eine außerordentlich „beredte“ musikalische Qualität erhält, macht diese Filmmusik so auffallend frisch und hebt SOLDATEN insgesamt von vielen Produktionen dieser Art ab."


DOK.fest Preis der SOS-Kinderdörfer weltweit: SCHOOL OF HOPE / Mohamed El Aboudi, Finnland, Frankreich, Marokko 2020.

Den Film "SCHOOL OF HOPE" hatten wir ausführlich mit Trailer bereits am 7. Mai 2021 im BAF-Blog besprochen.

Link: www.dokfest-muenchen.de
Quellen: DOK Fest München, Filmuniversität, Zoom Medienfabrik.

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