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1. Hessischen Dokumentarfilmtag und unsere Filmkritiken im Jan. 2020, Teil 4

Hessischer Dokumentarfilmtag zum 40-jährigen AG-DOK-Jubiläum.



Anlässlich des 40-jährigen Bestehens der AG DOK startet die Regionalgruppe Hessen/Rhein Main am 26. Januar 2020 den 1. Hessischen Dokumentarfilmtag. Die Veranstaltung ist gleichzeitig Auftakt für eine Reihe von bundesweiten Veranstaltungen zum Jubiläum der AG DOK.

Der Hessische Dokumentarfilmtag wird ab 2020 jährlich in Kooperation mit hessischen Kinos stattfinden und bietet dem Publikum im ganzen Land Dokumentarfilme unter einem besonderen Motto. Der Tag bewirbt das Genre als wichtigen meinungsbildenden Beitrag in einer Demokratie. Zum Auftakt stehen die Filme unter dem Motto „Näher an der Wirklichkeit“. In einer Zeit des Verlustes der Glaubwürdigkeit in den Medien und in der Politik soll die Bedeutung des Dokumentarfilms, der von der Nähe zu ihren Protagonisten und Themen lebt, hervorgehoben werden.

Im Gespräch mit den Filmemachern und dem Publikum möchte der 1. Hessische Dokumentarfilmtag auch wichtigen Gegenwarts-Themen näherkommen und das Verhältnis von Dokumentarfilm und Wirklichkeit hinterfragen.

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Mehr Infos zu den Gewinnern des 41. Filmfestivals MAX OPHÜLS PREIS in Saarbrücken, bei dem gestern Abend der Hauptpreis für den besten SPIELFILM und der Preis für den gesellschaftlich relevanten Film an "NEUBAU" von Johannes Maria Schmit sowie an den Hauptdarsteller Tucké Royale für Buch und Schauspiel ging, werden wir morgen nachliefern.

"Neubau" spielt in der Brandenburger Provinz und erzählt von Markus (Tucke Royale), der hin- und hergerissen ist zwischen der Liebe zu seinen pflegebedürftigen Omas und der Sehnsucht nach einem anderen Leben. Insgesamt wurden 16 Auszeichnungen vergeben.

Link: ffmop.de

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Mit der Nazisatire "JOJO RABBIT" und dem französischen Kandidaten für den sogenannten Auslands-Oscar "DIE WÜTENDEN – LES MISÉRABLES" sind diesmal zwei nominierte Oscar Filme unter unseren heutigen Filmkritiken.

Außerdem besprechen wir das "DAS VORSPIEL" für das die Schauspielerin Nina Hoss im September 2019 beim Filmfestival im nordspanischen San Sebastián die Silberne Muschel als beste Schauspielerin erhalten hatte. Neben Jan-Ole Gersters Drama "LARA" mit Corinna Harfouch und Tom Schilling, das wir am 11.11.2019 besprochen hatten, ist "DAS VORSPIEL" sicherlich derzeit mit das Beste, was der deutsche Film zu bieten hat. Für den Film lernte Nina Hoss extra Geige spielen.

Zum Abschluss mit "DIE WOLF-GÄNG" noch ein Kinderfilm von Sony Pictures.

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"JOJO RABBIT" komödiantische Nazisatire von Taika Waititi (USA, Neuseeland). Mit Roman Griffin Davis, Thomasin McKenzie, Scarlett Johansson u.a. seit 23. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Wir haben ganz bewusst den englischen Original Trailer ausgewählt, weil darin das deutsch-englische Kauderwelsch sowie das von David Bowie auf deutsch gesungene Titellied "Heroes" mit der Textzeile "”¦ dann sind wir Helden" am Besten herauskommen.

Ulrikes Filmkritik:

Der 10-jährige Jojo (Roman Griffin Davis) freut sich riesig. Er darf im Ausbildungslager der Hitlerjugend viele tolle Sachen lernen. Stolz trägt er seine Uniform. Als er ein Kaninchen töten soll, nimmt er Reißaus. Alle brüllen ihm hinterher: „Hasenfuß, Hasenfuß...“.

