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Appell für einheitliche Kinoeröffnung, denn es gibt kaum neue Filme

AG Kino-Gilde empfiehlt Wiedereröffnungen am 2. Juli 2020 - auch Cineplex für einheitliche Kinoeröffnung in Zeiten der Corona-Krise, doch Berliner Kinos müssen noch warten.



Dr. Christian Bräuer; Vorstandsvorsitzender; Geschäftsführer der Yorck-Kino GmbH in Berlin und der Programmkino Ost GmbH in Dresden sowie Mitglied im Präsidium und Verwaltungsrat der FFA, Vize-Präsident der CICAE und Vorstandsmitglied von Europa Cinemas, gilt in der Kinobranche nicht nur als gut vernetzt, sondern hat auch in gewisser Weise bei regionalen und überregionalen Entscheidungen ein Wörtchen mitzureden.

Mit seinen insgesamt 14 Arthouse-Programmkinos in Berlin und einem Sommerkino am Berliner Kulturforum hat er allerdings in Corona-Zeiten auch mit herben Verlusten zu kämpfen.

Als Vorsitzender der AG Kino - Gilde, macht er sich aber auch Gedanken zum Status quo angesichts der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Sofern nicht wirksame Sofortmaßnahmen greifen, seien schon bald Insolvenzen bundesweit zu erwarten.

Was uns nichts nutzt, ist ein Flickenteppich.

Während die ersten beiden regulären Kinos in Deutschland ihren Betrieb bereits am 9. Mai 2020 in Hessen wieder aufgenommen haben, plädiert Christian Bräuer für eine Wiedereröffnung erst ab dem 2. Juli 2020 und empfiehlt den 370 Kinos des Gilde-Verbandes sich daran zu halten, um gegenüber den Verleihern, die bereits viele Filmstarts in den Herbst verschoben haben, eine geschlossene Kinofront entgegenstellen zu können.

Die seit letzter Woche wieder erlaubten Kinoöffnungen in Hessen waren nämlich fast ein Reinfall. Nur zwei Kinos konnten geöffnet werden und mussten sich zudem mit einem Hygiene- und Sicherheitskonzept des Landes Hessen herumschlagen, dass eine Fünf-Quadratmeter-Abstands-Regelung vorsah. Zu allem Überfluss sind derzeit überall die Plexiglasscheiben vergriffen, die an den Kinokassen angebracht werden sollten.

Während in Freiluftkinos ein Konzept mit breitem Sicherheitsabstand durch lockere Bestuhlung noch relativ leicht umsetzbar wäre, ist es in vielen anderen geschlossenen Kinos ohne Ausbau von ganzen Stuhlreihen quasi nicht möglich, der hessischen Verordnung Folge zu leisten.

Dr. Christian Bräuer hat deshalb für die AG Kino - Gilde ein eigenes Hygiene- und Abstandskonzept erarbeitet, das den Gesundheitsschutz sowie die praktischen Gegebenheiten und die Wirtschaftlichkeit des Kinobetriebes in Einklang bringe. Bei 1,50 Meter Abstand in alle Richtungen können Kinos oft nur eine Auslastung von 25 bis 30 Prozent erreichen. Eine zu geringe Auslastung beeinträchtigt aber nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Kinos und führt mitunter zu nicht gewollten Preiserhöhungen, sie reduziert ganz massiv auch die Programmvielfalt.

Mit "Undine" (der aktuell am 11. Juni 2020 starten soll) und "Berlin Alexanderplatz" (avisiert für den 25. Juni 2020) stünden zwar zwei hochkarätige deutsche Produktionen aus dem diesjährigen Berlinale-Wettbewerb in den Startlöchern, doch Blockbuster für das Mainstream-Kino werden erst dann hierzulande starten, wenn es auch international wieder so etwas wie einen Markt gibt, erläuterte Bräuer. Sowohl in den USA, als auch in den bedeutenden europäischen Kinoländern Frankreich (strebt Wiedereröffnung zum 4. Juli an) und Großbritannien (evtl. zum 1. Juli 2020) sowie in Spanien und Italien sind aber die Kinos größtenteils noch geschlossen und neue Filme demzufolge Mangelware.

Die bereits seit längerer Zeit in einigen Städten, mit Ausnahme von Berlin, geöffneten Autokinos greifen deshalb auf ältere Blockbuster wie "Die Känguru-Chroniken" oder "Nightlife" und "Das perfekte Geheimnis" zurück, die noch kurz vor der Pandemie angelaufen waren.

Kim Ludolf Koch, Geschäftsführer der Cineplex-Gruppe, hat sich zum Thema Wiedereröffnung der deutschen Filmtheater mit einem Schreiben an Staatsministerin Monika Grütters sowie an die Ministerpräsidenten und Kultusminister der Länder gewandt. Er appelliert, im Rahmen der Lockerungsmaßnahmen kultureller Angebote für die Filmtheater einen bundesweit einheitlichen und verbindlichen Termin zu finden. Mit der Forderung nach einer Öffnung am 4. Juni 2020 unterstützen wir die Position des Hauptverbands Deutscher Filmtheater (HDF Kino e.V.).

