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Stufenplan für Wiedereröffnungen setzt Kinos ans Ende der Warteschlange

Kritik der Kinoverbände an Vorschlägen zur Wiedereröffnung von Kinos - auch Museen wollen baldmöglichst wieder Besucher empfangen dürfen.



Nach der Veröffentlichung eines Vier-Stufen-Plans zur Lockerung von Corona-Maßnahmen, den die schleswig-holsteinische Landesregierung als Diskussionsgrundlage für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz dieser Tage vorgelegt hatte, regt sich Widerstand in der Kulturbranche.

Demzufolge sollen Kinos erst in der letzten Stufe wieder für die Allgemeinheit zugänglich sein - lange nach der Gastronomie.



Für Christine Berg, Vorstandsvorsitzende des HDF Kino, ist dies ein "Schlag ins Gesicht der Kultur- und Kinobetriebe. Während der gesamten Pandemie wurde weltweit nicht ein einziger Covid-19-Fall im Zusammenhang mit einem Kinobesuch bekannt. Angesichts dieser Tatsachen erschließt es sich uns nicht, dass die Filmtheater gegenüber anderen Branchen und Einrichtungen mit ähnlichen Voraussetzungen massiv benachteiligt werden."


Während sich 30 Museumsdirektoren in einem Bittbrief direkt an Kulturstaatsministerin Monika Grütters wenden und wenigstens für kleinere Besuchergruppen, etwa Schülern, um Ausnahmegenehmigungen bitten, hat die Art Cologne, die größte deutsche Kunstmesse, wegen der Corona-Pandemie schon jetzt ihre Eröffnung in der Koelnmesse zum zweiten Mal verschoben und wird voraussichtlich erst vom 17. - 21. November 2021 stattfinden.

"Wir werden zwar wahrscheinlich auch im November die Corona-Krise noch nicht gänzlich überwunden haben", sagte Art Cologne-Direktor Daniel Hug. Aber man könne bis dahin wohl wieder mit einem gewissen Maß an Berechenbarkeit planen.


Dagegen kritisiert die in Baden geborene Stargeigerin Anne-Sophie Mutter den strengen Umgang der Politik mit der Kulturbranche scharf.

"Dass der kulturelle Raum als 'Superspreader-Raum' dargestellt werde und Musikerinnen und Musiker ein Berufsverbot auferlegt bekommen hätten, habe nichts mit einer positiven Entschleunigung zu tun", sagte Mutter der »Badischen Zeitung«. Für 50.000 Soloselbständige sei das ruinös. Sie könne nicht verstehen, warum der Besuch eines Museums gefährlicher sein soll als der Einkauf in einer Drogerie.




Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino-Gilde, dem Verband der deutschen Arthouse-Kinos, tritt angesichts der Beratungen der Bundesländer zu Strategien für Wege aus dem Lockdown und des Vier-Stufen-Plans zur Lockerung von Corona-Maßnahmen der Landesregierung Schleswig-Holstein, für eine verlässliche Wiedereröffnungsstrategie ein.

Bräuer beruft sich dabei darauf, dass die positive Entwicklung des Infektionsgeschehens der letzten Tage sich zunehmend fortsetzt und die Pandemie auch mit Mutationen beherrschbar bleibt. "In diesem Fall wäre die Wiedereröffnung der Kinos mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen rechtzeitig vor Ostern ein verantwortliches Signal", so Bräuer.


Schleswig-Holsteins Landesregierung hat mit ihrem Vorschlag eines Vier-Stufen-Plans zwar nur Perspektiven zum Ausstieg aus dem Lockdown aufzeigen wollen, gleichzeitig aber die Kultur einigermaßen deutlich vor den Kopf gestoßen, denn laut Strategiepapier soll beispielsweise die Gastronomie bereits wieder an den Start gehen können soll, wenn der Inzidenzwert an sieben aufeinanderfolgenden Tagen stabil unter 50 liegt, während Theater, Konzerthäuser und Kinos erst dann wieder für die Allgemeinheit mit Einschränkungen öffnen dürfen, wenn der Inzidenzwert über sieben Tage stabil unter 35 liegt.

Beide Szenarien sind nach Ansicht von Virologen so schnell nicht zu schaffen, da sich herausgestellt hat, dass einige Impfstoffe nicht für alle Altersschichten geeignet sind und zudem ohne Anpassung, nicht gegen die verschiedenen Mutationen von COVID-19 wirksam sind. Dafür sind weitere Forschungsergebnisse nötig, was dauern kann. Darüber hinaus sind bei verschiedenen Herstellen von Impfstoffen angeblich Produktionsprobleme aufgetreten, sodass die von der Bunderegierung angestrebte Durchimpfung der Bevölkerung nicht wie erhofft bis zum Sommer zu erreichen ist.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters fordert deshalb noch mehr Geld für Corona-Hilfen, doch der "Neustart Kultur" ist bereits schon jetzt überbucht. Also braucht es eine Aufstockung um weitere 1,5 Milliarden Euro, obwohl die zuvor beantragten Neustart-Hilfen bislang kaum zum Einsatz kommen konnten, da die Kultureinrichtungen im letzten Jahr nur kurz "neu" starten konnten.

Aber auch andere Branchen schreien um Hilfe. In den Modehäuser, die weder über die Jahreswende öffnen konnten, noch auf absehbare Zeit öffnen dürfen, stapelt sich kaum noch verkäufliche Winterware, während die bereits bestellte, aber noch nicht beglichene Frühjahreskollektion bei den ebenfalls leidenden Großhändlern auf Abruf wartet.

Bei der Kaufhauskette Galeria Karstadt, die ebenfalls um Hilfe fleht, fürchtet man bereits mit einer verschleppten Insolvenz konfrontiert zu werden. Ebenso geht es einigen Kinoketten. Den Termin für die beschlossene und beim Kartellamt beantragte Fusion von CinemaxX mit CineStar hat der Eigner nicht nur verstreichen lassen, sondern auch die Auflagen nicht eingehalten, sodass empfindliche Geldstrafen drohen, die derzeit wohl nicht beglichen werden können.

Auch bei kleineren Arthouse-Kinos, die keine große Rücklagen haben, droht eine Insolvenz, sofern nicht per Crowdfunding-Kampagnen noch rechtzeitig Geld aus der Community zusammen kommt, die auf eine baldige Wiedereröffnung hoffen, um wieder Filme auf der großen Leinwand sehen zu können.

Links: www.agkino.de | www.hdf-kino.de

Quellen: SteinbrennerMüller Kommunikation | ARD text | Tagesspiegel | Blickpunkt:Film

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