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Neue Filme im August '19 im Kino, Teil 4

Mit "Blinded by the Light" ist auch ein Musikfilm diese Woche am Start der Neuerscheinungen.



Bevor wir zu unseren heutigen Filmbesprechungen kommen, eine traurige Meldung vom letzten Freitag, den 16. August 2019. An diesem Tag starb der US-Schauspieler Peter Fonda in Los Angeles im Alter von 79 Jahren an den Folgen von Lungenkrebs.

Eigentlich veröffentlichen wir unsere Nachrufe immer erst am Totensonntag im November. Aber der Star des Kult-Streifens "Easy Rider" aus dem Jahre 1968 hat mit seinem lässigen Auftritt und der coolen Musik zu seinem road-trip auf dem Motorrad eine ganze Generation geprägt, ebenso wie das Woodstock Festival vor 50 Jahren, um das es in gewisser Weise auch in unserer nachfolgenden Rezension geht.

Unsere zweite Filmbesprechung ist ein Remake eines Films aus dem Jahre 2013 vom selben Regisseur. Damals erhielt der Film den Silbernen Bären der Berlinale für die darstellerische Leistung der Hauptprotagonistin Paulina Garcí­a. Diesmal soll Top-Star Julianne Moore noch einmal die "Gloria" spielen, doch an das Vorbild gereicht sie unserer Meinung nach leider nicht.

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"BLINDED BY THE LIGHT" Biopic von Gurinder Chadha (Großbritannien). Mit Viveik Kalra, Kulvinder Ghir, Meera Ganatra u.a. ab 22. August 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Filmkritik:

Im August 2019 jährt sich zum 50. Male die Erinnerung an das legendäre "Woodstock"-Festival von 1969, das drei Tage lang eine Generation prägte und die Film- und Plattenindustrie zum Anlass nimmt, noch einmal Neuveröffentlichungen der unvergessenen Rockstars herauszubringen. Zudem lief am 31. Juli 2019 in der ARD eine 95 Minuten lange TV-Produktion von Barak Goodman über die Hippiebewegung von damals, die noch in der Mediathek von »Das Erste« hier zu finden ist.

Warner Bros. Entertainment hatte bereits 1970 unter der Regie von Michael Wadleigh eine großartige "Woodstock" Dokumentation herausgebracht, die 1994 als "Director's Cut" und 2009 noch einmal restauriert in einer "40th Anniversary edition" neu aufgelegt wurde. Idee des Festivals war ein musikalischer Protest gegen das US-Establishment sowie gegen den Vietnamkrieg.

Bruce Springsteen, dessen Song "Blinded by the light" jetzt als Titel für einen weiteren Musikfilm erschienen ist, gehörte noch nicht dazu. Er war 1969 noch zu unbekannt, um auf der Bühne von Woodstock zu stehen auch wenn er sich später ebenfalls in einem Song gegen den Vietnamkrieg auflehnte. Aber erst 1975 gelang ihm der kommerzielle Durchbruch in den USA. Dennoch darf man ihn heute zu den großen Namen hinzurechnen, denn vor 31 Jahren trat er im Juli 1988 in der DDR auf, was die Presse als das Woodstock-Festival von Ost-Berlin anpries. Ein Jahr später fand dann überraschend der Fall der Berliner Mauer statt, ein weiteres Jubiläum, das nun zum 30. Mal gefeiert wird.

So ist es kein Wunder, wenn Warner Bros. dies zum Anlass nimmt, über den amerikanischen Rockmusiker und Bandleader der E Street Band sowie Oscar- und Tony-Award-Preisträger und 20-facher Grammy-Gewinner einen Spielfilm nach einer wahren Begebenheit herauszubringen. Springsteen ist weltweit äußerst populär sozial stark engagiert und einer der kommerziell erfolgreichsten Rockmusiker überhaupt.