Beim Granatenwerfen hat er sich selbst verletzt, hat Narben im Gesicht und fühlt sich hässlich. Jetzt darf er nur noch Propagandaplakate kleben. In Hitlers Wehrmacht ist kein Platz für Schwächlinge. „Du bist der treueste, kleine Nazi, den ich mir vorstellen kann“, tröstet ihn sein imaginäres Idol Adolf Hitler.

Immer wenn Jojo nicht weiter weiß, hält er Zwiesprache mit Adolf. Sonst sind da noch seine alleinerziehende Mutter Rosie (Scarlett Johansson) und sein dicklicher Freund Yorki (Archie Yates), die ihn trösten, wenn er Kummer hat. Dass seine Mutter sich im Widerstand engagiert, darf er nicht wissen, genau so wenig, wie die Tatsache, dass sie ein jüdisches Mädchen in der Dachkammer versteckt hält. Ihn durchzuckt es eisig, als das Mädchen Elsa (Thomasin McKenzie) plötzlich vor ihm steht. „Bist du ein Geist“ fragt er erschrocken. „Nein, etwas viel schlimmeres, ich bin eine Jüdin“.

Bisher hat er nur schreckliche Dinge über Juden gehört. Sie sollen unsichtbare Hörner tragen und die Penisspitzen von Rabbinern als Ohrstöpsel benutzen und dass die Judenkönigin an einem geheimen Ort ihre Eier ablegt.

„Was willst du jetzt dagegen tun, du süsses Hitlerchen“, fragt Adolf. Je öfter er auf Elsa trifft, desto klarer wird ihm, wer die wirklichen Übeltäter sind. Es entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen den beiden.

Jojos Fantasiefreund, der ihm ständig absurde Ratschläge erteilt, wird von Regisseur Taika Waititi gespielt. Sein Adolf ist ein dümmlicher Hanswurst. Ihm ist eine originelle Satire gelungen, die die Dummheit der Nazis mit bitterbösem Humor, zur Schau stellt. Ein Gemisch aus Ernst und Aberwitz, eine Geschichte über eine zerstörte Kindheit.

Nominiert für 6 Oscars.

Ulrike Schirm


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"DIE WÜTENDEN – LES MISÉRABLES" Sozialdrama von Ladj Ly (Frankreich). Mit Damien Bonnard, Alexis Manenti, Djebril Didier Zonga u.a. seit 23. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Der Filmtitel „Die Wütenden bezieht sich auf Victor Hugos Roman „Les Misérables“ (Die Elenden) von 1862. Viel geändert hat sich an den Lebensumständen der „Elenden“ bis heute so gut wie nichts.

Sommer 2018. Frankreich feiert den WM-Sieg. Aus allen Richtungen kommen die Menschen zusammen, um vor dem Arc de Triomphe das Ereignis zu feiern. Fröhlich mischen sich die Jugendlichen afrikanischer und maghrebischer Herkunft unter die Feiernden. Ihre Gesichter sind mit den Farben der Trikolore bemalt. Es sind die abgehängten der Gesellschaft, wohnhaft in der Pariser Banlieu, den Vorstädten der Stadt, in denen die Ärmsten der Armen wohnen. Zwischen den feiernden Franzosen haben sie für ein paar Stunden das Gefühl, dazuzugehören.

Doch schon am nächsten Tag ist ihr Alltag wieder geprägt von Armut und Gewalt.

Stéphane (Damien Bonnard) ist der Neuzugang im Spezialteam der Polizei, zugeordnet zum Anführer Chris (Alexis Manenti) und seinem Partner Gwada (Djebril Zonga), die keine Skrupel kennen. Er hat sich aus der Provinz nach Paris versetzen lassen, um in der Nähe seines Sohnes zu sein. Die Vorstädte und ihre Gewalt kennt er nicht. Schon gleich bei seinem ersten Einsatz bekommt der korrekte Polizist, der an Recht und Ordnung glaubt, die lauernde Gewaltbereitschaft zu spüren.

