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Schildbürgerstreich aus dem Roten Rathaus

Berlins neuestes Programm zur Überwindung der Corona-Folgen geht an Filmbranche vorbei - Ein Kommentar von Katharina Dockhorn.



Meldungen zur Corona-Kriese aus der Filmbranche gibt es fast wöchentlich. Lange waren die Kinos geschlossen und auch die meisten Produktionen mussten abgesagt werden. Nun sind die Kinos zwar wieder offen, aber es gibt nur eingeschränkt Plätze und nicht genügend aktuelle Filme, um zu einer regulären Tagesordnung übergehen zu können.

Am 14. August 2020 schrieben wir einen Artikel über den Kinobetreiber Hans-Joachim Flebbe, der sein Lebenswerk gefährdet sieht, weil die Forderungen der Kinobetreiber zur finanziellen Unterstützung nicht im gewünschten Maße umgesetzt wurden.

Auch der Schauspieler Lars Eidinger hat zum fünften Jahrestag des Merkel-Zitats zur Flüchtlingskrise: "Wir schaffen Das!", wohl den Glauben an die Menschheit verloren, schrieb gestern das Portal »n-tv«.

Die Frage ist doch eher: "Wie lange braucht der Mensch noch, um sich selbst zu zerstören? Die Leute, die bei uns ankommen, sind nicht der Grund dafür, dass es den Leuten hier schlecht geht", so Lars Eidinger.

2015 konnte zwar eine "humanitäre Tragödie" verhindert werden. An einem Ziel sieht auch die evangelische Theologin Margot Käßmann die Gesellschaft jedoch noch nicht.

Eidinger nimmt im Rahmen des Fünf-Seen-Filmfestivals zudem Stellung zur Corona-Krise und deren Auswirkungen auf die Zukunft des Kinos. Er hat etwas Angst, dass das Coronavirus die Menschheit im schlimmsten Fall noch lange begleiten könnte, so der an auch der Schaubühne in Berlin arbeitende Darsteller gegenüber dem Sender RTL.


Zur Linderung weiterer Probleme, die durch die Corona-Krise entstanden sind, will der Berliner Senat den Kreativen aus der Filmbranche etwas "GUTES" tun. Doch die Probleme liegen im Detail, wie unsere Korrespondentin Katharina Dockhorn nachfolgend in ihrem Kommentar feststellt, denn das Senats-Programm zur Überwindung der Corona-Folgen geht an Filmbranche vorbei:

Soforthilfe IV 2.0

UFA-Chef Nico Hofmann und Martin Moszkovicz, mächtigster Mann der Constantin, machten in der vergangenen Woche via „Bild“-Zeitung auf die Misere der Branche aufmerksam. Viele andere Länder hätten weltweit bessere Regelungen für den Fall gefunden, dass ein Dreh wegen einer Corona-Erkrankung abgebrochen werden muss. Die Ausfallversicherungen, die sonst Risiken wie Erkrankungen von wichtigen Darstellern oder Unwetter abdecken, springen nicht ein. Und der Staat füllt die Lücke bislang nicht.

Nun könnte man meinen, der deutsche Film brauche keine Extrawurst. Erinnert sei an den öffentlichen Aufschrei, als Fleischfabrikant Clemens Tönnies darüber nachdachte, vom Staat eine Entschädigung nach der Werksschließung auf Grund zahlreicher Corona-Erkrankungen zu fordern. Und, es muss der deutschen Filmbranche leider auch ins Stammbuch geschrieben werden, dass sie in den vergangenen Jahren auffallend stumm blieb, als es galt sicherzustellen, dass Deutschland als Standort internationaler Film- und Serienproduktionen attraktiv bleibt. Selbst Malta und Rumänien bieten mittlerweile deutlich bessere Anreize, die vagabundierenden US-Produktionen ins Land zu locken, als Deutschland mit seinem bürokratischen DFFF2. Die Forderung des Studio Babelsberg, endlich ein vergleichbares Anreizmodell zu schaffen, verhallt bei der Politik ungehört und hat kaum Unterstützung vom Rest der Branche.

Berlin will der Filmbranche nun erneut helfen. Soforthilfe IV 2.0 – Zuschuss wurde das neue Programm betitelt, das für Kultur- und Medienunternehmen mit mindestens 2 Beschäftigten gedacht ist. Sie können Zuschüsse bis zu 25.000 EUR, in begründeten Ausnahmefällen bis zu 500.000 EUR erhalten. Ausdrücklich werden als potentielle Empfänger auch Filmproduktionsfirmen und Kinos genannt. Anträge können zwischen dem 31. August und 4. September 2020 gestellt werden.

Die Hürden sind allerdings hoch, fast unüberwindbar für die Filmwirtschaft. Denn ausgeschlossen sind öffentliche Unternehmen oder solche Unternehmen, welche regelmäßig oder überwiegend öffentlich gefördert werden. Man muss wahrscheinlich wie nach der Nadel im Heuhaufen suchen, um eine Berliner Produktionsfirma zu finden, die ihre Filme ohne Fördergelder aus den Etats der Medienboard, die Steuergelder aus Berlin und Brandenburg verteilt, und der Staatsministerin für Kultur und Medien produziert. Und auch viele Kinos könnten Probleme erhalten – in den vergangenen Jahren wurde die Digitalisierung der Leinwände gefördert.

„Wichtig ist, dass Antragstellende alle relevanten durch den Bund und das Land bereitgestellten Hilfsmaßnahmen genutzt haben. Insbesondere ist es eine Voraussetzung der Soforthilfe IV 2.0, dass - sofern möglich - die Überbrückungshilfe des Bundes in Anspruch genommen wird“, heißt es auf der Website der IBB zu den Fördervoraussetzungen.

Spätestens jetzt dürften viele die Beschäftigung mit dem Antrag einstellen. Nur ein Prozent der vom Bundeswirtschaftsministerium für dieses Programm bereitgestellten Milliarden sind in den vergangenen beiden Monaten abgeflossen, mussten die Ministerialen auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen eingestehen. Laut den Angaben des Ministeriums hatte die Bundesregierung erwartet, dass jedes fünfte der dreieinhalb Millionen deutschen Unternehmen auf Überbrückungshilfen angewiesen sein könnte. Tatsächlich hätten seit Juli aber nur 38.600 Firmen solche Hilfen beantragt.

Die Zurückhaltung sei den hohen, bürokratischen Hürden geschuldet. So sind nur Firmen antragsberechtigt, die im April oder Mai mind. 60% des Umsatz im Vergleich zum Vorjahresmonat durch Corona eingebüßt haben. Bestätigt werden muss dies durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. Die kalkulierten dafür, so verriet mir ein Steuerberater im Vertrauen, dafür mit Kosten von 2000,00 Euro.

Nicht nur diese Summe dürfte die potentiellen Empfänger abgeschreckt haben, das auch von der Verfasserin gleich nach der Veröffentlichung als wenig hilfreich kritisiert wurde. Wer dies Wahrnehmung dieses Bürokratiemonsters zur Voraussetzung macht, zeigt, dass er von der Realität und den Sorgen und Nöten in der Kreativwirtschaft weit entfernt ist.

Katharina Dockhorn


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