Allerdings ist der Film keine Biografie über den Songwriter, sondern ein Biopic über den jungen britischen Teenager Javed (Viveik Kalra) mit pakistanischer Abstammung, der mit seiner Familie in Luton lebte und die Texte der Bruce Springsteen Songs verehrte. Der Jugendliche schreibt selbst Gedichte und möchte Schriftsteller werden, was seinem Vater Malik (Kulvinder Ghir) gar nicht passt. Hier driftet der Film leider ein wenig in eine läppische Komödie ab, denn der Vater ist in seinem Habitus dermaßen überzeichnet, dass es einem als Cineasten nur so graust. Doch Dank der tollen Songs und dem weiteren positiven Verlauf der Story, wollen wir ein Auge zudrücken und nicht zu pingelig sein.

In den Texten von Springsteen findet sich Javed nämlich wieder. In ihnen erkennt er Parallelen zu seinem eigenen Leben in der Arbeiterschicht. In dem Song „Independence Day“, der übrigens leider nicht auf der gleichzeitig zum Film veröffentlichten Musik-CD enthalten ist, aber im Film als zentrales Thema steht, geht es um einen Vater-Sohn-Konflikt. Ein junger Mann erklärt seinem Vater, er werde am nächsten Morgen die Stadt verlassen, endgültig. Es hat oft Streit gegeben zwischen ihnen, jetzt sucht er keine Eskalation, sondern zeigt Verständnis für den Älteren: „Papa now I know the things you wanted that you could not say.“ Doch sein Entschluss ist unverrückbar, denn: „There was just no way this house could hold the two of us / I guess that we were just too much of the same kind.“

Auch Javeds „Independence Day“ ist gekommen, jede Generation muss sich von Neuem mit ihren eigenen Visionen in der Welt beweisen. Die raue Stimme und der Kontrast zwischen der fast kindlichen Orgel und Clarence Clemons‘ mondänem Saxofon sind genial.

Ob das deutsche Publikum den Film ebenfalls als genial empfindet, muss sich erst noch erweisen. Die Filme der britischen Filmregisseurin Gurinder Chadha beschäftigen sich vornehmlich mit dem Leben von Auslandsindern, auch wenn es in diesem Fall um Pakistani geht. Zumindest dort könnte der Film neue Märkte erschließen.

W.F.


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"GLORIA - Das Leben wartet nicht" Tragikomödie von Sebastián Lelio (USA). Mit Julianne Moore, John Turturro, Caren Pistorius u.a. ab 22. August 2019 im Kino. Hier der Trailer auf Daylimotion:



Ulrikes Filmkritik:

2013 war „Gloria“ des chilenischen Regisseurs Sebastián Lelio der Publikumsliebling auf der Berlinale. Seine Hauptdarstellerin Paulina Garcia bekam den Silbernen Bären in der Kategorie Beste Darstellerin. Seinen Hauptgrund für ein amerikanisches Remake, nannte er seine Bewunderung für Julianne Moore.

Wiederholungen zu drehen ist eine zwiespältige Angelegenheit, bei der man sich die Frage stellt:

„Warum eigentlich“? Einige sind schlechter als das Original, andere wiederum besser und wie in diesem Fall, nicht besser und auch nicht schlechter, nur ein bisschen anders, besonders wenn es um den krankhaften Jugendlichkeitswahn in Los Angeles geht, der in Sao Paulo wahrscheinlich weniger ausgeprägt ist und das Leben für Frauen um die 50 erträglicher macht.

Gloria ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben. Die geschiedene Mutter von zwei erwachsenen Kindern, die tagsüber einer Bürotätigkeit nachgeht, fühlt sich etwas einsam, denn ihre Kinder leben ihr eigenes Leben und sind von der mütterlichen Fürsorge genervt.

Gloria gibt sich aber keinen getrübten Gedanken hin. Wenn sie in ihrem Auto unterwegs ist, singt sie Liebeslieder mit und da sie das Tanzen liebt, geht sie in ihrem Alter in entsprechende Clubs, wo sie sich auf der Tanzfläche der Musik hingibt. Vielleicht auch in der Hoffnung einen Mann kennenzulernen, mit dem sie ihr Leben teilen kann. Die Kamera ist stets nah bei ihr.