"Als größte deutsche Kinomarke, einer Kooperation von 26 mittelständischen Familienunternehmen, die in 13 Bundesländern aktiv ist, möchten wir auf die Notwendigkeit einer nationalen Regelung zur Eröffnung der Kinos hinweisen. Denn die Ware der Kinos besteht aus neuen Filmen. Junge und alte Klassiker sind längst auf zahlreichen digitalen Kanälen verfügbar und stellen somit nur in Ausnahmefällen ein vermarktbares Produkt im Kino dar. Neue Produkte/Filme kommen nur dann ins Kino, wenn im Idealfall die gesamte deutsche Bevölkerung auch Zugang zu den Kinos hat. Gibt es auf der Landkarte zu viele weiße Flecken, werden Filmverleiher ihre Produkte zurückhalten oder gar nicht im Kino vermarkten. Es muss also einen bundesweit einheitlichen Termin zur Wiedereröffnung und aufgrund des Vorlaufs zur Bewerbung der Filme eine frühzeitige Terminierung geben", so Koch.

"Keineswegs hilfreich war die Entscheidung des Landes Hessen, den Kinos eine dreitägige Frist zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs einzuräumen. In dieser Zeit ist kaum ein Unternehmen auch nur ansatzweise in der Lage, sein Kino operativ, hygienetechnisch, personell und werblich auf die Eröffnung vorzubereiten. Auch das völlige Fehlen neuer Filme zu diesem überraschenden Termin führt die Kinos in eine wirtschaftliche Schieflage, deren Schaden in vielen Fällen größer als eine Schließung ist, so Koch weiter."


Leider haben sich die Länder an die Anregungen nicht gehalten und verursachen derzeit mit unterschiedlichen Öffnungen einen Flickenteppich in Deutschland. So erlaubt beispielsweise das Saarland die Öffnung ab nächsten Montag, den 18. Mai 2020, während Österreichs Kinos erst ab 1. Juli 2020 öffnen dürfen.

Aktueller Stand der von den Bundesländern gesetzten Termine:

09. Mai: Hessen

18. Mai: Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein

25. Mai: Mecklenburg-Vorpommern

27. Mai: Rheinland-Pfalz

30. Mai: Nordrhein-Westfalen

01. Juni: Baden-Württemberg


Die Kinos in der Hauptstadt bleiben bis wenigstens 5. Juni 2020 geschlossen. Somit müssen Berliner Kinos bis nach Pfingsten mit einer evtl. Öffnung warten.

Prinzipiell seien aber Veranstaltungen mit mehr als 200 Personen im Innenbereich bis 31. August 2020 untersagt. Zudem bedarf jede Film-Veranstaltungen der expliziten Genehmigung durch die Gesundheitsbehörden. Außerdem ist eine Listenführung erforderlich, also eine Erfassung der Daten aller Kinozuschauer mit genauer Anschrift, um bei einem Corona-Verdachtsfall auch alle anderen Besucher in Quarantäne schicken zu können.

Für die Arthouse-Kinos ergibt sich zudem noch ein ganz anders Problem. Nachdem es einen Schwund an jungem Publikum in den letzten Jahren in den Programmkinos gab, wurden die meisten Umsätze zuletzt mit den Best Ager, also in den älteren Generationen erzielt. Das ist aber jetzt gerade die Zielgruppe, die nun Angst hat, ins Kino zu gehen, weil sie zur Risikogruppe gehört, so nochmals Dr. Christian Bräuer von der Yorck Kino Gruppe Berlin.

Oscars könnten bis zu vier Monaten später stattfinden.

Eine weitere Hiobsbotschaft kommt aus den USA, denn dort könnte die Verleihung der Oscars® 2021 wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Der Grund hierfür sind die ausgefallenen oder verschobenen Filmstarts. Die Filmstudios seien bereits darüber informiert worden, dass die Nominierungsphase diesmal verlängert wird, was deutliche Auswirkungen auf weltweite Filmstarts haben wird, die demzufolge bei uns noch später ins Kino kommen werden.

Zudem können erstmals auch Filme der Streaming-Anbieter wie Netflix ohne Kinostart an den Nominierungen teilnehmen, was verheerende Effekte für die Kinoindustrie haben könnte, denn die Konkurrenz der Streamingdienste hat das Kino-Geschäft nicht leichter gemacht.

Doch auf längere Sicht werden sowohl Verleiher, als auch Publikum die Kinos weiterhin brauchen, denn insbesondere das Berliner Publikum schätzt die Filmfestspiele der Berlinale sowie ihre zahlreichen Programmkinos als Kuratoren, die stets eine Vorauswahl an guten Filmen für ihre Zuschauer treffen.

In einem Offenen Brief haben daher jüngst neun Verbände, darunter der Bundesverband Regie, gefordert, „zeitnah ein Gesetz umzusetzen, das schlüssige Antworten auf die Entwicklung und die Krise findet“.

Filmecho | Blickpunkt:Film | Tagespiegel

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