Sie sind im Problemviertel Montfermeil unterwegs. Noch begreift er nicht, was ihn mehr schockiert. Die Gewaltbereitschaft überall im Viertel oder der Umgang seiner Kollegen damit, denn die folgen ihren eigenen Gesetzen. Noch ahnt er nicht, dass ihm der schlimmste Tag im Laufe seiner Polizeiarbeit bevorsteht.

Einer der Jugendlichen, Issa (Issa Perica) klaut ein Löwenbaby aus einem Wanderzirkus, das lebende Maskottchen von Zorro (Raymond Lopez), dem mächtigen Oberhaupt einer Zigeunerfamilie. Das Tier muss unbedingt gefunden und zurückgebracht werden. Schon allein aus dem Grund, dass die unterbezahlten Polizisten, die sich und ihre Familien durch Korruption über Wasser halten und ihre Finger überall im Spiel haben, ihr Gesicht wahren, in einem System von Geben und Nehmen. Ihr Verdacht fällt auf Issa. Bei der Verfolgung des Jungen, haben sie nicht mit der Solidarität und dem Widerstand der Jugendlichen gerechnet. Issa wird durch eine unbeabsichtigt ausgelöste Explosion einer Reizgaspatrone ins Auge getroffen und schwer verletzt. Einer der Jugendlichen hat alles von einem Dach aus mit einer Drohne gefilmt. Um an die Speicherkarte zu kommen, lassen Chris und Gwada alle Hemmungen fallen. Sie müssen ihre Tat vertuschen. Die Atmosphäre ist aufgeheizt. Der Hass spitzt sich immer mehr zu. Die Jäger werden zu Gejagten. Stéphane ist in der Zwickmühle. Er fragt sich, ob er seine Partner bei ihren fragwürdigen Methoden unterstützen soll oder nicht.

Regisseur Ladj Ly ist selbst in Montfermeil aufgewachsen. Seine jungen Darsteller hat er dort auf der Strasse gefunden. Die sozialen Spannungen bekommen dadurch eine beängstigende Authentizität. In mitreißenden Bildern schildert der Film die Armut, Kriminalität und Gewalt der Migranten und die Willkür der Polizei, in den Pariser Banlieu. Er zeigt, wie sich die unterschwellig brodelnde Wut gegen die Brutalität der Polizei entlädt. Eine Momentaufnahme über den Zustand der Pariser Vororte, geprägt von sozialer Ungerechtigkeit und einer Jugend ohne Chance. Hart und realistisch. In Cannes gewann der Film den „Preis der Jury“ und ist als französischer Kandidat für den Oscar nominiert.

Ulrike Schirm


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"DAS VORSPIEL" Drama von Ina Weisse (Deutschland, Frankreich). Mit Nina Hoss, Simon Abkarian, Jens Albinus, Ilja Monti, Serafin Gilles Mishiev u.a. seit 23. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Das Psychodrama „Das Vorspiel“ lebt von seiner Hauptdarstellerin Nina Hoss. Sie spielt Anna Bronsky, eine überambitionierte, besessene Geigenlehrerin an einem Musikgymnasium. Sie ist verheiratet und Mutter eines Jungen. Fast mütterlich setzt sie sich gegen den Willen ihrer Kollegen beim Vorspiel für die Aufnahmeprüfung des hypernervösen jungen Geigers Alexander (Ilja Monti) ein. Sie entdeckt bei ihm ein großartiges Talent.

Voller Ehrgeiz, getrieben von dem unfreiwilligen Verzicht auf die eigene Karriere, bereitet sie ihn auf die Zwischenprüfung vor. Er wird zur Projektionsfigur ihres Abbruchs einer eigenen Karriere. Ihr 10-jähriger Sohn Jonas (Serafin Gilles Mishiev), der auch an der Schule im Geigenspiel unterrichtet wird, entwickelt schwere Eifersuchtsgefühle. Ihre zunehmende Besessenheit wird zur Qual für ihre Familie, die sie mehr und mehr vernachlässigt. Als Alexander sich ihren Anforderungen nicht mehr gewachsen fühlt, treibt sie ihn zu Höchstleistungen an. Als Ihr Kollege Christian, mit dem sie eine Affaire hat, sie überredet in einem Quintett mitzuspielen und sie schmerzhaft bei dem Konzert versagt, nimmt ihr Ehrgeiz, den schüchternen Alexander zum Bestehen der Zwischenprüfung, fast groteske Formen an. Für sein Gelingen ist sie bereit, jeden Preis zu zahlen.