Julianne Moore haucht ihrer Figur eine ganz besondere Seele ein, die einen regelrecht in ihren Bann zieht. Sie ist alles andere, als ein Trauerkloß. Sie besucht Lachkurse , einen Yoga-Kurs, den ihre Tochter leitet und ist neugierig auf neue Erfahrungen.
Doch dann passiert etwas. Sie lernt beim Tanzen, Arnold (John Torturro), einen attraktiven Mann kennen. Beide genießen den gemeinsamen Abend, verbringen die Nacht miteinander und lassen sich auf eine leidenschaftlich Affaire ein, in der sie viel Zeit miteinander verbringen. Doch ihre harmonische Zweisamkeit wird getrübt. Der frisch geschiedene Arnold wird mit ständigen Telefonanrufen seiner Töchter und seiner Frau attackiert, die ihn wegen irgendwelcher Belanglosigkeiten um Hilfe bitten. Es stellt sich heraus, dass er seine Familie weiterhin finanziell unterstützen muss und seine Beziehung zu Gloria geheim hält. Sie ist enttäuscht, versucht aber Verständnis für seine Situation aufzubringen. Sie nimmt ihn mit zu einer Geburtstagsfeier ihres Sohnes, um ihm ihre Familie vorzustellen. Auch ihr geschiedener Mann mit seiner Frau sind da.

Die Stimmung ist fröhlich und Arnold wird von allen Anwesenden akzeptiert. Plötzlich ist er verschwunden. Wieder ist Gloria enttäuscht. Sie hat das Gefühl, dass er nicht zu ihr steht. Doch sie gibt ihm noch eine Chance. Bei einem romantischem Wochenende in Las Vegas, versuchen sie es noch einmal miteinander, zumal Arnold ihr versichert, dass sie das Allerwichtigste in seinem Leben sei. Die ständigen Anrufe hören nicht auf. Arnold bemüht sich, nicht zu reagieren. Gloria schlägt spontan eine gemeinsame Reise nach Spanien vor, in dem Glauben, dass ihre Beziehung sich gebessert hat. Arnold verschwindet wieder. Wie betäubt stürzt sie sich ins Nachtleben von Las Vegas. Ernüchtert wacht sie morgens auf einem Liegestuhl am Pool eines fremden Hotels auf. Verzweifelt ruft sie ihre Mutter an, die sofort kommt, um sie abzuholen. Es ist ein besonders berührender Moment, so, als ob die verletzte Gloria, trostsuchend in den Schoss der Mutter zurückkehrt.

Zurück in L.A. klingelt unentwegt ihr Telefon. Sie reißt den Stecker aus der Wand, dann sieht sie Arnold doch noch einmal wieder.

Feinfühlig bleibt Lelio ganz nah bei seiner Protagonistin und verfolgt sie aus allen möglichen Blickwinkeln auf ihrer emotionalen Achterbahnfahrt der Gefühle. Trotz aller Rückschläge steht sie wieder auf und begibt sich auf die Tanzfläche, man könnte sagen, auf die Tanzfläche des Lebens, bereichert durch eine neue Erfahrung. Eine Hommage an alle Glorias dieser Welt.

Zitat: „Ich sterbe hoffentlich tanzend, wenn die Welt untergeht“ (Gloria Bell)

In weiteren Rollen: Barbara, Jeanne Tripplehorn, Rita Wilson Michael Cera, Brad Garret u.v.m. Regie und Drehbuch: Sebastián Lelio („Eine fantastische Frau“)

Ulrike Schirm


Zum Vergleich hier noch einmal der Trailer des chilenischen Films "GLORIA" aus dem Jahre 2012 ebenfalls von Sebastián Lelio mit Paulina Garcí­a als Gloria sowie mit Sergio Hernandez und Marcial Tagle.



Wie bereits oben erwähnt, gewann der Film den Silbernen Bären der 63. Internationalen Filmfestspiele Berlin, der Berlinale 2013.


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