Regisseurin Ina Weisse („Der Architekt“) zeigt Anna Bronsky als unruhige, unstete Frau, schwankend zwischen Hingabe und Versagensangst, deren Bezug zur Realität sich immer mehr auflöst und hinter ihrer Fassade, sich eine große Unsicherheit verbirgt.

Auf dem Filmfest in San Sebastián gewann Nina Hoss dafür den Darstellerinnenpreis. Sie spielt ihre ambivalente Frau mit großem Einfühlungsvermögen.

Ganz anders ist die Rolle des Ehemanns und Vaters (Simon Abkarian) angelegt. Im Gegensatz zu Anna, ist die Zuneigung zu seinem Sohn nicht an Bedingungen geknüpft. Er lässt ihn frei wählen. Genauso geht er auch mit Anna um. Er sieht ihre Probleme, greift aber nicht ein. Jeder soll sein Leben selbst bestimmen. Zwang und Einschränkung liegen ihm fern. Er ist eine Art Fels in der Brandung, obwohl er durchaus sieht, welche Gefahr auf die Familie zukommt.

Eine große Rolle in diesem Drama spielt die Musik. Die Geigenschüler simulieren nicht, sondern spielen tatsächlich selbst. Auch Nina Hoss hat das Geigenspiel für ihre Rolle gelernt.

Was den Film besonders macht, dass die Komplexität der Beziehungen nicht breit erklärt wird, sondern zwischen den Zeilen steckt. Kleine Gesten und Blicke können mehr erzählen, als Worte.

Ulrike Schirm


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"DIE WOLF-GÄNG" Kinderfilm von Tim Trageser (Deutschland). Mit Aaron Kissiov, Johanna Schraml, Arsseni Bultmann u.a. seit 23. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Der 13-jährige Vlad ist mit seinem Vater Barnabas nach Crailsfelden gezogen, einer fantastischen Stadt, in der Trolle, Hexen, Feen, Zwerge und Vampire, wie Vlad und Barnabas friedlich zusammenleben. Es ist nicht so ganz einfach für Vlad in eine fremde Stadt zu kommen, in der man niemanden kennt. Aber er freut sich, dass er an der berühmtesten magischen Schule der Welt lernen darf.

Doch gleich am ersten Tag passiert ihm ein Malheur. Beim Anblick eines Bluttropfens muss er sich vor versammelter Mannschaft übergeben. Er schämt sich in Grund und Boden. Ein Vampir, der kein Blut sehen kann, peinlich. Doch er steht nicht alleine da. Er freundet sich mit Faye, einer Fee mit Flugangst und Wolf, einem Werwolf mit einer Tierhaarallergie, an. Sie nennen sich die Wolf – Gäng.

Merkwürdige Dinge passieren. Die Beamten der Stadt wurden durch Zombies ersetzt. Sie arbeiten genau so schnell, kosten aber nichts. Eine Prophezeiung hat die drei auserwählt, Crailsfelden vor finsteren Gestalten zu retten. Es handelt sich um eine geheimnisvolle Verschwörung im Dunstkreis des Bürgermeisters Louis Ziffer und seiner Sekretärin Frau Circemeier. Luzifer hat vor, zur 13. Stunde, alle friedlichen Fabelwesen wieder böse zu machen. Bürgermeister Louis Ziffer entpuppt sich als Luzifer.

Regisseur Tim Trageser („Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft“) bringt Wolfgang Hohlbeins Kinderbuchreihe „Die Wolf – Gäng“ ins Kino. Die Adaption erinnert mit seinen magischen Effekten an „Harry Potter“ Filme. Die Idee ist witzig und es gibt viele fantasievolle Momente.

Ulrike Schirm


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